G. F. Unger 2192 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2192 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Als sie in der hellen Mond- und Sternennacht den Creek erreichen, sehen sie Oldman Cheney mit dem Oberkörper im seichten Wasser liegen. Und da ist ihnen klar, warum ihr Vater nicht wie immer zum Abendbrot heimkam.
Es ist lange nach Mitternacht, denn sie haben Stunden nach ihm gesucht. Er war ein alter Mann, dem die harten Jahre eine Menge von seiner Lebenserwartung nahmen.
Die drei Brüder halten auf ihren Pferden, und sie wissen, dass sie um Stunden zu spät gekommen sind. Der alte Mann dort unten im Creek, der ihr Vater war, muss schon einige Stunden tot sein.
Steve Cheney sagt langsam: »Das ist es also. Unser Alter ist tot. So wie der da unten im Wasser liegt, muss er ertrunken sein, obwohl der Creek kaum noch Wasser führt. Sehen wir nach!«


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Seitenzahl: 157

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Die Cheyney-Brüder

Vorschau

Impressum

DieCheyney-Brüder

Als sie in der hellen Mond- und Sternennacht den Creek erreichen, sehen sie Oldman Cheney mit dem Oberkörper im seichten Wasser liegen. Und da ist ihnen klar, warum ihr Vater nicht wie immer zum Abendbrot heimkam.

Es ist lange nach Mitternacht, denn sie haben Stunden nach ihm gesucht. Er war ein alter Mann, dem die harten Jahre eine Menge von seiner Lebenserwartung nahmen.

Die drei Brüder halten auf ihren Pferden, und sie wissen, dass sie um Stunden zu spät gekommen sind. Der alte Mann dort unten im Creek, der ihr Vater war, muss schon einige Stunden tot sein.

Steve Cheney sagt langsam: »Das ist es also. Unser Alter ist tot. So wie der da unten im Wasser liegt, muss er ertrunken sein, obwohl der Creek kaum noch Wasser führt. Sehen wir nach!«

Sie reiten das kurze Stück zum Creek hinunter, dessen Wasser kaum knöcheltief ist. Sie tragen den Toten heraus und legen ihn auf den Rücken. Er hat noch die Augen offen, scheint zu ihnen im Mond- und Sternenschein emporzustarren.

»Er hat es geschafft«, murmelt Jake. »Ich wette, als er sich auf den Bauch legte, um sich zu erfrischen, hörte sein Herz plötzlich auf zu schlagen.«

»Also ist er nicht ertrunken, denn Tote können kein Wasser mehr schlucken«, spricht Jubal. »Nicht wahr, er kann nicht ersoffen sein im flachen Wasser – oder?«

Er blickt nach rechts und links.

Dann nimmt er den Hut ab, bückt sich und drückt dem Vater die Augen zu. Als er sich wieder aufrichtet, da sieht er, dass auch seine beiden Brüder die Hüte abnahmen.

Eine Weile verharren sie so.

Dann spricht Jubal: »Der Himmel möge seiner Seele gnädig sein. Amen.«

»Amen«, murmeln auch die beiden Brüder.

Steve beginnt dann wieder die Unterhaltung. Er sagt überzeugt: »In den Himmel kommt er gewiss. Ein Mann wie er, der sich sein ganzes Leben lang abrackert und immer wieder zurückgeworfen wird, um dann mit größter Sturheit neu zu beginnen, so ein Mann kommt ins Himmelreich, damit er es endlich besser hat. Oder nicht?«

Die beiden Brüder nicken stumm, und es würgt ihnen in den Kehlen. Denn sie mochten ihren Vater. Ja, sie liebten ihn und blieben bei ihm, obwohl sie längst schon die weite Welt lockte.

Aber sie konnten ihn nicht verlassen und halfen ihm bei seinem verzweifelten Bemühen, aus der kleinen Hügelranch eine große zu machen.

Immer wieder wurden sie in den vergangenen Jahren zurückgeworfen. Da waren die Comanchen, mexikanische Banditen, die über den Rio Grande kamen, Vieh- und Pferdediebe – und nach einem heißen, trockenen Sommer der große Präriebrand, der bis in ihre Hügel vordrang.

Es gab immer wieder große Rückschläge, und der Vater wurde immer älter und verbrauchter, krummer und verwitterter.

Nun liegt er da, erlöst von einem Herzschlag.

»Er war ein glückloser Kämpfer«, murmelt Steve.

»Ein ewiger Verlierer, der es immer wieder neu versuchte«, verbessert Jake.

»Und wenn wir noch länger in diesen verdammten Hügeln bei unseren Rindern bleiben, dann werden auch wir eines Tages als Verlierer am Boden liegen«, grollt Jubal.

Sie sehen sich an im Schein der Gestirne, und es ist plötzlich so, als gäben sie sich ein stummes Versprechen. Es ist mit einem Mal ein wortloses Einverständnis zwischen ihnen.

Dann stiefelt Steve durch den flachen Creek, um das Pferd des Vaters aus den Büschen zu holen.

Als er wieder bei ihnen ist, laden sie den Toten auf.

Wortlos reiten sie heim.

Es ist noch am frühen Vormittag, als sie den Sarg in die Grube lassen. Und noch als sie die Erde auf ihn werfen, kommt ein Reiter herangaloppiert. Sie kennen ihn, denn es ist Juleman Scott, der Cowboy ihres Nachbarn.

Juleman Scott zügelt sein Pferd bei ihnen und dem Grab.

»Euer Vater?« So fragt er.

Sie nicken stumm und blicken zu Juleman Scott auf.

Dieser nimmt seinen Hut ab.

Dann aber spricht er: »Es tut mir leid um Oldman Cheney. Nun hält euch wohl nichts mehr in den Antelope Hills. Mein Boss kam heute von Antelope heim mit einer verrückten Neuigkeit. Es ist Krieg zwischen den Nord- und Südstaaten. Vor einer Woche, am zwölften April, hat General Beauregard Fort Sumter beschießen lassen, und mit dem ersten Kanonenschuss begann der Krieg. General Lee hat das Kommando über die Armee der Konföderation des Südens in Virginia übernommen. Man sagt, dass alle Texaner sich zu einer Texasbrigade formieren, die General Jackson unterstellt wird. Ich reite hin. Kommt ihr mit?«

Es ist eine herausfordernde Frage.

Er ist ein einfacher Cowboy, den jetzt das Abenteuer lockt.

Und die drei Cheney-Brüder?

Sie sehen sich am Grab ihres Vaters an.

Dann spricht Steve Cheney spröde, so als nähme er eine Herausforderung an: »Juleman, wir reiten mit. Morgen bei Sonnenaufgang treffen wir uns in Antelope. Dann reiten wir zu General Jackson und bewerben uns bei der Texasbrigade. Denn schließlich sind wir ja Texaner, nicht wahr?«

»So ist es richtig.« Juleman Scott nickt. »Ich freue mich, dass wir zusammen in den Krieg reiten. Wir werden es den Yanks zeigen.«

Er zieht sein Pferd herum und reitet wieder zurück.

Sie sehen ihm nach.

Steve Cheney ist einundzwanzig Jahre.

Jake ist zwanzig.

Und Jubal ist neunzehn.

Nachdem er geboren wurde, lief ihnen die Mutter weg. Sie hatte genug von dem harten Leben in Texas und vom vielen Kinderkriegen.

Sie verließ ihren Mann und die drei noch kleinen Söhne, und vielleicht blieben sie bis jetzt bei ihrem Vater, weil er sie nicht auch verließ, sondern unter unsäglichen Mühen aufzog, dabei aus der Siedlerstätte eine Ranch zu machen versuchte, Pferde einfing, diese zuritt und Rinder zu züchten begann. Dabei war es sicher, dass er die ersten Tiere von irgendeiner entfernten Weide stahl.

Steve sagt noch einmal spröde, so als würde er sich herausgefordert fühlen: »Wir reiten also in einen verdammten Krieg. Mal sehen, ob wir ihn überstehen und was in solch einem Krieg aus uns wird. Verdammt, ich bin sicher, dass wir uns gewaltig viel Wind um die Ohren wehen lassen müssen, wenn wir eines Tages ein gewaltiges Stück größer sein wollen als unser Alter.«

»Das werden wir bestimmt«, spricht Jake hart. »Denn wir sind noch jung und können noch jede Menge lernen.«

»Und wir sind gewiss nicht dumm.« Jubal grinst. »Wir haben den Alten nicht im Stich gelassen, doch nun sind wir frei. Irgendwo wartet ein Schicksal auf uns. Ich möchte herausfinden, was uns bestimmt ist.«

Am 21. Juli 1861 nehmen die Cheney-Brüder mit Juleman Scott an der Schlacht am Bull Run teil, wo die Unionstruppen unter General McDowell von den Konföderierten unter den Generalen Beauregard, Johnston und Jackson geschlagen werden.

General Jackson, der die Texasbrigade befehligt, erhält wegen seiner Standfestigkeit den Beinamen »Stonewall Jackson«.

Die Cheney-Brüder werden mit einigen anderen Soldaten von General Jackson für besondere Tapferkeit, Umsicht und kluges Handeln ausgezeichnet und allesamt zum Sergeant befördert. Denn sie haben bei ihrer Truppe diese Funktionen ausgeübt, als die jeweiligen Sergeants durch Tod oder schwere Verwundungen ausfielen.

Und der Krieg geht weiter.

Die Cheney-Brüder reifen jeden Tag um Monate und lernen immerzu neue Dinge. Noch sind sie verwegene große Jungen, die sich durch Kühnheit behaupten.

Ihr Aufstieg hat begonnen. Nur am Leben bleiben müssen sie.

Doch sie glauben einfach an ihr Glück. Immer mehr kommen sie zu der Überzeugung, dass das Schicksal mit ihnen noch viel vorhat.

Es ist am 29. und 30. August 1862, als die zweite Schlacht am Bull Run ausgetragen wird. Und abermals werden die Truppen der Union, neu gebildet unter General Pope, von den Armeen Lees und Jacksons geschlagen.

Und abermals tun sich die drei Cheney-Brüder besonders hervor. Mit ihren Reiterzügen erobern sie eine Artilleriestellung, sodass die vorrückenden Truppen der Konföderation nicht mehr unter Beschuss stehen.

Abermals werden die drei Cheney-Brüder wegen außergewöhnlicher Tapferkeit befördert. Nun sind sie Lieutenants.

Und der Krieg geht weiter.

Doch von nun an gehören die Cheney-Brüder immer wieder zu den Verlierern, so gut sie auch kämpfen. Denn sie stehen auf der falschen Seite. Die Südstaaten werden den Krieg verlieren. Am 4. Juli 1863 nimmt General Grant Vicksburg ein. Von New Orleans bis weit den Mississippi hinauf ist der große Strom nun in den Händen der Unionstruppen, und die Staaten Arkansas, Louisiana und Texas sind vom übrigen Süden abgeschnitten.

Ende November findet dann in Virginia bei Chattanooga eine entscheidende Schlacht statt. General Grant besiegt General Johnston.

Bei dieser Schlacht tut sich besonders Steve Cheney hervor und wird zum Captain befördert.

Es ist dann Ende des Jahres 1864, als Captain Steve Cheney zu General Lee befohlen wird. Als er sich bei ihm meldet, betrachtet ihn der Oberkommandierende der Konföderiertenarmee einige Atemzüge lang fest, und Steve Cheney spürt, wie eine starke Kraft, die von Lee ausgeht, in ihn eindringt.

Dann sagt der General: »Ich brauche einen tapferen und umsichtigen Soldaten, einen Offizier, für den seine Männer durch alle Höllen gehen. Ich habe Sie nun schon zweimal wegen besonderer Leistungen befördert. Nun tue ich es zum dritten Mal, Major Cheney. Doch dafür verlange ich etwas.«

»Geben Sie mir nur Ihre Befehle, General«, erwidert Steve Cheney. »Ich werde mein Bestes tun.«

Der hoch gewachsene General geht einige Schnitte in dem karg eingerichteten Raum umher und spricht dann: »Ich vertraue Ihnen zweihundert Pfund Gold an, Major Cheney, Barrengold. Sie fahren damit – getarnt als Baumwollpflanzer, der seine Ernte verkaufen will – den Mississippi hinunter bis nach New Orleans. Es wird ein Seeschiff aus dem Golf heraufkommen, das für uns die besten Gewehre der Welt aus Frankreich an Bord hat. Es sind sogenannte Rollblockgewehre mit reichlich Munition. Zwar sind es Remingtonwaffen, aber sie wurden für uns von Patrioten des Südens in Frankreich hergestellt. Es gibt keine besseren Büchsen. Ich will sie haben für die Scharfschützen meiner Armeen. Sie können sich ein halbes Dutzend Freiwillige mitnehmen. Natürlich müssen Sie sich als Zivilisten tarnen. Ein altes Dampfboot, das der Unionsarmee nicht gut genug war, um requiriert zu werden, bekommen Sie. Und genügend Baumwollballen als Ladung auch. Mein Adjutant wird Sie noch in die Einzelheiten einweihen. Viel Glück, Major Cheney.«

Er tritt auf ihn zu und reicht ihm die Hand.

Und er wiederholt noch einmal: »Ich will diese Gewehre für die Scharfschützen meiner Armee haben, koste es, was es wolle.«

Steve Cheney nimmt die Hand des Oberkommandierenden und verspricht: »General, wir werden es versuchen. Ich werde meine beiden Brüder und noch vier Mann mitnehmen.«

»Das steht Ihnen frei, Major. Gehen Sie mit meinen besten Wünschen. Sie sind unsere letzte Hoffnung.«

Damit ist Major Steve Cheney entlassen. Und er weiß, dass er einen Höllenjob übernommen hat – für den Preis, nun Major zu sein. Als er drei Tage später wieder bei seiner Einheit eintrifft, trägt er bereits die neue Uniform mit den Rangabzeichen.

Und die beiden jüngeren Brüder Jake und Jubal staunen ihn an.

»Er ist Major geworden«, sagt Jake und grinst.

»Aber warum?« So fragt Jubal argwöhnisch und fügt hinzu: »Pass auf, Jake, jetzt kommt gleich der große Hammer. Ich sehe in seinen Augen, dass der Stern da an seinem Kragen nur eine Art Vorschuss ist. Und pass auf, jetzt zieht er uns mit hinein.«

»Richtig.« Steve nickt. »Euch und noch vier Mann nehme ich mit. Und dazu noch zweihundert Pfund reines Gold, in Barren gegossen. Ihr werdet euch wundern.«

»Das glauben wir«, erwidert Jubal und lächelt blinkend. »Du wirst es uns gewiss erklären.«

Es dauert ganze sechs Wochen, bis alles vorbereitet ist. Sie fahren mit dem alten Dampfboot – getarnt als Zivilisten – den Mississippi hinunter. Das Boot, dessen hämmernde Auslassventile einen ständigen Lärm machen, ist beladen mit Baumwollballen, und sie sind sieben Mann an Bord, getarnt als Flussschiffer und Baumwollpflanzer.

Das Gold ist gut versteckt.

Keinem der Männer sieht man an, dass er in Wirklichkeit ein Soldat der Konföderiertenarmee ist.

Der Mississippi befindet sich fest in der Hand der Unionsarmee, seit Vicksburg von den Truppen General Grants erobert wurde. Siebenundvierzig Tage dauerte der Kampf, und die Kanonenbatterien der Union überschütteten die Stadt mit Tod und Verderben. Die Kapitulation fand am 4. Juli 1863 statt, und dies ist das Datum der Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten.

Man schreibt den 24. Dezember 1864, und bis zum Kriegsende sind es noch fast vier Monate.

Es ist ein ziemlich warmer Weihnachtstag.

Als die Nacht kommt, wollen sie sich an Vicksburg vorbeitreiben lassen.

Doch das schaffen sie nicht.

Eine kleine Dampfpinasse hält längsseits neben ihnen. Ihre Karbidscheinwerfer lassen ihr Boot nicht mehr los. Und als sie nahe genug ist, springen Bewaffnete an Bord, bereit zum Töten. Ja, es sind Unionssoldaten.

Ihr Offizier – ein Captain – lacht vergnügt und fragt: »He, ihr wolltet euch doch wohl nicht an uns vorbeischleichen? Wer seid ihr? Und wohin wollt ihr?«

Steve Cheney tritt langsam vor, indes das Schaufelrad der »Miriam« rückwärts dreht und das Boot in der starken Strömung verharrt, also weder flussabwärts getrieben wird noch sich stromauf bewegt.

Steve Cheney bewegt sich so, als hätte er ein steifes Bein. Unter der Hose hat er sich einen Stock ans Bein gebunden und dieses auf diese Art steif gemacht.

»Es ist meine Ladung, Sir«, sagt er ruhig. »Ich bin Baumwollpflanzer aus Hillsboro. Ich will in New Orleans verkaufen. Das Boot habe ich gemietet. Dies hier ist der Eigner und Kapitän. Es ist eine helle Nacht, und ich möchte möglichst schnell mit dem Erlös meiner Ernte zurück nach Hillsboro.«

Der Unionscaptain grinst ihn an.

»Das alles wird noch geklärt«, erwidert er. »Fahren Sie hinter der Pinasse her bis zu einer der Landebrücken, die Ihnen zugewiesen wird. Sie sind Südstaatler, nicht wahr? Warum sind Sie nicht Soldat? Oder sind Sie es – und alle anderen hier?«

»Nicht alle Südstaatler kämpfen für den Süden«, erwidert Steve Cheney. »Bei uns geht man freiwillig zur Armee oder bleibt daheim. Und überdies habe ich ein steifes Bein.«

Er klopft mit seinem Stock gegen die Holzlatte unter der Hose. Man hört, wie der Stock auf Holz schlägt. Die Hose dämpft das Geräusch nur wenig.

»Und die anderen?« So fragt der Unionscaptain. »Auch alles Holzbeine?«

Seine Stimme klirrt vor Spott. Er zieht plötzlich seinen Revolver und zielt auf Steve Cheneys Bein.

»Wenn das ein Holzbein ist, Mister, da kann ich ja wohl hineinschießen, ohne Sie zu verletzen? Soll ich? Oder wollen Sie Ihre Hose ausziehen, damit ich nicht schießen muss?«

»Ich werde vor Ihnen gewiss nicht freiwillig meine Hose ausziehen, Captain«, erwidert Steve Cheney ruhig. »Und wenn es Ihnen Spaß macht, einen Krüppel zu demütigen, dann kann ich Sie nicht daran hindern. Nur zu, Captain. Es kostet mich nur eine Hose.«

Einen Moment sieht es so aus, als würde der Unionscaptain wirklich in das vermeintliche Holzbein schießen wollen. Seine Soldaten, die sich inzwischen auf dem alten Dampfboot verteilten und auch die Baumwollballen prüften, halten inne und warten.

Einige, die unter Deck und auch in die Kabinen wollten, verharren ebenfalls.

Doch der Unionscaptain lacht nun amüsiert.

»Ein stolzer Sklavenhalter«, spricht er. »Aber sagen Sie mir, warum Sie jetzt erst Ihre Baumwollernte zum Verkauf schaffen? Geben Sie mir eine Erklärung.«

»Weil ihr verdammten Yanks mir das Bein abgeschossen habt und ich erst wieder in einem Lazarett gesund – nein, nicht gesund, sondern Zivilist werden musste«, faucht Steve Cheney scheinbar wild vor Zorn.

Der Unionscaptain starrt ihn im Licht der Karbidscheinwerfer und einiger nun angezündeter Laternen an.

Dann wendet er sich ab.

»Ihr könnt weiter«, entscheidet er. Und zu seinen Männern gewandt ruft er laut genug: »Sergeant, wir gehen zurück auf die Pinasse! Dieses Dampfboot kann passieren!«

Als sie wenig später alle von Bord sind und die »Miriam« wieder ihre Fahrt stromabwärts fortsetzt, treten die Brüder zu Steve.

»Das war hoch gepokert«, knurrt Jake.

»Du hättest jetzt wirklich ein Bein verlieren können«, keucht Jubal. »Und es war gewiss nicht das Verhalten eines Gentleman, dich als Krüppel auszugeben.«

»Ich bin kein Gentleman, wenn ich zweihundert Pfund Gold durchbringen muss, um Waffen zu kaufen. Verdammt, wie kann ich da ein Gentleman sein?«, grollt Steve Cheney böse.

Inzwischen hat das kleine Dampfboot »Miriam« – es ist eigentlich für den Missouri gebaut worden – wieder Fahrt aufgenommen. Das Heckschaufelrad rattert wieder, und die Auslassventile hämmern durch die Nacht, so als schlügen Hämmer auf Metall.

Der mächtige Mississippi schimmert wie eine gewaltig breite Straße aus Silber im Mond- und Sternenschein. Nur die Wälder an den Ufern bergen geheimnisvolles Dunkel, das nur dann und wann von den Lichtern einzelner Ortschaften oder Gehöfte unterbrochen wird. Einer der beiden Soldaten, welche als Maschinisten fungieren, weil sie dies auch waren, bevor sie Soldat wurden, kommt zu Steve Cheney.

»Wir müssen bald Brennholz übernehmen«, sagt er ruhig. »Sonst können wir uns nur noch von der Strömung treiben lassen. In spätestens zwei Stunden werfen wir die letzten Holzscheite in die Feuerbuchsen. Und in drei Stunden ist kein Dampf mehr in den beiden Kesseln.«

»Gut, Barney, wir legen bei der nächsten Stadt an. Der Karte nach müsste es Amalia an der Mündung des Rosalia Creeks sein, etwa zehn Flussmeilen von hier entfernt. Wir legen an, Barney.«

Der Corporal geht wieder zu seiner Station, um dort das Feuer in Gang zu halten und auch alle beweglichen Teile der Backbordmaschine zu ölen. Dies muss ständig geschehen, weil sonst die Lager heißlaufen.

Der Corporal, der einst in seinem Zivilberuf ein erstklassiger Maschinist war, macht sich eine Menge Sorgen um die beiden Maschinen der »Miriam«. Alles auf diesem Dampfboot ist verbraucht, ausgeleiert, abgenutzt. Die »Miriam« ist fast ein Wrack, und selbst wenn sie mit ihr New Orleans erreichen sollten, stromauf würden sie mit ihr nicht mehr fahren können. Sie könnte gewiss nicht mehr gegen die starke Strömung des gewaltigen Stromes ankämpfen. Ihr morscher Leib würde sich nach und nach gewissermaßen zu Tode vibrieren. Sie würde zerbrechen.

Aber sie mussten mit solch einem Dampfboot den Versuch machen. Jedes andere wäre von den Unionstruppen requiriert worden.

Auch der Corporal denkt wie alle hier an Bord an das viele Gold.

Zweihundert Pfund sind es, genau zwanzig Zehn-Pfund-Barren. Sie beanspruchen nicht viel Platz. Die zweihundert Pfund Gold sind in einem großen Koffer unterzubringen, und deshalb waren sie auch so leicht an Bord zu verstecken.

Doch die »Miriam« wurde ja nicht einmal durchsucht.

Es ist noch nicht Tag, doch der graue Morgen deutet sich schon im Osten an, als sie auf der Westseite des Stromes die Lichter der kleinen Stadt Amalia an der Mündung des Rosalia Creeks sehen.

Es gibt einige Landebrücken und auch einen Holzplatz mit zwei Ladebäumen, an denen die Holzkörbe zu den Schiffen hinübergeschwungen werden können.

Die »Miriam« macht beim Holzplatz fest.

Und als das Schaufelrad an ihrem Heck nicht mehr den klatschenden Lärm macht, da hören sie das Geheul eines der Maschinisten.

Sie verstehen immer wieder die geheulten Flüche und Worte: »Oh, du heilige Scheiße. Jetzt ist es aus und vorbei! Jetzt wird uns alles Feuerholz der ganzen Welt nichts nützen! Verdammt!«

Der fluchende Maschinist kommt dann auf das Sturmdeck heraufgesprungen, wo Steve Cheney am Fuße des Ruderhauses steht und auf den Holzplatz blickt, wo sich vorerst noch kein Mensch bewegt.

»Was ist, Larkin?« So fragt Major Cheney knapp.