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Dies ist die Geschichte von Big River Jim Hannaran. Sein Leben glich dem Fluss, auf dem er zu Hause war - gewaltig brausend und lebendig, mal sauber und klar, dann wieder trübe. Ja, er glich diesem ungebändigten, nutzlos und sinnlos seine Kraft verschwendenden Fluss, und all die Dinge auf dieser Welt waren für ihn ein wunderbarer Spaß. Er war ein Abenteurer, ein Draufgänger, der sich vom Schicksal treiben ließ. Und dennoch bekam sein Leben eines Tages einen wirklichen Sinn ...
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Veröffentlichungsjahr: 2023
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Big River Jim
Vorschau
Impressum
Big River Jim
Dies ist die Geschichte von Big River Jim Hannaran. Sein Leben glich dem Fluss, auf dem er zu Hause war – gewaltig brausend und lebendig, mal sauber und klar, dann wieder trübe. Ja, er glich diesem ungebändigten, nutzlos und sinnlos seine Kraft verschwendenden Fluss, und all die Dinge auf dieser Welt waren für ihn ein wunderbarer Spaß. Er war ein Abenteurer, ein Draufgänger, der sich vom Schicksal treiben ließ. Und dennoch bekam sein Leben eines Tages einen wirklichen Sinn ...
Es ist drei Uhr morgens, als Jim Hannarans großes Holzfloß bei Omaha – also am Westufer des Missouri – festmacht und Jims siebzehnköpfige Mannschaft sich Mann für Mann niedersetzt oder gar der Länge nach auf den riesigen Stämmen des Floßes ausstreckt.
Nur Luke Jacks hält sich noch auf den Beinen. Er starrt zu Jim Hannaran hin, den er im bleichen Mondlicht gut sehen kann, und sagt heiser und schwerfällig: »Das war es, Jim! Das war es! Wir haben Kelso Brown und dessen Jungs geschlagen. Bist du nun zufrieden?«
Die Frage klingt bitter und grimmig. So fragt ein Mann, der bis ins Mark der Knochen erschöpft ist und der schon glaubt, in der Hölle zu sein.
Nach zwei weiteren schnaufenden Atemzügen fügt er hinzu: »Jim, das wirst du nie wieder mit uns machen – nie wieder! Ich schwöre es dir! Manchmal glaube ich, dass du verrückt bist – richtig wild und verrückt wie ein brausender Fluss, ein Mann, der keinen Verstand hat. Du hast das Floß aufs Spiel gesetzt, nur um diese Wette zu gewinnen. Du hast das Leben deiner Männer riskiert – nur, um Kelso Brown zu schlagen. Und wir sind in der vergangenen Nacht, als es so dunkel war wie im Bauch eines Fisches, durch den Chelly Canyon gesaust, in dem schon bei hellem Tag so manches Floß gegen die Klippen geworfen wird und verloren ist. Jim, ich bin dein Freund, doch ich sage dir, dass du ein verrückter Narr bist!«
Nach diesen Worten will er sich abwenden und zu einer der Hütten gehen, die mitten auf dem wohl zweihundert Yards langen Floß stehen, welches aus fünf oder sechs Gliedern besteht, sodass es sich wie eine Schlange bewegen kann.
Und die müden und völlig erschöpften Männer brummen oder krächzen zu den Worten des Vormannes Zustimmung.
Doch Big River Jim Hannaran lacht leise. Es ist ein wohlklingendes Lachen, männlich und jungenhaft zugleich.
»Ah, ihr müsst es so sehen wie ich«, sagt er. »Solche Späße machen das Leben süß, und man freut sich, auf dieser Welt zu sein, zu atmen, zu leben. Ja, das erst ist richtiges Leben! Ihr ...«
Er verstummt und macht eine wegwerfende Handbewegung, die deutlich genug ausdrückt, dass er es längst aufgegeben hat, Verständnis zu finden.
»Kommt mit an Land«, sagt er. »Kelso Brown hat versprochen, dass wir auf seine Kosten in Omaha für vierundzwanzig Stunden alles frei haben, wenn wir früher anlegen als er. Also kommt, Jungs! Jetzt beginnt der Spaß noch einmal von vorn auf eine andere Art. Und diese Art wird euch besser gefallen! Kommt, ihr haarigen Affen! Alle Sünden von Omaha warten auf euch! Die Nacht ist noch nicht um! Kommt!«
Er wendet sich, um an Land zu springen.
Doch er hält wieder inne, als unter seinen Männern keinerlei Bewegung entsteht.
Niemand rührt sich, und einige der Männer stoßen schon laute Schnarchtöne aus, denn sie sind vor Erschöpfung eingeschlafen. Dies ist kein Wunder, bekamen sie doch während der letzten sieben Tage und Nächte kaum mehr als sieben Stunden Schlaf.
Der Fluss führt Hochwasser. Das Riesenfloß aber fuhr Tag und Nacht. Jeder Mann musste ständig an den langen Rudern sein, um es genau in der Strommitte zu halten, um es um all die Sandbänke, Untiefen, Klippen und Biegungen zu bringen, durch die brüllenden Canyons.
Es war ein sieben Tage und sieben Nächte dauernder Kampf mit dem brüllenden Fluss. Denn vor sieben Tagen trafen sie Kelso Brown, der mit seinem Riesenfloß gerade ablegte.
Und Big River Jim rief zu Kelso hinüber, dass dieser ihn bestimmt nicht einholen könne.
Diese Herausforderung nahm Kelso Brown an wie immer.
Er verlor.
So war es also.
Jim Hannaran aber starrt nun im bleichen Mondlicht auf seine erschöpfte Mannschaft.
»So ist es«, sagt Luke Jacks schwerfällig. »Diese Mannschaft ist hart und zäh wie keine andere, doch du hast sie zerbrochen, Jim! Auch mich hast du zerbrochen. Trink dein Feuerwasser allein!«
Nach diesen Worten fällt er auf die Knie und legt sich dann der Länge nach auf den Bauch.
Jim Hannaran betrachtet die schlafende Gesellschaft.
»Tut mir leid, Jungs«, murmelt er. »Aber ich werde für euch mittrinken! Ich werde für euch allen Spaß stellvertretend genießen! Ruht euch nur richtig aus, damit ihr bald wieder bei Kräften seid.«
Nach diesen Worten lacht er leise – halb bedauernd, halb mitleidig. Dann springt er hinüber an Land, und es ist ein ziemlich weiter Sprung, den er wagen muss. Er schafft diesen Sprung, als wäre er frisch und ausgeruht, als hätte er nicht selbst sieben Tage und Nächte eines der großen Ruder bedient, um das Floß stets in der besten Strömung zu halten.
Er scheint eine ganz besondere Substanz zu besitzen, aus einem Material gemacht zu sein, welches von einzigartiger Güte ist.
✰
Es ist nur wenig mehr als zehn Minuten später, als Big River Jim sich durch die Schwingtür des Riverbee Saloons schiebt und erst einmal innehält, um zu sehen, ob genügend Spaß im Gange ist, dass sich ein Nähertreten lohnt.
Denn es ist sehr still im Saloon.
Nun sieht Jim, dass die Gäste deshalb so still sind, weil sie sich in gebannte Zuschauer verwandelt haben, für die es nichts anderes auf dieser Welt mehr gibt als das Kräftemessen zweier Männer, die mitten auf der Tanzfläche stehen und einander an den Hüften gefasst haben.
Sie stehen ziemlich breitbeinig da, und dort, wo ihre Stiefelsohlen den Boden bedecken, da hat man mit Kreide die Sohlen umrandet. Sie stehen also in ihrer mit Kreide auf den Boden gezeichneten Fußspur. Sobald sie ihre Füße auch etwas bewegen, würden sie die Kreideumrandung zum Teil bedecken. Damit hätte der betreffende Mann verloren. Sie dürfen ihre Fußstellung also nicht verändern. Ihre Aufgabe ist es jedoch zu versuchen, den Gegner auszuheben. Deshalb haben sie einander an den Hüften gefasst.
Plötzlich geschieht es dann. Einer der Männer stößt ein scharfes Ächzen aus. Seine Schulter- und Rückenmuskeln spannen sich so sehr an, dass ihm das rote Flanellhemd am Rücken platzt wie ein morsches Segel im Wind. Und dann hebt er den Gegner, den er mit der Festigkeit eines Schraubstockes um die Hüften gefasst hält, einige Handbreit über den Boden.
Und als dies geschehen ist, jubeln die Zuschauer laut auf, bricht der Beifall los. Der Saloon tobt und lärmt. Die Musikkapelle auf dem kleinen Podium bläst immerzu einen neuen Tusch. Und der Verlierer grinst breit, wischt sich den Schweiß aus dem Gesicht und wirft dann beide Hände empor.
»Eine Runde für alle! Ich bezahle eine Runde für alle! Denn Joe hat mich geschlagen! Ihr habt es gesehen! Joe war besser als ich! Kommt zum Schanktisch und lasst es euch geben!«
Als er dies durch den Lärm gerufen hat, fällt sein Blick auf den Mann an der Tür.
Er verhält nun starr und steif und starrt staunend auf Big River Jim. Seinem Blick folgen andere Blicke. Und auch diese Blicke werden starr und staunend.
Im Saloon wird es wieder still. In diese Stille sagt eine staunende Stimme langsam: »Es sollte mich nicht wundern, wenn das Big River Jim ist! Solche roten Haare hat nur er. Aber der Bart! Dieser Vollbart irritiert mich sehr. Leute, habt ihr Big River Jim schon einmal mit einem Vollbart gesehen?«
Jim steht auf eine Art da, die ruhig und sprungbereit zugleich wirkt. Man sieht zwei kräftige Zahnreihen blitzen. In seinen rauchgrauen Augen, die beim Lampenlicht etwas grünlich funkeln, blitzt und funkelt es.
»Diese Runde zahle ich«, sagt er. »Denn ich gewann die Wettfahrt gegen Kelso Brown. Vor sieben Tagen und Nächten traf ich ihn mit seinem Floß oben bei Squaw Bend. Und jetzt beginnen die Stunden zu zählen, die er später kommen wird!«
Als er endet, brüllt wieder alles los. Dieser Saloon ist voller Holzfäller und Flößer, die Bescheid wissen.
Und nun drängt er sich zum Schanktisch durch, bekommt das erste Glas Whisky und leert es mit einem Zuge.
Er erwidert nun viele Grüße und beantwortet Fragen. Sie alle drängen sich um ihn, und auch die Tanzmädels sind dabei. Er ist der Mittelpunkt eines großen Kreises, und es ist zu spüren, wie gerne jeder mit ihm einige Worte wechselt und erfreut ist, wenn er ihn beim Namen anredet.
Und der Mann, der beim Zweikampf verloren hatte, ruft plötzlich laut in den Saal: »Ich setze hundert Dollar auf Big River Jim, dass er Joe binnen einer einzigen Minute von den Füßen hebt!«
Als dieser Ruf verklungen ist, wird es still, denn trotz des großen Lärms wurde jedes Wort verstanden.
Alle Augen richten sich auf jenen Joe, der neu hier am Missouri ist und der vom Mississippi heraufgekommen war.
»Ich bin Joe Skinner«, sagt er kehlig und betrachtet Big River Jim abschätzend. »Und ich setze hundert Dollar dagegen, wenn Sie sich trauen, Rotbart.«
»Es war nicht meine Idee«, grinst Jim Hannaran. »Doch es gibt keinen Spaß auf dieser Welt, dem ich aus dem Wege gehen könnte.«
In Joe Skinners dunklen Augen funkelt es vergnügt und grimmig zugleich. »Also fangen wir an! Hundert Dollar kann man nicht jeden Tag binnen einer einzigen Minute verdienen. Selbst ich kann das nicht!«
Er grinst und geht wieder zur Mitte der Tanzfläche, auf der sich sonst die Paare drehen.
Big River Jim folgt ihm nicht sogleich. Er nimmt erst wieder ein volles Whiskyglas und leert es. In seinen graugrünen Augen verstärkt sich das Funkeln.
Er stößt ein zufriedenes Brummen aus und nickt Mike Harris, dem Wirt, zu. »Schenk nur wieder ein, Mike! Mit diesem Joe Skinner bin ich in zwanzig Sekunden fertig. Und dann will ich Gin, richtigen Gin!«
Er wendet sich nun ebenfalls zur Tanzfläche und tritt dicht genug an den wartenden Joe Skinner heran.
Einer der Männer hockt sich bei ihnen nieder und umrahmt mit Kreide ihre Schuhsohlen.
Sie legen einander die Hände an die Hüften und lehnen sich etwas zurück, stemmen ihre Füße so fest gegen den Boden, als wollten sie den Anprall eines Büffelbullen aufhalten.
Dann kommt das Kommando: »Los!« Von nun an läuft die Minute.
Aber Jim Hannaran sprach von zwanzig Sekunden.
Wird er es schaffen?
Jemand im Hintergrund beginnt leise zu zählen – doch so leise es auch ist, man hört es im Raum. Denn niemand bewegt sich. Man hält den Atem an. Es ist still. Und von draußen klingt summend der Lärm der Stadt herein. Aber dies ist nun Außenwelt. Hier drinnen ist jetzt eine Welt für sich. Sogar die Tanzmädchen sind gebannt.
Big River Jim steht ganz ruhig da. Aber Joe Skinner kann ihn nicht bewegen. Jims Hände liegen wie Schraubstockbacken um seine Hüften.
Als zehn Sekunden vergangen sind, ist Joe Skinners Gesicht dunkelrot und bricht ihm vor Anstrengung der Schweiß aus.
Er verstärkt noch einmal seinen Krafteinsatz, hofft, dass der Widerstand, den Jim Hannaran ihm entgegensetzt, für einen winzigen Sekundenbruchteil aussetzen würde.
Aber er schafft es nicht.
Nach fünfzehn Sekunden kann er nicht mehr. Seine gewaltige Anspannung lässt etwas nach.
Und da hebt ihn Big River Jim fast mühelos aus und dreht sich um hundertachtzig Grad, bevor er ihn wieder zu Boden setzt. Er klopft ihm anerkennend auf die Schultern und sagt: »Sie sind recht kräftig, Joe! Doch es ist noch ein kleiner Trick dabei. Sie müssen warten, bis der Gegner nicht mehr länger die Luft anhalten kann und ausatmet. Das ist der Moment!«
»Ich werde es eines Tages wieder mal mit Ihnen versuchen«, spricht Joe Skinner schnaufend, »und um tausend Dollar wetten. Dann werde ich gewinnen!«
»Sicher, Freund, sicher«, lacht Jim Hannaran und wendet sich zum Schanktisch. »Her mit dem Gin! Und ihr sollt nun lustig sein und auf Kelso Brown trinken, der für vierundzwanzig Stunden meine Rechnungen bezahlt. Denn ich bin ein Gewinner – immer wieder gewinne ich!«
Rings um ihn ist Jubel und Beifall, Ausgelassenheit und Lachen.
Ja, so kennt man Big River Jim Hannaran. So ist er.
Doch mit einem Mal ist es still.
Jim Hannaran, der in den Spiegel hinter der Bar blickt, erkennt sofort den Grund für diese jähe einsetzende Stille.
Es ist Kelso Brown, jener Holzfäller und Floßkapitän, gegen den er die Talfahrt gewann wie in jedem Jahr.
Er wendet sich langsam um und hebt das frisch mit Gin gefüllte Glas gegen Kelso Brown.
»Willkommen in Omaha, Kelso! Das war ein prächtiger Spaß, nicht wahr? Wo sind deine lustigen Jungs?«
Er trinkt einen großen Schluck und grinst Kelso entgegen, der sich nun langsam der Theke nähert. Alle machen ihm Platz. Kelso Brown ist ein löwenhafter Mann, und er ist ebenso vollbärtig und langhaarig wie Jim. Auch er lebte mit seiner Mannschaft monatelang in den Wäldern und schlug Holz, transportierte die Riesenstämme zum Fluss, verband sie zu einem Riesenfloß und fuhr damit den Fluss hinunter.
Er sagt mit seltsamer Gelassenheit: »Jim, diesmal hast du mich besonders deutlich schlagen können. Ich verlor schon vor zwei Nächten bei Pine Bend mein Floß. Ein Teil davon sitzt auf den Bänken bei Golden Bow fest. Aber das meiste Holz treibt den Fluss hinunter und ist verloren. Jim, diesmal hast du mich richtig geschlagen.«
Nachdem er dies gesprochen hat, greift er nach einem Glas und leert es.
Im Saloon aber ist es still. Es ist ein Saloon, der von Holzfällern, Flößern und Flussschiffern bevorzugt wird, und all diese Leute kennen sich gut aus und begreifen sofort die Tragweite dieser Niederlage.
Kelso Brown ist ruiniert. Denn er wird seinen zwanzig Männern, die viele Wochen und Monate für ihn gearbeitet haben, den vollen Lohn zahlen müssen, obwohl er das Floß völlig verloren hat.
Gewiss kam er mit einem Kanu den Fluss herunter und verteilte dort, wo der Strom alle Dinge bei den Biegungen an Land wirft, seine Leute, um von dem Holz zu retten, was noch gerettet werden kann. Auch wird er einen Teil seiner Mannschaft bei Golden Bow gelassen haben, um dort die Reste seines Floßes zu bergen.
Solch ein Riesenfloß, welches aus ausgesuchten Stämmen besteht, besitzt einen Wert zwischen dreißigtausend und vierzigtausend Dollar.
Kelso Brown setzte es aufs Spiel und verlor es, weil er Jim Hannaran bei der Talfahrt schlagen wollte.
Dies also begreifen die Gäste des Saloons gut.
Und nun fragen sie sich, was für ein Verlierer Kelso Brown ist – ein guter oder ein schlechter?
Jim Hannaran betrachtet Kelso nachdenklich, und es ist eine Mischung von Staunen und Bedauern in seinem Blick.
Aber dann hebt er die Schultern und sagt: »Du hattest eben Pech, Kelso. Wir spielen nun schon einige Jahre immer wieder ein Männerspiel, und es ist ein großartiges Spiel, weil der Einsatz so hoch ist. Du bist schon ein toller Bursche, Kelso. Komm, trinken wir ein Glas! Das Leben ist voller Dinge, die gut, schlecht, schön, hässlich, bunt oder eintönig sind. Man muss alles nehmen, wie es kommt. Und was mich betrifft, Kelso, so gebe ich dir immer wieder und überall Revanche. Du hast verloren! Nun gut! Fordere mich nur zu irgendwas heraus, und du wirst die Chance bekommen, gewinnen zu können. Gut so?«
Er nimmt zwei Gläser, die Mike Harris inzwischen füllte. Und er hält eines Kelso hin.
Der nimmt es, starrt ihn seltsam an, nickt dann – und dann trinken sie. Es ist für Jim Hannaran das sechste Glas voll starkem Feuerwasser. Und sechs solcher Gläser machen eine ganze Flasche aus.
Er muss schon ziemlich betrunken sein. Wäre er ausgeruht und hätte er während der letzten Tage nicht so wenig geschlafen und gutes Essen bekommen, so würde ihm diese Flasche Schnaps nichts ausgemacht haben. Mit seiner Energie hätte er sich einigermaßen nüchtern gehalten.
Aber er erreichte inzwischen jenen Punkt, wo auch ein Mann wie er aufhören muss.
Vielleicht erkennt Kelso Brown dies an Jim, vielleicht aber funkeln seine Augen auch nur von den beiden Gläsern, die er leerte.
Er starrt Jim also seltsam an, und man kann erkennen, wie es hinter seiner Stirn arbeitet und wie er offensichtlich mit einigen Gefühlen zurechtkommen muss, die in ihm einen Widerstreit führen.
Aber als er dann das leere Glas ziemlich hart auf den Schanktisch setzt und sich mit dem Handrücken über den Mund wischt, da sagt er langsam und bedächtig: »Wir haben noch nie ausprobiert, Jim, wer von uns den anderen an den Hüften ausheben könnte. Bevor ich in den Saloon kam, sah ich über die Schwingtür hinweg, wie du diesen Mann dort besiegtest, Jim. Du warst wie immer großartig. Doch mich könntest du nicht schaffen. Ich bin stärker als du.«
Als er es gesagt hat, ist es jedem Zuhörer klar, dass dies eine neue Herausforderung ist, und Kelso Brown hat sich eine Chance ausgerechnet – jetzt hier und binnen weniger Sekunden.
Big River Jim lacht lautlos und wirft beide Hände hoch.
»Wahrhaftig!« So ruft er dann. »Wir haben dieses Spiel noch nie versucht, Kelso! Und du kannst es bekommen! Du kannst es bekommen! Da du ein Mann bist, der Revanche für eine Niederlage fordern kann, darfst du auch den Einsatz bestimmen.«
Oh, da werden all die Zuhörer nun noch aufmerksamer. Dies ist wieder einmal typisch Big River Jim. Solch ein nobles Angebot macht nur er, und nun wird es sich erweisen, wie anständig Kelso Brown ist.
Denn er ist nüchterner.
Alle Augen richten sich auf Kelso Brown. Dieser nickt langsam. »Du bist nobel, Jim. Und du glaubst, mich schlagen zu können?«
»Jeden Mann – wenn er nicht schwerer als ein Pferd ist«, grinst Jim Hannaran.
»Na schön, dann setze dein Floß auf deinen Sieg, Jim! Wenn ich gewinne, trete ich an deine Stelle. Dann werden deine Männer von mir entlohnt, so wie du sie unter Vertrag hast. Und dann gehört der Gewinn, der dann übrig ist, mir als Preis für meinen Sieg.«
»Ich schlage niemals eine Wette aus, Kelso«, sagt Jim grinsend. »Aber was setzt du dagegen? Das Floß ist vierzigtausend Dollar wert. Was setzt du dagegen, Kelso?«
Dieser schließt einen Moment die Augen.