G. F. Unger 2189 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2189 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Es war Spätfrühling, fast schon Sommer, als ich aus den Bitter Roots hinunter zum Missouri kam. Es lag ein guter Jagdwinter hinter mir und meine drei Packpferde hatten an meiner Pelzausbeute schwer zu tragen gehabt. Über dreitausendfünfhundert Dollar hatte sie mir eingebracht. Dreitausend hatte ich auf meinem Konto gutschreiben lassen. Über fünfhundert trug ich noch bei mir, um sie in Fort Benton auf den Kopf zu hauen. Das hatte ich mir nämlich redlich verdient, so glaubte ich.
Auf dem Rückweg zu meinem Tal würde ich dann noch einen Besuch bei den Nez-Percé-Indianern machen. Ich war ja zu einem Viertel einer von ihnen, und wir verstanden uns prächtig miteinander.
Nachdem ich also die geschäftlichen Dinge erledigt hatte, schlenderte ich ein Stück am Fluss entlang, um mir das Leben und Treiben dort anzusehen.
Plötzlich kam ich an eine Stelle, wo sich eine kleine Menschenmenge um zwei Käfige versammelt hatte, die sich auf zwei Wagen gegenüberstanden. In den Käfigen befanden sich zwei Hunde.
Neugierig ging ich näher.
Wie hätte ich ahnen können, dass diese beiden Hunde schon bald mein Leben gewaltsam verändern sollten!


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Seitenzahl: 159

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Montana Wade

Vorschau

Impressum

Montana Wade

Es war Spätfrühling, fast schon Sommer, als ich aus den Bitter Roots hinunter zum Missouri kam. Es lag ein guter Jagdwinter hinter mir, und meine drei Packpferde hatten an meiner Pelzausbeute schwer zu tragen gehabt. Über dreitausendfünfhundert Dollar hatte sie mir eingebracht.

Dreitausend hatte ich auf meinem Konto gutschreiben lassen. Über fünfhundert trug ich noch bei mir, um sie in Fort Benton auf den Kopf zu hauen. Das hatte ich mir nämlich redlich verdient, so glaubte ich.

Auf dem Rückweg zu meinem Tal würde ich dann noch einen Besuch bei den Nez-Percé-Indianern machen. Ich war ja zu einem Viertel einer von ihnen, und wir verstanden uns prächtig miteinander.

Nachdem ich also die geschäftlichen Dinge erledigt hatte, schlenderte ich ein Stück am Fluss entlang, um mir das Leben und Treiben dort anzusehen.

Plötzlich kam ich an eine Stelle, wo sich eine kleine Menschenmenge um zwei Käfige versammelt hatte, die sich auf zwei Wagen gegenüberstanden.

In den Käfigen befanden sich zwei Hunde.

Neugierig ging ich näher.

Wie hätte ich ahnen können, dass diese beiden Hunde schon bald mein Leben gewaltsam verändern sollten!

In jedem dieser Käfige war also ein Hund oder jedenfalls ein Tier, welches man für einen Hund halten konnte. Und dennoch unterschieden sie sich äußerlich sehr.

In dem einen Käfig befand sich ein Prachtexemplar von einem Wolfshund, ein großer und gewiss auch kluger Bursche, ein Rüde. Ja, ich glaubte sofort, dass er Wolfsblut in den Adern hatte.

Ganz ruhig hockte er da und schien die Blicke der Leute nicht zu bemerken und ihre Stimmen nicht zu hören. Denn es war ein fortwährendes Stimmengewirr um die beiden Käfige.

Ich sah in den anderen Käfig und dachte auch schon: O Himmel, was ist das?

Ja, in diesem Käfig war auch ein Hund, aber in ihm waren viele Rassen vertreten. Dieses Tier war für den Kampf gezüchtet. Wahrscheinlich waren seine Väter und Mütter, also seine Vorfahren, Bullterrier, Bluthunde, Wölfe und irgendwelche Rassen anderer Erdteile, die ich nicht kannte.

Dieser Bursche da, der immerzu knurrte, sah gefährlich aus. Und sein Fang ließ gewiss auch im Tode nicht mehr los, was er einmal gepackt hatte.

O Hölle, der da war ein Killer!

Man sah es ihm an. Und ständig witterte und knurrte er zum anderen Käfig hinüber, so als könnte er es kaum erwarten, dem Artgenossen den Garaus zu machen, ihm also an die Kehle zu gehen und nicht mehr loszulassen.

Eine Stimme rief durch das Stimmengewirr: »Also, Leute, es werden noch Wetten angenommen! Es geht darum, wie lange der Wolf gegen Tigerkiller durchhalten kann. Denn dass er verlieren wird, leuchtet jedem Menschen ein. Aber wie lange hält er durch – eine Minute, zwei, drei, vier, fünf – oder gar zehn? Und für die Einsätze zahlen wir den Minuten entsprechend. Hält der Wolf also zehn Minuten durch, zahlen wir für einen Dollar zehn. Wer wagt es? Für einen Dollar können Sie zehn bekommen, wenn der Wolf durchhält!«

Ich hörte es und wollte es nicht glauben.

Aber es war so. Dies hier war eine verdammte Bande. Sie hatte einen Killerhund, den sie Tigerkiller nannten und gegen den kein anderer Hund auf dieser Erde eine Chance besaß. Sie konnten gewiss nirgendwo einen gleichwertigen Gegner finden. Also wurde nur auf die Minuten gewettet, die der Wolfshund noch am Leben blieb und die der ungleiche Kampf dauerte.

Ja, der Wolfshund war zum Tode verurteilt.

Denn die Bestie würde ihn zerfetzen. Noch niemals in meinem Leben sah ich so einen Hund. Ich konnte mir bisher nicht mal vorstellen, dass es solch einen Hund überhaupt gab.

Der Wolf tat mir leid.

Ich drängte mich durch die Menge und trat dicht an seinen Käfig.

Und als hätte ich leise etwas zu ihm gesagt, wandte er den Kopf und sah mich an. O Himmel, in seinen Augen war ein fast menschlicher Ausdruck. Jedenfalls empfand ich das so. Ich erkannte in seinen Augen Stolz und Mut, aber zugleich wusste er wohl, dass er zum Tode verurteilt war. Dennoch verlor er nicht seinen Stolz.

Er hockte ruhig auf seinem Hinterteil, hatte die Vorderbeine steif am Boden und sah mich ruhig an.

Was für ein prächtiger Bursche er war!

Er war ein Hund – aber irgendwie kam er mir wie ein Bruder vor.

Denn war ich nicht auch einer von der Sorte, die selbst im Angesicht des Todes ihren Stolz und Mut nicht verlieren würden?

Und verdammt allein war er, einsam – nur umgeben von einer gierigen Menge, die Wetten darauf abschloss, in welcher Minute ihn der Tigerkiller erledigt haben würde.

Verdammt, dachte ich, das lasse ich nicht zu.

Immer noch sah ich in seine Augen, und es war mir, als veränderten sie ihren Ausdruck. Sollte er tatsächlich irgendwie spüren, dass er nun nicht mehr allein war in seiner Not?

Ich sah mich endlich nach den Kerlen um, die dieses schmutzige Wettgeschäft betrieben.

Zwei waren Brüder, vielleicht sogar Zwillingsbrüder, jedenfalls sahen sie so aus. Sie waren dunkel wie ich, indianerhaft, und wahrscheinlich hatten sie sogar Indianerblut in sich. Doch weil sie böse waren, überwog das Indianerblut gewiss nicht in ihnen. Denn Indianer sind niemals böse gegen Tiere, ja, sie achten sogar die Pflanzen als gleichberechtigte Lebewesen in ihrer Welt.

Der dritte Mann war von einer anderen Sorte. Er war blond, löwenhaft, ein Riese, aber dabei geschmeidig. Wahrscheinlich war er ein ehemaliger Preiskämpfer. Denn in seinem Gesicht waren die Narben harter Fäuste.

Dieser Mann trat zu mir und fragte: »Wollen Sie auch auf ihn setzen? Sie haben ihn soeben genau geprüft, nicht wahr? Wird er zehn Minuten durchhalten?«

Ich schüttelte nur den Kopf, wandte mich ab und ging.

O ja, ich hatte noch Zeit.

Der Hundekampf sollte erst nach Mitternacht bei Feuerschein stattfinden. Die drei Kerle, die ihn veranstalteten, wollten ja noch viele Wetten annehmen. Und es sollte sich ja auch noch herumsprechen in Fort Benton.

Ich sah im Weggehen noch einmal auf den Wolfshund.

Und ich dachte dabei: Wolf, ich werde dir helfen. Dich bringt dieser Tigerkiller nicht um. Dafür sorge ich.

Ich ging davon.

Als ich mich durch die Menge drängte, hörte ich einen der Neugierigen sagen: »Das ist Duke McCabe mit den Cheyenne-Brüdern. Der war mal der große Champ zwischen New Orleans und Saint Louis. Der schlug sie alle. Doch er zerschlug sich dabei die Fäuste. Nun lässt er einen Killerhund für sich kämpfen.«

Ich wusste nun sogar schon ihre Namen. Der blonde Hurensohn war ein gewisser Duke McCabe. Die beiden indianerhaften Burschen waren die Cheyenne-Brüder.

Aber was sind schon Namen?

Wenn ich diesen Wolf erst befreit hatte, würde ich mich auf die Socken machen. Und niemand würde mich finden können in meinem verborgenen Tal.

O ja, ich wusste genau, dass ich diesen drei Hurensöhnen ein großes Geschäft vermasseln würde – auch, dass sie gefährlich waren.

Aber wenn ich erst in meinem Jagdgebiet war – falls sie überhaupt den Versuch machen sollten, mir zu folgen und sich an mir zu rächen –, würde ich mich gegen jeden Feind behaupten können.

Ich ging also, um Vorräte zu kaufen, die Packtiere zu beladen und dann abzuwarten, bis es Nacht wurde.

Denn vorher konnte ich nichts unternehmen.

Der Tag verging für mich wie im Flug, aber ich hatte ja auch eine Menge zu tun mit meinen Einkäufen. Denn auch Geschenke kaufte ich für meine entfernten Verwandten im Indianerdorf der Nez Percés, dessen Häuptling der Sohn meiner Großmutter war, also der Bruder meiner Mutter und somit mein Onkel. Meine Mutter war einst das schönste Mädchen der Nez Percés, doch vom zweiten Mann meiner Großmutter, einem Trapper französischer Herkunft. Mein Vater jedoch war ein Ire. Und deshalb hieß ich ja auch Mahoney, Wade Mahoney.

Nun, als es Nacht geworden war, ließ ich meine vier Pferde fertig zum Abritt im Hof der Handelsagentur von French Pete Laquer stehen und machte mich auf den Weg.

Es war etwa zwei Stunden vor Mitternacht, und dort, wo der Hundekampf stattfinden sollte, war es noch ruhig. Einige Gruppen lagerten in der Nähe. Man hatte einen kreisrunden Zaun errichtet. Der Durchmesser des Zaunkreises betrug etwa sechs Yards. Innerhalb dieses Kreises sollte der Hundekampf stattfinden.

Man würde Feuer anzünden, aber es waren auch Leinen ausgespannt, an denen Lampen hingen, hoch über den Köpfen der zu erwartenden Zuschauer, Karbidlampen, wie man sie auch auf den Schiffen verwandte.

Als ich mich den beiden Käfigen näherte, begann dieser Tigerkiller in seinem Zwinger sofort böse zu knurren, so als ahnte er schon, dass ich ihn um seinen »Spaß« bringen wollte und als könnte er mich als seinen Feind wittern.

Der andere Hund dagegen, den ich in meinen Gedanken immer nur Wolf nannte, verhielt sich still.

Ich konnte diesen Tigerkiller nur undeutlich sehen, doch weil ich ihn ja schon bei Tageslicht gesehen hatte, vermochte ich ihn mir gut vorzustellen.

Nun, er knurrte also böse, und gewiss hatte er auch seinen fürchterlichen Fang geöffnet, war bereit zum blitzschnellen Zuschnappen.

Ich kümmerte mich nicht um sein Knurren, sondern trat zu dem anderen Käfig, der sich auf der Plattform des zweiten Wagens befand.

Plötzlich tauchte eine lautlose Gestalt wie ein Geist neben mir auf. Aber es war kein Geist, sondern ein Chinese. Ich erkannte es im schwachen Lichtschein, der von den Schiffen, aus der Stadt und von den Gestirnen am Himmel herrührte.

Denn die Feuer und die Karbidlampen, die den Kampfplatz erhellen würden, waren noch nicht angezündet.

Er sagte scharf: »Halt! Weg von hiel! Hiel dülfen Sie nicht sein! Was wollen Sie übelhaupt?«

»Aaah, mein lieber Freund«, erwiderte ich, »die Neugierde trieb mich her. Sind Sie vielleicht der Besitzer eines der beiden Hunde? Gehört der Wolf Ihnen?«

»Nein«, erwiderte der bullige Chinese. »Ich bin del Boss von Tigelkillel-Dog. Ich blachte ihn aus China mit. El wal ein Pilatenhund.«

Nun staunte ich.

»Ein Piratenhund?« So fragte ich.

»Yes, ein Pilatenhund«, bestätigte er. »China-Pilaten züchten solche Killel-Dogs. Sie nehmen sie mit, wenn sie an Land gehen, um Städte zu elobeln. Killel-Dogs kämpfen fulchtbal gut.«

Nun wusste ich es endlich genau.

Dieser Hund war ein Piratenhund, eine böse Kampfmaschine, welche von den Piraten des Chinesischen Meeres mitgenommen wurden, wenn sie an Land gingen, um dort wie die alten Wikinger zu plündern, zu brandschatzen, Frauen zu rauben und dergleichen mehr zu tun.

Was gab es nicht alles auf unserer Erde! Aber ich staunte nicht lange, sondern fragte weiter: »Und dieser Wolf hier – hat er überhaupt eine Chance?«

»Keine«, erwiderte der Chinese stolz. »Vielleicht übelsteht el einige Minuten.«

Ich hatte nun alles gehört. Nun waren meine letzten Zweifel beseitigt.

Dieser bullige Chinese war nicht das, was man einen gelben Gentleman nennen konnte. Und so gab ich es ihm. Zuerst knallte ich ihm die Linke auf die Leber und zog die Rechte als Aufwärtshaken hoch, traf präzise sein Kinn. Aber er war ein harter Bursche – vielleicht selbst ein ehemaliger Pirat der Chinaküste – und hatte schon eine ganze Menge Kämpfe hinter sich und dabei alle nur möglichen Tricks gelernt.

Er taumelte nur zwei halbe Schritte zurück. Auch verdaute er den Leberhaken unwahrscheinlich gut. Sein Bein knickte nicht weg, wie ich gehofft hatte. Er knurrte nun fast wie sein verdammter Hund, als er sich gegen mich warf.

Aber das war sein Fehler, denn ich glitt so weit zurück, als er gegen mich hechtete und seine Arme um meine Kniekehlen zu schlingen versuchte, dass ihn mein hochgerissenes Knie nochmals unters Kinn traf. Ich brach ihm fast das Genick, so sehr stieß ihm mein Knie den Kopf in den Nacken.

Nun fiel er auf den Rücken, breitete Arme und Beine aus und rührte sich nicht mehr. Ich schnaufte nur wenig, trat an den Käfig, schob dort den Riegel zurück und öffnete die Gittertür.

»Na, dann komm, Wolf«, flüsterte ich, »komm in die Freiheit. Du wirst dich darin gewiss gut behaupten. Und traue keinem Menschen mehr. Komm schon, mein Junge.«

Ich trat zurück.

Und er glitt aus dem Käfig und verschwand wie ein Schatten in der Nacht. O ja, er war ein kluger Bursche. Er floh gewiss nicht aus Feigheit, sondern weil er zu klug war, um den Helden zu spielen.

Eine Stimme rief: »He, was ist da los? Yellow Joe, was ist da los?«

Aber ich gab ihm keine Antwort.

Auch ich glitt davon. Denn jetzt wurde es Zeit für mich. Ich hatte die Cheyenne-Brüder und diesen Duke McCabe gesehen und wusste, sie waren eine üble Bande mit diesem Chinesen, welcher wahrscheinlich der einzige Mensch war, der mit Tigerkiller zurechtkommen konnte. Vielleicht hatte er ihn großgezogen und trainiert und wollte nun mit ihm die Welt erobern.

Ich hörte immer lauter werdende Rufe und böses Gebrüll, indes ich am Ufer entlanglief und bald die bei den Schiffen wartenden Frachtwagen erreichte. Sie gaben mir Deckung.

Wenige Minuten später saß ich im Hof der Handelsagentur im Sattel meines wunderschönen Appaloosas, nahm die Leine mit meinen drei Packpferden in die Linke und ritt davon.

Mein Appaloosa schnaubte zufrieden. Denn er wusste, es ging wieder in seine alte Heimat. Denn das war das Nez-Percé-Land für alle Appaloosas.

Ich ritt am Fluss entlang nach Westen, aber westlich der Großen Fälle würde ich den Fluss überqueren müssen, denn er kam ja aus dem Three-Forks-Land, also aus dem Süden, machte einen mächtigen Bogen im Norden, um dann noch gewaltiger wieder nach Süden zu fließen, wobei er stets ein wenig nach Osten tendierte.

Nun gut, ich ritt also in den Morgen hinein, der um diese Jahreszeit sehr früh kam. Und weil das Land und der Fluss ja Gefälle hatten, konnte ich weit auf meiner Fährte zurückblicken, denn diese lag ja stets tiefer, so oft ich mich umwandte.

Ich war recht froh, ohne weiteren Verdruss weggekommen zu sein.

Als ich mich wieder einmal umsah, da dachte ich an den Wolfshund, den ich Wolf getauft und dem ich die Freiheit geschenkt hatte. Wohin mochte er wohl gelaufen sein? Und wie mochte es ihm nun ergehen in der Freiheit? Eigentlich machte ich mir keine großen Sorgen um ihn. Ich traute ihm zu, dass er sich von der Jagd ernähren konnte und keinen Menschen brauchte. Wem mochte er wohl gehört haben? Hatte er seinen Herrn verloren? War er verkauft worden? Ich hätte es gerne gewusst. Doch sicherlich würde ich das nie erfahren. Auf jeden Fall war er jetzt frei. Und die Freiheit zählt mehr als alles andere.

O ja, ich glaubte, dass es dem Wolf nun prächtig ging.

Im nächsten Moment sah ich ihn.

Tatsächlich, da kam er auf meiner Fährte!

Himmel, er war zwar in der Nacht verschwunden, als ich ihn aus dem Käfig entkommen ließ. Doch dann musste er mir gefolgt sein. Er musste meinen Abritt aus dem Hof der Handelsagentur beobachtet haben, sodass er der Fährte meiner Pferde folgen konnte.

Oha, was war er doch für ein kluger Bursche!

Er war mir gefolgt, so als wollte er, dass wir in Zukunft zusammen unserer Wege ziehen würden.

Oder warum sonst kam er auf meiner Fährte?

Ich wartete im Sattel, bis er herangetrottet war und sich keine fünf Yards entfernt auf seine Hinterbacken setzte, die Vorderbeine steif einstemmte und zu mir hochblickte.

»Hey, Wolf«, sprach ich zu ihm. »Da bist du ja. Dir macht es wohl keinen Spaß allein – oder? Aber ich warne dich. Dort, wo ich hinreite, da gibt es ein paar Dutzend Hunde jeder Sorte. Kennst du die Hunde eines Indianerdorfes? Die beißen alles, was nicht zu ihnen gehört. Du wirst durch viele Kämpfe gehen müssen, bis sie dich respektieren. Aber keiner wird dich umbringen wollen so wie dieser Tigerkiller. Die wollen nur herausfinden, auf welchen Platz in der Rangordnung du deinen Anspruch geltend machst. Ja, komm mit, mein Junge, wenn du möchtest. Denn du gefällst mir.«

Er ließ ein freundliches Winseln hören. Ja, es war unverkennbar ein Laut der Freude. Er schien den Sinn meiner Worte verstanden zu haben.

Als ich wieder anritt, trabte er neben meinem prächtigen Appaloosa und witterte zu mir hoch. Ich sah in seine Augen, und ich wusste, wir würden miteinander eine wunderbare Freundschaft haben, so wie sie zwischen einem Mann und einem Hund einfach einmalig ist.

Denn auch ein Hund hat ein Herz. Warum soll nicht auch er eine Seele haben?

Wir blieben den ganzen Tag in Bewegung. Ich war guter Laune. Immer wieder sprach ich zu Wolf.

Als es fast schon Abend war, da sagte ich vom Pferd herunter: »Eines wollen wir gleich klarstellen, mein Guter. Wenn wir unterwegs sind, musst du dir selbst etwas erjagen. Das gehört zu deiner Freiheit. Also lauf und schnapp dir irgendwo dein Abendbrot. Denn ich werde heute Fisch essen. Ich glaube nicht, dass dir Fische schmecken – oder?«

Es war wie ein Wunder. Er konnte meine Worte nicht verstehen, denn dann hätte er ja die Menschensprache beherrschen müssen. Und dennoch schien er den Sinn meiner Worte zu begreifen.

Denn er verschwand plötzlich in den Büschen. Ich aber ritt weiter, denn ich kannte einen guten Lagerplatz weiter stromaufwärts in Richtung der Großen Fälle. Dort konnte ich mir leicht ein paar Fische fangen.

Als ich über einen Felsenrücken ritt, hielt ich oben mit meinen drei Packtieren noch einmal an und blickte zurück.

Von Wolf war nichts zu sehen. Der jagte irgendwo in den Uferbüschen.

Ich aber sah plötzlich etwas und konnte es nicht glauben. Ich wischte mir sogar über Stirn und Augen, so als könnte ich auf diese Art wieder aus einem Traum in die Wirklichkeit gelangen.

Doch was ich gesehen hatte, war immer noch vorhanden.

Es war Tigerkiller.

Und er kam wahrscheinlich nicht auf meiner, sondern auf der Fährte des von mir befreiten Wolfshundes. Anders konnte es nicht sein.

Ich fluchte bitter und holte mit einem schnellen Zugriff meine Sharps aus dem Scabbard.

Denn eins war mir sofort klar: Dieses Ungeheuer von einem Hund musste ich abschießen. Aber war dieses von verantwortungslosen Menschen irgendwo auf dieser Erde gezüchtete Tier überhaupt ein Hund? Er sah aus wie ein riesengroßer, gefleckter und sich leicht bewegender Hund. Aber war er es wirklich? Dieser Tigerkiller mochte um die hundert Pfund wiegen.

Jetzt kam er schnüffelnd auf unserer Fährte.

Wo waren seine Besitzer, diese verdammte Bande, die ihm gewiss überall schon Hunde zum Töten überließ? War er ihnen weggelaufen, weil sein ganzer Instinkt auf Wolf ausgerichtet war – oder folgten sie ihm wie die Jäger ihrem Bluthund?

Wie es auch sein mochte, ich musste ihn abschießen.

Die Entfernung betrug noch etwa zweihundert Yards, als ich meine schwere Sharps abfeuerte. Es war für mich und meinen Büffel- und Bärentöter keine besondere Entfernung. Ich war mir meines Schusses völlig sicher. Der Pulverdampf nahm mir dann ein wenig die Sicht, doch ich war fest davon überzeugt, dass ich getroffen hatte.

Von Tigerkiller war nichts mehr zu sehen. Er lag jetzt gewiss im fast kniehohen Gras und dem Buschzeug. Ich glaubte sogar seinen gescheckten Körper zwischen Gräsern und Gebüsch erkennen zu können. Ja, dort musste er liegen.

Einen Moment lang war ich versucht, hinzureiten und nachzusehen. Aber dann ließ ich es bleiben. Denn ich war völlig sicher, getroffen zu haben.

Es gab wenig später – indes ich noch zögernd verharrte – noch einen zweiten Grund zum Abhauen.

Reiter kamen auf der Fährte des Tigerkiller-Dogs. Sie tauchten ganz plötzlich hinter einer kleinen Waldinsel auf, und natürlich hatten sie das Krachen meiner Sharps gehört. Das Krachen war in diesem Land meilenweit zu hören – fast wie der Donner nach einem Blitz.