G. F. Unger 2211 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2211 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Die Jahreszeit ist schon fortgeschritten. Die Herde wird die Letzte sein, die über den Chisholm Trail nach Dodge City zieht. Jede Indianerhorde, die hungrige Mägen spürt, jeder Bandit, dem für den Winter zu wenig Geld in der Tasche klingelt, wird sich an ihr schadlos halten wollen.
Und nicht nur das.
Ein Mann reitet mit der Herde, der Jim Curran töten will, und ein anderer Todfeind Jim Currans wird mit einer Rustlerbande der Herde folgen.
Wozu wird sich Jim Curran entschließen - der Mann, dem bisher kein Job zu haarig war?


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Seitenzahl: 155

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Longhorns nach Norden

Vorschau

Impressum

Longhorns nach Norden

Die Jahreszeit ist schon fortgeschritten. Die Herde wird die Letzte sein, die über den Chisholm Trail nach Dodge City zieht. Jede Indianerhorde, die hungrige Mägen spürt, jeder Bandit, dem für den Winter zu wenig Geld in der Tasche klingelt, wird sich an ihr schadlos halten wollen.

Und nicht nur das.

Ein Mann reitet mit der Herde, der Jim Curran töten will, und ein anderer Todfeind Jim Currans wird mit einer Rustlerbande der Herde folgen.

Wozu wird sich Jim Curran entschließen – der Mann, dem bisher kein Job zu haarig war?

Spike arbeitet sich aus dem Stroh und tritt in den Gang. Alles an ihm ist etwas krumm, aber drahtig und flink. Und in seinem listigen Fuchsgesicht sitzen ein paar Falkenaugen. Die Augen allein verraten, dass er eher ein Falke als ein Fuchs ist.

»Ah, da stehen ja unsere Ziegenböcke«, brummt er und geht in eine Box, in der ein struppiger Mustang steht, dem man es auf zehn Meilen ansieht, dass er aus Bosheit, Dynamik, Zähigkeit und Mut zusammengesetzt ist.

»Yeah, das Unterstellgeld ist bis heute Mittag bezahlt«, murmelt der Stallmann.

»Lewt ist weise, sehr weise«, erwidert Spike und schlägt dem Mustang kräftig auf die Hinterhand.

Das Tier feuert sofort blitzschnell aus. Der linke Hinterhuf saust haarscharf an Spikes Kopf vorbei.

»He!«, schreit der Stallmann.

»Das ist noch nichts.« Spike grinst wieder und dreht dem braunen, struppigen Teufel achtlos den schmalen Rücken zu. Wenn er jetzt noch einmal ausschlagen würde, so wäre Spikes Rückgrat erledigt. Aber er feuert nicht mehr aus.

»Das ist nur unsere Begrüßung. Das Biest will mich gar nicht treffen. Der Bursche tut nur so. Er hat mir schon mal 'ne Fliege von der Nasenspitze geschlagen – und mich dennoch nicht gestreift. Das ist unser Morgenspiel. Hier!«

Spike bringt einen Zigarettenstummel zum Vorschein, schnippt ein Zündholz am Daumennagel an, setzt den Stummel in Brand und hält die Hand mit dem Zündholz auf besondere Art zur Seite.

Sofort feuert der Mustang wieder aus.

Spikes Hand ist unverletzt. Das Zündholz ist weg.

»Hölle!«, keucht der Stallmann und kratzt sich den Hinterkopf.

»So heißt das Pferdchen auch«, sagt Spike und geht aus dem Stall.

Auf der Straße bleibt Spike einen Moment stehen und überlegt. Die ersten Sonnenstrahlen kommen über die Dächer von San Antonio. Diese Stadt ist noch wild und rau, denn man schreibt das Jahr 1870. Vor zwei Jahren hat ein gewisser Jesse Chisholm das Wagnis unternommen, eine Longhornherde nach Norden zu bringen. Er hat es geschafft und im Norden gute Absatzmärkte gefunden. Jetzt gibt es den Chisholm Trail nach Abilene und Dodge, und er ist für ganz Texas wichtig geworden. Man steht in diesem Jahre noch nicht einmal auf dem Höhepunkt des Rindertreibens. Ganz Texas ist voll wilder Longhornrinder. Und sie alle werden in den nächsten Jahren nach Norden getrieben werden, und ein Strom von Dollars wird in das jetzt noch arme Texas zurückfließen.

Spike denkt sorgsam nach, wo er seine beiden Freunde finden könnte. Sie sind alle drei von Arizona herübergekommen. Es war ein langer Ritt. Und als sie hier ankamen, hatten sie noch eine Menge Dollars in den Taschen. Sie waren nach gewissen Vergnügungen so hungrig wie Wölfe nach einem Rehbock im Winter.

Spike überlegt laut: »Wenn ich betrunken war, so war es Lewt auch. Und wenn Lewt richtig betrunken ist, so merkt man nicht sehr viel davon. Nur streitsüchtig wird er. He, ich wette, dass er inzwischen eingesperrt wurde.«

Nach diesem Selbstgespräch setzt sich Spike auf seinen krummen Beinen in Bewegung und schlurft den hölzernen Gehsteig entlang.

Zu dieser frühen Stunde ist San Antonio wie ausgestorben. Alles ist ruhig. Nur wenige Pferde stehen an den Haltebalken.

Als Spike das Marshal's Office entdeckt, überquert er die Fahrbahn. Die Tür steht offen. Er klatscht mit der flachen Hand dagegen und tritt ein.

Der Marshal sitzt hinter dem Schreibtisch. Er hat seine Füße auf der narbigen und von Sporen zerkratzten Platte liegen. Er kaut an seinem gelben Schnurrbart und sieht Spike nur ruhig an.

»Hallo«, grinst Spike etwas sauer.

»Hhm«, macht der Marshal und schätzt den kleinen Reiter ab. Als er Spikes tiefhängenden Colt sieht, ziehen sich seine buschigen Augenbrauen etwas zusammen.

»Marshal«, sagt Spike sanft, »es könnte immerhin sein, dass Sie im Laufe dieser Nacht einen aufrecht gehenden Büffel einsperren mussten, weil er sonst einige Häuser eingerissen hätte.«

Jetzt nimmt der schwergewichtige Marshal mit einem Ruck die Füße vom Schreibtisch und richtet sich in seinem Sessel kerzengerade auf. Sein Schnurrbart scheint sich zu sträuben. Seine Augen funkeln seltsam, und er schiebt seinen runden und kantigen Kopf vor.

Er hebt die Hand und deutet mit dem Daumen über die Schulter.

»Ich habe da hinten ein zweibeiniges Nashorn in der Zelle, ein Nashorn, das man mit einem Elefanten, einem Walfisch und einem Gorilla gekreuzt hat und dem man all die Jahre Dynamit ins Essen mischte. He, kennen Sie das Ungetüm, Cowboy?«

»Yeah!«, stöhnt der, und es ist ein kurzer und scharfer Laut. »Ich bin gewissermaßen sein Dompteur, sein Bändiger, sein – ah, ich bin der Mann, der ihn in friedfertigem Zustand halten kann. Aber gestern hat er mich einfach ausgeschaltet, damit er mal ohne meine Aufsicht das Leben genießen kann. Tut mir mächtig leid. Was hat der gute Lewt denn alles angestellt?«

Eine wirkliche Sorge schwingt in Spikes Stimme mit.

Der Marshal grinst grimmig und betastet erst sein angeschwollenes Kinn, bevor er vorsichtig seine Magengegend abfühlt. Dann legt er die Fäuste auf den Tisch. Die Knöchel sind alle aufgeschlagen.

»Zuerst hat er in der Lonestar Bar drei Kartenhaie verprügelt. Nun, das ging vielleicht in Ordnung – ich kann diese Berufsspieler, die ehrlichen Treibern die Dollars abnehmen, ohnehin nicht leiden. Dann ging er in die Gentlemen Bar hinüber. Dort war gerade eine Schlacht zwischen zwei Treibermannschaften im Gange. Der Büffel kam herein und bekam ganz zufällig eine volle Whiskyflasche an die Brust geworfen. Er nahm das sofort sehr persönlich und begann das Lokal auszuräumen. Daraufhin vereinigten sich die beiden feindlichen Treibermannschaften und ...«

»So ist es immer!«, stöhnt Spike ergriffen. »Er ist so sanft wie ein Lamm! Aber wenn er gereizt wird, dann ...«

Der Marshal winkt grimmig ab.

»Er warf eine Menge Boys einfach durch Fenster und Türen. Nun, das war auch in Ordnung. Aber als ihm der Wirt sagte, dass er nach dieser prächtigen Arbeit ausruhen sollte, brüllte er, dass er das ganze Lokal für sich haben wolle und nicht eher aufhören werde, bis er auch den letzten Gast an die frische Luft befördert hätte. Nun, es waren noch eine Menge Leute da, die sich bisher vornehm zurückgehalten und nur zugesehen hatten, weil's doch ein Privatfest zweier Treibermannschaften war und es schon feststand, dass ihre Bosse den Schaden bezahlen würden. Aber als der Bulle dem ganzen Lokal den Kampf ansagte, ging es erst richtig los. Wir haben ihn schließlich mit vereinten Kräften gebändigt, in zwei Lassos eingewickelt und in die Zelle geschafft. Er hatte noch siebenundzwanzig Dollar in der Tasche. Die Strafe beträgt zweihundert Dollar oder zwanzig Tage Haft. Wenn Sie das Geld auf den Tisch legen können und mir schwören, binnen einer halben Stunde mit ihm aus der Stadt verschwunden zu sein, so können Sie ihn haben. Sonst aber bleibt er im Käfig! Das ist mein letztes Wort! Klar?«

Spike nickt traurig.

»Wahrscheinlich werde ich seinen prächtigen Sattel verkaufen müssen, um das Lösegeld zu beschaffen. Ich muss ihn aber fragen, ob ich seinen Sattel verkaufen darf.«

Der Marshal erhebt sich brummend und geht vor Spike in den Zellenraum. Es sind sechs Zellen vorhanden. In jeder befindet sich ein Insasse.

Auf einer der harten Holzpritschen sitzt ein Muskelberg. Dieser Berg wächst langsam in die Höhe und verwandelt sich in einen riesigen Burschen, den anscheinend jemand mit einer scharfen Axt aus Eichenholz gehauen hat. Dieser Riese hat feuerrote Haare auf dem kugelrunden Kopf. Sein massives Kinn ist so breit wie die Stirn. Seine Nase ist klein, aber leicht gebogen. Ein Auge ist zugeschwollen, und das andere blickt bitter und düster in die Welt.

Er klammert seine mächtigen Fäuste um zwei Eisenstäbe und sieht mit seinem noch brauchbaren Auge den kleinen Spike bitter an.

»Bruder«, sagt er, und seine Stimme ist, obwohl ein wenig rau, merkwürdig melodisch. »Bruder, ich soll zwanzig Männer erschlagen haben. Wenn sie mich hängen, so bekommst du meine Nickeluhr und Jim meinen silbernen Sattel! Du weißt, dass ich meine Uhr von meinem Vater bekommen habe. Sie ist mein bestes Stück. Überdies würdest du auf dem prächtigen Sattel noch schäbiger wirken. Jim ist der richtige Mann für diesen Sattel. In Ordnung, Spike?«

Spike nickt erschüttert.

»Habe ich wirklich zwanzig Männer erschlagen?«, ächzt Lewt Scott ergriffen.

»Der einundzwanzigste Mann ist soeben gestorben – er hat es auch nicht überlebt«, erwidert Spike traurig und faltet über seiner Gürtelschnalle die Hände.

Lewt stöhnt und setzt sich müde auf die Pritsche.

Er wischt sich übers Gesicht. Plötzlich springt er auf, tritt an die Gittertür und knurrt den Marshal an.

»He, Marshal! Wenn ich aufgeknüpft werde, so habe ich ein Recht auf eine prächtige Henkersmahlzeit. Los, lassen Sie anrollen! Truthahnbraten will ich! Und zwanzig Liter kühles Bier! Und Zigarren und ...«

»Halt!«, grollt der Marshal. »Schwarze Bohnen bekommen Sie! Und Sie haben keinen Menschen erschlagen, obwohl Sie wie ein wilder Büffel gehaust haben! Zweihundert Dollar Strafe oder zwanzig Tage Haft!«

»Dem Herrn sei's gedankt«, stöhnt Lewt und setzt sich wieder auf die Pritsche. »Spike, du Hundefloh, du hast diesen rauen Spaß mitgemacht und mich in dem Glauben gelassen, dass ich ...«

»Das ist jetzt Nebensache. Soll ich deinen Sattel verkaufen, um die Strafe zu bezahlen – oder soll ich dich für Geld sehen lassen hier in der Zelle? Ich könnte ein Plakat anfertigen lassen, worauf geschrieben steht, dass hier der Mann ohne Hirn zu sehen ist.«

»Frag Jim! Geh zu Jim! Er wird entscheiden, denn nur er weiß, wie sehr ich an dem Sattel hänge. Aber wenn ihr zwanzig Tage auf mich warten wollt, so sitze ich die Strafe lieber ab. Ich habe noch nie einen Job gehabt, wo ich in zwanzig Tagen zweihundert Dollar verdienen konnte.«

Lewts gesundes Auge leuchtet hoffnungsvoll. Er schnauft erleichtert und zufrieden, wohl deshalb, weil er nun weiß, dass er doch nicht zwanzig Männer erschlagen hat.

Er wendet sich an den Marshal. »Ich weiß nicht, Marshal, ob es Ihnen gestattet ist, solch gemeine Witze mit anständigen Leuten zu machen. Sie haben mir erklärt, dass ich zwanzig Männer ...«

»Sie haben mir einen Zahn ausgeschlagen, Cowboy! Seien Sie froh, dass ich mich nur auf diese Art revanchierte. Schluss damit! Ich will frühstücken, und Sie bekommen schwarze Bohnen. He, Mister, wir gehen!«

Die letzten Worte gelten Spike. Dieser winkt Lewt nur wortlos zu und verlässt mit dem Marshal das Office.

Spike geht eilig auf dem hölzernen Gehsteig weiter. Manchmal bleibt er stehen und pfeift ein schrilles Signal. Er kommt an vielen Bars und Hotels vorbei und nähert sich dem Südende der Stadt.

»Verdammt, ich kann vielleicht nach ihm suchen, bis er irgendwo ausgeschlafen hat und sich wieder der Menschheit zeigt«, murrt er unzufrieden.

Vor einem Hof fegt ein Schwarzer den Gehsteig. Spike bleibt stehen, denn sein untrüglicher Instinkt rät ihm dazu.

»Hallo, Schneeball, hast du einen Mann gesehen, der ein goldenes Hutband und Maßstiefel trägt? Groß ist der Gent, gut sechs Fuß, und er geht wie eine Feder über den Boden. Er trägt zwei alte Peacemaker Colts und ...«

»Ich gesehen.« Der Schwarze grinst. »Sitzt im Hinterzimmer von Bar dieses Hauses nebenan. Ich habe ihm aus dem Store zwei Pfund Nüsse besorgt und ...«

»Das ist er!«, ruft Spike zufrieden und geht eine Tür weiter.

Der Schankraum ist schon ausgefegt, und die Messingspucknäpfe sind gesäubert. Hinter dem Mahagoni-Schanktisch putzt ein Barmann mürrisch Gläser.

Spike geht am Schanktisch entlang und auf eine Tür zu.

»He!«, knurrt der Barmann. »Dort drinnen sitzen Gentlemen bei einem scharfen Spiel. Sie wünschen nicht gestört zu werden.«

»Ich gehöre dazu und wünsche auch keine Störung«, erklärt Spike grinsend und öffnet sachte die Tür.

Die Fenstervorhänge des Zimmers sind zugezogen. Zwei Karbidlampen brennen. Die Spieler am Tisch haben anscheinend noch gar nicht bemerkt, dass es inzwischen schon Tag geworden ist. Der Raum ist voll kaltem Rauch. Die Luft ist schlecht.

Spike sieht Jim Currans Rücken.

Fünf andere Männer wenden die Köpfe und starren ihn an. Ihre Gesichter sind ausdruckslos, nur ihre Augen flackern und glänzen seltsam.

»Hallo, Spike«, klingt Jim Currans Stimme plötzlich sanft und freundlich. »Geh auf die andere Seite und sieh zu, wie ich ein Vermögen gewinne.«

Spike wundert sich, dass Jim, der doch mit dem Rücken zur Tür sitzt, ihn sehen konnte. Aber dann sieht er den Spiegel an der Wand. Nun versteht er auch, warum Jim, was er sonst nie tut, sich mit dem Rücken zur Tür gesetzt hat.

Er geht langsam durch das Zimmer und um die Gruppe am Tisch herum. Die Männer starren ihn immer noch an. Einer schlägt plötzlich die Faust auf den Tisch.

»He, Sie haben diesen Mann im Spiegel durch die Tür hereinkommen sehen. Und jetzt glaube ich, dass Sie im Spiegel auch meine Karten sehen können! Sonst hätten Sie mich nicht zu einem armen Mann gemacht!«

Spike sieht, wie Freund Jim das Kinn vorschiebt, als er den anderen Mann ansieht. Jim Currans Kopf ist gut geschnitten. Wenn seine Nase anders wäre, könnte man ihn fast für einen Indianer halten. Seine Haut ist vom ständigen Leben auf der Weide bronzefarben. Sein blauschwarzes Haar rollt sich über den Hemdkragen. Neben seinem Stuhl liegt ein Stetsonhut, um dessen flache Krone ein goldenes Band geschlungen ist.

Jim Currans rauchgraue Augen sehen fest seine Gegenüber an.

»Mister«, sagt er ruhig, »dies hier ist ein Spielzimmer, und der Spiegel ist so angebracht, dass ich nicht einmal Ihre Hutspitze sehen könnte, wenn Sie einen Hut aufhätten. Man sieht nur die Tür bis zum Drücker hinunter – mehr nicht. Sie haben Ihren Einsatz gemacht. Vielleicht haben Sie schlechte Karten bekommen und suchen einen Grund, um aufzuhören?«

Der andere Mann ist groß, breit, wuchtig, von einer knochigen und sehnigen Massigkeit. Er ist blond. Er erinnert irgendwie an einen Löwen. Seine gelbbraunen Augen glänzen im Lampenlicht. Sein sichelförmiger Schnurrbart bewegt sich kaum, als er mit harter Stimme sagt: »Zum Teufel mit Ihnen! Ich hatte schon den ganzen Abend den Verdacht, dass Sie im Spiegel meine Karten sehen können. Ich habe einen Menge Geld verloren. Nun habe ich meinen Anteil an einer Herde eingesetzt. Wir beide sind nur noch im Spiel! Nun, der Spiegel muss weg – oder ich breche das Spiel ab und ziehe meinen Einsatz zurück!«

Das waren deutliche Worte.

Jim Curran erhebt sich langsam. Mit ihm erheben sich auch die anderen Männer. Spike weicht bis an die Wand zurück und hält seine Hand in der Nähe des Colts.

Jim beugt sich leicht vor. Er starrt den blonden Mann an. Die anderen Mitspieler, die wohl eben der Reihe nach gepasst hatten und nur noch zusahen, treten schnell zurück.

Plötzlich lacht Jim Curran leise und tief.

»In Ordnung«, sagt er, »tauschen wir die Plätze und kaufen wir neue Karten. Unser Einsatz bleibt stehen. Los, Mister! Sie sollen keinen Grund haben!«

Er geht um den Tisch herum und bleibt vor dem anderen Mann stehen. Der scheint zu überlegen. Er ist zwei oder drei Fingerbreit größer als Jim Curran und dabei bestimmt dreißig Pfund schwerer. Ein harter, eiserner und grimmiger Mann ist es. Eine wilde Aggressivität geht von ihm aus. Er wirkt wie ein Mann, der gewohnt ist zu befehlen, etwa wie ein Treibherdenboss.

Es ist still im Zimmer. Alle halten ihren Atem an.

»In Ordnung«, murmelt der Mann plötzlich und geht auf die andere Seite des Tisches.

»Vielleicht mischt einer der anderen Gentlemen für uns die Karten?«, klingt Jim Currans kühle Stimme.

Ein Mann, der wie ein Rancher aussieht, tritt vor und mischt.

Indes starren die anderen auf den Tisch. Dort liegt eine Menge Geld. Und ein Stück Papier liegt da.

»Wir ziehen je eine Karte! Die höchste gewinnt!«

Der Blonde schnaubt es heiser.

Jim Curran lächelt. Die scharfen Falten in seinem Gesicht vertiefen sich, und die braune Haut über seinen Backenknochen spannt sich, wird heller. Auf seiner linken Wange ist eine blasse Narbe. Sie rötet sich.

Spike kennt all diese Zeichen an seinem Freund.

»Sicher, die höchste Karte gewinnt, Mister«, sagt Jim dann ruhig.

Und er greift zu und wirft eine Karte auf den Tisch.

Es ist der Kreuz-König.

Der andere leckt über die schmale Unterlippe, wischt über den gelben Sichelbart und dreht ebenfalls eine Karte um.

Es ist die Kreuz-Dame.

Er flucht und knurrt dann: »Well, Sie haben mein Geld und jetzt auch noch fünfhundert Longhorn-Rinder gewonnen. Ich hätte mich nicht mit Ihnen einlassen sollen!«

Jim Currans Augen werden schmal.

»Sie haben mich zu diesem Spiel eingeladen. Ich habe mein Geld genauso riskiert wie jeder andere an diesem Tisch. Und Sie haben selbst das Angebot gemacht, Ihre Herde gegen meinen ganzen Gewinn einzusetzen. Sie können nicht verlieren, Mister!«

Jim greift vier Karten vom Stapel und hält sie auf normale Spielerart in der Hand. Seine rauchgrauen Augen heften sich fest auf sein Gegenüber.

»Sie können jetzt in den Spiegel sehen. Und wenn Sie mir sagen können, welche Karten ich in der Hand halte, so stimmt Ihr Verdacht von vorhin. Los jetzt! Sagen Sie mir die Karten in meiner Hand auf!«

Der andere bekommt flatternde Augen. Sein Kinn schiebt sich vor. Er senkt es fast bis auf die Brust und starrt Jim über die Stirn hinweg an.

»Ich bin hier fertig«, sagt er dann heiser und erhebt sich.

»Ich bin mit Ihnen noch nicht fertig«, entgegnet Jim, und seine ruhige Stimme klingt plötzlich hart. In seinen rauchgrauen Augen erscheint ein grünliches Licht. Funken tanzen.

»Mann, Sie haben soeben einen Verdacht ausgesprochen. Und Sie werden mir jetzt die Karten in meiner Hand sagen – oder sich entschuldigen. Sie verdammter Narr! Dies war ein Männerspiel! Und wenn Männer spielen, so sind sie mit ihren Worten vorsichtig! Sie sehen wie ein harter Mann aus, dem das Leben in diesem Land seine Zeichen eingebrannt hat! Warum reden Sie wie ein Narr?«

»Da hast du deine Antwort!«, bellt der Blonde. Seine Hand zuckt dabei unter die offene Jacke und bringt zauberhaft schnell einen kurzläufigen Colt zum Vorschein.

Jim Curran sitzt nicht mehr auf seinem Stuhl. Als die Hand des Gegners unter die Jacke zuckte, warf er sich nach links vom Stuhl auf den Boden. Er prallt hart mit der Schulter auf. Aber noch vor dem Aufprall schießt er schräg nach oben.

Die Kugel saust dicht an der Tischkante vorbei, trifft die breite Schulter des Blonden, stößt ihn zurück und wirbelt ihn halb um die Längsachse.

Und der kurzläufige Colt des Mannes poltert zu Boden.

»He, Feierabend!«, ruft Spike Speck scharf und richtet seinen Colt auf einen langen Mann, der halb gedeckt hinter einem anderen steht und schon einen Colt halb aus dem Holster hat.