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Eigentlich mochte ich ihn überhaupt nicht und nannte ihn manchmal in meinen Gedanken ein vom Ehrgeiz zerfressenes Arschloch. Dennoch war unser Schicksal irgendwie miteinander verknüpft, als wären er und ich von Anfang an füreinander bestimmt gewesen.
Während des Bürgerkrieges hatte er den Rang eines Colonels bekleidet und ein Regiment der US‑Kavallerie geführt. Doch bevor er General werden konnte, war der Krieg beendet gewesen. Also wurde er im Jahre 1868 wieder Captain. Und das empfand er als eine Schmach. Sein wilder Ehrgeiz ließ ihm keine Ruhe. Er wollte so schnell wie möglich wieder Colonel werden.
Deshalb ließ er sich ins Indianerland versetzen, weil er glaubte, dass er hier die besten Aufstiegsmöglichkeiten hätte. Und die armen Hunde, die seinem Befehl unterstanden, die hatten mächtig darunter zu leiden.
Ich war sein Scout. Vielleicht hätte ich ihn umbringen sollen. Das hätte vielen armen Teufeln das Leben gerettet. Warum konnte ich es nicht? Das frage ich, Jessup Kehoe, mich auch jetzt wieder, da ich die Geschichte für meine Nachkommen niederschreibe ...
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Seitenzahl: 156
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Captain Ironhart
Vorschau
Impressum
Captain Ironhart
Eigentlich mochte ich ihn überhaupt nicht und nannte ihn manchmal in meinen Gedanken ein vom Ehrgeiz zerfressenes Arschloch. Dennoch war unser Schicksal irgendwie miteinander verknüpft, als wären er und ich von Anfang an füreinander bestimmt gewesen.
Während des Bürgerkrieges hatte er den Rang eines Colonels bekleidet und ein Regiment der US-Kavallerie geführt. Doch bevor er General werden konnte, war der Krieg beendet gewesen. Also wurde er im Jahre 1868 wieder Captain. Und das empfand er als eine Schmach. Sein wilder Ehrgeiz ließ ihm keine Ruhe. Er wollte so schnell wie möglich wieder Colonel werden.
Deshalb ließ er sich ins Indianerland versetzen, weil er glaubte, dass er hier die besten Aufstiegsmöglichkeiten hätte. Und die armen Hunde, die seinem Befehl unterstanden, die hatten mächtig darunter zu leiden.
Ich war sein Scout. Vielleicht hätte ich ihn umbringen sollen. Das hätte vielen armen Teufeln das Leben gerettet. Warum konnte ich es nicht? Das frage ich, Jessup Kehoe, mich auch jetzt wieder, da ich die Geschichte für meine Nachkommen niederschreibe ...
Ich hatte von Anfang an kein gutes Gefühl bei der ganzen Sache, indes wir die vierzig Meilen durch das Land nach Buffalo Walls ritten. Denn ich wusste, Bad Wolf hatte noch eine Rechnung mit uns offen, eine böse Rechnung.
Bad Wolf war zu dieser Zeit ein Kiowa-Häuptling, der den Wagenweg von Kansas City nach Denver immer wieder blockierte und auch den Büffeljägern das Büffelmorden schwer machte.
Und so hatte die Armee sein Dorf angegriffen, während er mit seinen Kriegern wieder einmal irgendwo am Wagenweg lauerte, also abwesend war. Die glorreiche Armee hatte das Dorf klein gemacht, eine Menge Alte, Frauen und Kinder massakriert und den Rest in ein Reservat gebracht, darunter auch Bad Wolfs Frau und Kinder.
Es war eine »Strafexpedition«, wie es die Armee nannte. Für mich war es eine fürchterliche Barbarei. Auch Vergewaltigungen hatten stattgefunden.
Und der kommandierende Offizier war Captain Charley Ironhart gewesen.
Jetzt war ich mit sieben seiner Soldaten unterwegs nach Buffalo Walls, um von dort seine Frau zu übernehmen und zu ihm zu bringen. Ja, mit nur sieben Mann und einem Armeebagagewagen.
Und ich wusste, irgendwo konnte Bad Wolf lauern.
Aber so war das mit der Armee. Sie überschätzte sich ständig, und so mancher Offizier war der festen Überzeugung, dass ein Dutzend Kavalleristen mit einer zehnfachen Indianerübermacht fertig werden könnten.
Ich war der Scout von Camp Standing Walls.
Buffalo Walls und Standing Walls waren befestigte Armeecamps am Wagenweg. Die Wälle bestanden aus herausgestochenen Grasstücken, die man wie Adobeziegel übereinanderschichtete, sodass sie zu einer Erd- und Grasmauer wurden.
Ich ritt an diesem Tag dem Wagen und den sieben Soldaten immer ein Stück voraus und versuchte eine Falle oder einen Hinterhalt rechtzeitig zu erkennen. Doch selbst wenn ich das gekonnt hätte, würde das wenig genutzt haben. Einer starken Kiowa-Horde wären wir nicht entkommen.
Immer wieder fragte ich mich, warum der Captain nur mich und sieben Mann geschickt hatte. Liebte er seine Frau nicht? Wollte er, dass Bad Wolf sie sich holte? Oder traute er mir, seinem Scout, so viel zu?
Ich wusste es nicht.
Nur eines wusste ich: Captain Charley Ironhart hatte einen Anspruch auf meine Treue. Ich stand in seiner Schuld, und ich sehnte den Tag herbei, da ich diese Schuld beglichen hatte und ihm sagen konnte, dass er ein verdammtes Arschloch sei, dem ich nichts mehr schuldig war.
Aber das war eine längere Geschichte. Vielleicht erzähle ich sie noch mal, obwohl mir das nicht leicht fallen würde gegenüber meinen Nachkommen.
Der Tag verging auf der Kansasprärie. Es war eine wellige Ebene, bedeckt mit braunem Büffelgras. Es gab einige Hügelzüge. Der Wagenweg war menschenleer.
Da und dort grasten kleine Büffelherden. Sie waren Nachzügler der großen Herde, die nördlich des Cimarron nach Westen wanderte. Und diese große Herde bestand aus Hunderttausenden von Büffeln.
Manchmal ritt ich auf eine der Hügelketten hinauf, um einen weiten Rundblick zu bekommen. Doch ich sah keine einzige Menschenseele, nur da und dort Büffel und ein paar Büffelwölfe, die herumschlichen und auf frisch geborene Kälber warteten.
Immer dann, wenn ich zum Wagen und den sechs Reitern zurückkam, fragte mich Sergeant Bac McGlory stets: »Nun, was ist?«
»Nichts ist«, erwiderte ich dann nur.
Der rothaarige, bullige und sommersprossige Sergeant grinste dann breit und nahm einen Schluck aus seiner Wasserflasche, in der sich, wie ich wusste, kein Wasser, sondern Brandy befand.
Dann sagte er stets: »Aaah, ich bin neugierig auf die Tante. Ist sie schön oder hässlich, gut oder eine Hacke? Was für eine Frau hat der sich wohl geangelt? Hat sie Geld oder nur Einfluss? Der will doch so schnell wie möglich wieder Colonel sein. Und noch eines wüsste ich gerne, oho! Ob er sie in seiner Hütte gleich flachlegen wird, weil er doch nun schon so lange ohne Frau ist, hahaha!«
Nun, Sergeant Bac McGlory war gewiss kein schöngeistiger Gentleman, sondern ein ausgekochter Soldat.
Doch verlassen konnte man sich auf ihn.
Der Tag verging also. Wir erreichten kurz vor Abend das befestigte Camp Buffalo Walls. Und als wir absaßen, kam ein junger Lieutenant zu uns, dem Sergeant McGlory ziemlich lässig Meldung machte. Und das gefiel dem Jungen ganz und gar nicht. Denn er schnarrte giftig und mit der ganzen Arroganz eines West-Point-Zöglings: »Nehmen Sie Haltung an, Sergeant! Und dann wiederholen Sie Ihre Meldung mit lauter Stimme präzise und klar. Oder sind Sie etwa betrunken?«
Die Frage zuletzt klang drohend und misstrauisch.
Sergeant McGlory stand nun strammer als zuvor, grüßte noch einmal zackig und brüllte dann heiser: »Sir, Sergeant McGlory meldet sich mit dem Begleittrupp für Mrs Ironhart zur Stelle! Unterwegs keine besonderen Vorfälle! Nur Reiter Calloway hat Durchfall und verstänkert seine Umgebung auf zwanzig Yards in der Runde. Ich werde ihn der Lady zuliebe ganz am Schluss reiten lassen, Sir.«
Die Stimme von Sergeant McGlory klang am Schluss sehr ernst und entschlossen, wichtig und zugleich besorgt.
Die Augen des jungen Lieutenant wurden schmal. Sein Mund verzog sich böse. Aber dann starrte er noch einige Atemzüge lang in die harten Augen des alten Sergeants und konnte darin erkennen, wie sehr er verarscht wurde. Zugleich begriff er aber auch, dass er nichts dagegen tun konnte.
Er machte also kehrt und ging davon. Sein Säbel schleifte mit der Spitze durch den Staub, denn der so arrogante Junge war nicht besonders groß und hatte auch noch krumme Beine.
Sergeant McGlory und ich, wir tauschten einen Blick aus.
Dann knurrte McGlory: »Dieser Junge wird hier nicht alt. Mir tun nur die armen Hunde leid, die unter seinem Befehl reiten und sterben müssen. Oh, Vater im Himmel, warum begreifen die Jungs aus West Point nicht, dass hier alles anders ist?«
Ein anderer Sergeant näherte sich uns. Er grinste breit und sagte: »Das hast du ganz hübsch gemacht, McGlory. Aber dieser Junge ist noch harmlos. Wartet nur, bis ihr es mit Mrs Ironhart zu tun bekommt. Da kommt ihr euch vor wie Regenwürmer, auf die eine Henne herumhackt. Wir sind mächtig froh, dass wir sie endlich an euch loswerden. Habt ihr Bad Wolf gesehen?«
»Nein«, erwiderte ich. »Aber ich denke, das wird sich noch ändern auf dem Rückweg nach Standing Walls.«
Der Sergeant bekam einen bitteren und teilnahmsvollen Ausdruck in die Augen und stieß dann ein Wort aus, welches eines der gebräuchlichsten im Sprachschatz der Soldaten aller Armeen auf dieser Erde war und ist.
Dann ging er wieder. Seine Soldaten waren beim Abendessen, und auch wir würden bald welches in der Kantine bekommen.
Ich hatte eben erst mein Pferd versorgt, als ein Soldat zu mir trat und fragte: »Sind Sie der Scout Jessup Kehoe?«
»Bin ich, mein Junge«, erwiderte ich.
»Dann bittet Sie der Kommandant zum Abendessen«, erwiderte er. »Jetzt gleich, Mister Kehoe. Sie sollen mir folgen. Das Essen wird sonst kalt. Und auch die Lady soll nicht warten müssen.«
Ich staunte, denn bei der Lady konnte es ich ja wohl nur um Mrs Ironhart handeln.
Ich wusch mich noch schnell am Wassertrog beim Brunnen. Dann folgte ich dem jungen Soldaten in den Speiseraum der Offiziere.
Drei Lieutenants und Captain Webster saßen da mit einer schönen Frau am Tisch. Der Captain und ich, wir kannten uns recht gut. Er war ein eisgrau gewordener Indianerkämpfer. Er würde sicherlich nie Major werden, und er wusste es genau. Deshalb sah er die Dinge nicht mehr so eng und strotzte nicht vor soldatischem Ehrgeiz.
»Nehmen Sie Platz, Mister Kehoe«, sagte er. »Ich dachte mir, dass Sie Mrs Ironhart jetzt schon kennenlernen sollten, da Sie Mrs Ironhart ja möglichst unbeschädigt nach Standing Walls zu bringen haben. Das ist er, Rosalin, dies ist Ihr Ritter.«
Er sprach zuletzt zu Mrs Ironhart und nannte sie einfach Rosalin. Aber das war unter den Angehörigen der Offizierskaste so üblich.
Ich sah sie und dachte: Diese eiskalte Katze heißt also Rosalin. Oha, für sie reißt sich Charley Ironhart also den Arsch auf, damit er bald wieder seinen alten Kriegsrang hat und sie in irgendeiner Garnison die Kommandeuse sein kann. Oho, die wird ihn sogar zum General puschen wollen.
Ich blickte in zwei eisgrüne Augen. Sie hatte rote Haare und einen etwas zu vollen und zu breiten Mund. Aber sie war eine Schönheit mit hohen Wangenknochen. Es schien alles richtig zu sein an ihr. Ich wäre jede Wette eingegangen, dass sie auch wunderschöne Beine hatte. Ja, sie war eine edel wirkende Katze.
Eine Weile starrte sie mich an.
Dann aber sagte sie: »Mister Kehoe, Sie riechen nach Pferdeschweiß und auch Ihrem eigenen. Das verdirbt mir den Appetit, Mister Kehoe. Ich habe Sie nun gesehen und weiß, dass Sie eine Art Lederstrumpf sind, dem ich mein Leben anvertrauen muss. Vielleicht sollten Sie sich ganz ans Ende des Tisches setzen.«
Ich hatte schon Platz genommen. Doch nun erhob ich mich wortlos und ging wieder hinaus. Hinter mir war Schweigen.
Nein, ich war nicht zornig, nicht wütend. Sie tat mir leid. Ja, ich hatte Mitleid mit ihr wie mit einer Kranken. Denn ich wusste, sie würde in diesem Land noch eine Menge lernen müssen.
Und wenn Bad Wolf sie lebend erwischen sollte, dann würde er sich mit ihr vergnügen, so wie es einige Soldaten mit seiner Squaw gemacht hatten. Diese dämliche Katze kam aus einer anderen Welt! Hier war alles anders. Doch sie hatte das noch nicht begriffen. Ich ging in den Speiseraum der Sergeants, um dort das Abendessen einzunehmen. Sie alle grinsten mich an.
Einer fragte: »Nun, wie gefällt sie dir, Kehoe?«
»Die würde auch Bad Wolf gefallen«, erwiderte ich.
✰
Am anderen Morgen brachen wir auf.
Obwohl wir einen Wagen für sie und ihr Gepäck mitgebracht hatten, trug sie Reitzeug und saß ohne Hilfe auf. Ihr geteilter Reitrock ließ einen Moment eines von ihren schlanken Beinen sehen. Einer der Soldaten stieß aus einiger Entfernung einen Pfiff aus. Aber sonst war es still.
Ich ritt voraus. Und mein ungutes Gefühl vom Vortrag war nun noch stärker.
Verdammt, dachte ich, warum habe ich mich auf diese Sache eingelassen? Und warum fühle ich mich immer noch in Ironharts Schuld?
Aber – wie schon gesagt – das ist eine lange Geschichte. Er hatte mir damals die Chance zum Überleben gegeben, als die Hannagan-Brüder mich einkeilten und ich schon angeschossen war. Er hatte mich sozusagen in den Schutz der Armee genommen. Und sein Feldarzt hatte meine Wunde versorgt.
Natürlich tat er das alles nur aus Eigennutz. Denn er brauchte einen erstklassigen Scout. Jemand musste ihm gesagt haben, dass ich solch ein Scout sei. Und so hatte er eingegriffen. Die Hannagan-Brüder aber hätten sich von dem Moment an mit der Armee anlegen müssen.
Ich unterschrieb damals einen Vertrag mit der Armee für drei Jahre. Doch die Hannagan-Brüder sagten mir, dass sie mich schon noch erwischen würden. Ich hatte nämlich am Red River, wo es bei der Fähre eine Station gab, ihren Bruder erschossen, als dieser bei einem Kartentrick erwischt wurde und nach der Waffe griff.
Ich schoss ihm damals in den Magen, er aber verwundete mich nur.
Dann jagten mich seine drei anderen Brüder. Und als sie mich in Wallaville eingekeilt hatten, da kam Captain Charley Ironhart mit seiner Abteilung durch den kleinen Ort am Chisholm Trail. Es war wohl jener versoffene Sergeant Bac McGlory gewesen, der ihm gesagt hatte, wer ich war.
Nun, dies alles ging mir wieder durch den Kopf, als ich mich fragte, warum ich mich auf die Sache eingelassen hatte und abermals erkennen musste, dass ich irgendwie Ironharts Gefangener war. Er besaß mich wie ein Teufel eine arme Seele.
Nun, ich ritt also an diesem Morgen ein Stück voraus und witterte nach allen Seiten. Ich wusste, dass ich mich mehr auf meinen fast untrüglichen Instinkt verlassen musste als auf meine Augen.
Doch ich sah nichts, einfach gar nichts. Die hügelige Prärie war mit dem braunen Büffelgras so etwas wie ein braungelbes, erstarrtes Meer mit einer gewaltigen Dünung. Es gab also tiefe Senken und lange Kämme. Von diesen Kämmen konnte man viele Meilen weit in die Runde blicken, doch nicht in die tiefen Senken hinein. Dort konnte sich eine Menge Unheil verborgen halten.
Als ich wieder einmal auf einer der hohen Bodenwellen verhielt, kam Mrs Rosalin Ironhart heraufgeritten und verhielt neben mir.
Ich blickte grimmig zur Seite und in ihre eisgrünen Katzenaugen.
Dann sagte ich: »Lady, reiten Sie sofort zu den Soldaten zurück und bleiben Sie dort. Es ist schon schlimm genug, dass Sie nicht im Wagen bleiben, sondern reiten. Sie sind meilenweit als Frau zu erkennen. Und weil Sie von Soldaten eskortiert werden, weiß jeder Indianer, dass Sie die Frau eines wichtigen Offiziers sein müssen. Sie könnten dümmer gar nicht handeln.«
Nachdem ich dies gesagt hatte, war mir klar, dass ich nun endgültig – um es mit der groben Sprache der Soldaten zu sagen – bei ihr verschissen hatte.
Sie stieß einen fauchenden Laut aus. Dann sagte sie klirrend mit der ganzen Arroganz ihrer Kaste: »Mister Lederstrumpf, Sie möchten mir wohl Furcht einjagen, ja? Aber Sie sollten endlich begreifen, dass ich eine sehr eigenwillige Lady bin, die sich nicht einengen lässt, sondern stets das tut, was sie will. Ich frage mich, warum mein Gatte, der Colonel, einen Mann wie Sie und nur einen Sergeant geschickt hat, um mich abzuholen. Hat er nicht genug Offiziere in Standing Walls?«
»Drei«, erwiderte ich. »Ja, Lady, er hätte mich nicht mit Ihrem Begleitschutz beauftragen sollen. Und Colonel ist Ihr Mann auch nicht mehr. Das war nur sein Rang auf Kriegszeit. Sogar der legendäre General Custer ist kein General mehr.«
»Für mich ist mein Gatte immer noch der Colonel«, fauchte sie und ritt wieder an. Sie jagte den Hang hinunter in die Senke. Und ich konnte sie nicht allein reiten lassen. Sie war eine dämliche, arrogante und uneinsichtige Hacke. Und ich hatte sie sozusagen am Hals.
Also jagte ich hinter ihr her. Sie aber wollte mir zeigen, dass sie besser reiten konnte als ich und ich ihr überhaupt nichts vorzuschreiben hatte. Denn sie war ja die Frau eines Colonels auf Kriegszeit.
Ich musste also hinter ihr her. Was blieb mir anderes übrig?
Und so brüllte ich: »Himmel, Arsch und Zwirn!«, und trieb meinen grauen Wallach zum Galopp an.
Nach gut einer halben Meile hatte ich sie eingeholt und griff ihr in die Zügel, brachte so ihr Pferd zum Halten.
Da schlug sie mir ihre Reitpeitsche auf den Oberarm und fauchte: »Was bilden Sie sich ein, Sie ...«
Was sie noch rufen wollte, blieb ihr im Halse stecken. Denn sie sah etwas, was ich noch nicht sah. Und so wandte ich meinen Blick in die gleiche Richtung wie sie. Und dann sah auch ich es.
Ja, da war Bad Wolf.
Und hinter uns krachten Schüsse. Dort waren Sergeant Bac McGlory und seine sechs Mann dabei, um ihr Leben zu kämpfen. Es konnte gar nicht anders sein. Sie waren noch von der Bodenwelle verborgen, befanden sich also in einer Senke. Aber sie kämpften jetzt um ihr Leben und hatten gewiss keine Chance.
Vor uns aber war Bad Wolf mit etwa drei Dutzend Kriegern.
Sie waren bereits zu einem Halbkreis ausgeschwärmt und kamen so über die lange Bodenwelle. Hinter uns würden noch mehr Kiowas sein. Wahrscheinlich war die ganze Horde mehr als hundert Krieger stark.
Sie hatten sich gut verborgen gehalten. Mein ungutes Gefühl hatte mich also nicht getäuscht.
Was sollte ich tun?
Eine Flucht war unmöglich. Wir waren eingeschlossen. Der Ring würde sich nun sehr schnell verengen. Sie hatten uns. Und so verhielt ich mit Mrs Rosalin Ironhart, reichte ihr sogar die Zügel zurück, die ich ihr entrissen hatte.
»Oh, du dämliche Henne«, knirschte ich. »Jetzt haben wir den Salat. Wie gefällt dir das?«
Ja, ich sprach nun anders zu ihr, nicht mehr wie zu einer Lady mit Respekt und Verehrung. Ich war wütend auf sie.
Sie fauchte: »Die werden es nicht wagen, mir etwas anzutun. Diese Wilden würden von der Armee hart bestraft werden. Machen Sie es ihnen klar. Sie sprechen doch wohl ihre Sprache. Sagen Sie ihnen, dass ich die Frau eines Kommandeurs bin!«
Sie war in ihrer Arroganz nicht zu retten und wollte immer noch nichts begreifen.
Ich hätte ihr nun mit wenigen Worten sagen können, was ihr Mann mit seinen Soldaten für ein Gemetzel in Bad Wolfs Dorf angerichtet hatte unter den Alten, Frauen und Kindern. Doch dazu war keine Zeit mehr. Und so sagte ich nur: »Oha, schöne Rosalin, ich werde gleich tot sein. Aber dich werden sie am Leben lassen. Bad Wolf wird dich in sein Tipi schleppen und mit dir machen, was die Soldaten mit seiner Frau machten. Er wird dich flachlegen und dir ein Kind machen, welches man einen Bastard nennen wird unter deinesgleichen. Ich kann dich erschießen, bevor sie mich töten. Aber wenn du leben willst, dann musst du bereit sein, dies alles auf dich zu nehmen. Du hast nur diese beiden Möglichkeiten. Also schnell, entscheide dich. Wie stark ist deine Furcht vor dem Leben in Bad Wolfs Tipi – oder wie mächtig ist deine Lebenskraft, alles zu ertragen, um am Leben zu bleiben? Entscheide dich, schöne Rosalin! Bald ...«
»Halt doch endlich dein Maul!«, fauchte sie und war plötzlich keine Lady mehr. »Ich bin stark genug, um auch in der Hölle zu überleben, Lederstrumpf.«
Damit war alles gesagt. Ich hielt den Colt in der Faust und wartete auf Bad Wolf.
✰
Bad Wolf und ich, wir kannten uns. Mein Vater war Händler gewesen, damals, als noch Frieden zwischen Weißen und Roten herrschte. Als Knaben hatten wir oft unsere Kräfte gemessen beim Reiten, Jagen und Fischen. Und auch später waren wir uns da und dort begegnet.
Dann aber war der Frieden zu Ende gewesen. In Colorado wurde Gold gefunden. Und die Wagenzüge durchquerten das Kiowa-Land. Die Büffeljäger töteten die Büffel und machten das Land frei für Siedler und Rinderzüchter. Die Kiowas machten Krieg.
Ich sah Bad Wolf entgegen. Er kam langsam herangeritten. Seine Krieger aber schlossen indes den Kreis um uns.