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Etwa eine Stunde nach dem Losbrechen des Unwetters erreicht die klapprige Abbot-&-Downing-Postkutsche die Station an Concho Creek.
Der Fahrer fährt so dicht wie möglich an die Eingangstür des Gastraumes und ruft dann heiser von seinem hohen Sitz zur Seite nieder.
»Hoiii, Leute, steigt aus! Der verdammte Creek ist jetzt schon ein reißender Fluss. Und er wird noch wilder. Selbst wenn sich das Unwetter vor Nachtanbruch ausgetobt haben sollte, der Creek wird drei Tage nicht zu durchfurten sein. Macht es euch bequem dort drinnen, Leute, bequem für mindestens drei Tage!«
Der Fahrer verstummt mit einem wilden, zornigen Lachen.
Und indes er wartet, bis die Passagiere ausgestiegen sind und er zur großen Scheune fahren kann, in der er die Kutsche mitsamt den sechs Pferden unterstellen will, sagt er grollend zu seinem Begleitmann:
»O Moses, alle drei Jahre gibt es hier mal so ein Unwetter, und ausgerechnet eine Stunde vor dem Concho Creek muss es losbrechen. Hoffentlich kommen nicht wieder diese verdammten Banditen, diese Skymiles. Beim letzten Mal nahmen sie sich nicht nur die Lohngelder der Minen, sondern auch die beiden jungen Frauen, die mit uns fuhren. Verdammt, wenn die wieder herkommen, weil sie sich ausrechnen können, dass die Kutsche hier festsitzt, dann ...«
Er verstummt, ohne den angefangenen Satz zu beenden, Doch das ist auch nicht nötig. Sein Begleitmann weiß auch so, was dann sein wird ...
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Seitenzahl: 148
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Shannigan
Vorschau
Impressum
Shannigan
Etwa eine Stunde nach dem Losbrechen des Unwetters erreicht die klapprige Abbot-&-Downing-Postkutsche die Station an Concho Creek.
Der Fahrer fährt so dicht wie möglich an die Eingangstür des Gastraumes und ruft dann heiser von seinem hohen Sitz zur Seite nieder.
»Hoiii, Leute, steigt aus! Der verdammte Creek ist jetzt schon ein reißender Fluss. Und er wird noch wilder. Selbst wenn sich das Unwetter vor Nachtanbruch ausgetobt haben sollte, der Creek wird drei Tage nicht zu durchfurten sein. Macht es euch bequem dort drinnen, Leute, bequem für mindestens drei Tage!«
Der Fahrer verstummt mit einem wilden, zornigen Lachen.
Und indes er wartet, bis die Passagiere ausgestiegen sind und er zur großen Scheune fahren kann, in der er die Kutsche mitsamt den sechs Pferden unterstellen will, sagt er grollend zu seinem Begleitmann:
»O Moses, alle drei Jahre gibt es hier mal so ein Unwetter, und ausgerechnet eine Stunde vor dem Concho Creek muss es losbrechen. Hoffentlich kommen nicht wieder diese verdammten Banditen, diese Skymiles. Beim letzten Mal nahmen sie sich nicht nur die Lohngelder der Minen, sondern auch die beiden jungen Frauen, die mit uns fuhren. Verdammt, wenn die wieder herkommen, weil sie sich ausrechnen können, dass die Kutsche hier festsitzt, dann ...«
Er verstummt, ohne den angefangenen Satz zu beenden, Doch das ist auch nicht nötig. Sein Begleitmann weiß auch so, was dann sein wird ...
Denn diesmal haben sie eine besonders reizvolle Frau unter ihren Passagieren. Es ist für sie absolut sicher, dass diese Frau den Skymiles gefallen wird.
Und was den Skymiles gefällt, das nehmen sie sich. Da sie dieses Land beherrschen, gibt es gegen ihre Wünsche keinen Widerstand – es sei denn, man riskiert einen schnellen Tod. In diesem Land unterwirft man sich den Skymiles, oder man ist bald ein toter Mensch.
Der Fahrer und dessen Begleitmann wissen das zu gut. Und auch der Stationsmann, seine indianische Frau und der alte Gehilfe mexikanischer Abstammung wissen es.
Sie alle leben im Schatten der despotischen Skymiles, welche von Oldman Ben Skymile geführt werden und die in den Bergen eine ganze Armee von Verfolgern an der Nase herumführen können.
Die Passagiere springen indes aus der Kutsche und versuchen, so schnell wie möglich dem wolkenbruchartig niedergehenden Regen zu entkommen.
Zu ihnen – es sind vier Männer und drei Frauen – gehört auch ein gewisser Joel Shannigan. Er strebt im Gastraum sofort zur hintersten und dunkelsten Ecke, wirft dort seine beiden Satteltaschen, in denen sich offenbar seine wenigen Siebensachen befinden, auf den klobigen Tisch, legt sich dahinter auf die harte Holzbank und zieht sich den Hut vors Gesicht. Er scheint sofort einzuschlafen, obwohl im Gastraum noch einiges Durcheinander herrscht und die Stimmen mehr oder weniger bitter diesen Aufenthalt beklagen oder gar verfluchen.
Einer der Männer will auf der Bank Platz nehmen, welche Shannigan als Lagerstatt dient. Er stößt ihn leicht mit dem Handrücken gegen den Stiefel und sagt dabei: »He, machen Sie Platz für mich. Diese Bank gehört Ihnen nicht allein.«
»Doch«, sagt Joel Shannigan unter dem Hut hervor, »diese Bank ist ganz allein für mich reserviert. Hau ab, Bruder, hau nur ab und stör mich nicht noch mal!«
Der Mann grollt, und er macht den Ansatz zu einer Bewegung, so als wollte er Shannigans lange Beine von der Bank fegen. Der Mann ist massig, gewiss sehr kräftig und auch hart.
Doch plötzlich warnt ihn sein Instinkt. Er ahnt jäh, dass er gewissermaßen einen Tiger am Schwanz reißen würde. Und er hat unterwegs auch einige Male in die Augen des schwarzbärtigen Fremden geblickt – und an das, was er dabei spürte, erinnert er sich nun.
Und so zieht er sich brummend zurück und begnügt sich mit zwei Stühlen. Auch die anderen Passagiere fanden indes da und dort Sitzgelegenheiten. Der Stationsmann und dessen Gehilfe sind noch drüben in der Scheune bei den Fahrern der Postkutsche, helfen diesen offenbar, das Gespann zu versorgen.
Die indianische Frau des Stationsmannes kommt aus der Küche und fragt laut durch das Rauschen des Regens: »Wer will Abendessen? In einer halben Stunde gibt es Abendessen. Wer will welches für einen halben Dollar?«
Die meisten Passagiere wollen.
Der Stationsmann, der Fahrer und dessen Begleitmann kommen nun herein. Der Stationsmann zündet die Lampen an. Alle drei Männer fluchen, denn sie sind nass, als wären sie aus einem Fluss gestiegen. Dort, wo sie stehen bleiben, bilden sich riesige Wasserlachen.
Der Regen rauscht draußen unvermindert. Dann und wann zucken Blitze, kracht der Donner mit einer Wucht, dass man glaubt, die Blitze schlügen ganz in der Nähe ein.
»Es gibt gleich heißen Kaffee«, sagt der Stationsmann. »Und wer will, der bekommt noch einen besonderen Wärmer in den Kaffee. Kostet nur zwanzig Cent mehr.«
Die drei Männer äußern sich begeistert. Nur Shannigan auf der Bank rührt sich nicht. Er scheint fest zu schlafen. Zwei der Frauen fauchen wie dicke, fette Katzen. Eine sagt: »Jetzt werden sie sich betrinken und ihre Zoten reißen.«
Die dritte Frau aber – jene Schöne also – sagt ruhig zum Stationsmann: »Ja, tun Sie mir bitte auch einen Schnaps in den Kaffee.«
Da staunen ihre beiden Geschlechtsgenossinnen, sagen jedoch kein Wort.
Die drei Männer von der Postlinie verschwinden in der Küche. Der Fahrer und dessen Begleitmann genießen dort offenbar Familienanschluss oder Heimrecht. Vielleicht wollen sie auch am Herd ihre nasse Kleidung trocknen und sich selbst ein wenig aufwärmen.
Es vergeht nun eine längere Zeit des Schweigens.
Alle lauschen auf den rauschenden Regen und das Donnern draußen.
Es wird Nacht. Nur wenn die Blitze zucken, kommt es hell durch die kleinen Fenster der Station.
Der Stationsmann bringt nun Kaffee aus der Küche. Dann holt er eine Flasche und gießt für die drei Männer und die Frau einen tüchtigen Schuss in die großen Tassen.
Danach setzt er die Flasche an den Mund und trinkt aus ihr drei lange Schlucke.
»Pfui!«
Eine der beiden Frauen ruft es.
Der Stationsmann lacht.
»Alkohol tötet alle Bazillen. Sie sollten auch mal ab und zu einen Schluck nehmen, Ladys. Dann erscheint Ihnen das Leben viel lustiger, und Sie ärgern sich nicht immerzu.«
Er verschwindet wieder in der Küche, aus der es nach Essen zu duften beginnt. Man hört die Steaks in den Pfannen brutzeln.
Die Passagiere laben sich an dem heißen Kaffee. Nur Shannigan bewegt sich nicht. Er stieg erst bei der letzten Station hinzu, also vor etwa dreißig Meilen, und er muss sehr müde und erschöpft sein.
Auch wirkt seine Kleidung sehr abgerissen. Er ist stoppelbärtig unter seinem sichelförmigen Schnurrbart. Wahrscheinlich verlor er sein Pferd und konnte auf einem beschwerlichen Weg nur die Satteltaschen mitnehmen. Sein Gewehr legte er vor dem Besteigen der Kutsche in den Gepäckkasten.
Niemand beachtet ihn mehr. In seiner Ecke brennt kein Licht, leuchtet keine Lampe, man scheint ihn vergessen zu haben.
Dann wird das Essen gebracht.
Sie alle setzen sich nun an den langen Tisch auf die harten, schmalen Bänke. Es gibt wahrhaftig prächtige Steaks, Bratkartoffeln mit viel Zwiebeln und Salat.
In dem Moment, da sie mit dem Essen beginnen wollen, geschieht es.
Die Tür wird aufgestoßen.
Drei Gestalten in Ölhäuten und mit Hüten, von denen das Wasser tropft, drängen sich in die Gaststube. Der letzte Mann stößt die Tür mit dem Absatz krachend zu.
Und der vorderste Mann stößt einen wilden Schrei aus und ruft höhnisch: »Hoiii, da ist ja schon unser Abendessen! Das klappt ja prächtig! Los, Leute, aufstehen, weg vom Tisch! Das ist unser Essen. Und wir brauchen doppelte Portionen. Weg da! Auch die beiden Schnepfen. Jawohl, euch meine ich, ihr zwei Tussitanten. Nur die Schöne hier, die kann am Tisch bleiben und wird uns Gesellschaft leisten. Vorwärts, vorwärts! Hogjaw, sag ihnen, wer wir sind, bevor wir jemanden klein machen müssen. Los, Hogjaw!«
Mit Hogjaw ist der Stationsmann gemeint, welcher beim Kommen der drei Kerle zu Bewegungslosigkeit erstarrte.
Und dieser Hogjaw sagt nun heiser in die entstehende Stille: »Leute, dies ist Jed Skymile mit seinen Vettern Bob und Frank. Ihr solltet tun, was er sagt. Denn alle Skymiles können furchtbar böse werden. Meine Frau wird für alle, die jetzt warten müssen, das gleiche Abendessen noch einmal zubereiten. Ihr müsst also nur ein wenig warten. Die Skymiles haben nun mal in diesem Land alle Rechte.«
»So ist es, denn es ist unser Land.« Einer der Kerle, welcher offensichtlich der Anführer und jener Jed Skymile ist, lacht wiehernd. Er wirft die Ölhaut ab, dann den Hut an einen Haken an der Wand und setzt sich der schönen Frau gegenüber an den Tisch, wobei er sie bewundernd angrinst.
Die beiden anderen stoßen und drängen die sich erhebenden Gäste zur Seite, grollen dabei drohend. Auch sie haben sich ihrer Ölhäute und Hüte entledigt, und man sieht, dass sie mit Revolvern und Messern bewaffnet sind. Es sind große, hagere, geschmeidig sich bewegende Burschen, indianerhaft, so als hätten sie Comanchenblut in den Adern.
Es sind wilde und primitive Burschen, dies wird immer deutlicher erkennbar.
Den Fahrgästen der Postkutsche wird das schnell bewusst. Und so halten sich auch die drei Männer zurück, welche sich vorhin noch so selbstsicher gaben und schallend über die Frauen lachten.
Ja, jetzt sind sie alle still, auch die beiden Frauen, die Jed Skymile Tussitanten nannte und die sich vorhin noch so lautstark über die mitreisenden Männer entrüsteten.
Die Schöne aber, welche am Tisch bleiben durfte, tut so, als ginge sie das alles nichts an. Sie beginnt das Steak zu zerschneiden und die ersten Bissen zu essen.
Ihr gelbes Haar hat sie im Nacken zusammengebunden. Sie ist für eine Frau mehr als mittelgroß und wundervoll gewachsen und proportioniert. Im Lampenschein erkennt man in ihrem rassigen Gesicht einige Linien, die verraten, dass sie kein junges Ding mehr ist und das Leben mit allen Höhen und Tiefen kennt.
Shannigan in der Ecke scheint das alles nicht wahrzunehmen. Er liegt, vom Tisch fast völlig verborgen, auf der Bank und hat immer noch den Hut auf dem Gesicht. Vor ihm liegen die Satteltaschen auf der Tischplatte.
In seinem Winkel herrscht Halbdunkel.
Vielleicht haben ihn die drei Skymiles noch gar nicht bemerkt.
Sie beginnen jetzt schmatzend zu essen, fallen wie hungrige Wölfe über alles her, was die Stationsfrau auf den Tisch brachte.
Eine kurze Weile bleibt es still. Niemand sagt etwas. Die drei Skymiles starren kauend auf die schöne Frau. Eine gnadenlose Gier ist in ihren Gesichtern zu erkennen.
Fay Osgood – so heißt die Frau – hat ein Gefühl der Ausweglosigkeit. Obwohl sie nach außen hin das Bild äußerer Ruhe und Gefasstheit bietet, spürt sie die Angst.
Jed Skymile deutet kauend mit der Gabel auf sie.
»Süße, wie ist dein Name? Sag ihn mir. Ich wette, du hast einen wunderschönen Namen. Und wenn nicht, dann gebe ich dir einen. Alle schönen Frauen sollten auch einen schönen Namen haben. Na, wie ist deiner, Süße?«
Sie lächelt ihn kühl an.
»Wie sollte er denn lauten?« So fragt sie zurück, und ihr schwarzäugiger Blick hält dem seinen stand. Ja, sie ist es gewöhnt, jedem Mann gerade in die Augen zu blicken und ihn kühle Beherrschung und Gelassenheit spüren zu lassen.
Jed Skymile kratzt sich mit der Gabel am Kopf, wirkt für Sekunden nachdenklich und zugleich auch verblüfft.
Dann sagt er: »Meine Lieblingsnamen sind Susy, Eveline und Rosy. Und wenn eine Frau so richtig was taugt, wenn sie mich mächtig heiß macht, dann nenne ich sie Honey Cat. Ich glaube, ich werde auch dich so nennen, ganz gleich, was du sonst für einen Namen hast. Kapiert, Honey Cat?«
»Honigkatze ist ein schöner Name«, erwidert sie. »Das gefällt mir.«
»Oho, dir wird noch mehr gefallen, Honey Cat! Bis jetzt waren sie noch alle begeistert von mir.«
Er stopft sich nun wieder den Mund voll und kann eine Weile nicht reden, nur schmatzend kauen.
Auch die beiden anderen Kerle, welche seine Vettern sind, also zum Skymile-Clan gehören, starren auf Fay Osgood, und auch von ihnen geht die gleiche gnadenlose Gier aus.
Wie auf Kommando wenden sie sich um und blicken auf die beiden anderen Frauen, welche sie mit den Männern vom Tisch verjagten.
»Das sind Schnepfen«, sagt dann der eine.
»Nein, die mitzunehmen, das lohnt sich nicht«, spricht der andere kauend. »Mit denen macht es selbst im Dunkeln keinen Spaß.«
Der Sprecher richtet seinen Blick nun schräg über den Tisch auf Jed Skymile und fragt: »Würfeln wir um sie?«
»Nein«, erwidert Jed Skymile. »Die will ich allein. Von der gebe ich euch nichts ab – keinen einzigen Happen.«
Fay Osgood hört die Worte und macht sich keine Illusionen mehr. Auch alle anderen Anwesenden sind sich darüber klar, dass ihre schöne Mitreisende am meisten verlieren wird.
Doch niemand rührt sich – auch nicht der Stationsmann.
Und der Fahrer und dessen Begleitmann sind immer noch in der Küche und verhalten sich still, so als hofften sie, dass man sie gar nicht bemerkt hat.
Fay Osgood schnürt es die Kehle zu. Sie kann die Bissen nur noch mühsam hinunterwürgen und gibt sich dennoch Mühe, dies nicht erkennen zu lassen.
Sie alle hier stecken in der Klemme.
Es kamen drei mitleidlose zweibeinige Wölfe, denen von den Männern hier keiner gewachsen ist.
Oder doch?
Einer von Jed Skymiles Vettern deutet mit der Gabel in die dunkle Ecke, wo hinter dem Tisch der scheinbar schlafende Joel Shannigan auf der harten Bank liegt.
»Wer ist der denn? Schläft der wirklich? He, wer bist du?«
Aber der scheinbare Schläfer rührt sich nicht.
Da nimmt der Skymile-Vetter die leere Kaffeetasse, welche eigentlich nur ein Zinntopf mit Henkel ist, und wirft sie hinüber. Das Ding kracht über Shannigan an die Wand, prallt im hohen Bogen davon ab und fällt auf die Dielen.
Joel Shannigan richtet sich langsam auf.
»Was ist los? Gibt es Abendbrot?« So fragt er mit scheinbar verschlafen klingender Stimme, wischt sich mit der Hand über das Gesicht und gähnt wie ein Löwe.
Jed Skymile erhebt sich, so als hätte er plötzlich eine bestimmte Witterung bekommen, ein Warnsignal oder etwas Ähnliches.
Er trägt zwei Revolver im Kreuzgurt und hat die Hände an den Kolben, als er zu Joel Shannigan tritt.
»Antworte endlich auf die Fragen meines Vetters«, verlangt er.
»Ah, ich bin nur ein Passagier wie alle anderen«, sagt Shannigan. »Und wenn du einen Namen hören willst, dann sage ich dir einen – irgendeinen. Warum habt ihr mich eigentlich aus dem Schlaf geweckt? Gibt es einen friedlicheren Mann als einen Schläfer?«
»Sicher, den gibt es, einen unbewaffneten Schläfer – oder einen bewaffneten Toten.« Jed Skymile grinst. »Leg deinen Colt auf den Tisch. Ganz langsam mit zwei Fingern. Dann kannst du weiterpennen. Na los!«
Im Raum ist es still. Nur draußen rauscht der Regen. In der Ferne kracht der Donner. Und die Helligkeit der Blitze dringt manchmal durch die kleinen Fenster des Stationshauses.
Jed Skymile wartet lauernd, wachsam und bereit für schnelle Reflexe.
Doch Shannigan gehorcht. Er holt langsam und umständlich mit zwei Fingern seinen schweren Colt aus dem Holster und legt ihn auf den Tisch. Jed Skymile nimmt die Waffe und schiebt sie sich hinter den Hosenbund. Nun ist er sogar mit drei Revolvern bewaffnet. Er grinst zufrieden, wendet sich um und nimmt wieder den Platz hinter seinem Teller ein.
Joel Shannigan aber legt sich nicht mehr lang. Er sitzt genau hinter seinen beiden Satteltaschen und öffnet eine.
Als er in die Tasche greift, lässt einer der Skymile-Vettern die Gabel fallen und schnappt den Colt heraus. Er richtet ihn auf Shannigan.
Aber Joel Shannigan holt nur seine Pfeife und den Tabaksbeutel aus der Satteltasche. Als er die Pfeife zu stopfen beginnt, legt der Mann am Tisch drüben den Colt wieder aus der Hand. Doch er schiebt ihn nicht ins Holster, sondern lässt ihn griffbereit neben dem Teller liegen.
Shannigan reibt ein Schwefelholz auf der groben Tischplatte an und setzt den Tabak in seiner Pfeife in Brand, pafft einige Male, sodass dicke Rauchwolken einen Moment lang seinen Kopf einhüllen.
»He, ich möchte auch ein Abendessen!« So ruft er ziemlich laut zur offenen Tür hinüber, durch welche man in die Küche gelangt.
Der Stationsmann bewegt sich endlich.
»Ja, ich sage meiner Frau Bescheid«, versichert er eilig. »Alle hier bekommen ein Abendessen – alle. Es ist reichlich von allem da!«
Er steht auf und will in der Küche verschwinden. Doch in der offenen Tür holt Jed Skymiles Stimme ihn ein.
»He, warte!«
Der Stationsmann verhält.
»Ja, Mr Skymile?«
»Euer Schlafzimmer oben, ist das sauber? Oder stinkt es darin wie in einem Ziegenstall?«
Der Stationsmann scheint innerlich zu zittern. Man sieht ihm an, dass er es kaum noch ertragen kann. Doch es bleibt ihm keine andere Wahl. Er lebt hier im Schatten des mächtigen Skymile-Clans.
Er muss kuschen, sich unterwerfen.
Und so nickt er und zeigt zur engen Treppe, welche im Hintergrund des Raumes nach oben führt.
»Meine Frau hält alles sauber«, murmelt er. »Sie ist keine Schlampe.«
»Dann ist's gut.« Jed Skymile grinst. »Denn ich werde mit dieser Honey Cat gleich nach oben gehen. Wir nehmen eine Flasche Brandy mit. Bring die Flasche schon mal her!«
Wieder vibriert und zittert der Stationsmann innerlich. Doch dann nickt er voll Bitterkeit und murmelt: »Yes, Sir.«
Er verschwindet in der Küche.
Im Raum ist es still. Jeder der Anwesenden scheint den Atem anzuhalten – nur die drei Kerle des Skymile-Clans nicht. Sie essen und schmatzen immer noch. Denn sie nahmen sich soeben die nächsten Portionen. Es standen ja acht gefüllte Teller auf dem Tisch, da auch schon für den Fahrer und dessen Begleitmann aufgetragen wurde.
Joel Shannigan blickt auf die schöne Frau.
Auch alle anderen Passagiere der Postkutsche tun dies. Und sie alle wissen, was geschehen wird. Sie wollen es nicht glauben und wissen dennoch, dass es so kommen wird.
Eine der beiden anderen Frauen sagt fast tonlos: »O Gott im Himmel, haben die denn keine Mütter und Schwestern gehabt?«
»Halts Maul, dumme Kuh«, grollt einer der Skymiles. Die beiden Vettern blicken gierig auf Fay Osgood, dann richten sie fragend ihre Blicke auf ihren Anführer Jed Skymile.