G. F. Unger 2210 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2210 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Als Curly Ben McFay sich vom Tisch erhebt, ist sein Gesicht aschfahl. Er hat mit vier harten und erfahrenen Männern gespielt. Es war ein richtiges Männerspiel, und er hat sich nicht behaupten können.
Einer der Männer zieht das Geld zu sich herüber. Curly Ben hat insgesamt zweitausend Dollar verloren. Zweitausend Dollar! Erst jetzt wird er sich dieser großen Summe bewusst. Für zweitausend Dollar muss ein Cowboy fast zehn Jahre arbeiten!
»Natürlich geben wir Ihnen Revanche, wann und wo Sie wollen, junger Freund«, sagt der Mann, der das letzte Spiel gewann und nun das Geld zu sortieren beginnt.
Curly Ben McFay schluckt hart. Dann schüttelt er den Kopf. »Das wird wohl nicht möglich sein«, murmelt er. »Dann müssten Sie schon dorthin kommen, wo ich ...« Er bricht ab, wendet sich um und verlässt den Raum.
Draußen ist es bereits dunkel. Die Lichter der Poststation leuchten weit in die Nacht. Es ist eine größere Station, denn hier kreuzen sich zwei Postlinien. Darum gibt es hier auch ein Gasthaus mit einer Bar und einem kleinen Store. Die Menschen in der Gaststube warten wie Curly Ben auf eine Postkutsche. Curly Ben schlendert zum Brunnen. Ihm ist übel und der Schweiß steht ihm auf der Stirn ...


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Seitenzahl: 153

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Langreiter

Vorschau

Impressum

Langreiter

Als Curly Ben McFay sich vom Tisch erhebt, ist sein Gesicht aschfahl. Er hat mit vier harten und erfahrenen Männern gespielt. Es war ein richtiges Männerspiel, und er hat sich nicht behaupten können.

Einer der Männer zieht das Geld zu sich herüber. Curly Ben hat insgesamt zweitausend Dollar verloren. Zweitausend Dollar! Erst jetzt wird er sich dieser großen Summe bewusst. Für zweitausend Dollar muss ein Cowboy fast zehn Jahre arbeiten!

»Natürlich geben wir Ihnen Revanche, wann und wo Sie wollen, junger Freund«, sagt der Mann, der das letzte Spiel gewann und nun das Geld zu sortieren beginnt.

Curly Ben McFay schluckt hart. Dann schüttelt er den Kopf. »Das wird wohl nicht möglich sein«, murmelt er. »Dann müssten Sie schon dorthin kommen, wo ich ...« Er bricht ab, wendet sich um und verlässt den Raum.

Draußen ist es bereits dunkel. Die Lichter der Poststation leuchten weit in die Nacht. Es ist eine größere Station, denn hier kreuzen sich zwei Postlinien. Darum gibt es hier auch ein Gasthaus mit einer Bar und einem kleinen Store. Die Menschen in der Gaststube warten wie Curly Ben auf eine Postkutsche. Curly Ben schlendert zum Brunnen. Ihm ist übel und der Schweiß steht ihm auf der Stirn ...

Warum habe ich mich mit diesen hartgesottenen Hombres auf ein Pokerspiel eingelassen?, fragt er sich. Dann denkt er an seinen Bruder Adam.

Erst hier draußen am Brunnen begreift er richtig, was dieses Fiasko für seinen Bruder Adam bedeutet. Auf einmal kann er es voll ermessen, und er fragt sich, warum er in den vergangenen vier Stunden so ein hirnverbrannter Narr gewesen ist.

Er beginnt bitter zu fluchen.

Als er jedoch hinter sich einen Mann aus dem Gasthaus kommen hört, verstummt er. Der Mann tritt zu ihm an den Brunnen, schöpft sich mit der hölzernen Kelle ebenfalls etwas Wasser aus dem Eimer und trinkt.

Dann sagt er: »Denen warst du nicht gewachsen, Amigo. Denen machte es Spaß, einem Jungen aus dem Hinterland die Hosen auszuziehen. Und dabei hatten sie es nicht nötig. Jeder von ihnen hatte vor dem Spiel mehr Geld in der Brieftasche als du. Auf dieser Erde ist das Geld ohnehin ungerecht verteilt, nicht wahr?«

Curly sieht den Mann an. Der Fremde hat sich in der Gaststube für sich gehalten. Er hat gegessen und getrunken und sich danach mit ein paar alten Zeitungen in die Ecke zurückgezogen. Die meiste Zeit hat dieser Mann – mit dem Kopf auf dem Tisch – geschlafen.

Der Mann wirkt unauffällig. Man könnte ihn für den Vormann einer Ranch halten, der in seinem besten Anzug unterwegs ist, um für den Rancher irgendwelche Geschäfte zu erledigen, oder um Verwandte zu besuchen.

Doch er hat ein scharfes, braunes Gesicht und Falkenaugen.

»Was wollen Sie, Mister?«, fragt Curly plötzlich. Ihm ist, als bekäme er plötzlich Witterung von einem Wolf.

Mond und Sterne leuchten hell genug, sodass er den Fremden fast so gut betrachten kann wie bei Tag. Der Mann hat seinen Hut weit zurückgeschoben und sieht verwegen und kühn aus.

Sie betrachten sich noch eine Minute schweigend.

Dann sagt der Mann mit kühler Lässigkeit: »Es wäre leicht, diesen Hombres da drinnen das Geld wieder abzunehmen. Du würdest nicht nur deinen Spielverlust zurückbekommen, sondern noch eine Menge dazu. Ich brauchte nur einen Partner wie dich, der mir die Pferde hält und darauf achtet, dass niemand in die Gaststube kommt, solange ich dort zu tun habe. Na?«

Curly hält einige Herzschläge lang seinen Atem an.

Das ist ja ein Bandit, denkt er. Einen Moment ist er wie gelähmt. Aber dann bekommt seine wilde Verwegenheit schnell die Oberhand.

Plötzlich glaubt er, dass dies ein Weg wäre, dem Bruder doch noch das Geld bringen zu können. Er weiß, wie viel für seinen Bruder Adam von diesem Geld abhängt.

Aber dann holt ihn ein letzter Rest von Verstand ein und veranlasst ihn zu sagen: »Das ist doch verrückt! Dort drinnen sind vier Männer, die sich so leicht nicht die Brieftaschen oder Geldgürtel abnehmen lassen. Und dann sind da auch noch der Stationsmann, dessen Gehilfe und die Frau ...«

Aber der Fremde schüttelt den Kopf.

»Es ist ganz leicht«, sagt er. »Die nächste Postkutsche kommt in einer halben Stunde. Der Stationsmann und dessen Gehilfe müssen ein frisches Sechsergespann bereitmachen. Sie werden also gleich zu den Corrals hinübergehen und das Geschirr aus dem Schuppen holen. Wir können sie leicht ausschalten und an die Corralstangen binden. Inzwischen sattelst du dann die besten Pferde – für jeden von uns zwei Tiere – und bringst sie vor die Tür des Gasthauses. Ich gehe hinein und erledige die Sache. Es ist ganz leicht. Allerdings musst du gut reiten können, zweihundert Meilen ohne Pause. Oder kannst du das nicht? Du siehst doch wie ein blond gelockter Indianer aus. Es ist also ganz leicht, mein Junge. Willst du?«

In Curly Bens Kopf rauscht es. Dann glaubt er für eine Weile, überhaupt nicht mehr denken zu können.

Endlich wird es besser. Sein erster Gedanke ist: Dann kann ich Adam das Geld bringen. Dann ist alles wieder gut. Dann kann Adam ...

Er denkt nicht weiter. Er hört sich plötzlich sagen: »Beim Poker bin ich eine Niete. Aber was das Reiten betrifft, Mister, so ...«

»Versprich nicht zu viel, mein Junge. Willst du mitmachen oder auf dein schönes Geld verzichten? Das allein ist die Frage.«

Curly nickt plötzlich und er gleicht einem Schwimmer, der sich von einer hohen Klippe in einen reißenden Fluss wirft. Er weiß nicht, ob der Fluss ihn verschlingen oder zu einem guten Ufer tragen wird.

Aber er muss springen, weil es nur diese einzige Möglichkeit für ihn zu geben scheint.

»Ich mache mit«, sagt er. »Aber wir bleiben nachher nicht beisammen. Unsere Wege trennen sich, sobald wir unsere Verfolger abgeschüttelt haben.«

»Das ist mir recht, Junge«, grinst der Fremde.

Sie stehen noch einige Minuten schweigend beisammen. Curly Ben möchte zwar eine Menge sagen, möchte Fragen stellen und den Namen des Fremden erfahren.

Aber er hält den Mund. Er spürt immer stärker, was für eine Strömung von diesem auf den ersten Blick so unscheinbar und normal wirkenden Fremden ausgeht. Es ist wie eine Witterung, die man in die Nase bekommt, wenn man einem Raubtier begegnet.

Weitere Gedanken kann Curly Ben nicht fassen.

Denn jetzt geht es los. Der Stationsmann und dessen Gehilfe kommen aus dem Haus. Sie gehen hinüber zu den Corrals, um das Sechsergespann für die erwartete Kutsche bereitzuhalten.

Der Bandit, dessen Namen Curly noch nicht kennt, schlägt leicht gegen Curlys Oberarm und setzt sich in Bewegung. Curly beißt die Zähne zusammen und folgt ihm entschlossen.

Der Stationsmann und dessen Gehilfe wollen soeben, jeder mit einem Lasso, in den Corral. Die Pferde beginnen bereits unruhig zu kreisen. Denn obwohl die Tiere im Gespann gut geschult und zuverlässig laufen, möchte keines von ihnen zu denen gehören, die jetzt an der Reihe sind.

Der Bandit hält plötzlich einen Revolver in der Linken. Curly staunt, denn er sah nicht, woher der Mann die Waffe zauberte.

Aber er schnappt nun ebenfalls seinen Colt heraus.

Dann hört er seinen Partner lässig und halb laut sagen: »Amigos, dies ist ein Überfall! Seid nicht dumm!«

Er braucht dem Stationsmann und dem krummbeinigen Gehilfen nicht mehr zu erklären. Die beiden wissen Bescheid.

Sie sind unbewaffnet und gehen nicht das geringste Risiko ein.

Der Stationsmann sagt nur, während er seine Hände hebt: »Das kommt euch teuer zu stehen, denke ich. Gleich fährt die Postkutsche ein. Und wenn darin ...«

Er verstummt, denn er sieht den Banditen grinsen und begreift, dass jedes Wort sinnlos ist, weil er einen wirklichen Hartgesottenen vor sich hat, den er bisher unterschätzte.

Während er und sein Gehilfe gefesselt werden, bleibt es still. Die Pferde im Corral beruhigen sich wieder. Der Stationsmann sieht zu Curly hinüber, der den Gehilfen an einen Corralpfosten band.

»Dass ihr zwei Hombres zusammengehört, hätte ich nie gedacht«, sagt er plötzlich. »Oder hat er dich erst nach deinem Spielverlust zur ›Mitarbeit‹ überredet, Junge?«

»Das ist doch gleich«, erwidert Curly.

Er findet im Sattelschuppen ein weiteres Lasso. Denn die beiden anderen, mit denen der Stationsmann und der Gehilfe in den Corral wollten, wurden zur Fesselung verwandt.

Der Bandit sagt: »Brauchst du noch Hilfe? Kannst du auch ein gutes Pferd von einem Bluffergaul unterscheiden?«

»Ich bin nur beim Poker eine Niete«, erwiderte Curly. »Das sagte ich doch schon, nicht wahr?«

Er ist im Corral und lässt das Lasso aus dem Handgelenk fliegen. Solch eine Wurftechnik lernt man nur im Buschland.

Der Bandit tritt näher an den Corral heran, um das Pferd zu betrachten, das der Cowboy aus dem Corral holte.

»Ja, ich glaube es jetzt, mein Junge«, murmelt er. »Auf Pferde verstehst du dich besser, da bist du keine Niete.«

Nach diesen Worten geht er davon.

Curly, der das beste Pferd außerhalb des Corrals festbindet, sieht ihm einige Sekunden lang nach, und er weiß, dass nun nichts mehr aufzuhalten ist.

Jetzt ist die Sache im Gang.

Der Bandit wird furchtlos die vier Männer ausrauben, die in der Gaststube der Station sitzen. Zumindest drei dieser vier Männer sind gefährliche Burschen, die sich überall behaupten können. Aber auch der Handelsvertreter wird nicht harmlos sein, sonst würde er nicht im tiefsten Südwesten mit einer Menge Geld in den Taschen herumreisen.

Curly zuckt zusammen, denn er begreift, dass er sich beeilen muss.

Er bringt es unwahrscheinlich schnell fertig, drei weitere Pferde aus dem kreisenden Rudel zu fangen. Es sind nicht irgendwelche Tiere, sondern jene, die nicht zu leicht und nicht zu schwer sind, also keine Gespannpferde.

Er lässt das Corralgatter offen und jagt alle anderen Tiere hinaus. Sie galoppieren in der Nacht davon. Die ankommende Post wird kein frisches Gespann und Verfolger werden keine frischen Pferde für ein Aufgebot bekommen können.

Im Geschirr- und Sattelschuppen findet Curly ein paar Sättel. Er greift sich die besten davon, wirft sie den Tieren über die Rücken und zurrt sie mit geschickten Griffen fest. Sogar die Steigbügel schnallt er auf die richtige Länge. Der Bandit hat fast die gleiche Größe wie er.

Als er die Tiere an die langen Zügel nimmt und sich mit ihnen hinüber zum Haus begeben will, sagt der Stationsmann: »Junge, machst du das zum ersten Mal? Du hast noch eine Chance, wenn du uns jetzt losbindest. Dann – und nur dann – wirst du nicht zu denen gehören, die man jagt und hetzt, die gehasst werden und geächtet sind. Junge, besinne dich! Hör auf! Es ist deine letzte Chance. Man wird dir deine Umkehr hoch anrechnen. Und wir ...«

Er verstummt, denn auch er will besser hören können. Auch er vernimmt, was Curly Ben McFay schon einige Sekunden vor ihm hörte.

Die erwartete Postkutsche kommt.

Schon nähert sich das Räderrollen, das Peitschenknallen und die heisere Stimme des Fahrers, der das Gespann die letzte Steigung hinauf traben lässt. Jede Minute, die er gutmachen kann, bedeutet längeren Aufenthalt für ihn und die Fahrgäste.

Curly Ben verspürt einen Moment den heißen, wilden und fast angstvollen Wunsch, aufhören, aussteigen und aufgeben zu können. Ja, er hat plötzlich das Gefühl, dass dies wahrhaftig seine letzte Chance ist, die er nutzen sollte, weil es danach kein Zurück mehr geben wird.

Aber dann sagt er sich, dass er nicht mehr aussteigen kann.

Denn verlässt sich der Bandit nicht auf ihn?

Hat er nicht zugesagt, einen Vertrag geschlossen, ein Versprechen gegeben?

Er hätte es vorher gekonnt, bevor alles in Gang kam. Da hätte er noch ablehnen können. Doch jetzt ...

Er atmet tief ein.

Jetzt kann er nicht mehr aussteigen.

Außerdem kommt die Postkutsche immer näher. Das Räderrollen muss man bald in der Gaststube hören können.

Curly Ben schwingt sich plötzlich in den Sattel eines der vier Pferde.

Die Zügel der drei anderen Tiere behält er in der Linken. In die Rechte nimmt er den Colt.

Dann reitet er hinüber.

Der Stationsmann flucht hinter ihm her.

Curly verhält mit den Pferden beim Brunnen. Er hockt geduckt im Sattel und späht zur Tür hinüber. In der Gaststube bewegen sich Schatten hinter den Vorhängen der erleuchteten Fenster.

Curly stellt sich den Banditen vor, wie er die vier Männer um deren Geld erleichtert. Er denkt auch an die Frau des Stationsmannes, die zuletzt in der Küche war, um für die zu erwartenden Fahrgäste, die sich während des Gespannwechsels die Beine vertreten würden, ein Abendbrot zu richten.

Curly spürt, wie die Spannung in ihm stärker wird, wie dieses lauernde Warten an seinen Nerven zerrt und die näher kommende Postkutsche ihn nervös macht.

Warum kommt der Fremde nicht? Warum ist er noch nicht fertig? Zum Teufel, lässt er die vier Männer sich bis aufs Hemd ausziehen?

Diese Fragen schießen durch Curlys Hirn.

Und wieder ist der Wunsch in ihm, einfach zu flüchten. Er braucht nur in die Nacht zu reiten.

Er spürt, dass er am ganzen Körper zittert. Und darüber wird er zornig. Er will kein Feigling sein und kämpft nun gegen seine Angst an.

Er hat versprochen, ein zuverlässiger Partner zu sein. Zu diesem Wort muss er stehen. Wenn dieser Mann dort aus der Tür kommt, müssen die Pferde zur Flucht bereit sein. Diese Arbeit hat er nun einmal übernommen.

Er kann die Pferdekutsche schon sehen. Sie kommt mit Räderrollen, Hufschlag, Peitschenknall, Quietschen der Ledergehänge und den anderen typischen Geräuschen heran.

Im Haus muss man den Lärm ebenfalls hören.

Warum dauert es so lange?

Und da hält die Kutsche auch schon mit kreischenden Bremsen auf der anderen Seite des Brunnens.

Der Fahrer ruft: »Aussteigen! Gespannwechsel und Abendbrot! Hier ist Line Cruz! Wer nach Norden oder Süden will, muss hier umsteigen. Wir fahren nur nach Westen!«

Von den Corrals her klingen die Stimmen des Stationsmannes und des Gehilfen durch den abebbenden Lärm.

Curly schnappt den Colt heraus.

Im Haus krachen dicht hintereinander zwei Schüsse.

Da feuert Curly in die Luft und brüllt: »Dies ist ein Überfall! Ihr seid umzingelt! Die Station ist in unserer Hand! Keine Bewegung!«

Der Fahrer sitzt noch oben auf dem Bock.

Der Begleitmann sprang schon herunter und ließ sein Gewehr oben.

Die Fahrgäste wollten gerade aussteigen. Doch nun verharren alle. In den folgenden Sekunden bemühen sie sich, die Sachlage richtig zu erfassen.

Wie man es auch ansehen mag, die Tatsache bleibt, dass dort ein Reiter hält, der drei Sattelpferde neben sich hat.

Also müssen – nach Ansicht der Leute – drei andere Banditen irgendwo verteilt sein.

Endlich geht die Tür der Gaststube auf.

Der Bandit hat in der einen Hand einen Zuckersack, in der anderen einen Colt. Der Zuckersack dient gewiss als Geldsack.

Und nun sieht Curly mit Staunen, wie der Bandit mit einem einzigen Comanchen-Sprung im Sattel seines Pferdes sitzt, die Steigbügel findet und anreitet.

Curly folgt ihm mit den beiden anderen Pferden.

Bevor jemand begreift, dass sie nur zwei und nicht vier Banditen sind, haben sie schon einige Schritte zurückgelegt.

Aber da erklingt eine Stimme aus der Postkutsche.

Die Stimme gehört einer Frau. Sie kreischt: »Das ist Curly Ben McFay! Ich habe ihn erkannt! Das ist Curly Ben McFay, der Bruder des Sheriffs von Sunset City, zweihundert Meilen von hier!«

Curly hört und versteht es.

Und damit bricht für ihn alles zusammen.

Er begreift plötzlich, dass alles nutzlos war. Er ist verloren. Er kann nie wieder zu seinem Bruder zurück. Er kann diesem nicht einen einzigen Dollar von all dem Geld geben, das sie raubten.

Er wurde erkannt, und er weiß auch sofort, wem diese kreischende Stimme gehört. So hatte Mrs Glendale auch gekreischt, als sie ihn mit ihrer Tochter vor einem Jahr in der Scheune erwischte.

Während Curly Ben dem Banditen in die helle Nacht folgt, wächst in ihm das Gefühl der Verlorenheit.

Er weiß, er ist ein Verlorener.

Warum musste ich Adam so grausam enttäuschen? Warum musste ich meinem großen Bruder dies antun?, denkt er.

Aber es gibt keine Antwort auf diese Fragen.

Es ist nun einmal geschehen.

Er wurde ein Bandit.

Adam McFay erfährt es zwanzig Stunden später. Mrs Glendale erspäht ihn, als sie in Sunset City aus der Postkutsche klettert.

Sie ruft es ihm schon auf der Straße von der Haltestelle beim Sunset Hotel zu, was sein Bruder für ein Bursche ist, und dass der andere Bandit, dem Curly Ben beim Überfall half, in der Line-Cruz-Station einen Mann getötet hat.

Adam McFay steht still zwischen all den Leuten, die auf die Postkutsche warteten.

Adam McFay trägt den Stern eines Deputy Sheriffs. Er ist ein großer, dunkler, grauäugiger Mann. Er mag achtundzwanzig Jahre alt sein, und auf eine männliche Art sieht er gut aus, denn hübsch wäre nicht das richtige Wort. Dazu wirkt er zu hart.

Er lässt die erregte Frau ruhig ausreden, und es stört ihn nicht, dass ein dichter Kreis von Leuten mithört. Erst als Mrs Glendale alles herausgesprudelt hat und nur noch anklagend und verachtungsvoll blickt, sagt er beherrscht: »Madam, Sie sind sich also völlig sicher, dass Sie in der Nacht meinen jüngeren Bruder Ben erkennen konnten? Es ist nicht möglich, dass Sie sich irren?«

»Nein, Mister!«, schnappt sie angriffslustig. »Es gibt keinen Irrtum. Nein! Es war eine helle Nacht mit Vollmond und klaren Sternen. Man konnte in einer Zeitung lesen, so hell war es. Ich hatte ihn schon an der Stimme erkannt, als sein Gesicht noch von der Hutkrempe beschattet war. Dann, als er anritt und den Kopf hob, wusste ich es genau. Ich werde das vor Gericht beschwören, sobald man Ihren Bruder gefangen hat, Mister. Ich wusste schon immer, dass er nicht viel taugt. Seitdem ich ihn damals ...«

Sie verstummt, denn sie wollte sagen: »... in unserer Scheune mit meiner Tochter erwischte ...« Aber im letzten Moment wird ihr klar, dass sie im Begriff ist, ihre Tochter bloßzustellen.

Sie presst die Lippen aufeinander, nimmt ihr Gepäck und geht davon.

Adam McFay spürt die Blicke der Leute.

Sie betrachten ihn neugierig. Nur wenige sehen ihn nachdenklich oder teilnehmend an.

Was er auch denken und fühlen mag, es bleibt tief in seinem Innern verborgen. Einer der Männer sagt plötzlich: »Ach, Sheriff, sie wird sich getäuscht haben. Curly Ben ist zwar wild und manchmal auch etwas leichtsinnig, doch welcher haarige Bursche ist das nicht in seinem Alter. Ich wette, dass Curly Ben zurzeit des Überfalls an einem ganz anderen Ort war. Er hat doch eure erste Fleischherde zum Verkauf gebracht, nicht wahr?«

Adam McFay nickt.

Dann wendet er sich zur Seite und geht. Der Kreis öffnet sich für ihn. Aber Adam McFay spürt, wie die Blicke der Menschen ihm folgen.