G. F. Unger 2182 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2182 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Inmitten der Senke liegen die beiden umgekippten Bagagewagen der Armee. Bei den Wagen, hinter denen sie Deckung suchten, sind überall die Toten im niedergetrampelten Büffelgras zu erkennen. Jim Kehoe reitet langsam umher. Widowmaker, sein Wallach, schnaubt nervös. Die Toten schrecken ihn jedoch weniger, als man annehmen könnte. Er ist ein erfahrenes Kriegspferd, dem auch Blutgeruch nicht fremd ist. Dass er so unruhig schnaubt, muss einen anderen Grund haben. Aber sooft Jim Kehoe auch seinen scharfen Blick in die Runde schickt, er kann nichts von einer Gefahr erkennen.
Er scheint mit dieser bis auf den letzten Mann niedergemachten Patrouille, die den Zahlmeister von Fort Reno nach Fort Phil Kearney begleiten sollte, allein zu sein.
Das Gefühl der Gefahr verlässt Jim Kehoe nicht. Und dann, als er wieder einmal seinen grauen Wallach herumzieht, schnappt er den Colt heraus, ohne auch nur einen Sekundenbruchteil zu zögern. Seine Lippen verziehen sich zu einem Lächeln, in dem keine Spur von Freundlichkeit ist ‑ nur Härte und Verwegenheit, Todesverachtung und lauernde Gefährlichkeit ...


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Seitenzahl: 159

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Fährten des Krieges

Vorschau

Impressum

Fährten des Krieges

Inmitten der Senke liegen die beiden umgekippten Bagagewagen der Armee. Bei den Wagen, hinter denen sie Deckung suchten, sind überall die Toten im niedergetrampelten Büffelgras zu erkennen. Jim Kehoe reitet langsam umher. Widowmaker, sein Wallach, schnaubt nervös. Die Toten schrecken ihn jedoch weniger, als man annehmen könnte. Er ist ein erfahrenes Kriegspferd, dem auch Blutgeruch nicht fremd ist. Dass er so unruhig schnaubt, muss einen anderen Grund haben. Aber sooft Jim Kehoe auch seinen scharfen Blick in die Runde schickt, er kann nichts von einer Gefahr erkennen.

Er scheint mit dieser bis auf den letzten Mann niedergemachten Patrouille, die den Zahlmeister von Fort Reno nach Fort Phil Kearney begleiten sollte, allein zu sein.

Das Gefühl der Gefahr verlässt Jim Kehoe nicht. Und dann, als er wieder einmal seinen grauen Wallach herumzieht, schnappt er den Colt heraus, ohne auch nur einen Sekundenbruchteil zu zögern. Seine Lippen verziehen sich zu einem Lächeln, in dem keine Spur von Freundlichkeit ist - nur Härte und Verwegenheit, Todesverachtung und lauernde Gefährlichkeit ...

Er sieht fünf indianische Reiter kommen. Ihre bunten, mit allerlei Zeug geschmückten Mustangs verursachen mit den unbeschlagenen Hufen kaum ein Geräusch im dichten Büffelgras. Aber es sind nicht nur die fünf Indianer, die auf seiner Fährte aus dem Tannenwald auftauchen.

Andere Krieger reiten von rechts, von links und auch hinter ihm heran wie ein unaufhaltsames Schicksal, vor dem es keine Rettung gibt.

Jim Kehoe will das graue, narbige Tier herumreißen, ihm die Absätze in die Weichen drücken und einen wilden Schrei ausstoßen, der den Wallach hätte losstürmen lassen.

Aber als er überall in der Runde die Krieger auftauchen sieht, da weiß er, dass er weder verwegen fliehen noch sich den Weg freischießen kann.

Ein Glück für ihn, dass er sich mit Sioux auskennt, ganz besonders mit Hunkpapas und Oglalas, die zu den sieben Sioux-Stämmen gehören.

In einer so ausweglosen Situation kann man sich im besten Falle nur ihre Achtung erringen.

Dann sind sie entweder stolz darauf, ihn rasch zur Hölle zu schicken, oder sie erweisen sich als ritterliche Gentlemen, um sich gewissermaßen selbst zu ehren.

Jim Kehoe hält seine beiden Revolver fest in den Händen und blickt auf einen Roten, den Anführer der Kriegshorde.

Er kennt ihn mehr als nur flüchtig. Als Knaben waren sie in Fort Laramie – als Laramie noch nicht der Armee gehörte, sondern ein Camp der Händler und Handelskompanien war – oft tagelang beisammen, immer dann, wenn die Oglalas kamen, um Tauschgeschäfte mit den Händlern zu machen.

Der rote Riese auf dem hageren Rappen ist Red Bull.

Er ist einer der prächtigsten Indianer, die Jim Kehoe jemals gesehen hat. Die Narben auf seiner nackten Brust und an seiner linken Wange geben ihm das Aussehen eines besonders streitbaren, gefürchteten Kriegers.

Lässig sitzt er auf seinem geschmückten Rappen. Die Feldjacke des toten Lieutenants hat er sich lose über die Schultern gehängt. Auch Lieutenant Ray Anderson ist ein stattlicher Mann gewesen.

Jim Kehoe richtet beide Colts auf ihn und erkennt, dass sich Red Bulls harter Mund zu einem kaum merklichen Grinsen verzieht und dass es in seinen graugrünen Augen zu funkeln beginnt.

Dann haben die Roten Jim Kehoe eingekreist. Mit ihren Kriegslanzen und Keulen könnten sie ihn von allen Seiten erwischen. Binnen einer einzigen Sekunde würde er tot vom Pferd fallen.

Jim weiß es, doch er achtet nicht darauf.

Wyoming Jim Kehoe blickt nur Red Bull an und hält die zurückgelegten Hämmer seiner beiden Colts mit den Daumen fest.

Seine Waffen haben keine Abzüge. Er braucht nur die Daumen zu heben, dann hacken die Hämmer auf die Patronenböden und lösen die Schüsse.

Red Bull weiß es, und dieses Spiel scheint ihm Spaß zu bereiten.

Nach einer Pause sagt er kehlig: »Ich sehe dich, Schwarzwolf. Wir kennen uns gut, nicht wahr?«

»Ja«, nickt Jim Kehoe. »Und weil wir uns so gut kennen, weißt du, dass ich dir noch zwei Kugeln in den Kopf schießen kann, bevor deine Krieger mich vom Gaul kriegen.«

Red Bull nickt ernsthaft. Seine Augen funkeln noch mehr, denn dies ist ein Spiel, das jeder richtige Sioux liebt.

»So ist es«, sagt er. »Aber ich hätte dich schon längst töten lassen können. Du kamst ahnungslos dahergeritten – bis du dort oben vom Wald aus in diese Senke sehen konntest. Aber da war es schon zu spät für dich. Ich könnte dich längst tot vor meinen Füßen haben. Doch ich ließ dich leben, denn ich brauche dich als Boten.«

Er macht eine Pause, und seine schrägen Augen werden schmal.

»Lass hören«, sagt Kehoe pulvertrocken. »Lass hören, Vetter!«

Red Bull richtet sich noch stolzer im Sattel auf. Er sitzt in einem erstklassigen Sattel. Später wird Kehoe erfahren, dass dieser Sattel für Colonel Henry B. Carrington in Fort Phil Kearney bestimmt war.

»Ich bin ein kleiner Häuptling«, sagt Red Bull langsam. »Aber ich werde ein großer Häuptling sein. Ich sperre den Weg nach Fort Phil Kearney. Reite nach Fort Reno zurück und melde dort, dass kein Weißer mehr über Fort Reno und den Powder River hinaus nach Norden oder Westen kommt. Ich und meine Krieger töten sie alle, denn ich habe den Vertrag von Laramie nicht unterzeichnet. Ich war ein kleiner Häuptling und werde groß. Berichte den Soldatenhäuptlingen von mir. Sag ihnen, dass Red Cloud zwar mein Onkel ist, doch selbst, wenn er den Vertrag unterzeichnet hätte, würde ich euch gegen seinen Willen bekämpfen. Steig von deinem Pferd! Ich will es haben!«

Der plötzliche Wechsel des Themas überrascht Jim Kehoe nicht. Er kennt sich mit den Sioux zu gut aus. Außerdem hatte Red Bull während der letzten Minuten nur noch verlangend auf Kehoes grauen Wallach gestarrt.

»Und wenn ich es dir nicht gebe?«, fragt Kehoe.

»Ich finde auch einen anderen Boten, der die Kunde von meinem Sieg über diese Pferdesoldaten in eure Forts bringt«, erwidert Red Bull. »Es leben da und dort noch einige Weiße im Powder-River-Land und zwischen diesem Pulverfluss und dem kleinen Big Horn River im Norden, nicht wahr?«

»Du würdest sie nicht mehr finden – du nicht«, murmelt Jim Kehoe. »Du könntest nur noch eine Sekunde in die Sonne sehen.«

»Ich will dein Pferd«, wiederholt Red Bull kehlig. Diesmal spricht er die Worte in Englisch. Er beherrscht die Sprache der Weißen gut, lebte er doch als Knabe viele Jahre in der Nähe der weißen Händler bei Fort Laramie.

»Ich will dein Pferd!«, sagt Red Bull noch einmal.

Jetzt nickt Jim Kehoe.

Er steckt seine Revolver weg und erwidert: »Ich sehe es ein, Vetter. Ich bin in eurer Hand. Dich und zwei oder drei deiner Krieger könnte ich töten – aber dann ...«

Er verstummt und bewegt bezeichnend seine Handkante unter dem Kinn am Hals vorbei.

Dann sitzt er ab.

Als er neben seinem Pferd steht, fragt er bescheiden: »Soll ich nach Fort Reno laufen, um dort von dem großen Häuptling zu erzählen, der hier gesiegt hat und noch mehr Siege erringen will, der den Bozeman-Weg nach Fort Phil Kearney sperrt und wie ein großer, mächtiger Stern, dessen Glanz alle anderen Sterne überstrahlt, aufsteigen will? Soll ich das?«

Er hat kaum ausgesprochen, als man ihm ein Pferd bringt, ein Armeepferd. Es ist das Tier Lieutenant Ray Andersons.

Gewiss, es ist ein gutes, ein schönes Pferd, aber gegen Jim Kehoes Widowmaker – Witwenmacher – ist es wie ein harmloses Haushündchen neben einem narbigen Büffelwolf.

Für einen Indianer ist Widowmaker zehnmal wertvoller als so ein Offizierspferd der US-Kavallerie.

Jim Kehoe nimmt das Tier jedoch, ohne ein Wort zu sagen.

Er wäre auch mit einem blinden Esel zufrieden gewesen.

Kehoe schwingt sich in den Sattel und hebt seine Hand.

»Woyuonihan«, sagt er. »Respekt, Häuptling und Vetter, Respekt! Ich reite also, um deinen Ruhm zu verkünden. Danke für das Pferd.«

Dann fügt er in Comanche, der Sprache seiner Großmutter, hinzu: »Tsei houdei kyh-gou-p gaux-kin!«

Red Bull versteht das Sprichwort sofort. Es lautet: In einem Blizzard hat ein blindes Pferd mehr Verstand als ein kluger Mann.

Während Red Bull darüber nachdenkt, was das Sprichwort bedeuten könnte, reitet Jim Kehoe aus dem sich öffnenden Kreis der Roten und legt eine Strecke von etwa vierzig Yards zurück.

Dann aber kommt der große Zaubertrick, der erste, den Kehoe den Roten zeigt. Er stößt einen schrillen Pfiff aus. Es ist ein seltsam wilder, misstönender Pfiff.

Die farbenprächtigen und mit allen Beutestücken ihres Sieges über die Soldaten geschmückten Oglalas, die eben noch ihren Häuptling bestaunten, der sich inzwischen auf Jim Kehoes Witwenmacher geschwungen hat, sehen eine ganz besondere Vorstellung.

Red Bull verwandelt sich in einen Vogel. Er fliegt etwa sieben Yards weit und kracht dann zu Boden.

Der wilde Schrei, den er ausstößt, während er aufspringt, macht die Pferde der Krieger verrückt.

Witwenmacher geht über Red Bull hinweg, tritt ihn zweimal und wuchtet ihn nochmals auf den Boden.

Als wäre Witwenmacher ein gepanzertes Nashorn, so prescht er in das Durcheinander.

Er rammt sie zur Seite, die kleinen Mustangs. Manchmal beißt er im Vorbeidonnern böse zu oder keilt nach hinten aus.

Als er Jim Kehoe einholt, hat dieser bereits eine Strecke von fünfhundert Yards zurückgelegt. Jim wirft sich von Lieutenant Ray Andersons galoppierendem Pferd auf Witwenmachers Rücken. Inzwischen haben sie einen kleinen Vorsprung vor der brüllenden Kriegshorde, die ihnen als dichte Traube folgt und aus der sich allmählich einige schnelle Reiter nach vorn schieben.

Doch auch diese schnellen Tiere lässt Widowmaker allmählich zurück.

Das ledige Offizierspferd hält prächtig mit.

Red Bull bleibt am Kampfort. Erst nach einer Weile kommt er auf die Beine. Er dreht sich wie ein Betrunkener und schwankt.

Dann schwört er sich, dass er nicht ruhen wird, bis Jim Kehoes Skalp an seinem Gürtel hängt, denn noch nie wurde ein ehrgeiziger Häuptling vor all seinen Kriegern so von einem weißen Scout blamiert.

Noch nie!

Eine Stunde später hat Jim Kehoe die rote Kriegshorde abgeschüttelt.

Er lässt Witwenmacher aus dem Galopp in einen langen Trab fallen. Das andere Pferd, das etwas zurückgeblieben war, holt langsam auf und schließt sich an.

Kehoes Gedanken arbeiten, denn er hat einige Probleme zu bewältigen.

Er ist von Fort Phil Kearney gekommen, um nach der Patrouille mit dem Zahlmeister und den beiden Nachschubwagen zu sehen, die längst überfällig war.

Er fand sie.

Und nun soll er nach Fort Reno reiten.

Soll er das wirklich tun?

Muss er nicht viel dringender Fort Phil Kearney warnen und dort berichten, dass die Roten wieder einmal einen neuen Messias zu haben glauben?

Oder muss er Fort Reno warnen und berichten, dass jeder neue Wagenzug und jede Patrouille in Gefahr sind, wenn sie auch nur ihre Nasenspitze über den Powder River schieben?

Jim Kehoe entscheidet sich für Fort Phil Kearney, denn von da hat man ihn ausgeschickt, um nach dem überfälligen Nachschub zu sehen. Die Jungs dort am Fuß der Big-Horn-Berge müssen wissen, dass sie vorerst nicht mit weiteren Waffen und Munition rechnen können.

Da er in Richtung Fort Reno geflüchtet ist – also nach Süden zu –, muss er nun umkehren. Er lenkt sein Pferd in einen Creek. Nach etwa einer halben Meile verlässt er das Wasser, das den Pferden bis zu den Knien reicht, an einer Stelle, an der eine dunkle Felsbank in den Creek ragt, auf der die Hufe nur wenige Kratzer hinterlassen.

Das Pferd des toten Lieutenants Ray Anderson folgt ihm geduldig und müht sich, auch dann den Anschluss zu behalten, als Jim Kehoe seinen Widowmaker in einen langen Trab fallen lässt, der ihn rasch vorwärts bringt. Jim weiß, dass er einen weiten Bogen nach Westen schlagen muss, wenn er ohne Kummer an der Bande Red Bulls vorbeikommen will.

Gegen Mitternacht stößt er auf den Bozeman-Weg und reitet auf diesem weiter. Das Pferd des Lieutenants ist immer noch bei ihm. Doch obwohl es ohne Sattel und ohne jede Last läuft, ist es so erschöpft, dass es bald zurückbleiben wird.

Jim Kehoe hat Mitleid mit dem Tier, denn er weiß, dass dieses Kavalleriepferd wahrscheinlich noch nie allein war, sondern sich stets in Gesellschaft von Artgenossen befand. Das Tier hat Angst davor, in diesem Land allein zu sein. Deshalb strengt es sich so sehr an. Hört es doch da und dort in weiter Ferne die Wölfe heulen, Büffelwölfe, die besonders groß sind.

Als der Mond zu strahlen beginnt, hält sich Jim Kehoe im Schatten der Hügelkämme.

Es ist etwa eine Stunde nach Mitternacht, als er das große Feuer in der Dunkelheit erkennt.

Jim Kehoe weiß sofort, wessen Feuer das ist. Er hält Witwenmacher an und zögert. Während er überlegt, kommt auch Lieutenant Andersons erschöpftes Pferd heran und bleibt mit gespreizten Vorderbeinen und gesenktem Kopf stehen.

Der Atem des Tieres rasselt. Wahrscheinlich gibt das erschöpfte Pferd den endgültigen Ausschlag für Jim Kehoes Entscheidung.

Er sagt heiser: »Nun, Red, dann komm noch ein kleines Stück mit uns. Komm mit zu French Charly Hotmillers Handelscamp.«

Nach diesen Worten reitet er langsam an.

Dicht neben dem Wagenweg nach Montana stehen vier große Planwagen. Sie bilden einen Winkel, denn French Charly braucht in diesem Land keine Wagenburg.

Es gibt zwei große Seilcorrals. In einem bewegen sich Pferde. In dem anderen sind die Zugmaultiere, acht Tiere für jeden der Wagen.

Neben dem großen Feuer, an dem Charly Hotmillers Mannschaft hockt, befindet sich noch ein zweites, kleineres. Zwischen den Wagen ist eine große Zeltplane aufgespannt, und diese Plane ist gewissermaßen das Dach von Charly Hotmillers fahrendem Store.

Die Mannschaft besteht aus zwei Indianern, einem riesigen Neger und zwei Halbblutmännern.

Hotmillers Frau ist eine Arapahoe-Häuptlingstochter, und sie galt damals als die schönste Indianerin westlich des Missouri.

Jim Kehoe reitet langsam auf das Camp zu. Erst als er die Grenze des Feuerscheins erreicht, hält er an. Das ledige Pferd schiebt sich neben ihn und schnaubt dankbar.

Kehoe forscht scharfäugig, wer in diesem Handelscamp am großen Feuer versammelt ist. Er sieht lediglich Charly Hotmillers Männer. Die meisten schlafen schon in ihren Decken.

Das Feuer brennt nur deshalb noch so hell, um zu verkünden, dass hier French Charly Hotmiller Tag und Nacht auf Kundschaft wartet, dass man zu jeder Zeit willkommen ist, wenn man etwas kaufen oder tauschen will.

Dieser fahrende Store im Land der Sioux und Cheyenne ist immer geöffnet. Und wo Hotmiller sein Camp aufschlägt, da ist für Freund und Feind neutraler Boden.

Kehoe glaubt schon, dass Hotmiller mit seiner Mannschaft allein ist. Doch dann sieht er das gescheckte Pferd, das außerhalb des Seilcorrals hart an der Grenze des Feuerscheins unter den schattigen Zweigen einer Burreiche, die das Mondlicht nur wenig durchsickern lassen, angebunden ist.

So ein verrückt geschecktes Pferd gibt es gewiss nur einmal auf dieser Welt.

Jim weiß, wem es gehört. Vor etwa acht Stunden sah er den Mann. Es ist jener Mann, dem dieser Schecke beim Anblick von Kehoes Witwenmacher nicht mehr gut genug war und der dann so großen Wert auf Kehoes grauen Wallach legte.

Red Bull muss in diesem Camp sein.

Die Erkenntnis ist für Jim Kehoe, der am vergangenen Nachmittag mit knapper Not und einer Menge Glück seinen Skalp retten konnte, etwas beunruhigend und erschreckend.

Einen Moment glaubt Jim Kehoe, dass Red Bull ihm abermals eine Falle gestellt hat und nun doch noch den prächtigen Witwenmacher bekommt. Er blickt sich blitzschnell um und wäre nicht überrascht gewesen, überall Red Bulls Krieger auftauchen zu sehen.

Aber beim nächsten Gedanken ist dieses Erschrecken auch schon wieder fortgewischt.

Denn hier ist neutraler Boden.

Das ist in diesem Land so gut wie Gesetz. Auf Charly Hotmiller sind hier alle angewiesen. Er ist ein ehrlicher Händler, den die Indianer nötiger brauchen als viele, viele andere Dinge. Hotmiller ist tabu. In seinem Camp ist sein Wille Gesetz. Das respektieren alle, selbst die größten Feinde.

Denn was machten sie ohne ihn, der schon jahrelang ehrlich mit ihnen Handel treibt und mit einer Häuptlingstochter der stolzen Arapahoes verheiratet ist?

Jim Kehoe blickt vom Sattel aus über das große Feuer hinweg in den Winkel der Wagen. Dort am kleineren Feuer erkennt er einige Gestalten. Plötzlich weiß er, dass Red Bull dort bei Charly am Feuer sitzt – allein und ohne jede Begleitung.

Jim Kehoe grinst und lenkt seinen Wallach mit einem Schenkeldruck vorwärts.

Er reitet durch den Feuerschein, und der einzige noch Wache haltende Mann von Hotmillers Mannschaft sieht ihn träge an.

Als er dann absitzt und sich dem Feuer nähert, das im Winkel der Wagen brennt, sieht er dort vier Menschen.

Einer davon ist Red Bull. Er springt bei Kehoes Anblick auf, zuckt dann jedoch zusammen und krümmt sich kaum merklich, etwa so wie ein Mann, der starke Schmerzen hat und dies nicht zeigen möchte.

»Hokahey«, sagt Jim Kehoe trocken. »Ich sehe dich, Red Bull! Und ich sehe eine Flasche von Charlys Wundermedizin vor deinen Füßen am Boden. Hey, hat mein Widowmaker dich so schlimm abgeworfen, dass dir alles weh tut?«

Red Bull lässt seine Hand, die wie schützend vor der Magenpartie lag, sinken und versucht, sich möglichst stolz aufzurichten. Er ist ein großer, unwahrscheinlich gut gewachsener und prächtig anzusehender Krieger.

In seinen grauen Augen funkelt es heiß, aber dann werden sie schmal und wirken verschlagen. Er schluckt zweimal hart, als müsste er einen rauen Kloß hinunterwürgen.

Dann aber zeigt er sein Format, und er bemüht sich, ein möglichst präzises Schulenglisch zu sprechen.

Er sagt: »Das war ein guter Trick, Wyoming Jim, ein sehr guter. Das macht ein Kriegspferd noch wertvoller. Ich denke, es steht jetzt unentschieden zwischen uns. Ich hatte dich in meiner Hand, doch ich ließ dir das Leben. Du durftest reiten. Und du revanchiertest dich für die erlittene Niederlage mithilfe deines Widowmakers. Ich werde mich dafür rächen. Ich bekomme auch deinen Skalp! Ich bekomme alles, was zu dir gehört. Du bist in die falsche Richtung geritten, Wyoming Jim! Du bist schon tot, obwohl du noch lebst.«

Nach diesen Worten bückt er sich nach der Flasche mit Hotmillers Wundermedizin. Er nimmt sie auf und geht davon – nein, schreitet davon, Zoll für Zoll ein prächtig anzusehender, stolzer Häuptling.

Nach vier Schritten hält er inne, wendet sich noch einmal und blickt zurück.

Er sieht nicht Jim Kehoe an, auch nicht Charly Hotmiller, dessen Eltern noch Chaudmeunier hießen, was ebenfalls Heißmüller heißt.

Er blickt auch nicht auf die immer noch schöne indianische Frau des Händlers.

Seine Augen richten sich auf die zweite Frau am Feuer.

Auch Jim sieht sie an.

Sie ist noch ein Mädchen, und sie ist noch schöner, als es ihre Mutter, die indianische Prinzessin, in ihrer Jugend gewesen war.

Red Bull blickt dieses Mädchen an, und es ist, als hätte er alle anderen am Feuer vergessen.

Als er spricht, gebraucht er den Dialekt der stolzen Arapahoes.

»Ich hatte eine erfolgreiche Jagd, denn ich fand das Mädchen, das gut genug ist, einmal die Squaw des größten Kriegshäuptlings alles Siouxstämme zu werden!«

Dann wendet er sich an Charly Hotmiller.

»Gib sie keinem anderen Mann! Sie gehört mir! Und du kannst stolz darauf sein, dass sie meine Squaw wird. Sehr stolz!«

Nach diesen Worten betrachtet er das Mädchen noch einmal mit einem zwinkernden, funkelnden, Besitz ergreifenden Blick.

Dann geht er.

Jim Kehoe sieht ihm nicht nach. Er kann seinen Blick nicht von dem Mädchen losreißen.

Und als er sieht, dass sie Red Bull nachschaut, als hätte dieser sie in Trance versetzt, klatscht er plötzlich mit seinen harten Händen, dass es wie ein Revolverschuss klingt.