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Broderick Lee kommt von Süden her über den Big-Horse-Pass geritten und sieht von der Wasserscheide aus über gewaltige Bergterrassen auf das Million-Canyons-Land nieder.
Die Schönheit der Landschaft lässt ihn den Atem anhalten. Er ist von Arizona schon eine ganze Menge gewöhnt, aber dieses wilde Land dort unten schlägt alles.
Er sieht die grünen Terrassen, die roten Mesas, den schmalen Fluss, der silbern zwischen purpurnen Felswänden strömt. Und viele, viele Canyons durchbrechen überall die roten Bergschultern und bilden Furchen in dem wild zerhackten Land.
Broderick Lee holt tief Atem.
»Na gut«, murmelt er sanft, »vielleicht ist dieser Yellow Blizzard in Wirklichkeit mein verschollener Royal Flush. Ich werde ihn sofort erkennen, wenn ich ihn sehe. Und dann sollen ihn die Menschen nicht töten, weil er ein Killer ist. Vorwärts, Mister.«
Die letzten Worte gelten dem hässlichen, struppigen Pinto, den Broderick Lee reitet. Ein Packpferd trottet an der langen Leine hinterher.
So ziehen sie zum Million-Canyons-Land hinunter - ein großer, sehniger Mann, ein hässlicher Schecke und ein knochiges Packtier, das ein ziemlich dürftiges Bündel auf dem Rücken trägt ...
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Seitenzahl: 167
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Yellow Blizzard
Vorschau
Impressum
Yellow Blizzard
Broderick Lee kommt von Süden her über den Big-Horse-Pass geritten und sieht von der Wasserscheide aus über gewaltige Bergterrassen auf das Million-Canyons-Land nieder.
Die Schönheit der Landschaft lässt ihn den Atem anhalten. Er ist von Arizona schon eine ganze Menge gewöhnt, aber dieses wilde Land dort unten schlägt alles.
Er sieht die grünen Terrassen, die roten Mesas, den schmalen Fluss, der silbern zwischen purpurnen Felswänden strömt. Und viele, viele Canyons durchbrechen überall die roten Bergschultern und bilden Furchen in dem wild zerhackten Land.
Broderick Lee holt tief Atem.
»Na gut«, murmelt er sanft, »vielleicht ist dieser Yellow Blizzard in Wirklichkeit mein verschollener Royal Flush. Ich werde ihn sofort erkennen, wenn ich ihn sehe. Und dann sollen ihn die Menschen nicht töten, weil er ein Killer ist. Vorwärts, Mister.«
Die letzten Worte gelten dem hässlichen, struppigen Pinto, den Broderick Lee reitet. Ein Packpferd trottet an der langen Leine hinterher.
So ziehen sie zum Million-Canyons-Land hinunter – ein großer, sehniger Mann, ein hässlicher Schecke und ein knochiges Packtier, das ein ziemlich dürftiges Bündel auf dem Rücken trägt ...
Am Fuße einer Mesa brennt Broderick Lees Campfeuer – ein rotes Auge in der Nacht. Aus einer der vielen Felsspalten rinnt ein Bach. Die Sterne leuchten am klaren Himmel, und der Boden ist noch warm von der Sonne des Tages.
Broderick Lee kauert am Wasser und reinigt sein Geschirr, als er Hufschlag hört. Er kommt aus einem Canyon, und dann sieht Lee auch schon die drei Reiter aus dem Schatten des Canyonmauls reiten. Sie entdecken sein Feuer und halten an. Nach etwa einer Minute kommen sie herübergeritten.
Der Mann aus Arizona erwartet sie bewegungslos. Er kann sie in der hellen Nacht gut erkennen. Sie reiten prächtige Pferde und wirken wie Cowboys.
Sie halten an und starren ihn an. Die Pferde schnauben leicht, und das Sattelzeug knarrt. Der mittlere Reiter beugt sich langsam vor und sagt: »Schon wieder ein Fremder. Nun, Mister, was machen Sie hier?«
»Wer sind Sie?«, fragt Broderick Lee sanft, und er kann deutlich erkennen, wie der große Mann eine ungeduldige Bewegung mit den Schultern macht, ehe er, wenn auch barscher als vorher, sagt:
»Sie sind auf dem Gebiet der Rimberland Ranch, Fremder. Und ich bin der Vormann dieser Ranch. Also, was machen Sie hier?«
Er treibt sein Pferd vorwärts und mustert Broderick Lees Ausrüstung. Dann sieht er zu Lees Pferden und nickt, als wäre er sich über den Fremden klar.
»Sie sind ein Pferdejäger! Sie haben da drei Lassos, und jedes davon ist für Rinder viel zu schade. Es sind prächtige Lassos. Für jedes könnte man zwanzig gewöhnliche bekommen. Sie sind also in dieses Land gekommen, um Yellow Blizzard zu fangen, nicht wahr?«
Er beugt sich zur Seite und starrt auf Lee nieder. Der sieht nun im Feuerschein das Gesicht des Mannes richtig.
Es ist ein kräftiges und grobes Gesicht – das Gesicht eines Muskelmannes, der durch hundert Raufereien und Kämpfe gegangen ist und der sicherlich nie besiegt wurde. Das Gesicht drückt viel Unduldsamkeit aus. Dieser schwergewichtige Reiter gehört zu jener Sorte, die durchaus in der Lage ist, auf Grund ihrer gewaltigen Kraft und Rücksichtslosigkeit ein wildes Rudel Reiter mit der bloßen Faust zu bändigen.
Broderick Lee hat solche Typen schon getroffen – beim Eisenbahnbau als Aufseher, als Wagenboss eines Frachtwagentrecks – oder als Führer einer wilden Holzfällermannschaft. Und diese massigen, unduldsamen Burschen hatten ihre Mannschaften stets fest in der Hand, weil sie niemals Widerstand oder Auflehnung duldeten und schon bei einem Wort, das ihnen nicht gefiel, ohne Gnade zuschlugen.
Lee beantwortet die Frage des Vormannes sanft und höflich.
»Yeah, vielleicht werde ich ihn fangen, Mister. Und da ich gehört habe, dass Ihr Boss fünftausend Dollar Belohnung für Yellow Blizzard ausgesetzt hat, dürften Sie wohl nichts dagegen haben, wenn ich für die nächste Zeit da und dort mein Camp aufschlage. Oder?«
Der Vormann gibt keine Antwort, sondern starrt Lee nur schweigend an. Nach einigen Atemzügen nickt er langsam, als bestätigte er sich etwas, das hinter seiner Stirn verborgen vorgeht. Ganz plötzlich grinst er und klatscht mit der Hand ans Sattelhorn.
»Oh, wieder ein Bursche, der sich fünftausend Dollar verdienen möchte!«, ruft er. »Und dafür brauchen Sie Yellow Blizzard nicht mal zu fangen. Es genügt schon, wenn Sie ihn wie einen Wolf abschießen. Schon wenn er tot ist, zahlt Big Jim Rimberland dem Mörder fünftausend Dollar Belohnung.«
»Ich will die Belohnung nicht«, erwidert Broderick Lee ruhig. »Ich werde ihn fangen und mit ihm das Land verlassen.«
Der Vormann zuckt bei diesen Worten zusammen und seufzt. Ganz plötzlich gleitet er aus dem Sattel.
»Ich bin Mac Hammer«, sagt er und tritt auf Broderick Lee zu. »Ich bin ein ziemlich rauer Bursche, Fremder. Ich habe mir geschworen, dass ich es sein werde, der Yellow Blizzard einfangen und bändigen wird. Mein Boss hasst diesen Hengst und will ihn tot am Boden sehen. Aber ich liebe dieses Tier. Nun, Fremder, ich habe in den letzten Monaten siebzehn harte Burschen verprügelt, weil sie alle hinter Yellow Blizzard her waren. Sie sind der achtzehnte Mann, den ich in Stücke schlage, wenn Sie nicht sofort Ihr Vorhaben aufgeben und aus diesem Land verschwinden. Haben Sie mich verstanden?«
»Weiß Jim Rimberland, dass Sie, sein Vormann, alle Pferdejäger aus dem Land jagen, weil Sie Yellow Blizzard selbst bekommen wollen?«, fragt Broderick Lee.
»Nein, das weiß er nicht, und es sagt ihm auch niemand, weil ich ein ziemlich rauer Bursche bin«, knurrt Mac Hammer.
Broderick Lee grinst. »Yeah, das haben Sie schon mal erwähnt, Mister. Nun, Sie können von mir aus zum Teufel gehen. Ich werde morgen zur Rimberland Ranch reiten und mit Ihrem Boss reden.«
Broderick Lee hat kaum ausgesprochen, als er auch schon Mac Hammers Faust kommen sieht.
Er nimmt im letzten Moment den Kopf weg und rammt dem Mann die Linke dicht über der Gürtelschnalle in den Leib.
Mac Hammer ächzt. Er macht eine unfreiwillige Verbeugung und stürmt dann wie ein angreifender Bulle hinter dem langsam zurückweichenden Lee her. Der spürt plötzlich die Felswand in seinem Rücken. Zugleich ist auch Mac Hammer bei ihm und will ihm den Kopf in den Leib stoßen. Hammers große Hände fassen nach Lees Armen.
Aber der hat beide Fäuste hochgerissen und schmettert sie nun auf Hammer nieder. Gleichzeitig reißt er sein rechtes Knie hoch. Dann wirft er sich zur Seite. Er sucht neben Mac Hammer an der Felswand festen Halt und wirft einen kurzen Blick auf die beiden anderen Reiter.
Aber die sitzen unbeweglich auf ihren Pferden und halten ihre Hände friedlich über den Sattelhörnern gefaltet.
Broderick Lee ist beruhigt. Er sieht auf Mac Hammer, der nun auf dem Boden sitzt und beide Hände auf sein Gesicht drückt. Dabei brummt und knurrt er vor Schmerz wie ein gereizter Bär.
»Hör lieber auf«, sagt Lee zu ihm nieder. »Begnüge dich damit, dass du siebzehn harte Burschen verprügeln konntest. Das ist doch eine ganz nette Leistung, nicht wahr?«
Mac Hammer knurrt und erhebt sich langsam.
»Oha, du bist tüchtig«, grollt er und greift wieder an. Diesmal versucht er es mit gewaltigen Schwingern. Er schlägt dabei sehr offen und riskiert es, von Lee getroffen zu werden.
Broderick Lee trifft ihn auch mehrmals mit langen Geraden. Aber dann fegt ihn ein Schwinger von den Beinen. Er ist halb betäubt und hört nichts mehr, weil die mächtige Faust des Vormannes genau auf sein Ohr und die Schläfe traf. Er rollt sich schnell zur Seite, aber instinktiv nicht vom Gegner weg, sondern ihm entgegen. Er hat auch Glück, denn Mac Hammer stolpert über ihn und fällt.
Sie kommen beide gleichzeitig auf die Beine. Lee bückt sich und wirft sich vor. Seine Schulter rammt gegen Hammers Knie.
Sie rollen am Boden voneinander weg und springen wieder auf. Aber diesmal ist Lee etwas schneller. Er ist überhaupt sehr schnell. Mehrmals trifft er Mac Hammer rechts und links, und als dieser wieder mit gesenktem Kopf gegen ihn anstürmt, weicht er zurück und wirbelt herum, sodass Hammer dicht neben ihm ins Leere stürmt. Er schmettert ihm den rechten Unterarm an den Hals und bekommt mit einem Griff der Linken Hammers Hosengurt am Rücken zu fassen.
Er zieht den gebückt vorwärts ins Leere stolpernden Mann mit einem wilden Ruck weiter und schmettert ihm nochmals den Unterarm an den Kopf.
Mac Hammer wirft die Hände zu spät nach vorn. Sein Kopf kracht gegen den Felsen. Dann ist der Kampf aus.
Broderick Lee wendet sich keuchend den beiden Reitern zu.
Die grinsen ihn an. Einer sagt lässig: »Nur keine Aufregung, Fremder. Es war Mac Hammers Kampf – nicht unserer. Aber er hat einen ziemlich harten Schädel.«
»Nehmt ihn mit«, japst Lee. »Nehmt ihn mit, bevor er aufwacht und ich meinen Colt nehme. Ich zerschlage mir nicht gerne die Hände an solchen Brocken.«
Die beiden Reiter starren auf Broderick Lees Colt, der tief an seiner Seite baumelt. Sie nicken wie auf ein Kommando und rutschen aus den Sätteln.
»Es ist ein Jammer mit ihm«, brummt der eine. »Er hat den Tick, dass nur er diesen verdammten Hengst fangen und einbrechen wird!«
Und der andere Reiter knurrt: »Fremder, wenn Mac Hammer in Ordnung ist, wird er Ihnen die Haut abziehen. Wenn Sie schlau sind, dann verschwinden Sie. Das ist nur ein guter Rat.«
Nach diesen Worten bücken sich die beiden Cowboys und heben Mac Hammer auf. Sie haben einige Mühe, bis der schwere Mann quer über dem Sattel seines Pferdes liegt.
Wortlos reiten sie davon.
✰
Als am anderen Morgen die Sonne zwei Handbreit über den fernen Bergen im Osten steht, erblickt Broderick Lee von einem Hügel aus die große Rimberland Ranch.
Das Haupthaus ist zweistöckig und aus mächtigen Baumstämmen errichtet. Es ist die Residenz eines wirklichen Rinderkönigs.
Zur Linken liegen das lange Schlafhaus und der Speisesaal. In diesen Gebäuden ist Platz für sechs oder sieben Dutzend Reiter. Auf der anderen Seite sind Werkstätten, Magazine und Scheunen. Weiter zurück, auf die Corrals zu, liegen die Ställe.
Es ist eine mächtige Ranch.
In den Corrals bewegen sich wertvolle Zuchtstuten, einige wunderbare Hengste, Zuchtstiere und Maultiere bester Sorte. Menschen sind überall, und in einem Corral fliegt soeben ein Zureiter aus dem Sattel eines bockenden Pferdes.
Broderick Lee sieht das alles. Vor noch nicht sehr langer Zeit war er selbst noch der Vormann einer so großen Ranch, bis er von dem gelben Hengst in Utah hörte.
Er reitet langsam die Hügel hinunter und erreicht einen Reit- und Fahrweg, der bis zur Ranch führt.
Am mächtigen Querbalken des Ranchtores ist ein aus Eisen geschmiedetes, kunstvoll verschnörkeltes »R« befestigt. Dieses Zeichen sah Broderick Lee an allen Rindern, die er hier auf der Weide zu Gesicht bekam. Es ist das Brandzeichen der Rimberland Ranch.
Ruhig reitet er über den weiten Hof und hält vor dem großen Wassertrog an der Haltestange an. Langsam rutscht er aus dem Sattel und bindet seine beiden Pferde an. Er weiß, dass einige Männer ihn beobachten.
Gelassen geht er zur Verandatreppe des Haupthauses hinüber, aber bevor er sie erreicht, hört er einen wilden Schrei. Er bleibt stehen und sieht sich um.
Zwischen den Ställen, die Broderick Lee die Sicht zu den Corrals nehmen, erscheint die große, massige Gestalt des Vormannes Mac Hammer.
»He!«, ruft er und kommt mit langen, wuchtigen Schritten über den Hof. Sein Gesicht ist zerschlagen, und er kann heute sicherlich nur mit einem Auge richtig sehen.
»He, du Hundefloh!«, ruft er schon von weitem. »Oha, jetzt brauche ich dich nicht mehr zu suchen!«
Broderick Lee blickt schnell zur Veranda. Dort kommt ein großer, schlanker, dunkel gekleideter Mann zum Vorschein. Auf seiner schwarzen Lederweste blinkt ein Sheriffstern. Der Mann bleibt in der offenen Tür stehen, wirft einen scharfen Blick auf Broderick Lee, dann auf den herankommenden Mac Hammer. Er wendet leicht den Kopf und ruft über die Schulter ins Haus: »Hallo, Jim! Komm raus! Dann kannst du den Mann sehen, der deinen Vormann verprügelt hat.«
Nach diesen Worten tritt er schnell vor, legt seine langen, geschmeidigen Hände auf die Verandabrüstung und ruft klirrend: »Bleib stehen, Mac!«
Der Vormann ist nur noch drei Schritte von Broderick Lee entfernt. Aber er hält an und starrt mürrisch und fast drohend zum Sheriff hinauf.
»Jubal«, brummt er, »du hast hier auf der Ranch nichts zu sagen. Und ich will diesen Burschen nur verprügeln.«
Er will sich wieder Broderick Lee zuwenden, doch da erscheint ein Mann im Rollstuhl. Er sitzt aufrecht und bewegt mit den Händen die Räder. Er ist ein riesenhafter Mann. Sein Kopf ist wie aus dunklem Holz gehauen. Sein verwittertes Gesicht ist bronzefarben. Sein dichtes Kopfhaar ist weiß, und der weiße Spitzbart an seinem Kinn wirkt wie ein Eiszapfen.
Er sagt nichts, sondern wirft seinem Vormann nur einen einzigen Blick zu.
Broderick Lee hört, wie Mac Hammer bitter seufzt. Er dreht ihm den Rücken zu, tritt an den Fuß der Verandatreppe und sieht zu dem Mann im Rollstuhl auf.
»Spreche ich mit Mister Jim Rimberland?«, fragt er ruhig.
»Der bin ich! Sie hatten Streit mit meinem Vormann?«
»Das war nur ein kleiner Spaß.« Broderick Lee lächelt und sieht fest in die Augen des Ranchers. Es sind grüngraue Augen, und sie sind zwingend, klug und hart.
»Ihr Vormann wollte mich aus dem Land jagen«, spricht er weiter. »Aber ich bin sechshundert Meilen weit geritten, um Yellow Blizzard zu fangen. Und jetzt bitte ich um Ihre Erlaubnis, mich in Ihrem Weidegebiet aufhalten zu dürfen. Mein Name ist Broderick Lee!«
Lee hat kaum ausgesprochen, da schnaubt Mac Hammer hinter ihm und ruft böse: »Boss, hast du gehört? Er will Yellow Blizzard fangen! Er will ihn fangen! Nicht abschießen! Und er will mit dem Hengst dann das Land verlassen. Deshalb habe ich ihn verprügelt.«
»Es sieht nicht so aus, als ob du ihn verprügelt hättest«, sagt Big Jim Rimberland. Er hebt die Hand und winkt mit dem gekrümmten Zeigefinger.
»Kommen Sie mal her, Lee.«
Der zögert etwas, denn er befolgt Befehle, die auf solche Art gegeben werden, grundsätzlich nicht. Aber dann bezwingt er seinen Stolz und steigt die drei Stufen empor.
Der Rancher deutet auf seine ausgestreckten Beine.
»Ich liege bis zu den Hüften in Gips«, sagt er. »Und ich werde nie wieder richtig laufen oder reiten können. Ich bin ein Krüppel. Ich war ein König unter allen Männern. Ich besitze ein Riesenreich, und ich habe einen Sohn und eine Tochter. Aber wenn ich nicht mehr bin, geht alles zum Teufel. Deshalb will ich so lange wie möglich leben. Vielleicht bekomme ich mal einen Schwiegersohn von meiner Sorte. Dann wird alles gut. Nun, Mister Lee, Sie wollen also Yellow Blizzard fangen und mit ihm dann dieses Land verlassen, nicht wahr?«
»So ist es! Und ich bin nicht wegen der von Ihnen ausgesetzten Belohnung hergekommen. Ich will den Hengst – sonst nichts!«
Big Jim Rimberland sieht sich den Fremden aus Arizona noch einmal aufmerksam an.
Dann schüttelt er den Kopf.
»Yellow Blizzard hat drei Menschen getötet. Yeah, wir hatten ihn einmal für kurze Zeit als unseren Gefangenen in einem festen Corral. Die besten Zureiter des ganzen Landes versuchten es mit ihm. Einen hat er sofort getötet, nachdem der Mann aus dem Sattel flog. Einen zweiten Zureiter hat er so schwer verletzt, dass der Mann vier Wochen später starb. Dann versuchte ich ihn zu reiten. Ich konnte nicht länger zusehen, wie dieser Hengst gute Männer zerschmetterte. Ich versuchte es also, und ich verlor. Seitdem sitze ich in diesem Rollstuhl und bin ein Krüppel. Zwei Tage später brach Yellow Blizzard aus und nahm dabei zwanzig wertvolle Zuchtstuten mit. Er befreite sie aus dem benachbarten Corral, indem er irgendwie das Gatter öffnete. Einer meiner Reiter stellte sich den ausbrechenden Tieren in den Weg. Yellow Blizzard griff den Mann sofort an und schlug ihm den Schädel ein. Er ist ein Mörder! Ich hasse ihn! Ich will ihn tot am Boden liegen sehen! Das ist es, Mister Lee! Sie können ihn auf meinem Land jagen. Sie bekommen sogar Unterstützung, wenn Sie welche haben wollen. Doch wenn Sie den Hengst wirklich fangen können, so muss er getötet werden. Meine Reiter werden kommen und Ihnen das Tier abnehmen. Vor meinen Augen wird Yellow Blizzard getötet. Dafür zahle ich fünftausend Dollar. Jetzt wissen Sie genau Bescheid, Mister Lee!«
»Yeah«, sagt dieser und sieht den Sheriff an.
»Das ist mein Bruder Jubal Rimberland«, sagt der Rancher trocken. »Ich habe ihn hier zum Sheriff gemacht, damit ich das Land auch wirklich unter Kontrolle behalte. Haben Sie alles gut begriffen, Broderick Lee?«
»Yeah! Wenn ich Yellow Blizzard wirklich fangen kann, so habe ich nur wenig Chancen, mit ihm das Land zu verlassen.«
»So ist es!«
»Nun gut«, murmelt Lee. »Ich will ihn erst einmal fangen. Dann können wir immer noch sehen, wie es ausgehen wird. Ihren Hass auf den Hengst halte ich für närrisch, Mister Rimberland. Jedes edle Tier kämpft um seine Freiheit. Es ist Yellow Blizzards gutes Recht, sich mit aller Kraft und seiner ganzen Wildheit gegen jede ihm aufgezwungene Gewalt zu wehren. Sie sagen, er sei ein Mörder. Wenn Sie sich einen Löwen oder einen Tiger fangen und ihn zu bändigen versuchen, so müssen Sie auch damit rechnen, dass Sie dabei Ihr Leben verlieren. Dafür darf man das Tier doch nicht hassen. Ah, ihr hattet Yellow Blizzard schon im Corral! Und dann habt ihr ihn ganz falsch behandelt. Er ist ein König! Man kann ihn nicht einbrechen! Man muss sich seine Freundschaft, seine Liebe und Zuneigung erringen. Anders kann man ihn nicht bändigen. Ihr habt alles falsch gemacht. Ich kenne ihn! Er gehörte mir als junges Tier. Ich nannte ihn Royal Flush. Ein schlimmer Bursche stahl ihn mir und schoss mich vorher nieder. Dieser Mann hat ihn verdorben, völlig verdorben, sodass er die Menschen zu hassen begann. Nun, er hat auch diesen Mann getötet und sich so die Freiheit erkämpft. Dann ist er tausend Meilen weit gelaufen. Ich habe zwei Jahre lang nichts von ihm gehört. Ich bin fest davon überzeugt, dass Yellow Blizzard und mein Royal Flush ein und dasselbe Tier sind. Ich werde ihn wieder einfangen. Er wird mich natürlich nicht mehr kennen. Und ich werde das Land mit ihm verlassen, Mister Rimberland. Halten Sie mir nur Ihre Reiter und diesen Sheriff vom Hals!«
Er hebt leicht grüßend die Hand und will sich abwenden.
Aber Rimberland hält ihn noch zurück.
»Sie sind schnell mit dem Colt, nicht wahr?«
»Ich fürchte mich nicht vor Ihrer Mannschaft«, sagt Broderick Lee und sieht den Sheriff an.
Der verzieht sein hartes Gesicht, das eine unverkennbare Ähnlichkeit mit dem des Ranchers aufweist, zu einem harten Lächeln.
»Fangen Sie in diesem Land nur nicht einen Streit an, Lee«, sagt er ruhig. »Ich werde Sie im Auge behalten. Wenn Sie etwas tun, was uns nicht passt, werde ich ausprobieren, wie schnell Sie mit Ihrem alten Colt sind!«
Er richtet bei diesen Worten seinen scharfen Blick auf Broderick Lees alten Peacemaker Colt.
Lee betrachtet den Mann noch einmal aufmerksam.
Er zuckt mit den Schultern und wendet sich zur Treppe.
Dort steht Mac Hammer mit geballten Fäusten und ruft: »Boss, dieser Bursche bringt nur weiteren Kummer auf unsere Weide. Ich möchte ihn gleich jetzt zurechtstutzen. Vielleicht ist er gar kein Pferdejäger, sondern ein Spitzel der Lane-Bande.«
Broderick Lee wendet sich halb um und sieht den Rancher an.
»Halten Sie ihn zurück, Rimberland. Wenn er mich noch mal angreift, brauchen Sie für eine ganze Weile einen anderen Vormann. Ich habe genug von diesem Büffel!«
Aus den Augenwinkeln bemerkt Lee während seiner Worte eine Bewegung in der offenen Tür des Ranchhauses.
Er wendet sich um, dreht Mac Hammer den Rücken zu und starrt staunend das Mädchen an, das so plötzlich aufgetaucht ist. Sicherlich hat sie sich die ganze Zeit im Zimmer aufgehalten und jedes Wort der Unterhaltung hören können. Die Tür stand ja die ganze Zeit offen.
Er greift an die Hutkrempe und verbeugt sich leicht. Dabei sieht er fest in die großen Augen des Mädchens und stellt fest, dass sie von dunkelblauer Farbe sind. Ihre Nase ist klein und hat einen kecken Schwung nach oben. Das Gesicht ist rassig und eigenwillig. Sie hat volle, weiche Lippen und wirkt dennoch energisch und impulsiv. Ihr Haar hat die Farbe glänzender Kastanien.