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Der Lebensweg eines Mannes gleicht oft dem Lauf eines Flusses. Beide werden irgendwo geboren und suchen sich nur zögernd ihren ersten Weg. Und sie wachsen ständig. Irgendwann ziehen sie beide ihre Bahn, überwinden Hindernisse - oder erliegen.
Aber es gibt viele Flüsse, und keiner gleicht dem anderen. So ist es auch bei den Männern.
Der Lebensweg eines Mannes kann ruhig, friedlich und sanft verlaufen wie der Lauf eines ruhigen und stillen Flusses, dem sich nichts entgegenstellt und dessen Ende das große Meer ist.
Doch der Weg eines Mannes kann auch anders sein - wie der eines wilden Flusses, der brausend aus den Bergen kommt, sich in tiefe Schluchten stürzt, alle Hindernisse überwindet und beiseitestößt, immer größer und mächtiger wird, sodass er kleinere Flüsse in sich aufnimmt und mitzieht in seinem Sog.
Ja, so kann der Lebensweg eines Mannes sein. Es braucht am Anfang nur eine Kleinigkeit zu geschehen - und schon ist es entschieden, ob der Weg eines Mannes friedlich und sanft oder wild und kämpferisch verlaufen wird.
Es ist der 21. Oktober 1868 in Texas am Brazos River, als der noch sehr junge Daniel Slater als letzter Mann der großen Mannschaft von der Sommerweide und dem Herbst-Round-up heimkehrt zum Hauptquartier der mächtigen Skull Ranch. Daniel ist kaum zwanzig Jahre alt. Er reitet langsam in den großen Ranchhof und grinst vergnügt bei dem Gedanken an die kommenden Stunden ...
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Seitenzahl: 157
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Viele Hügel
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Impressum
Viele Hügel
Der Lebensweg eines Mannes gleicht oft dem Lauf eines Flusses. Beide werden irgendwo geboren und suchen sich nur zögernd ihren ersten Weg. Und sie wachsen ständig. Irgendwann ziehen sie beide ihre Bahn, überwinden Hindernisse – oder erliegen.
Aber es gibt viele Flüsse, und keiner gleicht dem anderen. So ist es auch bei den Männern.
Der Lebensweg eines Mannes kann ruhig, friedlich und sanft verlaufen wie der Lauf eines ruhigen und stillen Flusses, dem sich nichts entgegenstellt und dessen Ende das große Meer ist.
Doch der Weg eines Mannes kann auch anders sein – wie der eines wilden Flusses, der brausend aus den Bergen kommt, sich in tiefe Schluchten stürzt, alle Hindernisse überwindet und beiseitestößt, immer größer und mächtiger wird, sodass er kleinere Flüsse in sich aufnimmt und mitzieht in seinem Sog.
Ja, so kann der Lebensweg eines Mannes sein. Es braucht am Anfang nur eine Kleinigkeit zu geschehen – und schon ist es entschieden, ob der Weg eines Mannes friedlich und sanft oder wild und kämpferisch verlaufen wird.
Es ist der 21. Oktober 1868 in Texas am Brazos River, als der noch sehr junge Daniel Slater als letzter Mann der großen Mannschaft von der Sommerweide und dem Herbst-Round-up heimkehrt zum Hauptquartier der mächtigen Skull Ranch. Daniel ist kaum zwanzig Jahre alt. Er reitet langsam in den großen Ranchhof und grinst vergnügt bei dem Gedanken an die kommenden Stunden ...
Drüben bei den Wassertrögen arbeiten ein Dutzend halb nackter Männer mit viel Seife und noch mehr Wasser an der äußerlichen Säuberung. Eine Stimme ruft: »Ah, da kommt ja auch der Kleine!«
Damit ist Daniel Slater gemeint. Nun, er ist durchaus nicht klein. Er ist so groß wie die größten Männer dieser rauen und harten Mannschaft. Aber es fehlt ihm noch das volle Gewicht eines erwachsenen Mannes. Er wirkt knochig, etwas ungelenk und noch unfertig. In einigen Jahren wird sich das geändert haben.
Doch weil er der jüngste Reiter auf dieser Ranch ist, nennt man ihn nur den »Kleinen«.
Er grinst stärker und reitet zwischen den Ställen hindurch zu den Corrals. Er bringt das Pferd zu dem Rudel der anderen und lädt sich den Sattel auf. Damit geht er zu einem anderen Corral, in dem sich wertvollere Tiere bewegen. Herrliche Pferde, die für die Herdenarbeit zu kostbar sind.
Ein grauer Wallach kommt sofort näher, als Daniel Slater leise mit der Zunge schnalzt.
Daniel öffnet das Gatter, lässt das Tier heraus und beschäftigt sich mit ihm. Er flüstert ihm geheimnisvolle Worte ins Ohr und liebkost es wie ein Mann, dem ein solches Pferd der beste Freund ist. Dann legt er den Sattel auf und geht davon.
Das Tier kommt hinter ihm her wie ein folgsamer Hund.
Daniel bindet es in der Nähe des langen Schlafhauses an einen der Haltebalken. Hier sind schon einige andere Pferde reitfertig bereitgestellt.
Aus der Tür des Schlafhauses kommen die ersten Männer heraus. Sie haben sich inzwischen für die Stadt feingemacht. Sie tragen ihre besten Hüte und Hemden.
Pecos Charly duftet wie immer nach Fliederparfüm – und Arizona Jims Pomade verbreitet ihren Honigduft auf zwanzig Yards im Umkreis.
Es folgen noch andere Reiter – und sie alle grinsen und sind gut gelaunt. Noch nie hat Daniel diese hartbeinigen Burschen so freundlich und friedlich gesehen.
Er steht an der Tür – still, bescheiden und sich ganz seiner Stellung als jüngster und letzter Reiter dieser Ranch bewusst. Er lässt sie an sich vorbei.
Fast alle rufen sie ihm gutmütige Scherzworte zu. Sporenklingelnd stelzen sie über den Hof und auf die Veranda zu, wo Buck Perrit, der Rancher, mit dem Lohnbuch und dem Geldkasten an einem Tisch sitzt und darauf wartet, den Lohn auszahlen zu können.
Daniel grinst zu ihren Scherzen. Als keiner mehr durch die Tür kommt, tritt er ein. Er grinst immer noch, denn ein hartes Jahr der Weidearbeit ging jetzt zu Ende. Jetzt wird bald der Winter kommen, und es tut gut zu wissen, dass man ein Dach über dem Kopf hat, nur leichte Arbeit zu verrichten ist und die Stadt nach dieser langen Zeit harter Weidearbeit mit vielen Freuden wartet.
Aber Daniel Slaters Grinsen erstirbt auf seinem mageren und fast hübschen Gesicht, als er die drei Wagoner-Brüder erkennt.
Ollie Wagoner bindet sich gerade sein rotes Halstuch um.
Jack Wagoner versucht, seinem neuen Hut einen Kniff zu geben.
Und Simson Wagoner sitzt auf einem Hocker und starrt missmutig auf seine schmutzigen Stiefel. Es sind prächtige Stiefel aus Alabama – aber sie sind so schmutzig, weil er sie im Frühjahr einfach ungeputzt in seine Kiste geworfen hatte.
Er hebt den Kopf, starrt Daniel Slater einige Sekunden lang aus seinen kleinen, lackschwarzen Augen an und sagt lässig: »Komm her, Kleiner! Es ist gut, dass du endlich deine Nase durch diese Tür steckst. Du wirst diese prächtigen Stiefel so schön putzen, dass sie wie neu aussehen, nicht wahr?«
Er grinst voll wilder Freude. Er ist ein großer, schwerer und bei aller Massigkeit sehr geschmeidiger Mann. Er ist ein Revolvermann.
Alle drei Wagoner-Brüder sind Revolvermänner. Sie bekommen hier auf der Skull Ranch doppelten Lohn. Buck Perrit, der Rancher, hat sie sich gemietet und hält sie schon viele Jahre, um durch sie seine ohnehin schon sehr raubeinige Mannschaft noch zu verstärken, denn Buck Perrit hat viele Feinde im Land. Er hat im Lauf der Jahre fast alle Nachbarn aus dem Tal gejagt und sich ihre Weiden genommen. Er ist auf diese rücksichtslose Art groß und mächtig geworden. Und damit er es bis an sein Lebensende bleibt, hält er sich eine raue Mannschaft, deren Rückgrat diese drei Wagoners sind.
Daniel Slater hört den Befehl des Mannes also, und er bleibt unbeweglich an der Tür stehen. Seine ganze Freude ist dahin. Er wird sich wieder bewusst, dass er nun auf der Hauptranch und damit den Dingen ausgeliefert ist, die Simson Wagoner mit einer bösen Lust immer wieder auf ihn loslässt.
In diesen wenigen Sekunden des Schweigens erinnert sich Daniel Slater wieder an alles, was er bisher von Simson Wagoner erdulden musste. Es ist eine lange Kette von Gehässigkeiten. Simson Wagoner ist ein Mann von jener Sorte, die schon als kleine Jungen daran Freude hatte, jemanden quälen zu können. Seine Brüder Jack und Ollie sind nicht viel besser. Deshalb beginnen sie zu grinsen.
Ollie sagt mit hinterhältiger Sanftheit: »Nun, Daniel, du hast doch schon immer deinem Onkel Simson jeden Wunsch von den Augen abgelesen, nicht wahr? Du bist schon ein prächtiger Junge.«
Jack Wagoner aber hört auf zu grinsen, starrt Daniel Slater nachdenklich an und sagt zweifelnd: »Ich weiß nicht, Brüder, ob das noch ein Junge ist. Seht ihn euch an. Im letzten Frühjahr hat er sich von seinem ersparten Geld einen Colt gekauft – und jetzt war er den ganzen Sommer lang oben in der Weidehütte und hat auf die Rinder auf der Mesa geachtet. Er hatte sich eine große Menge Patronen mitgenommen – und nun sind sogar die Schlaufen in seinem Gürtel leer. Brüder, ich sage euch: Gebt einem Bengel einen Colt, genügend Munition und lasst ihn damit lange genug in der Einsamkeit. Ich wette, dass er sich für einen stolzen Revolvermann hält, wenn er nach langer Zeit wieder unter Menschen kommt. Simson, ich gehe mit dir jede Wette ein, dass er dir vergangene Weihnachten das letzte Mal die Stiefel geputzt und das Pferd gesattelt hat. Pass auf, Simson, der fühlt sich jetzt erwachsen und spuckt dir gleich ins Gesicht.«
Jack Wagoner ist lang, dürr, ledern und gefährlich. Bei seinem Anblick denkt man an einen schlimmen Wüstenwolf. Er starrt kalt auf Daniel und studiert ihn genau.
Nun wird auch Ollie wach. Er ist klein, schnell und ständig wachsam.
Er betrachtet sich Daniel noch einmal genauer und murmelt dann zweifelnd: »Sollte es möglich sein, dass er wirklich ein Mann geworden ist, obwohl Simson ihn immer wieder zurechtstutzte und durch den Dreck kriechen ließ? Wahrhaftig, er trägt seinen Colt. Hat ihn die Kanone jetzt wirklich so stolz gemacht, dass er dem guten Onkel Simson nicht mehr die Stiefel putzen will?«
Er grinst plötzlich wieder und wendet sich an Simson.
»Bruder, er war zu lange Zeit außerhalb deiner Reichweite.«
Simson Wagoner nickt langsam und starrt Daniel Slater an. Er sitzt vorgeneigt auf dem Schemel, hat die Ellbogen auf die Knie gestemmt und das Kinn auf die verschränkten Hände gelegt.
»Komm, Junge«, murmelte er, »komm nur! Putz mir die Stiefel! Dein Blick hat mich schon immer gereizt. Ich habe schon vor drei Jahren in deinen Augen erkannt, was du über mich denkst. Ich konnte immer erkennen, wie stolz du bist. Und deshalb machte es mir ja auch immer einen solchen Spaß, dich zurechtzustutzen. Als ich und meine Brüder so jung waren wie Welpen, da wuchsen wir bei einem Mann auf, vor dessen Tür unsere Mutter gestorben war, als sie für uns um Brot bettelte. Und dieser Mann nahm uns zu sich – und wir waren viele Jahre lang seine Hunde. Auch wir waren so stolz wie du, Daniel. Aber er zerbrach uns immer wieder. Bis wir ihn eines Tages anfielen und erschlugen. Und ich möchte herausfinden, ob auch du eines Tages den Versuch machen wirst, mich anzufallen, Daniel. Komm jetzt! Oder muss ich aufstehen und dich erst verprügeln?«
Daniel Slater erschauert. Er hat schon oft von diesem Mann Prügel bekommen. Simson Wagoner hat immer wieder einen Grund gefunden, ihn zu verprügeln. Wagoners Erinnerung an die eigene Jugend ließ es nicht zu, den Jungen in Frieden zu lassen.
Und jetzt, das fühlt Daniel Slater, muss er sich entscheiden.
Wenn er nicht gehorcht, wird Simson Wagoner aufstehen und ihn verprügeln. Und dann wird es nachher sein wie schon so oft. Daniel wird gehorchen.
Oder nicht?
Daniel Slater erschauert ein zweites Mal.
Er wird sich plötzlich darüber klar, dass er diesmal nicht gehorchen wird. Diesmal wird er kämpfen. Er ist fast so groß wie Simson Wagoner, aber längst nicht so schwer. Wagoner wiegt zwei Zentner und Daniel vielleicht hundertsechzig Pfund. Ihm fehlt noch viel zu einem Mann.
Aber er weiß plötzlich, dass er kämpfen wird. Selbst wenn Simson Wagoner ihn totschlägt, wird er diesmal nicht gehorchen.
In Daniel Slater ist die Wandlung nun endgültig.
Plötzlich sieht er, wie Simson Wagoner sich geschmeidig erhebt.
»Er gibt mir nicht mal eine Antwort!«, knurrt er dabei, ist mit zwei gleitenden Schritten dicht vor Daniel und stößt diesem die harte Faust mitten ins Gesicht.
Das ging schnell. Daniel Slater befand sich noch in einem Zustand innerer Zweifel und Kämpfe. Er war noch nicht auf die nun unabänderliche Schlussfolgerung vorbereitet.
Aber als er die Faust spürt, ist alles ganz klar in ihm.
Nun ist nicht nur sein Wille, sondern auch sein Körper zum Kampf bereit und entschlossen.
Er krachte mit dem Rücken neben der Tür an die Wand. Aus Mund und Nase schießt ihm das Blut. Er hört Simson Wagoner knurren: »Nun, stolzer Knabe? Soll ich weitermachen?«
Da springt Daniel ihn an. Er stößt sich dabei mit aller Kraft von der Wand ab. Er trifft Wagoner mit der Linken über der Gürtelschnalle und mit der Rechten unter den Kinnwinkel auf die Schlagader. Er legt seine ganze Kraft in die Schläge – und dabei wundert er sich über die eiskalte Ruhe und Schärfe, die er in sich spürt. Es ist eine kalte und mitleidlose Berechnung in ihm.
Er trifft den schwankenden Mann noch mehrmals und treibt ihn quer durch den Raum bis zu der langen Reihe der doppelstöckigen Betten.
Dort findet Simson Wagoner plötzlich Halt. Er ist unverkennbar angeschlagen. Der Angriff des Jungen hat ihn gewaltig überrascht. Aber er ist ein Mann, der schon durch hundert wilde Kämpfe ging und dabei viele Lektionen lernte.
Er stößt sich knurrend ab und wirft sich gegen Daniel. Er trifft ihn schwer und mit voller Wucht. Dabei überwindet er sein Gefühl, angeschlagen zu sein, und knurrt wieder zufrieden, als er mit seinen Fäusten trifft und das heisere Stöhnen des Jungen hört.
Er trifft immer wieder, nimmt die Schläge des Jungen ohne Wirkung hin und schlägt ihn binnen einer Minute so zusammen, dass Daniel Slater bewusstlos unter dem umgestürzten Tisch liegen bleibt.
»Zum Teufel, er hat nach mir geschlagen und mit mir gekämpft«, knurrt Simson Wagoner wütend.
Sein Bruder Jack geht langsam zur Tür. Er späht hinaus und entdeckt, dass die Mannschaft schon längst abgeritten ist und der Rancher auf der Veranda mit dem Geld wartet.
Jack Wagoner wendet den Kopf und starrt seinen Bruder Simson an. In seinen Augen zeigt sich etwas von der Gehässigkeit, die alle drei Brüder besitzen.
»Simson«, sagt er grinsend und deutet mit dem Daumen auf den bewusstlosen Daniel. »Simson, wenn dieser Bursche da zwei oder drei Jahre älter ist, schlägt er dich mühelos in Stücke. In zwei Jahren würde er dich mühelos verprügeln. Und das hast du wohl immer an ihm erkannt, nicht wahr, Simson? Und du wolltest ihn deshalb immer zerbrechen. Das ist dir nicht gelungen, Simson. Wenn Daniel Slater wieder aufstehen kann, so wird er dich wieder anspringen. Er wird jetzt so lange und immer wieder auf dich losspringen, wie er auch nur einen Finger bewegen kann. Ich habe genau zugesehen. Der war eiskalt. Das wird mal ein Kämpfer. Hahaha, die Stiefel wirst du dir nun selbst putzen müssen, Brüderchen!«
Nach diesen Worten verschwindet er.
Auch Ollie bewegt sich. Er tritt zu Daniel, stößt ihn mit der Stiefelspitze an und grunzt zufrieden, als Daniel keinerlei Lebenszeichen von sich gibt.
Er wendet sich Simson zu, der seine zerschlagenen Handknöchel ableckt.
»Yeah«, sagt er, »du musst dir die Stiefel selbst putzen und auch dein Pferd satteln. Ich reite mit Jack. Ich treffe mich mit einem Mädel. Simson, nimm diesem Bengel den Colt weg! Der Junge hasst dich nun. Wenn er erwacht, könnte er auf die Idee kommen, es mit der Waffe zu versuchen. Und dann müsstest du ihn erschießen. Hör lieber auf mit diesem Spiel. Wir haben schon Feinde genug auf dieser Welt.«
Mit diesen letzten, mahnenden Worten geht auch Ollie Wagoner hinaus. Simson aber bringt seine Kleider in Ordnung. Dann zieht er die Stiefel an, so schmutzig, wie sie sind.
Als er fertig ist, bewegt sich Daniel Slater. Er stöhnt gepresst und setzt sich auf. Simson beobachtet ihn mit einem bösen Grinsen.
Als Daniel Slater endlich wieder einen halbwegs klaren Kopf bekommen hat und ihn aus halb zugeschwollenen Augen ansieht, da sagt er zu ihm: »Junge, du bist zu stolz. Und deshalb konnte ich dich von Anfang an nicht leiden. Ich kann mich noch gut an den Tag erinnern, als du verhungert und zerlumpt hierher auf die Ranch kamst. Du wärst umgekommen, wenn Perrit dich nicht aufgenommen hätte. Und dennoch warst du zu stolz, um mir am anderen Tag die Stiefel zu putzen. So fing es damals zwischen uns an, nicht wahr? Und ich verprügelte dich immer wieder. Nun, ich werde das auch in Zukunft tun. Du Narr hättest ein gutes Leben hier, wenn du dich ...«
»Geh zur Hölle, Wagoner«, ächzt Daniel Slater mühsam. »Wenn du mich noch einmal anrührst, werde ich dich töten.«
Simson Wagoner lauscht mit schief geneigtem Kopf. Dann grinst er, hebt den Fuß und stößt ihn dem Jungen vor die Brust, sodass dieser wieder auf den Rücken fällt.
Dann geht er hinaus.
Er ist der letzte Mann der rauen Mannschaft, der sich nun von Buck Perrit seinen Lohn holt.
Buck Perrit ist klein, ledern und grauhaarig. Seine Falkenaugen sind scharf und kalt. Er hat keine Familie und keine Angehörigen. Er hat keine Freunde in diesem Land. Er ist ein Raubrancher und ein Weidepirat. Er gehört zu jener Sorte, die immer König sein will. Wenn er tot ist, wird seine Riesenranch verfallen. Er weiß, dass seine eigenen Reiter sich um sein Vieh streiten werden.
Aber noch ist er nicht tot. Noch herrscht er über diesen Teil der Weide, und sein Schatten fällt weit über das Land und auch über die kleine Rinderstadt Brazos City.
Als er Simson Wagoner das Geld hingelegt hat, sieht er zu ihm auf und starrt ihn an.
»Simson«, sagt er, »ich will jetzt, dass du diesen Jungen in Frieden lässt. Hast du mich gehört? Hast du immer noch nicht erkannt, dass er aus einem anderen Holz geschnitzt ist als du? Oder willst du ihn absichtlich verderben, weil auch du damals verdorben wurdest von einem Mann, der so war, wie du jetzt bist?«
Die Frage des Ranchers kommt hart.
Simson Wagoner grinst.
»Boss«, sagt er. »Sie brauchen mich und meine Brüder, nicht wahr? Wir haben für Sie schon eine ganze Menge dreckige Arbeit getan. Lassen Sie mich in Ruhe, wenn ich auf diesen Bengel losgehe. Den will ich einbrechen.«
Er steckt die fünf Zwanzigdollarstücke in die Tasche und geht zum Hof hinunter. Sein Pferd steht noch im Corral, aber er geht zu Daniel Slaters prächtigem Wallach hinüber und sitzt auf.
Er gibt dem schönen Tier mit wilder Wut die Sporen, sodass es schmerzvoll aufwiehert und aus dem Stand heraus davonrast.
Der falkenäugige Rancher beobachtet unbeweglich. Er sieht auch, wie Daniel Slater aus dem Schlafhaus gewankt kommt und dem Reiter nachstarrt. Er erhebt sich und geht krummbeinig über den Hof. Vor Daniel Slater hält er inne und sieht zu ihm auf.
»Er hat dich schlimm verprügelt, Junge, nicht wahr? Und er wird dich immer wieder verprügeln, weil er irgendwie fühlt, dass du eines Tages ein besonderer Mann sein wirst, dem er aus dem Weg gehen müsste. Dan, ich kann dir nicht helfen. Auf Simson Wagoner könnte ich vielleicht verzichten – aber wenn er geht, dann gehen auch seine Brüder. Sie sind das Rückgrat meiner Kampfmannschaft. Wenn sie gehen, bricht mir die ganze Mannschaft auseinander. Und darauf warten meine Feinde nur. Junge, ich habe dich damals hier aufgenommen, weil du einen Halt brauchtest. Du bist mir zu keinem Dank verpflichtet, denn obwohl ich dir nur halben Lohn zahle, hast du in den letzten zwei Jahren die Arbeit eines vollwertigen Cowboys verrichtet. Wir sind also quitt. Und nun werde ich dich auszahlen. Du kannst dir aus dem Corral ein gutes Pferd aussuchen. Dann wirst du die Ranch verlassen und nicht mehr zurückkommen. Das ist gut für dich. Simson Wagoner zerbricht dich sonst, bevor du richtig erwachsen bist. Deshalb musst du fort. Mach dich fertig!«
Die letzten drei Worte sagt der alte Weidepirat hart – nur ein seltsamer Ausdruck in seinen Augen mildert die Härte seiner Worte etwas.
Daniel Slater nickt langsam.
Dann geht er ins Schlafhaus zurück.
✰
Eine Weile später kommt er wieder zum Vorschein und verschwindet in Richtung Corral. Er bringt ein Durchschnittspferd auf den Hof und holt sich aus dem Sattelschuppen einen alten Sattel. Er verschwindet wieder im Schlafhaus und bringt sein kümmerliches Bündel heraus. Es ist nicht viel.
Buck Perrit, der den Jungen von der Veranda aus beobachtet, muss wieder daran denken, wie sparsam dieser die ganze Zeit lebte. Von seinem geringen Lohn der insgesamt vier Jahre hat Daniel sich das Geld für drei Dinge gespart, die jeder Cowboy, der etwas auf sich hält, einfach besitzen muss, damit das Leben ihm lebenswert erscheint.
Zuerst sparte Daniel für einen guten Sattel.
Der kostete fast einen ganzen Jahreslohn.