G. F. Unger 2193 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2193 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Punkt zwölf Uhr mittags schließt der Sheriff die Zellentür auf und sagt bitter: »Komm heraus, Laredo!«
Der Mann auf der Pritsche streicht sich das herausfordernd rote Haar aus der Stirn, gähnt und fragt dann müde: »Was ist denn für ein Wetter draußen?«
»Komm heraus, Laredo«, sagt der Sheriff grimmig. »Und spar dir deine dummen Witze.«
Laredo setzt sich langsam auf und blinzelt den Sheriff an.
San Bullmaster wirkt selbst dann nicht freundlich, wenn er gute Laune hat. Doch so wütend und grimmig wie heute hat Laredo ihn noch nie gesehen.
Er erhebt sich und folgt dem Sheriff aus dem Zellenraum ins Office. Dort gähnt er nochmals ungeniert und sagt dann: »Was war denn eigentlich los gestern? Hab ich vor Mrs Mayflower Lonehicks Haus schmutzige Lieder gesungen, hab ich die Brazos-Bank beraubt, oder weshalb hast du mich festgenommen?«
Der Sheriff sieht Laredo nachdenklich an, dann erwidert er finster: »Ich habe dich festgenommen, weil du ein Narr bist, Laredo!«


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Seitenzahl: 162

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Laredo

Vorschau

Impressum

Laredo

Punkt zwölf Uhr mittags schließt der Sheriff die Zellentür auf und sagt bitter: »Komm heraus, Laredo!«

Der Mann auf der Pritsche streicht sich das herausfordernd rote Haar aus der Stirn, gähnt und fragt dann müde: »Was ist denn für ein Wetter draußen?«

»Komm heraus, Laredo«, sagt der Sheriff grimmig. »Und spar dir deine dummen Witze.«

Laredo setzt sich langsam auf und blinzelt den Sheriff an.

San Bullmaster wirkt selbst dann nicht freundlich, wenn er gute Laune hat. Doch so wütend und grimmig wie heute hat Laredo ihn noch nie gesehen.

Er erhebt sich und folgt dem Sheriff aus dem Zellenraum ins Office. Dort gähnt er nochmals ungeniert und sagt dann: »Was war denn eigentlich los gestern? Hab ich vor Mrs. Mayflower Lonehicks Haus schmutzige Lieder gesungen, hab ich die Brazos-Bank beraubt, oder weshalb hast du mich festgenommen?«

Der Sheriff sieht Laredo nachdenklich an, dann erwidert er finster: »Ich habe dich festgenommen, weil du ein Narr bist, Laredo!«

Laredo lacht, dann streckt und dehnt er sich wie ein Wildkater. In seinem sonnengebräunten Gesicht fallen die Sommersprossen kaum auf. Es ist ein verwegen wirkendes Gesicht mit einigen scharfen Linien darin. Er ist kein ganz junger Bursche mehr, gewiss fast schon dreißig Jahre. Und er trägt sehr abgenutzte Weidekleidung.

Der Sheriff holt indes Laredos wenige Habseligkeiten aus einem Regal. Oh, es ist nicht viel: ein alter Colt in einem glatten Holster, ein Messer, eine abgebrochene Tabakpfeife, eine alte Nickeluhr, drei beinerne Würfel, ein abgegriffenes Kartenspiel, ein Kamm und ein Paar silberne Sporen, die melodisch klingeln, als er sie auf den Tisch wirft. Diese Sporen sind offensichtlich ein großer Gegensatz zu Laredos sonstigem recht schäbigen Äußeren, welches sich von dem eines Tramps nur durch Sauberkeit unterscheidet.

»Du hast den Pferden der Walker-Mannschaft Bier in den Tränketrog gegossen«, sagt der Sheriff. »Da die Gäule durstig waren, soffen sie das Bier und wurden betrunken. Bevor die Walker-Mannschaft dir die Haut abziehen konnte, nahm ich dich wegen groben Unfugs in Haft. Und jetzt gebe ich dir den Rat, aus dem Land zu verschwinden. Laredo, es ging mit dir immer nur bergab. Ich habe dich früher ganz gerngehabt und möchte dich wirklich nicht eines Tages ...«

Er verstummt und verzichtet darauf, irgendwelche Voraussagen zu machen. Doch er fügt hinzu: »Du kannst die Walker-Mannschaft nicht immerzu herausfordern und zum Narren machen. Das lassen sich die harten Jungs einfach nicht bieten. Deine Freunde, mit denen du mehr und mehr Umgang hast, gefallen mir auch nicht. Laredo, geh fort!«

Laredo, der eigentlich Tob Humphrey heißt, nimmt den Waffengurt und legt ihn sich um. Er tut es auf eine geschickte Art, die sehr selbstverständlich wirkt. Und mit dem Revolver an der Seite wirkt er noch verwegener.

»Ist das ein Befehl, San?«, fragt er. Und dann fügt er hinzu: »Es muss doch jemanden in diesem Land geben, der den Walker-Reitern nicht aus der Hand frisst. Gordon Walker kann alles, tut alles, und wenn er jemandem sagt, er solle auf dem Kopf stehen und den Yankee- Doodle pfeifen, dann wird das zumindest versucht, um ihn möglichst zufriedenzustellen. Es macht mir Spaß, dieser arroganten Bande immer wieder zu zeigen, dass ich mich vor ihnen nicht fürchte. Ein Mann in diesem Distrikt muss es doch mal tun. Und einen Kampf können diese Brüder immer mit mir haben – immer, an jedem Ort und zu jeder Zeit! Wollen Sie sonst noch etwas von mir, Sir?«

Er stellt die Frage überhöflich und nennt San Bullmaster nun Sir.

Dieser betrachtet ihn traurig. Laredo aber grinst blitzend.

»Gordon Walker nahm dir das Mädel weg, und seitdem ging es bergab mit dir, Laredo«, sagt der Sheriff schließlich. »Du hattest eine ganz hübsche Ranch dort oben im Canyon. Was ist jetzt noch davon übrig? Ah, mach nur so weiter! Du kannst gehen.«

Als Laredo aus dem Sheriff's Office hinaus in die Sonne tritt, da dehnt und streckt er sich noch einmal, sodass man an einen Berglöwen erinnert wird, der aus seiner Höhle kommt, sich ausgeruht hat und nun hungrig auf die Jagd zu gehen gedenkt.

Seine Sporen hat er nicht umgeschnallt, sondern hinter den Gürtel geschoben. Er geht zum Store hinüber, und er weiß, dass nicht wenige Augen ihn beobachten. Diese kleine Rinderstadt, die jetzt um die Mittagszeit den Eindruck macht, als würde sie schlafen und nichts hören und sehen, passt immer auf. Diesen Leuten hier entgeht so schnell nichts. Denn es ist lebensnotwendig für sie, stets gut Bescheid zu wissen.

Und überdies gilt Laredo als einer der letzten Rebellen im Land – als Rebell gegen die Macht der Walker Ranch. Und da das ganze Land sich der Walker Ranch unterworfen hat und jeder Mensch im Land mehr oder weniger kuscht, warten nicht wenige Leute begierig darauf, dass sich auch der rebellische Laredo eines Tages unterwerfen wird. Sie werden sich danach etwas besser fühlen.

Laredo betritt den Store und wirft die silbernen Sporen auf den Ladentisch. Es klingelt wieder melodisch. Die Sporenrädchen haben keine Zacken, wie es sonst üblich ist, es sind mexikanische Silberpesos.

Aus dem Hintergrund des Stores kommt nun Kate Ackermile.

»Du bist der einzig erfreuliche Anblick auf hundert Meilen in der Runde«, sagt Laredo. Sein Grinsen ist wieder blitzend und verwegen. Doch in seinen rauchgrauen Augen ist ein nachdenklicher Ausdruck.

Kate Ackermile ist selbst für ein Mädchen nur mittelgroß, sie wirkt zart und wiegt bestimmt nicht mehr als hundert Pfund. Sie ist auch gewiss nicht schön – doch apart, hübsch und reizend, erfreulich anzusehen. Aber sie wirkt sehr beherrscht und zurückhaltend. Es ist ihre Art, die anderen Menschen stets auf Distanz zu halten. Sie wirkt immer so, als hielte sie merklichen Abstand und wäre dadurch in der Lage, die Dinge sachlicher und nüchterner zu betrachten.

Doch sie hat volle, lebendige Lippen. Es ist alles sehr weiblich an ihr. Sie ist eine seltsame Mischung von Lockung und Zurückhaltung für einen Mann.

Laredo wird sich wieder einmal mehr darüber klar, dass er aus diesem Mädel nie richtig schlau wurde. Manchmal glaubte er, sie warte nur darauf, dass er ihr näherkommen würde. Doch dann wieder glaubte er deutlich eine Schranke zu spüren, die sie vor sich aufgebaut hatte.

Er versucht es immer wieder mit einem Scherz bei ihr. Und so ist es auch jetzt.

Sie betrachtet ihn seltsam ernst und sagt plötzlich: »Wenn du mich so reizend findest, warum sagst du das dann nur immer? Scher dich doch zum Teufel mit deinen Witzen!«

»He!«, ruft Laredo und staunt. »Soll ich über den Ladentisch kommen und dich küssen?«

Ihr Blick kommt nun aus halb geschlossenen Augen und weist ihn zurück.

»Was willst du mit den Sporen? Du weißt doch, dass du Kredit hast. Warum wirfst du mir alle Wochen, wenn du mal wieder kein Geld hast, diese Sporen auf den Tisch? Das war ein Rodeo-Preis, nicht wahr? Die bekam einmal der beste Reiter.«

»Das ist vorbei«, sagt er. »Ich brauche etwas Proviant und Munition. Ich muss mal wieder einige Wölfe und Pumas schießen. Die Prämien sind zurzeit zwar nicht sehr hoch, doch ich muss mich ernähren. Gib mir was für diese Sporen, Schwarzkopf.«

»Nenn mich nicht so«, sagt sie, nimmt die Sporen und wirft sie in eine Schublade. Sie tut es mit einer ärgerlichen Bewegung. »Du siehst wie ein Mann aus«, sagt sie plötzlich heftig, »doch du benimmst dich seit jenem Tag wie ein Junge.«

»Seit welchem Tag?« Er fragt es seltsam leise.

Doch sie wendet sich ab, um ihm einigen Proviant in einen Beutel zu tun. Er starrt sie einige Sekunden lang an, wendet sich dann jedoch ab und geht hinüber in die Ecke, wo es Eisenwaren und Munition gibt. Er sucht sich die richtigen Patronen für sein Gewehr und zählt dann die Revolverpatronen in den Schlaufen seines Gürtels. Sie sind ihm wohl zahlreich genug, denn er belässt es bei der Gewehrmunition.

Wortlos nimmt er den Leinensack und geht zur Tür. Dort wendet er sich noch einmal um und fragt plötzlich scharf: »Macht dir das Leben Spaß hier? Seit dein Vater tot ist, führst du den Store allein mit dem alten Neger. Ist das das Leben, welches du haben wolltest?«

»Nein«, sagt sie herb. »Aber ich verzweifle nicht darüber und lasse mich nicht gehen.«

Er kehrt einige Schritte zurück und starrt sie an. »Manchmal denke ich, Kate«, sagt er, »dass du voll Feuer bist. Dann wieder scheinst du kalt wie Stein. Ich sollte dich wirklich küssen, um herauszufinden, wie du wirklich bist.«

Sie betrachtet ihn prüfend.

»Geh zum Teufel, du Satteltramp!«, sagt sie. »Gordon Walker nahm dir damals das Mädel weg, und seit diesem Tag spielst du den wilden Jungen, der sich gehen lässt, die ganze Welt herausfordert und mit der Walker-Mannschaft gerne einen Streit bekommen will. Wenn du ein Mann geworden bist, dann komm zu mir, und dann will ich dich küssen und dir zeigen, ob ich Feuer habe oder aus Stein bin.«

Er hat große Augen, so sehr staunt er und ist überrascht.

»Heiliger Rauch«, sagt er seufzend, »es gibt im ganzen Land nicht einen Menschen, dem ich es recht machen kann.«

Nach diesen Worten geht er, doch er wirkt noch betroffen und voller Staunen.

Etwa zehn Minuten später verlässt er auf seinem verrückt gefleckten Pferd die kleine Stadt, die sich Brazos nennt, nur einfach und schlicht Brazos. Er reitet am Brazos Saloon vorbei und wirft einen bedauernden Blick hinüber.

George Ines, der Besitzer, tritt heraus, groß, dunkel, schlank und voll beherrschter Kühle. Sein leerer rechter Ärmel ist mit dem Ende in die Jackentasche gesteckt. In seiner Linken hält er eine lange, dünne und pechschwarze Zigarre. Als er Laredo, dessen richtiger Name Tobias Humphrey ist, vorüberreiten sieht, ruft er: »Ich berechne dir das Fass Bier mit vierzig Dollar. Hast du verstanden, Laredo? Vierzig Dollar!«

Laredo grinst schief und nickt. »Es war gutes Pferdebier«, sagt er etwas herausfordernd, und er ist schon fast ganz am Saloon vorbei, als ihm ein Gedanke kommt. Er hält sein Pferd an, zieht es herum und reitet zurück, bis er vor George Ines verhält.

»Vierzig Dollar?« So fragt er staunend.

Ines nickt. Seine scharfen Augen funkeln. Er ist immer noch der typische Spieler, obwohl er sich zur Ruhe gesetzt hat, als er diesen Saloon erwarb.

»Kopf oder Zahl«, sagt Laredo ruhig. »Und wenn ich verliere, bekommst du achtzig Dollar, George.«

Dieser nickt und sagt: »Zahl!«

Dann schleudert er einen Golddollar in die Luft, den Laredo geschickt auffängt und auf seinen linken Handrücken klatscht, sodass er dort auf der Haut kleben bleibt.

George Ines sieht, dass nicht seine gewettete Zahl, sondern der Kopf oben ist, und nickt. Sein beherrschtes Spielergesicht zeigt auch nicht den leisesten Schatten eines Bedauerns oder gar eines Unmuts darüber, dass er soeben vierzig Dollar verlor.

»Du bist ein Glücksjunge, Laredo«, sagt er nur. »Jetzt hast du den ganzen Spaß mit der Walker-Mannschaft sogar noch umsonst gehabt.« Er fängt den Dollar wieder auf, den Laredo ihm zuwirft, und lässt ihn in der Westentasche verschwinden.

»Glücksjunge?«, fragt Tob Humphrey. »Ich, den ihr Laredo nennt, bin ein Glücksjunge?«

George Ines sieht zu ihm empor und nickt dann stumm.

Da wendet Laredo wortlos sein Pferd und reitet endgültig aus der kleinen Rinderstadt zum Fluss hinunter. Als er die letzten Häuser hinter sich gelassen hat, beginnt er die »Klage des Cowboys von Laredo« zu singen. Es ist das Lied, das ihm seinen Spitznamen einbrachte, weil er es so gerne pfeift.

»Damals in Laredo, da fielen Rosen auf meinen Sarg!

Und sie deckten mich zu, waren die letzten Grüße,

die meine Freunde mir ins Grab legten.

Damit die Erdschollen nicht so hart auf mich fielen.«

»Put bunches of roses all over my coffin!« (Werft Rosensträuße in mein Grab.)

Dann lacht er und schlägt sich auf die Schenkel, als hätte er sich soeben einen guten Witz erzählt.

Sein Pferd schüttelt den Kopf und schnaubt entrüstet. Er treibt es ziemlich heftig in das aufspritzende Wasser des Flusses.

Es gibt nur diese eine Furt hier am Brazos River. Sonst ist es wegen Treibsand oder Steiluferwänden weit und breit nicht möglich, durch oder über den Fluss zu kommen.

Drüben lenkt er sein Pferd in schnurgerader Richtung auf die hohe Felsbarriere im Osten zu, in der es nur einen einzigen v-förmigen Einschnitt gibt. Dieser Einschnitt ist etwa zwölf Meilen entfernt, doch in der klaren Luft gut zu erkennen. Das Gelände vom Fluss her steigt zwar stetig an, doch es ist sonst flach, ganz so, als wäre es einst einmal ein gewaltig breites Flussbett gewesen, welches drüben an der Felswand endete wie ein Meer an einer gewaltigen Kaimauer.

Überall sind Rinder, immer wieder Rinder in Rudeln. Sie alle tragen den Walker-Brand, ein großes »W«. Denn die Walker Ranch ist die größte Ranch im Land.

Nach etwa acht Meilen hält er an.

Rechts von ihm – also südlich der Straße – sind einige Schlammlöcher, in denen sich die Rinder so gerne wälzen, um sich eine schützende Schlammschicht gegen die Büffelmücken zu verschaffen. Von dort drüben tönt fortwährend das klagende und angstvolle Brüllen einer Kuh. Dieses Tier dort muss sich in arger Not befinden.

Tob Humphrey späht erst scharfäugig in die Runde, bevor er die Straße verlässt und hinüberreitet.

Als er das Pferd dann anhält und lauscht, da hört er es.

Die Kuh brüllt immer noch in dem Schlammloch. Doch dazwischen sind noch andere Laute zu hören. Es sind seltsame Laute – vom wilden Knurren bis zu einem seltsamen Winseln.

Wölfe!

Tob Humphrey reitet bis an den Rand der Senke heran. Über die Büsche hinweg, die seinem Pferd bis zur Brust reichen, späht er hinunter. Er sieht die Kuh im Schlamm stecken. Sie hat sich vor Angst so tief hineingearbeitet, dass sie aus eigener Kraft nicht wieder herauskommen kann.

Am Rande des Schlammes kauern einige Wölfe.

Sie beobachten das arme Tier, und einer von ihnen duckt sich nun zum Sprung. Er landet auf dem Rücken der Kuh und will seinen Fang in das lebende Fleisch schlagen, um sich ein Stück davon herauszureißen. Die anderen Wölfe springen indes am Ufer herum, verrückt vor Gier, ungeduldig und lüstern. Doch sie halten die Rangordnung ihres Rudels ein. Nur eine Wölfin wagt es, zu dem Leitwolf auf den Rücken der brüllenden Kuh zu springen.

Tob Humphreys Gewehr beginnt unwahrscheinlich schnell zu krachen. Er erwischt mit den ersten beiden Schüssen die Wölfe auf der Kuh, und dann trifft er noch mit vier weiteren Schüssen drei Wölfe, bevor der Rest des Rudels verschwunden ist.

Es ist geradezu unheimlich, diese Treffsicherheit zu sehen, mit der er schießt. Er visiert mit dem Gewehr gar nicht, sondern lädt nur durch und drückt scheinbar ungezielt aus der Hüfte ab. Aber er trifft auf unheimliche Weise damit die auseinanderspringenden Wölfe.

Sein Pferd aber steht still dabei, ganz so, als wäre es taub und hielte auch die Wölfe nur für Hunde.

Dann ist es still.

Selbst die Kuh ist stumm geworden.

Die beiden toten Wölfe treiben neben ihr in der schlammigen Brühe.

Tob Humphrey macht sich an die Arbeit. Zuerst holt er die beiden toten Wölfe heraus und legt diese zu den drei anderen. Dann wirft er das Lasso um den Hals der Kuh und hilft ihr mit seinem Pferd. Sie schaffen es auf diese Art gemeinsam, und nachdem die Kuh einige keuchende Atemzüge lang mit zitternden Beinen auf dem festen Grund verschnaufte, macht sie sich wieder auf die Wanderschaft.

Laredo zögert nun einige Sekunden, reitet dann hinauf zum oberen Rand der Mulde und späht in die Runde. Doch er kann nichts erkennen, was ihm Sorgen bereiten könnte.

Deshalb begibt er sich wieder hinunter, um die Wölfe abzuhäuten. Fünf Wolfsfelle bringen eine hübsche Prämie, die der Sheriff als Beauftragter der Regierung und der Viehzüchter-Vereinigung auszahlen muss.

Das ging schnell, denkt Tob Humphrey. Ich brauche sonst einige Tage, um ein paar Wölfe oder einen Puma zu erwischen, und ich finde sie auch nicht so bequem nur hundert Schritte neben der Straße. Das war schnell und leicht verdientes Geld, für das ein Cowboy sonst einen ganzen Monat arbeiten muss. Oha!

Und nachdem er dies gedacht hat, beginnt er sein Lieblingslied zu summen. Die Arbeit geht ihm dabei gut von der Hand. Er kann nicht nur gut schießen, sondern erweist sich auch als ein guter Abhäuter. Er macht überhaupt den Eindruck, als verstünde er von sehr vielen Dingen etwas.

Und doch scheint er zugleich ein Mann zu sein, der sich mehr oder weniger treiben lässt, der dumme Späße macht – und der sich nur um zu rebellieren Salz statt Zucker in den Kaffee tut.

Was ist dieser Tobias Humphrey, den sie alle nur einfach Laredo nennen, für ein Mann?

Er soll eine Ranch besitzen, die nichts mehr wert ist.

Als er drei Wölfe abgehäutet hat, bekommt er Besuch. Es sind drei Reiter. Ein vierter Mann saß vorher ab und zielt kniend mit einem Gewehr vom Rand der Senke auf ihn.

»Schieße ihm nur nicht gleich den Kopf ab, Bob«, sagt einer der Reiter lässig. Es ist ein gelbhaariger und chinesenbärtiger, hagerer Mann, äußerlich ganz und gar der typische Texaner, der stets kühl und lässig bleibt.

Und er wirkt auch wie ein Mann, der gewöhnt ist, dass man seinen Befehlen sorgfältig gehorcht. Er lächelt etwas schief.

Die beiden anderen Reiter halten auf der anderen Seite der Mulde. Und auch sie grinsen, doch ihr Grinsen ist schon fast gemein. Sie sind sehr viel primitiver als jener chinesenbärtige Reiter, der ganz offenbar das Kommando hat.

Es entsteht eine Pause von fast einer Minute, doch es ist eine sehr lange Minute, schwer von Unheil, welches wie eine Gewitterwolke über Laredo zu hängen scheint.

»Was tust du denn hier, Laredo?« Dies fragt der hagere Texaner.

»Ihr habt doch nichts gegen einen armen Wolfsjäger, der auf eurer Weide eine Kuh aus einem Schlammloch zog, nachdem er zuvor die Wölfe, die sie bei lebendigem Leibe auffressen wollten, abschoss?«

Die Frage stellt Tob Humphrey mit sanfter Freundlichkeit. Doch seine Augen sind scharf und kalt. Er steht noch etwas geduckt da, hält in der Rechten das blutige Abhäutemesser und die Linke leicht geöffnet hinter dem Revolverkolben.

»O nein, wir haben nichts gegen Wolfsjäger«, sagt der gelbhaarige Mann und lehnt sich leicht vor. »Wir sind sogar dankbar, Laredo. Kein Cowboy der Walker-Mannschaft hätte es besser machen können als du. Wir hörten sechs Schüsse, und da liegen fünf Wölfe. Du bist ganz große Klasse, Laredo.«

»Fein, dass ihr dies erkennen könnt, Abe Slater«, erwidert Laredo und hat schmale Augen. Seine Fingerspitzen, die dem Kolben der Waffe so nahe sind, vibrieren nun leicht. Er ist angespannt bis zur letzten Faser und bereit für jene unheimlich schnelle und unheilvolle Reflexbewegung, die den Revolver in seine Hand zaubern wird.

Denn er ist in der Klemme. Er war zu leichtsinnig.

»Du bist der noble Bursche, der unseren Pferden edles Bier spendierte«, spricht Abe Slater, der Vormann der Walker-Mannschaft, plötzlich weiter. »Und es war auch ein feiner Spaß, als wir versuchten, auf unseren betrunkenen Pferden heimzureiten heute Nacht. Du hast gewiss eine Menge Freude gehabt und einen noblen Beschützer, der dich ins Gefängnis sperrte, um dir die heile Haut zu erhalten. Nun, Laredo ...«

»Fangt nur an«, sagt Laredo kalt, und er wirkt nun mit seinen roten Haaren, seiner lauernden und kampfbereiten Haltung und den leuchtenden Augen wie die Versinnbildlichung eines typischen Rebellen, der dem Teufel ins Auge spuckt und lieber stirbt als nachgibt.

»Fangt nur an, ihr Edlen der Brazos-Weide! Wollen wir wetten, dass ich noch zumindest einen von euch schaffe, bevor mir Bob Gates den Kopf abschießen kann?«

»Aber nur einen«, sagt Abe Slater sanft. In seinen gelben Augen flackert es seltsam. Sein Mund ist schmallippig, doch sehr breit. Sein kantiges Kinn ist durch eine Kerbe geteilt, und seine Bartspitzen zucken nun seltsam.