G. F. Unger 2208 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2208 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Es ist Sheriffswahl. Am Vortag lief Jim Lennards Amtszeit ab. Erst bei Sonnenuntergang wird man im Ridge County wissen, wie der neue Sheriff heißt.
An diese Dinge denkt Tom Overhoff mit der lässigen Gleichgültigkeit eines Mannes, der sich seiner Kraft und Stärke bewusst ist und der im ganzen Land dafür bekannt ist, dass er seine Kämpfe und Fehden ohne Sheriff austrägt. Ein Mann soll für sich selbst sorgen, und nur das, was er mit eigener Kraft halten oder erobern kann, steht ihm zu. Das ist Tom Overhoffs Devise.
Vor dem kleinen Tor des umzäunten Friedhofs steht ein leichter Wagen. Neben dem Wagen verhält Tom Overhoff sein Pferd. Sage Limrock, ein christlich erzogener Cheyenne-Indianer, sitzt auf dem Wagenbock. Seine hornigen Hände halten die Zügel auf besondere Art - so, dass die feurigen Pferde sanft und fügsam wirken. Sage Limrock ist der beste Mann im Land, wenn es sich um Pferde handelt. Auch sonst hat er bemerkenswerte Qualitäten.
»Hallo, Limrock«, murmelt Tom, »eines Tages werde ich wissen, was ich von dir zu halten habe. Du bist treu, aber ich frage mich, wie weit deine Treue geht.«
Der Indianer bewegt kaum die messerscharfen Lippen.
»Bis zum Himmel oder auch bis in die Hölle reicht meine Treue, Mister«, sagt er leise und ruhig ...

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Seitenzahl: 157

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Mein Wort, Tom!

Vorschau

Impressum

Mein Wort, Tom!

Es ist Sheriffswahl. Am Vortag lief Jim Lennards Amtszeit ab. Erst bei Sonnenuntergang wird man im Ridge County wissen, wie der neue Sheriff heißt.

An diese Dinge denkt Tom Overhoff mit der lässigen Gleichgültigkeit eines Mannes, der sich seiner Kraft und Stärke bewusst ist und der im ganzen Land dafür bekannt ist, dass er seine Kämpfe und Fehden ohne Sheriff austrägt. Ein Mann soll für sich selbst sorgen, und nur das, was er mit eigener Kraft halten oder erobern kann, steht ihm zu. Das ist Tom Overhoffs Devise.

Vor dem kleinen Tor des umzäunten Friedhofs steht ein leichter Wagen. Neben dem Wagen verhält Tom Overhoff sein Pferd. Sage Limrock, ein christlich erzogener Cheyenne-Indianer, sitzt auf dem Wagenbock. Seine hornigen Hände halten die Zügel auf besondere Art – so, dass die feurigen Pferde sanft und fügsam wirken. Sage Limrock ist der beste Mann im Land, wenn es sich um Pferde handelt. Auch sonst hat er bemerkenswerte Qualitäten.

»Hallo, Limrock«, murmelt Tom, »eines Tages werde ich wissen, was ich von dir zu halten habe. Du bist treu, aber ich frage mich, wie weit deine Treue geht.«

Der Indianer bewegt kaum die messerscharfen Lippen.

»Bis zum Himmel oder auch bis in die Hölle reicht meine Treue, Mister«, sagt er leise und ruhig ...

Dann wendet er den Kopf in die andere Richtung. Tom Overhoff gleitet aus dem Sattel. Jetzt sieht man erst, dass er ein großer und langbeiniger Mann ist, dessen Schultern Kraft und Stärke und dessen ganze Haltung ungewöhnliche Geschmeidigkeit und Ausdauer verraten.

Tom Overhoff zieht den Hut. Es ist eine lässige und dennoch höfliche Gebärde.

Lona Mitchell kommt vom Friedhof. Sie ist mittelgroß und so schön, wie es eine dunkelhaarige Frau nur sein kann, eine Frau, die stolz und sich ihrer wilden Schönheit durchaus bewusst ist. Ja, Lona Mitchell ist eine begehrenswerte Schönheit. Ihre Augen sind so schwarz wie die Nacht, und in ihrem Hintergrund leuchtet es ständig – wie Sternenlicht auf dem dunklen Wasserspiegel eines tiefen Brunnens.

Sie lächelt, lässt ihre Zähne blitzen und streicht sich mit einer ausdrucksvollen Handbewegung über das straff nach hinten gespannte Haar, dessen großer Knoten die Schönheit ihres Profils noch verstärkt.

»Auch in Trauerkleidung bist du schön, Lona«, murmelt Tom Overhoff.

Sie lacht leise mit ihrer dunklen und klaren Altstimme. »Nur du und Sage, ihr wisst, dass ich nicht getrauert habe. Und heute läuft das Trauerjahr ab. Ich habe mir eine Menge neuer Kleider anfertigen lassen. Ab morgen werde ich wieder ...«

»Yeah, du hast nicht getrauert«, unterbricht er sie. »Ich dachte nie, dass du heucheln könntest. Sicher, du hast den alten Mitchell wegen seines Reichtums geheiratet. Aber ich dachte immer, dass du auch in dieser Beziehung ehrlich sein würdest.«

Er sieht sie fest an. Sie erwidert den Blick. Das Leuchten im Hintergrund ihrer Augen wird stärker.

»Es gehört alles zum Vertrag, den ich mit Al Mitchell geschlossen hatte. Nun, was wirfst du mir vor? Ich habe den Vertrag gehalten. Ich bin jetzt die Spornrad-Ranch, und mir gehört alles, was dazu gehört. Ich habe es mir ehrlich verdient. Nun bin ich wieder frei – und du kannst mich haben, wenn du willst, Tom Overhoff!«

Sie sagt es ernst. Ein starker Wille liegt in ihrem Blick – und ein Locken.

»Dich wollte ich schon immer haben, Tom Overhoff.«

Eine leichte Röte überzieht Tom Overhoffs sonnengebräuntes Gesicht. Die Wetterfältchen in seinen Augenwinkeln verstärken sich. Auf seinen starken Backenknochen wird die Röte tief. Die Narbe an seiner Wange bleibt weiß.

Er wendet den Kopf und wirft einen Blick auf Sage. Sie weiß ihn zu deuten und lächelt ein wenig spöttisch.

»Sage ist mein Sklave – mein Diener, meine rechte Hand, mein treuer Hund. Er weiß, was in mir ist, er kann alles hören. Tom Overhoff, gib mir eine Antwort. Du hast mich doch einmal heiß geliebt und ...«

»Ich hätte für dich alles gegeben, Lona – alles, was ein Mann geben und opfern kann. Die Sterne am Himmel wären nicht zu hoch und die Hölle wäre nicht zu tief gewesen. Ich habe dich mehr geliebt und begehrt als alles andere auf dieser Welt. Ich hätte mich für dein Glück in Stücke reißen lassen«, sagt er heiser und beugt sich etwas vor, um besser in ihre Augen sehen zu können.

Sie hat ihren Kopf zurückgelegt.

»Ja«, lächelt sie, »du warst ein wilder, prächtiger Cowboy. Du warst arm – nur ein Pferd, ein Sattel und dieser Colt da gehörten dir. Aber ich erkannte schon damals, dass du ein besonderer Mann bist. Es gibt keinen zweiten Mann auf tausend Meilen in der Runde von deiner Art, Tom. Aber du warst arm. Hätte ich die vergangenen fünf harten Jahre mit dir in deiner armseligen Hütte leben sollen? Wir hätten gewiss schon ein paar Kinder. Ich hätte jeden Tag vierzehn Stunden arbeiten müssen. Ich wäre in den fünf Jahren ganze fünfzehn Jahre älter geworden. Nun, ich bin schöner geworden – und reich.« Sie schweigt einen Augenblick, dann fährt sie fort: »Sicher, du bist jetzt ein kleiner Rancher und wirst in wenigen Jahren eine gute Ranch haben, die sich sehen lassen kann. Du kannst stolz sein. Ich aber habe schneller gearbeitet – und besitze nun die größte Ranch im Land. Schönheit und Reichtum gehören zusammen. Nun kann ich mir den Mann nehmen, den ich liebe und der ein richtiger Mann ist: dich!«

Er schüttelte den Kopf. »Nein«, sagt er. »Etwas stimmt nicht. Du bist es gewöhnt, dass von hundert Männern neunundneunzig ihren Stolz und ihre Ehre vergessen, nur um dich besitzen zu können. Aber du kannst keine echte Liebe geben. Du bist voller Feuer – und doch bist du kalt. Alles ist für dich ein Spielzeug. Du willst es haben, um dich daran zu erfreuen. Ich wünsche dir Glück, Lona. Es ist vorbei! Ich möchte dich nicht mehr haben.«

Er lässt sie stehen, setzt seinen Hut auf und wendet sich zu seinem Pferd. Als er den Fuß in den Steigbügel schiebt, hört er hinter sich ihren scharfen Atemzug. Und als er im Sattel sitzt und sie noch einmal ansieht, treffen ihn ihre Worte fast körperlich wie scharfe Pfeile.

»Was weißt du von mir, du stolzer Narr? Schenken wollte ich mich dir! Du wirst eines Tages kommen, aber ich weiß nicht, ob ich dich dann noch will.«

»Ich wünsche dir Glück, Lona«, murmelt er und reitet an.

Tom Overhoff reitet ruhig und langsam seines Weges. Kurz vor dem Ort überholt ihn der Wagen, dessen Gespann ein höllisches Tempo läuft. Lange reitet Tom Overhoff in der zurückbleibenden Staubwolke.

Dann erreicht er die Stelle, wo ein schmaler Fahrweg im spitzen Winkel die Poststraße trifft. Er hält an, denn die starke Mannschaft der Bottle Ranch galoppiert heran. Ein großes, wildes, raues Rudel ist es. Sie kommen auf diesem Weg aus den Hügeln.

Tom Overhoffs Gesicht wird undurchdringlich und verhärtet sich. Als sie an ihm vorbeijagen, biegt der erste Reiter ab und hält bald neben Tom Overhoff. Die Mannschaft jagt mit gellenden Rufen zwischen den ersten Häusern des Ortes in die Main Street hinein.

Tom Overhoff betrachtet Stix Quinnt, den Boss der Bottle Ranch, aufmerksam. Und Quinnt grinst ihn auf besondere Art an. Es ist, als wären sich jetzt Tiger und Panter begegnet.

Quinnt ist ein schwerer, breiter und muskulöser Mann. Er ist hellhäutig und hellhaarig. Seine Augenbrauen sind fast weiß. Auf seinem Hemdkragen ringeln sich strohgelbe Locken, sein Kopf ist schmal und kantig.

»Hallo, Overhoff«, sagt er lauernd. »Wie wär's mit einer kleinen Wette? Ich setze hundert Dollar darauf, dass Dave Burro Sheriff wird!«

»Wahrscheinlich wird er es«, nickt Tom Overhoff gleichgültig.

Seite an Seite reiten sie in den Ort, zwei sehr verschiedene Männer, die ganz genau wissen, was sie voneinander zu halten haben und die sich darüber vollkommen klar sind, dass sie eines Tages aneinander geraten werden wie zwei Wölfe, die um ein bestimmtes Revier kämpfen.

Im Ort herrscht viel Leben und Betrieb. Die Sheriffwahl ist Anlass genug, um Ridge zum Treffpunkt des ganzen Countys zu machen.

Die kleinen Rancher aus den Seitentälern sind da. Die Siedler und Farmer aus den wasserreichen Niederungen des Flusses. Ein paar Rancher aus der dürren Ebene im Süden. Dann die großen Besitzer, die sich im mächtigen Tal breitgemacht haben. Und die zweideutigen, zweifelhaften Zwei-Cent-Rancher aus den Nordcanyons. Alle sind sie da. Tom Overhoff sieht ihre Gesichter oder die ihrer Reiter. Er sieht die Brandzeichen der vielen Pferde und die Namen an den Wagen.

Stix Quinnt grinst Overhoff wieder von der Seite an.

»Ich werde in den nächsten Tagen ein paar Leute aus den Hügeln jagen, Overhoff.« Er sagt es ganz lässig, aber seine Augen lauern.

»Komm nicht auf meine Weide – du kennst meine Grenze«, erwidert Tom Overhoff ruhig.

»Auf baldige Nachbarschaft!«, ruft Stix Quinnt kurz und biegt ab, um sein Pferd in die lange Reihe vor dem Good Fellow Saloon einzureihen.

Tom Overhoff reitet weiter und erreicht das Hotel. Er findet für sein Tier noch einen Platz am Tränketrog, lockert den Sattelgurt und hängt die Steigbügel über das Sattelhorn. All das tut er mit einer lässigen Ruhe, die etwas Abwartendes hat.

Als er auf die Veranda tritt, kommt Timothy Stone aus dem Hotel. Er entdeckt Overhoff sofort und lächelt auf seine sonnige Art. Sein Lächeln drückt eine Menge Sorglosigkeit und Verwegenheit aus, ist dabei aber freundlich und offen.

»Hallo, du schwarze Seele! Deine Reiter sind schon eine Weile hier. Und sie pumpten sich jeder zehn Dollar von mir. Yeah, sie erzählten, es wäre kein Kleingeld bei euch auf der Ranch und du würdest es mir zurückgeben, sobald du in der Bank gewesen wärst.«

»Diese Bande«, knurrt Tom Overhoff, nickt ernst und legt dem Freund die Hand auf die Schulter, »du weißt vielleicht noch nicht, dass eine Horde Buschräuber für mich reitet. Nein, ich habe ihnen nicht gesagt, dass sie dich anpumpen sollen. Diese Waschbären sind nicht viel besser als richtige Banditen. Lass sie verhaften, Tim! Wahrscheinlich werde ich die fünfzig Dollar nicht zurückgeben. Dann wirst du das nächste Mal vorsichtiger sein, wenn dir meine Höllenschlurche Lügengeschichten erzählen.«

Er grinst Timothy Stone an, dreht ihn an der Schulter herum und zieht ihn in den Speisesaal hinein.

An einem Tisch erhebt sich ein kleiner Mann. Wie ein rauflustiger Dackel sieht er aus. Er versperrt Overhoff den Weg.

»Auf ein Wort, Tom«, murmelt er.

»Tut mir leid, Jorge. Rechne nicht auf mich. Nein, es ist nicht meine Sache.« Tom sagt es kurz und ohne Wärme. Dabei schiebt er den kleinen Mann zur Seite und steuert auf einen freien Tisch zu.

»Was wollte Jorge?«, fragt Timothy Stone, als sie sitzen und ihre Bestellung aufgegeben haben.

»Stix Quinnt säubert die Hügel. Er will die kleinen Leute daraus vertreiben. Jorge ist ihr Führer in Notzeiten. Nun sucht er Verbündete.«

Timothys sorgloses Gesicht wird ernst. Mit einem Mal sieht er nicht mehr wie ein netter, leichtsinniger und vergnügungsfreudiger Cowboy aus. Man erkennt jetzt erst, dass Timothy Stone im Grunde seines Wesens ein harter Mann ist.

»Tom«, murmelt er, »vielleicht solltest du die Sache der kleinen Leute zu deiner eigenen machen. Wenn sie von Quinnt aus den Hügeln gejagt werden, so steht er an deiner Grenze. Und ich setze mein Pferd gegen einen Hundefloh, dass er auch an deiner Grenze nicht anhalten wird.«

»Das glaube ich auch nicht«, erwidert Tom Overhoff sanft. In seinen Augen erscheint ein scharfes Leuchten. »Bald gibt es Kummer. Ein paar Männer werden ihr Blut vergießen und andere werden sterben. Aber die Drei-Kühe-Rancher in den Hügeln sind nicht die richtigen Partner für mich. Schluss damit, Timothy! Wir haben uns lange nicht gesehen. Was machst du?«

»Oh, ich bin bald ein reicher Mann, Bruder«, grinst der blonde Freund. Seine Augen funkeln. »Deshalb kann ich mir ruhig erlauben, deinen Boys ein paar Dollars zu schenken. Vielleicht gebe ich ihnen noch mehr Geld. Dann bekommen sie vielleicht Spaß an mir und legen bei dir die Arbeit nieder, um für mich zu reiten. Yeah, so sollte ich es machen!«

»Biete ihnen eine Million, und sie spucken dir eher in den Hut, als dass sie mich verlassen.« Tom Overhoff grinst, und es liegt ein stolzer und zufriedener Glanz in seinen Augen.

»O ja, du hast die beste Mannschaft auf dieser Weide«, gibt Timothy zu. »Ich weiß nicht, warum diese Kuhschwänze so an dir hängen. Na ja, ich würde mich ja auch für dich in Stücke hacken lassen. Das ist eben so. Well!« Er sieht Tom an. »Vielleicht wirst du mich eines Tages brauchen, Tom. Und du sollst immer wissen, dass ...«

»All right, Tim. Du suchst eine Mannschaft?«

»Ich habe schon eine. Ja, ich habe mich nun auch selbständig gemacht. Ich bin jetzt Viehverkäufer und treibe meine Herden auf eigene Rechnung zu den Verladebahnhöfen. Natürlich sind's noch kleine Herden, aber ...«

»Hast du eine Erbschaft gemacht und bist auf diese Art zu Betriebskapital gekommen, Tim?«

»Ich habe einen reichen Gönner, der mir's vorgeschossen hat. Ich habe Zeit, es zurückzuzahlen. Ich werde noch einmal der größte Viehverkäufer im Land. Eines Tages werden zwanzig Treibherdenmannschaften für mich die Rinder zu den Verladebahnhöfen treiben.«

»Trinken wir darauf«, lächelt Tom, der seinen Freund gut kennt und an dessen Zukunftsmusik gewöhnt ist.

Das bestellte Essen kommt. Sie essen in aller Ruhe und mit großem Appetit. Manchmal sehen sie sich an und grinsen sich zu. Sie sind echte Freunde und fühlen das.

Und dann wenden sie wie auf Kommando die Köpfe und sehen zur Tür. Dort erscheint Lona Mitchell. Sie trägt keine Trauerkleidung mehr. Sie wird von Stix Quinnt begleitet. Der Rancher der Bottle Ranch geht mit ihr quer durch den Raum und am Tisch der Freunde vorbei.

Viele Leute haben erwartet, dass sie ihr Interesse wieder Tom Overhoff zuwenden würde. Aber sie geht an dem Tisch vorbei und nickt nur leicht, als Timothy Stone sich erhebt und verbeugt, als wollte er sie an den Tisch einladen.

Sie geht vorbei, und Quinnt, der im Gang hinter ihr geht, wirft einen spöttischen Blick auf Tom Overhoff.

»Verdammt«, murmelt Timothy leicht verstört, »ich dachte immer, dass ...«

»Denke nicht in dieser Sache«, murmelt Tom. Er blickt auf die Uhr. »Ich muss noch meine Stimme abgeben. Es ist Zeit.«

»Ich habe schon gewählt. Geh nur! Wir sehen uns nachher beim Ball. Ich will sehen, ob ich zwischendurch ein kleines Spielchen machen kann.«

Als Tom Overhoff auf die Straße tritt, prallt er mit einem Mann zusammen, der gerade durch die Schwingtür will. Der Mann tritt schnell zwei Schritte zurück und rückt den Hut wieder gerade.

»Overhoff, bald werden Sie mehr darauf achten, dass Sie nicht mit mir zusammenstoßen«, sagt er dabei. Er sagt es leise, aber hart und kalt. Die wahre Drohung jedoch liegt in seinem Blick. Der Mann ist so groß wie Overhoff, wirkt jedoch noch geschmeidiger als dieser.

Es ist Dave Burro, der von gewissen Leuten als Gegenkandidat des alten Sheriffs aufgestellt worden ist.

»Burro«, sagt Overhoff langsam, »wenn ich mit Absicht einen Zusammenstoß mit Ihnen herbeiführe, dann stehen Sie nicht mehr auf.«

Er will an Dave Burro vorbei, doch dieser fasst nach seinem Arm und reißt ihn herum.

»Das will ich sehen! Eine Menge Leute hat Angst vor Ihnen. Und Sie schleichen mir viel zu großspurig herum. Well, noch bin ich kein Sheriff. Sie brauchen also keine Sorge zu haben, dass ich Sie verhafte. Und es ist besser, ich stutze Sie schon vor meiner Ernennung auf die richtige Größe zurecht. Dann kann keiner sagen, Sie hätten sich der Autorität meines Amtes gebeugt, Overhoff. Sie machen mich schon seit langer Zeit richtig krank mit Ihrer Großspurigkeit. He, wie groß sind Sie denn wirklich, Sie umherstolzierendes Denkmal?«

Er pfeift es regelrecht zwischen schmalen Lippen hervor und stößt Overhoff heftig zurück. Der prallt gegen die Hauswand und sieht aus den Augenwinkeln, wie die Leute auf der Straße zusammenlaufen.

Dave Burro und Overhoff mochten sich schon als Schuljungen nicht. Dann waren sie beide viele Jahre außer Landes. Overhoff ist früher heimgekommen. Er war schon ein erfolgreicher Rancher, als auch Dave Burro wieder auftauchte.

Als Jungen haben sie sich mit wechselndem Erfolg verprügelt.

Jetzt sind sie Männer, die sich immer noch nicht leiden mögen.

Tom Overhoff lehnt noch an der Hauswand. Er sieht Burro schweigend an. Dieser verzerrt sein Gesicht. Etwas, das lange in ihm war und zu gewissen Zeiten höllisch brannte, tritt jetzt an die Oberfläche und bestimmt seine Handlungsweise.

»Ich will's dir leichtmachen!«, zischt er hart und schlägt eine lange Rechte an Tom Overhoffs Kopf.

Sie streift nur Toms Schläfe.

Dann explodiert Tom Overhoff. Er ist nicht mehr der ruhige, lässige und nachdenkliche Mann, der mit stolzer Sicherheit seinen Weg geht und sich kaum um die Meinung anderer Menschen kümmert.

Nein, Tom Overhoff zeigt mit einem Mal sein zweites Wesen.

Und das ist wild, unerbittlich und wie der jähe Ausbruch einer Naturkatastrophe.

Er ist nicht aufzuhalten. Dave Burro trifft ihn mehrmals hart. Jeder andere Mann wäre von diesen Schlägen aufgehalten worden oder wäre zu Boden gegangen.

Aber Tom Overhoff greift an, wild und unwahrscheinlich schnell. Er schlägt Burros Deckung zur Seite, blockiert seine Schläge und hämmert ihm die Fäuste in den Leib. Unerbittlich setzt er nach, trifft fast mit jedem Schlag und schlägt endlich einen vernichtenden Aufwärtshaken an Burros Kinn. Burro taumelt zurück, als hätte ihn ein Pferd getreten. Er prallt hart gegen das Gehsteiggeländer. Es bricht, und Burro fällt rücklings in einen Tränketrog. Die Pferde, die auf der anderen Seite stehen, wiehern, zerren an den Leinen und keilen erregt nach allen Seiten aus.

Männer springen herbei und bringen die erschreckten Tiere zur Ruhe. Dave Burro liegt immer noch im Tränketrog.

Tom Overhoff geht weiter und wischt sich mit dem Ärmel übers Gesicht. Die Menschenmauer auf dem Gehsteig öffnet sich vor ihm und lässt ihn durch.

Aus dem Goldwater Saloon kommen ein paar Cowboys gelaufen, an ihrer Spitze der lederhäutige Buck Arne. Sie erreichen Tom Overhoff und umringen ihn.

»Lebt er noch, Tom?«, fragt der kleine Kid Washington wild.

»Yeah, wir hörten, dass du Dave Burro in Stücke schlägst«, knurrt Jube Player.

»Viel zu schnell vorbei«, sagt Don Montez.

»Ich hätte höllisch gern zugesehen«, murmelt Nebraska.

»Ich sehe«, lächelt Tom Overhoff grimmig, »dass euch doch noch etwas von der Whiskyflasche weglocken kann. Sobald wir wieder einen Sheriff haben, wird euch Timothy Stone verhaften lassen.«

»Boys, der Boss lügt. Ich wette, er hat dem warmherzigen Timmy längst die fünfzig Knöpfe zurückgegeben. Boys, der Boss will uns einen Schrecken einjagen«, schnappt Kid Washington.

Tom Overhoff sieht Buck Arne an, der bisher schweigsam dabeistand. In Arnes wasserhellen Augen ist eine leichte Besorgnis zu sehen.

»Ich glaube, Tom, wir dürfen dich nicht mehr allein lassen«, murmelt er.

Tom Overhoff grinst.

»Geht zur Tränke zurück, ihr Rinderzecken, die ihr einen armen Rancher bis aufs Hemd ausplündert und hinter seinem Rücken Schulden macht. Geht, sauft euch krank an der Pumaspucke. Und wenn ich euch brauche, so sage ich es euch zur rechten Zeit. Vielleicht brauche ich euch aber gar nicht mehr, denn ihr versauft meine Ranch. So viele Kredite kann ich ja gar nicht aufnehmen. Ihr solltet für Timothy Stone reiten. Der gibt euch jeden Tag ein Fass Whisky zum Frühstück.«