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Weil ich Deputy in Longhorn war und natürlich immer gern wusste, wer in unser Land kam, war ich fast immer zur Stelle, wenn die Postkutsche eintraf. Sie lud bei uns nicht nur Post und Pakete ab und wechselte das Gespann - nein, manchmal brachte sie auch Fahrgäste mit, die in Longhorn ausstiegen.
Und so war es auch an jenem heißen Julitag.
Einer der neun Fahrgäste - es war eine Frau - stieg nicht nur aus, um sich ein wenig die Füße zu vertreten oder im Restaurant eine Erfrischung einzunehmen, nein, die blonde Schöne ließ sich ihr weniges Reisegepäck geben. Es waren nur zwei schon recht abgenutzte Segeltuchtaschen. Mit ihnen in den Händen trat sie einige Schritte von der Kutsche weg und sah sich suchend um.
Sie gefiel mir von Anfang an.
Ja, es traf mich wie ein Blitz, als sich unsere Blicke begegneten. Das spürte ich gleich ...
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Seitenzahl: 144
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Ein Revolver für Jessica
Vorschau
Impressum
Ein Revolver für Jessica
Weil ich Deputy in Longhorn war und natürlich immer gern wusste, wer in unser Land kam, war ich fast immer zur Stelle, wenn die Postkutsche eintraf. Sie lud bei uns nicht nur Post und Pakete ab und wechselte das Gespann – nein, manchmal brachte sie auch Fahrgäste mit, die in Longhorn ausstiegen.
Und so war es auch an jenem heißen Julitag.
Einer der neun Fahrgäste – es war eine Frau – stieg nicht nur aus, um sich ein wenig die Füße zu vertreten oder im Restaurant eine Erfrischung einzunehmen, nein, die blonde Schöne ließ sich ihr weniges Reisegepäck geben. Es waren nur zwei schon recht abgenutzte Segeltuchtaschen. Mit ihnen in den Händen trat sie einige Schritte von der Kutsche weg und sah sich suchend um.
Sie gefiel mir von Anfang an.
Ja, es traf mich wie ein Blitz, als sich unsere Blicke begegneten. Das spürte ich gleich ...
Ihr Haar war so gelb wie reifer Weizen. Doch ihre Augen waren so dunkel wie schwarze Kirschen. Heiliger Rauch, was für eine Fee war das! Gelbe Haare und schwarze Augen. Oho!
Ich trat näher, griff an meinen Hut und fragte: »Ma'am, kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein? Ich bin hier der Sheriff. Mein Name ist Adam Kingfisher.«
»Und Texaner sind Sie auch«, sagte sie. Ihre Stimme gefiel mir. Es war eine dunkle und melodische Stimme mit einem ganz besonderen Timbre, das mir irgendwie unter die Haut ging, wie man so sagt. »O nein, ich glaube nicht, dass Sie mir helfen können. Oder haben Sie einen Job für mich, bei dem ich möglichst schnell das Reisegeld nach Montana verdienen könnte – sagen wir, innerhalb eines Monats etwa?«
Sie war abgebrannt. Ihr Reisegeld hatte nur bis hier zu uns nach Longhorn gereicht.
Longhorn war eine typische Rinderstadt, ziemlich jung noch – weil es ja vor noch gar nicht langer Zeit hier nur Indianer und Büffel gab.
Da war also diese reizvolle Fee, bei deren Anblick es mich wie ein Blitz traf. Und sie wollte nach Montana.
Oha, ich wusste, warum!
In Montana wurde immer noch Gold gefunden.
Dort konnten Glücksjäger und Abenteurer jeder Sorte ihr Glück machen oder gänzlich zum Teufel gehen.
Und als ich dem schönen Kind vor mir nochmals in die Augen sah, da erkannte ich, dass auch sie zu dieser Sorte gehörte oder gehören wollte.
Sie lächelte plötzlich. Dabei gefiel sie mir noch besser. Ich aber wusste ihr keinen Rat zu geben. Denn um in einem Monat so viel Geld zu verdienen, um weiter ins Goldland von Montana reisen zu können, gab es hier bei uns in Longhorn nur eine einzige Möglichkeit. Und die wollte ich nicht aussprechen.
Sie sah mir das an. Und deshalb lächelte sie auf eine irgendwie spöttische Art. Dann setzte sie sich in Bewegung. Sie ging geradewegs auf den Longhorn Saloon zu und zögerte nur unmerklich, bevor sie darin verschwand.
In mir war ein Gefühl des Bedauerns.
Denn unsere Stadt war ziemlich wild.
Im Longhorn Saloon war manchmal der Teufel los.
Und dort drinnen wollte sich das gelbhaarige Schwarzauge also das Reisegeld verdienen. Sie tat mir leid.
Dann aber fiel mir ein, dass sie wahrscheinlich auch im Goldland von Montana nicht wie ein Goldgräber nach Gold suchen, sondern auch dort in den Tingeltangels arbeiten würde. In dem Fall konnte sie ebenso gut auch hier damit beginnen.
Ich wusste nicht mal ihren Namen, obwohl ich ihr meinen genannt hatte.
Aber was waren bei uns in den Nebraskahügeln schon Namen? Ich zuckte mit den Schultern und sah mir die anderen Passagiere an. Aber es war keiner dabei, auf den ich hätte achten müssen.
Sie stiegen auch bald alle wieder in die Kutsche, welche ein frisches Gespann bekommen hatte und lossauste.
Ich überlegte, ob ich in den Saloon gehen sollte. Aber dann ließ ich es bleiben und ging in mein Office zurück. Ich legte mich auf eine der Pritschen in einer der drei Zellen.
Ja, wahrscheinlich war ich ein fauler Hund, der diesen Job nur angenommen hatte, weil er doppelten Cowboylohn einbrachte und nicht halb so anstrengend war wie Weidearbeit.
Denn weil sie alle meinen schnellen Revolver respektierten, hatte ich es nicht sehr schwer und brauchte niemandem etwas zweimal zu sagen.
Ich ahnte nicht, wie bald sich das ändern würde.
Ich schlief bis zum Abend, denn ich wusste, dass ich fast die ganze Nacht auf den Beinen sein musste, um die paar redlichen Bürger dieser Stadt vor den wilden und rauen Burschen zu schützen.
Vorgestern erst war ich von einem Drei-Tage-Ritt zurückgekommen. Denn zwei Kerle hatten den Storehalter ausgeraubt und böse zusammengeschlagen. Als sie dann merkten, dass ich sie verfolgte, hatten sie mir einen Hinterhalt gelegt und mich ins Kreuzfeuer genommen. Doch sie waren nicht so gut wie ich, wenn es ums Überleben ging. Und so lebten sie nicht mehr.
Natürlich war ich wegen dieser Sache angefüllt mit Bitterkeit. Und der Storehalter, dem ich das Geld zurückgebracht hatte, hielt nicht mal ein Dankeschön für nötig. Für ihn war ich der Sheriff, der nur seine verdammte Pflicht getan hatte.
Die Stadt hatte keinen Town Marshal. Ich war hier eingesetzt von einem fernen Sheriff, welcher hundert Meilen weit weg in der County-Hauptstadt sein Office hatte.
Mein Magen knurrte vor Hunger. Und so steuerte ich Mary Scotts Speiselokal an.
Als ich an der ersten Gassenmündung vorbei wollte, erhaschte ich aus dem Augenwinkel in der schon dunklen Gasse eine Bewegung. Es war mehr ein instinktives Ahnen als ein Erkennen. Aber es genügte mir, um eine reflexartige Bewegung zu machen.
Dabei sah ich in ein Mündungsfeuer. Ich spürte die Kugel. Sie fetzte durch meinen Hemdsärmel. Im Mündungsfeuer sah ich auch den Mann. Und dahinter etwas seitlich war noch einer.
Ich ließ mich fallen, zog den Colt – und noch bevor ich auf dem Bauch im Staub der dunklen Gasse lag, schoss ich.
Dabei sah ich abermals in Mündungsfeuer. Es waren nun zwei, und das Krachen der Colts erfüllte die Gasse.
Ich schoss viermal.
Dann wartete ich. Und sie stöhnten vor mir in der Gasse. Eine heisere Stimme sagte stöhnend und voll Bitterkeit: »Aaah, Jorge, jetzt hat er auch uns erwischt. Verdammt, ist dieser Hurensohn denn mit dem Teufel im Bunde? Ich – ich – ich kann meinen Colt – nicht mehr halten. Aaah ...«
Er atmete langsam aus.
Ein paar Leute kamen herbei. Ich erkannte den Sattler, den Schreiner und Leichenbestatter, dazu kamen noch andere. Jemand brachte eine Laterne.
Nun sahen wir die beiden Burschen, die mich hatten umbringen wollen.
Jemand sagte: »Das sind ja die Brady-Brüder.«
Ja, es waren die Brady-Brüder, Mae Bradys Söhne. Und zwei davon hatten den Storehalter beraubt und mir den Hinterhalt gelegt, sodass ich um mein Leben kämpfen und sie töten musste.
Diese beiden hier wollten ihre Brüder rächen. Und auch sie konnten mich nicht töten. Das Schicksal war gegen sie.
Ein Mann drängte sich zwischen uns. Es war der Doc. Im Laternenschein untersuchte er die beiden Brady-Jungs.
Als er sich schnaufend aufrichtete, fragte er: »Kennt ihr die? Haben die jemanden, der für sie zahlt?«
»Sie kamen gewiss nicht zu Fuß«, sagte ich. »Also kann ich schon mal Pferde und Sättel sicherstellen.«
»Dann bringt sie zu mir«, sagte er. »Die sind vielleicht noch zu retten. Kennt ihr sie?«
»Es sind Mae Bradys Söhne«, sagte jemand. »Und Mae Brady bringt immer Butter, Eier und Käse zum Verkauf in unsere Stadt.«
»Ja, die kenne ich auch«, nickte der Doc. »Die macht mir immer Konkurrenz mit ihren Kräutertees. Vielleicht sollte sie ihre Söhne selber gesund machen. Doch das wird ihr mit Tees schwer fallen. Denn ich muss operieren. Das sind zwei böse Schüsse, Sheriff.«
Seine letzten Worte galten mir.
Und zu meiner Bitterkeit kam nun ein sarkastischer Zorn.
»Sicher, Doc«, sagte ich. »Aber ich konnte nicht besonders gut zielen. Ich sah die Mündungsfeuer, ließ mich fallen und schoss. Vielleicht hätte ich sie lieber bitten sollen, doch nicht auf mich zu schießen, weil das doch böse wäre und sie deshalb nicht in den Himmel kämen. Ja, ich hätte sie lieb und nett bitten sollen, mir doch nichts zu tun.«
Nach diesen Worten drängte ich mich aus der zusammengelaufenen Gruppe. Ich hatte plötzlich genug von meinem Job. Immer wieder machte ich mir Feinde, weil ich den Stern trug und meine Pflicht zu tun versuchte.
Mir war plötzlich danach, mein Pferd aus dem Mietstall zu holen und wegzureiten, egal wohin, vielleicht sogar ins Goldland von Montana in die Last Chance Gulch.
Als ich daran dachte, fiel mir das gelbhaarige und dunkeläugige Mädchen wieder ein. Auch sie wollte ins Goldland, hatte offenbar alle Brücken hinter sich abgebrochen und suchte neue Chancen.
Und ich? Sollte ich hier aufgeben, fortlaufen?
Ich hatte bisher in meinem ganzen Leben noch niemals aufgegeben und war auch noch niemals fortgelaufen. Denn fortlaufen war einfach. Ich wusste schon immer, dass man mit dem Fortlaufen gar nicht erst anfangen durfte. Sonst tat man das vor jeder unangenehmen oder zu schwer erscheinenden Sache.
Und so begann sich trotz aller Bitterkeit wieder genügend Trotz in mir zu regen.
Ich dachte auch an den alten Sheriff in der County-Hauptstadt, der mir den Stern gegeben hatte und darauf vertraute, dass ich hier durchhalten und alles richtig machen würde.
Es gab auch ein paar Bürger in dieser Stadt und in diesem Land, die ebenfalls auf mich bauten und deshalb nicht nur blieben, sondern auch eine Menge investierten an Geld, Arbeitskraft, Hoffnung und gutem Willen.
Nein, ich musste bleiben und dieses Land unter Kontrolle halten.
In einer dunklen Gassenmündung verhielt ich und lehnte mich mit einer Schulter gegen die Hausecke. Es war ein guter Platz zum Beobachten, ohne selbst bemerkt zu werden.
Die Stadt Longhorn wurde inzwischen lebendiger.
Als ich zum Longhorn Saloon blickte, dachte ich abermals an dieses Mädchen.
Im Longhorn Saloon gab es schon drei Mädchen, nämlich Sally, Nelly und Dolly. Ihre Nachnamen interessierten keinen. Nun gab es dort also ein viertes Mädchen. Und es hatte mir seinen Namen nicht genannt.
Sollte ich hineingehen? Vielleicht sah ich sie dort bald schon bei der Arbeit. Und dann würde ich besser Bescheid wissen über ihre Sorte.
Gehörte sie zu den Mädchen, die mit Männern aufs Zimmer gingen? Oder animierte sie nur an der Bar? Vielleicht teilte sie nur Karten aus im Spielraum, bediente das Roulettrad, hielt die Bank beim Black Jack? Oder sie war ein echtes Tingeltangelgirl, welches sang und tanzte.
Ich wurde immer neugieriger auf sie.
Denn – wie schon gesagt – es hatte mich bei ihrem Anblick wie ein Blitz getroffen.
Ich wollte schon aus der Gasse treten, als ich etwas hörte. Es waren Reiter, die im Galopp kamen, wahrscheinlich um die Wette ritten. Dabei jauchzten und pfiffen sie. Ja, es war ein wildes, um die Wette reitendes Rudel.
Und wer diese wilde Meute anführte, die da in die Stadt gefegt kam und alles niederreiten würde, was ihr in den Weg geraten sollte, nun, dies wusste ich genau.
Es konnte nur Jesse Stonewall sein. Wild Jesse Stonewall, der Sohn des mächtigsten Mannes in unserem Land.
Wieder seufzte ich. Denn der Ärger, den ich bis jetzt hatte an diesem Tag, würde sich wohl vervielfachen. Ich hatte Jesse Stonewall bei seinem letzten Besuch gewarnt.
Nun konnte ich es bei einer Warnung nicht mehr belassen. Oder ich war hier erledigt. Dann hielten sie mich hier für eine Pfeife und eine Art Papiertiger.
Aber ich vertrat das Gesetz.
In dieser Stadt war das Gesetz nur so stark wie ich.
✰
Ja, es war der Kronprinz des Cattle Kings. Es war Jesse Stonewall.
Weil er das beste Pferd ritt, war er auch an der Spitze.
Und weil er auch zuerst im Saloon an der Bar sein wollte, nahm er sich nicht die Zeit zum Absitzen, sondern trieb das Tier auf den Plankengehsteig hinauf und durch die Schwingtür in den Saloon hinein, wobei er sich natürlich tief niederbeugen musste.
Oha, hätte er sich nur den Kopf eingeschlagen und wäre er dann vom Pferd gefallen! Welcher Ärger wäre uns allen erspart geblieben.
Aber er kam gut hinein.
Die Meute aber, die mit ihm um die Wette ritt, saß ab. Die Pferde tanzten, und der Staub verdichtete sich zu einer Wolke aus Goldpuder in den aus dem Saloon fallenden Lichtbahnen.
Drinnen brüllten sie.
Aber Jesse Stonewalls Kumpane, die wilden Burschen von Stonewalls Shamrock Ranch, drängten nun hinein.
Als ich in den Saloon trat, bemerkten sie mich nicht sogleich. Und das war mir nur recht.
Jesse Stonewalls Pferd soff aus einem Eimer Bier. Das arme Tier hatte Durst, weil es viele Meilen weit gejagt wurde. Es war voller Schweiß.
Jesse Stonewall saß noch im Sattel.
Auch er trank.
Und alle sahen ihm zu. Er fühlte sich großartig. Dass er so beachtet wurde, war für ihn ein wunderbares Erfolgserlebnis.
Ich sagte laut genug und pulvertrocken: »Jesse, jetzt ist's genug! Du weißt ja, was ich dir beim letzten Mal androhte. Jetzt komm! Herunter vom Gaul mit dir! Jetzt sperre ich dich ein!«
Er lachte und schleuderte das nun leere Bierglas nach mir. Aber ich nahm nur ein wenig den Kopf weg. Er traf einen seiner Begleiter, welcher sich hinter mich schob und nicht so schnell den Kopf einziehen konnte wie ich.
Dann trieb Jesse Stonewall das Pferd gegen mich. Es war ein Angriff auf das Gesetz.
Und ich hatte keine andere Wahl mehr.
Ich stieß einen wilden Pumaschrei aus. Das Pferd stieg sofort mit der Vorderhand hoch. Ich tauchte unter den Hufen weg zur Seite, warf mich herum und erwischte Jesse Stonewalls Bein. Weil das Tier sich drehte und tanzte, half es mir noch.
Denn ich hielt fest und riss Jesse Stonewall aus dem Sattel.
Noch während er vor mir landete, erwischte ich ihn mit einem Kniestoß gegen Ohr und Kinnwinkel. Als er zu Boden fiel, war er schon bewusstlos.
Vielleicht hätten mich seine Begleiter nun niederkämpfen und klein machen können, weil sie sehr in der Überzahl waren. Doch das Pferd im Saloon benahm sich immer noch verrückt. Es glaubte an einen Puma. Es sprang, tanzte, keilte nach allen Seiten aus, drehte sich wie ein Kreisel und wieherte so schlimm, dass es wie eine kreischende Trompete klang.
Dieses verrückte Pferd war mein Glück.
Es riss einige Kerle zu Boden, die an ihm vorbei gegen mich springen wollten. Dann tanzte es über dem am Boden liegenden Jesse Stonewall, dass man glauben konnte, es würde ihn zu Brei stampfen. Doch das war natürlich nicht so. Pferde trampeln nicht auf Menschen herum.
Nur zwei von Jesse Stonewalls wilden Jungs griffen mich an.
Ja, nur zwei! Oha, diese Narren!
Ich gab ihnen keine Chance. Ich traf sie mit dem langen Revolverlauf auf die Köpfe oder quer über Stirn und Nase. Als ich mit ihnen fertig war, sprang das verrückte Pferd endlich durch die Schwingtür aus dem Saloon.
Ich wartete auf die anderen Kumpane des lieben Jesse Stonewall.
Es waren noch drei. Aber sie trauten sich nicht mehr. Sie standen lauernd da, zeigten mir nur ihre langen Zähne.
Ich grinste sie an, fragte fast freundlich: »Nun, Jungs, wollt ihr auch was auf eure Bumsköpfe?«
Aber sie wollten nicht. Obwohl sie zu dritt waren, trauten sie sich nicht. Denn ihr Anführer lag wie tot am Boden, dazu noch zwei ihrer Freunde.
Einer sagte: »Schon gut, Kingfisher! Wir nehmen Jesse mit. Wir verschwinden für heute aus der Stadt. In Ordnung?«
»Nein«, sagte ich. »Ihr könnt verschwinden – nur ihr. Aber Jesse und diese beiden da griffen mich an. Jesse beging auch noch Stadtfriedensbruch, obwohl er von mir schon verwarnt war. Ich sperre ihn ein. Auch die beiden da. Haut ab!«
Wieder zögerten sie.
Und ihr Sprecher sagte: »Sheriff, wenn wir ohne Jesse heimkommen, wirft uns der Boss raus.«
»Er wird euch erst recht rauswerfen, wenn ihr euch jetzt auch noch mit mir anlegen solltet. Haut ab! Das ist meine letzte Gunst. Sonst ...«
»Schon gut, schon gut, Kingfisher«, unterbrach er mich und nickte den beiden anderen zu. »Reiten wir heim«, knirschte er.
Und dann stolzierten sie sporenklirrend hinaus.
Es war still im Saloon.
Dann sagte jemand in der hintersten Ecke: »Heiliger Rauch, was wird Big Morgan Stonewall mit diesem Deputy machen?«
Damit hatte der Sprecher alles gesagt, was in den Gedanken fast aller Anwesenden war, die sich einigermaßen im Lande auskannten.
Denn Big Morgan Stonewall war ein King.
Und ich war ein kleiner Deputy.
Wenn ich Jesse einsperrte, dann war das etwa so, als würde ein kleiner Landpolizist einen Königssohn, einen Prinzen, einsperren.
So etwa sahen es die Leute.
Sie alle betrachteten mich.
Ich deutete auf einige der Gäste. »Ihr da – ja, euch meine ich! Ihr fasst mit an! Wir wollen sie zu mir ins Gefängnis bringen. Los, fasst an, Freunde!«
Sie zögerten. Doch ich hatte ihnen imponiert. In ihren Augen hatte sich das Gesetz behauptet. Sie respektierten mich jetzt wahrscheinlich erst richtig, obwohl einige mich sicherlich für einen Narren hielten.
Aber sie bewegten sich, traten von der Bar weg oder erhoben sich von den Stühlen am nächststehenden Tisch.
Dann trugen sie die Bewusstlosen hinaus.
Ich sah mich noch einmal um, bevor ich ihnen folgte.
Und da sah ich auch das gelbhaarige Mädchen mit den schwarzen Augen, welches vor einigen Stunden gekommen war und mich nach einem einträglichen Job gefragt hatte. Ja, dort drüben stand sie neben dem Klavier, an dem der blinde Spieler saß. Sie trug ein grünes Tanzkleid, welches ihre bloßen Schultern sehen ließ. Offenbar hatte sie ein Lied singen wollen, als Jesse Stonewall mit dem Pferd in den Saloon geritten kam.