1,99 €
Die Ballard-Brüder hatten mich eingeholt.
In Rosita, einem kleinen Nest an der Wagenstraße von Santa Fe nach El Paso. Sie waren schon wochenlang hinter mir her, weil ich ihren dritten Bruder in Nogales von den Beinen geschossen hatte. Er hatte es nicht anders haben wollen.
Dass er den Colt zuerst zog, galt für seine Brüder nicht. Sie wollten meinen Tod. Deshalb saßen sie mir auf der Fährte.
Und weil mir das Geld ausgegangen war und ich wieder ein wenig arbeiten musste, um mir weiteres Reisegeld zu verdienen, holten sie mich ein.
Ja, und dann waren wieder jene Sekunden ohne Gnade da.
Es gab keinen Ausweg für mich. Denn sie stellten mich wie zwei erfahrene Kopfgeldjäger.
Weil ich am Leben bleiben wollte, musste ich schießen.
Nun lebten sie nicht mehr.
Und ich selbst lebte nur noch ganz schwach. Wenn sich meine Wunden entzünden sollten, würde ich sterben ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 147
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Die Sekunde ohne Gnade
Vorschau
Impressum
Die Sekunde ohne Gnade
Die Ballard-Brüder hatten mich eingeholt.
In Rosita, einem kleinen Nest an der Wagenstraße von Santa Fe nach El Paso. Sie waren schon wochenlang hinter mir her, weil ich ihren dritten Bruder in Nogales von den Beinen geschossen hatte. Er hatte es nicht anders haben wollen.
Dass er den Colt zuerst zog, galt für seine Brüder nicht. Sie wollten meinen Tod. Deshalb saßen sie mir auf der Fährte.
Und weil mir das Geld ausgegangen war und ich wieder ein wenig arbeiten musste, um mir weiteres Reisegeld zu verdienen, holten sie mich ein.
Ja, und dann waren wieder jene Sekunden ohne Gnade da.
Es gab keinen Ausweg für mich. Denn sie stellten mich wie zwei erfahrene Kopfgeldjäger.
Weil ich am Leben bleiben wollte, musste ich schießen.
Nun lebten sie nicht mehr.
Und ich selbst lebte nur noch ganz schwach. Wenn sich meine Wunden entzünden sollten, würde ich sterben ...
Der Doc von Rosita hatte mir drei Kugeln aus dem Körper geholt. Er und der Besitzer des Mietstalls würden sich den Erlös für mein Pferd und den guten Sattel teilen, sobald die beiden Dinge verkauft werden konnten. Also lebte ich hier sozusagen auf Kredit und bekam auch die ärztliche Hilfe nur auf Kredit.
Denn die Welt ist nun mal so, dass man nichts geschenkt bekommt.
Eine Woche später ging es mir besser.
Und dann kam Jim Dune. Auf seinen krummen Beinen hinkte er herein und hockte sich bei mir nieder. Inzwischen war ich auch nicht mehr nackt. Die Frau des Stallbesitzers hatte meine Kleidung gewaschen und die Löcher geflickt. Aber völlig hatte sie das Blut nicht herausbekommen.
Jim Dune nickte mir zu und betrachtete mich ernst.
Er war ein harter Bursche – und dennoch erkannte ich jetzt in seinen wasserhellen Augen den Ausdruck von Mitgefühl und tiefer Nachdenklichkeit.
»Ich habe damals Glück gehabt«, sagte er. »Und ich hatte ja auch nicht einen solch großen Namen wie du, Bath Gunnison. Du solltest dir auch eine Frau suchen, so wie ich es tat. Und wenn du erst eine Familie hast ...«
Er brach ab und machte eine Handbewegung, die alles sagte, nämlich dass es wohl wenig Sinn hätte, all diese Dinge noch einmal durchzukauen.
Er sprach dann weiter: »Ich hörte erst vor vier Tagen, dass du hier in Rosita angeschossen im Stall liegst wie ein krankes Maultier. Und weil ich verdammt tief in deiner Schuld stehe, möchte ich diese nun begleichen – wenn auch nur zu einem kleinen Teil. Meine Estrella gab mir hundertsiebenundzwanzig Dollar mit. Das ist alles, was wir an Bargeld haben. Wenn es dir irgendwann mal wieder bessergeht, kannst du es mir ja zurückschicken. Und jetzt muss ich wieder heim. Es ist ein verdammt langer Weg bis zu unserer kleinen Ranch in den Antelope-Hügeln. Ich kann Estrella nicht zu lange allein lassen. Sie kann nicht auf unsere Rinder aufpassen. Also, viel Glück, Hombre.«
Nach diesen Worten ging er, und er sah sich nicht mehr um.
Oh, ich verstand ihn gut.
Er kannte meinen Stolz. Und es tat ihm weh, mich hier so hilflos in einer Stallecke auf Stroh hocken zu sehen. Ja, er verdankte mir sein Leben. Ich hatte ihm mal an der Sonora-Grenze aus der Klemme geholfen, als Apachen seinen Skalp wollten.
Nun war er gekommen, um mir zu helfen. Einhundertsiebenundzwanzig Dollar waren eine Menge Geld für ihn und seine Frau. Denn sie hatten Schulden auf der kleinen Ranch.
Auch er war mal ein Bursche gewesen, der seinen Colt vermietete und einen gewissen Ruf besaß. Doch dann hatte er ein anderes Leben begonnen.
Nun wollte er so schnell wie möglich zurück zu seiner Estrella. Länger als eine Woche würde er sie dann allein gelassen haben – allein in den Antelope-Hügeln auf einer kleinen Ranch.
Ja, sie hatten mir wirklich ein großes Opfer gebracht.
Und seine Schuld war beglichen. Dies tat gewiss auch seinem Stolz gut.
Der Mietstallbesitzer kam herein. »Wer war das?« So fragte er.
Ich grinste schief.
»Morgen«, sagte ich, »haue ich ab von hier. Das Pferd und den Sattel können Sie und der Doc behalten. Denn ich kann noch nicht reiten. Ich fahre morgen mit der Postkutsche nach Norden.«
Er stand da und sah mich an. »Eigentlich«, murrte er, »hat der Gaul nur Futter gekostet. Und mein Stallhelfer musste ihn jeden Tag eine Stunde reiten. Vielleicht sollten Sie uns auch noch Ihren Colt ...«
»Raus«, sagte ich zuerst grimmig. Doch dann fiel mir all das Zeug wieder ein, was mir in den vergangenen Tagen und Nächten durch den Kopf gegangen war im Verlaufe endlosen Denkens.
Plötzlich schien mir das Verlangen dieses Mannes ein Zeichen zu sein, ein Hinweis auf einen anderen Weg, den zu gehen es Mut bedurfte. Denn mein Colt war ein Teil von mir. Er gehörte zu meiner Revolverhand wie die Hand zum Arm.
Und dieser schnelle und unfehlbare Colt war sicherlich die Wurzel allen Übels.
Wenn ich ihn nicht mehr besitzen würde – oha, vielleicht geriet ich dann endlich aus dem Teufelskreis heraus und auf einen völlig anderen Weg, der mich in ein anderes Leben führte, zu einem neuen Anfang.
Wenn ich ohne meinen Colt möglichst weit weg nach Norden ging, wo mich niemand kannte ...
Oha, ich wollte gar nicht weiterdenken. Aber in mir war plötzlich eine wilde Hoffnung, und es schien mir, als wäre ich plötzlich von einer Erkenntnis erleuchtet worden.
Und so sagte ich zum Mietstallbesitzer: »Ja, Sie können meinen Colt haben. Für zwanzig Dollar. Und dann können Sie ihn für Geld allen Leuten zeigen. Das wollen Sie doch, nicht wahr? Dies ist der Colt des berüchtigten Revolvermannes Bath Gunnison. Da ist er!«
Ich deutete mit dem Daumen auf die Waffe, die mit dem Holster und dem Revolvergurt neben meinem Lager auf der Kiste lag.
Als ich am nächsten Morgen mühsam in die Kutsche kletterte, fühlte ich mich irgendwie nackt. Denn ich war seit vielen Jahren zum ersten Mal ohne Waffe. Und das war verdammt gefährlich für mich, solange meine Fährte noch nicht verwischt war und jeder ruhmsüchtige Revolverschwinger mich finden konnte.
Ja, es war allerhöchste Zeit, dass ich fortkam, untertauchte, verschwand, mich sozusagen in Luft auflöste. Denn es war schon ein kleines Wunder, dass noch keiner dieser eitlen Narren aufgetaucht war.
Ich hasste sie und fürchtete mich zugleich vor ihnen. Denn sie waren verrückt nach einem Kampf. Sie wollten Ruhm und glichen Süchtigen.
Dann gab es immer wieder jene Sekunde ohne Gnade. Wenn ich mich von ihnen nicht totschießen lassen wollte, musste ich schneller und besser schießen als sie.
Nun aber war ich auf der Flucht.
Ich wollte neu anfangen, noch einmal von vorne beginnen.
✰
Meine »Flucht« zu einem neuen Beginn wurde eine Zickzackfährte.
Ich kaufte mir während eines längeren Postkutschenaufenthaltes andere Kleidung. Nun wirkte ich nicht mehr wie ein Reiter, sondern wie ein städtisch gekleideter Handwerker.
Ich ließ mir auch einen Vollbart stehen und gewöhnte mir an, mich anders zu bewegen. Man sollte mir nicht mehr ansehen können, dass ich gewissermaßen ein zweibeiniger Tiger war.
Manchmal kam ich mit den anderen Reisenden ins Gespräch. Und wenn sie mich fragten, wer ich sei und wohin ich wollte, dann nannte ich mich Bath Morgan, denn Morgan war mein zweiter Vorname. Übrigens, mein Name Bath ist auch der Name einer Stadt in England. Meine Mutter war dort geboren worden. Ich hieß also Bath Morgan Gunnison.
Deshalb sagte ich den Leuten, mit denen ich dann und wann zwangsläufig ins Gespräch kam, dass ich ein Waffenschmied und Büchsenmacher sei, unterwegs, um irgendeine gute Stadt zu finden, in der man einen Handwerker wie mich gebrauchen könnte.
Ich bekam viele gute Ratschläge.
Und irgendwann hörte ich von Prairie City, einer kleinen Stadt am Wagenweg von Kansas City nach Santa Fe. Die kleine Stadt sollte dort liegen, wo die Kansas-Prärie vor Colorados Vorbergen endete. Es sollte eine kleine Stadt an der Furt des Prairie River sein.
Es hatte dort einen Waffenschmied und Büchsenmacher gegeben. Aber er war gestorben. Wahrscheinlich war seine Werkstatt zu verpachten.
Ich wollte hin.
Denn ich war ein Waffenschmied und Büchsenmacher. Schon mein Vater hatte diesen Beruf ausgeübt. Von meinem Vater, der ein wirklicher Könner und Künstler war in seinem Fach, hatte ich eine Menge gelernt.
Doch der Umgang mit den Waffen hatte mich auf einen anderen Weg gebracht.
✰
Es war Nacht, als ich nach einer langen Fahrt in Prairie City eintraf. In meiner Tasche befanden sich nur noch zweieinhalb Dollar.
Die Postkutsche fuhr weiter, um im Wagenhof am Ende der Stadt ein neues Gespann zu bekommen. Ich war als einziger Passagier ausgestiegen. In meinem Magen knurrte der Hunger. Ich war steif und müde. Mein Körper lechzte nach neuen Säften.
Ich sah mich um und gab mir Mühe, dies nicht wie ein witternder Wolf zu tun.
Oha, ich war in den vergangenen Jahren oft in solche Städte gekommen, hatte witternd meinen Instinkt ausgesandt und bald schon gespürt, wie die Dinge standen. Hier sollte es anders sein.
Der erste Eindruck in einer solchen Stadt war stets richtig. Es erging mir da wie bei den Menschen. Selten täuschte mich mein Instinkt.
An Gepäck hatte ich nur eine Reisetasche.
Überall fielen die Lichtbahnen aus Fenstern und Türen. Da und dort standen Pferde an Haltestangen, waren Wagen abgestellt. Menschen bewegten sich auf den Plankengehsteigen.
Ich sah mich immer noch um.
Ein Mann trat aus der dunklen Gassenmündung neben dem Hotel, vor dem die Kutsche mich ausgeladen hatte. Ein Marshalstern blinkte matt im Lichtschein.
»Nun, Fremder«, sagte der Marshal gedehnt, »was führt Sie in diese prächtige Stadt am Prairie River? Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«
Ich betrachtete ihn im Lichtschein des Hotels.
Er war ein bulliger Mann. Sein Hut hatte keinen einzigen Kniff. Auch die Krempe war nicht verbogen. Dieser Hut und die Art, wie der Mann ihn trug und sich auch selbst hielt, drückten eine absolute Unbeirrbarkeit aus.
Ich sagte: »Yes, Sir, das können Sie. Ich hörte, dass man hier vielleicht die Werkstatt des Büchsenmachers pachten könnte und – nun, ich bin Waffenschmied und Büchsenmacher. Ich bin auf der Suche nach solch einer Chance. Mein Name ist Morgan, Bath Morgan.«
Er war kein Mann von impulsiver Freundlichkeit.
Sein wachsamer und scharfer Instinkt prallte gegen mich, versuchte in mich einzudringen. Dann nickte er langsam.
»Ja, da haben Sie vielleicht Glück«, sagte er. »Sie müssen zu Miss Northern gehen, zu Miss Reva Northern. Sie ist die Tochter des verstorbenen Waffenschmieds und Büchsenmachers. Miss Northern hat nach dem Tode ihres Vaters eine Speiseküche eröffnet. Dort drüben.«
Er deutete schräg hinüber.
Ich blickte hin und wandte mich dann wieder an ihn.
»Danke, Mister«, murmelte ich.
Er nickte leicht. »Ich bin Chance Brown«, sagte er. »Und in dieser Stadt ist jeder redliche Bürger willkommen. Es ist eine noch kleine Stadt, doch sie ist gut. Wir liegen am Wagenweg zwischen Kansas City und Santa Fe. Manchmal kommen böse Pilger hier durch. Dann müssen wir hier alle zusammenhalten und ...«
Er verstummte plötzlich hart und ging davon. Und ich begann zu ahnen, dass in dieser Stadt vielleicht doch nicht alles so war, wie es sein sollte. Aber das kümmerte mich im Moment nicht.
Zuerst wollte ich diese Reva Northern sehen, mit ihr reden und endlich auch meinen knurrenden Magen füllen.
Ich ging schräg über die Fahrbahn und betrat das kleine Speiselokal, welches sich in der rechten Haushälfte befand. Links war der Laden des Büchsenmachers. Wahrscheinlich befand sich die Werkstatt hinter dem Laden auf der Rückseite des Hauses.
Ich trat ein und blinzelte gegen das Licht der Karbidlampe.
Aber dann blinzelte ich bald nicht mehr nur wegen der plötzlichen Helligkeit – nein, da war dieses Mädchen.
Oha, ich musste den Atem anhalten. Ich staunte. Und mein Puls ging plötzlich ein wenig schneller.
»Hallo«, sagte sie. »Die Zeit fürs Abendessen ist schon fast eine Stunde vorbei. Aber ich kann Ihnen noch etwas machen, wenn Sie nicht zu wählerisch sind.«
»Das bin ich nicht, Ma'am«, erwiderte ich, und ich wunderte mich über meine Stimme, denn sie klang ein wenig belegt und heiser. »Wo darf ich mich hinsetzen?«
Sie deutete auf einen Tisch in der Ecke neben dem Ofen. Es war eine Art Kachelofen, der von der Küche aus beheizt wurde. Sie verschwand in der Küche, und weil ich ihr nachsah, konnte ich ihre geschmeidigen Bewegungen bewundern.
Verdammt, sie gefiel mir vom ersten Moment an mehr als alle anderen Frauen bisher. Und es hatte nicht wenige Frauen gegeben auf meinen Wegen.
Ich setzte mich und starrte auf die offene Tür zur Küche. Ich hörte das Mädchen hantieren. Ob sie schon vergeben war?
Sie brachte mir eine Kanne Kaffee, stellte Zucker und Milch neben die Tasse. Dann sah sie zu, wie ich mir einschenkte und den Zucker verschmähte.
Als ich trank, trafen sich unsere Blicke.
Drinnen in der Küche brutzelte etwas in einer Pfanne. Aber die Frau verhielt noch an meinem Tisch und betrachtete mich.
Ich sah die feinen Linien in ihrem Gesicht. Sie hatte blaue Augen und rabenschwarzes Haar. Auf ihrer Nase und bis zu den hohen Wangenknochen hinüber waren Sommersprossen.
Oha, sie hatte ein Gesicht, welches man nicht mehr vergessen konnte.
Und nun sagte sie: »Genug gesehen? Und warum sagen Sie jetzt nicht, was alle sagen, nämlich dass ich schön bin und noch eine Menge mehr – na, warum sagen Sie es nicht?«
Sie lächelte. Ihre Zähne blitzten. Doch ihr war gewiss nicht nach einem Lächeln.
Ich begann plötzlich irgendwie zu ahnen, dass ihre Schönheit für sie nicht das wahre Glück war – wie, ja wie für mich mein schneller Colt auch nicht das Glück wurde.
Ich sagte: »Miss Northern, ich bin nicht gekommen, um Ihnen den Hof zu machen oder Ihnen all das zu sagen, was Sie gewiss schon bis zum Überdruss hören mussten. Ich kam her, weil ich hörte, dass Sie vielleicht den Laden und die Werkstatt Ihres Vaters verpachten wollen. Ich bin Waffenschmied und Büchsenmacher.«
Sie sah mich staunend an. Aber dann erinnerte sie sich an die Pfanne in der Küche und eilte durch die offene Tür zurück. Bald jedoch brachte sie mir das Abendessen. Es waren Bratkartoffeln und ein prächtiges Steak, dazu Apfelmus.
Als ich den ersten Bissen kaute, sah sie mich forschend an.
»Ist das Steak richtig so?«
Ich nickte. Doch bevor ich etwas sagen konnte, ging die Tür auf. Sie wurde heftig aufgestoßen. Zwei Männer stolperten sporenklirrend herein. Sie waren angetrunken. Auf den ersten Blick konnte man sie für hartbeinige Weidereiter halten, Herdentreiber, Cowboys also.
Aber ich kannte mich aus. Ich sah sofort, wie sie ihre Revolver trugen. Sie waren Revolverschwinger, die mit dem Colt besser umgehen konnten als mit Lassos. Sie ritten deshalb für doppelten Lohn und waren bereit zum Kämpfen für die Interessen ihres Bosses.
Sie kamen grinsend herein.
Einer sagte: »Heute, schöne Reva, musst du dich für einen von uns entscheiden! Denn einer von uns muss ja wohl der Erste sein bei dir. He, wir haben es dir versprochen bei unserem letzten Besuch. Na, wen von uns willst du mit auf dein Zimmer nehmen? Heute musst du dich entscheiden!«
Sie beachteten mich überhaupt nicht, schenkten mir nur einige flüchtige Seitenblicke. Ich sah nicht wie ein Reiter mit einem Colt aus, eher wie ein Bürger oder Handwerker.
Ihre Augen funkelten. Ihre Gesichter glühten. Ja, sie waren betrunken und enthemmt.
Normalerweise wäre ich in einer solchen Situation aufgestanden und hätte diese beiden verwilderten Burschen zum Teufel gejagt. Und wenn sie nach den Colts geschnappt hätten, wäre das ihr Pech gewesen.
Doch ich war ja nicht mehr jener Bath Gunnison, den man Gun-Gunnison nannte.
Nein, ich war es nicht mehr und wollte es nie mehr wieder sein.
Reva Northern warf mir einen schnellen Blick zu, als erwartete sie Hilfe.
Doch ich bewegte mich nicht hinter dem Tisch, kaute nur nicht mehr, behielt den Bissen unbeweglich im Mund. Aber die Schamröte schoss mir ins Gesicht und färbte es sicherlich dunkler.
Reva Northern ergriff also vor den erwartungsvoll grinsenden Kerlen die Flucht. Die Röcke flogen ihr nur so um die langen Beine. Sie flüchtete in die Küche und schlug die Tür hinter sich zu. Ich hörte, wie sie einen Riegel vorschob.
Die beiden Kerle warfen sich fluchend gegen die Tür.
Beim ersten Anprall schafften sie es nicht. Und so wichen sie zu einem neuen Anlauf einige Schritte zurück.
Sie sahen den Marshal nicht, der sich hinter ihnen durch die Tür schob. Er glitt auf den Außenkanten seiner Sohlen krummbeinig heran, fasste zu und hatte beide Kerle am Kragen. Und als sie losstürmen wollten, stieß er mit einer gewaltigen Kraftanstrengung ihre Köpfe zusammen, dass es nur so dröhnte.
Sie wurden beide sofort bewusstlos. Er behielt sie an den Kragen gepackt, ließ mit ihnen nur seine Arme sinken, sodass sie halb am Boden lagen.
Sein Blick streifte mich, und es war ein Ausdruck von Verachtung darin.
Er blickte auf die Küchentür und sagte laut: »Es ist schon erledigt, Miss Reva! Verzeihen Sie, dass ich nicht schneller kam. Aber jetzt ist alles wieder in Ordnung. Sie werden nicht wieder belästigt.«
Die Tür ging auf. Reva Northern kam in die Gaststube.
»Danke, Chance Brown«, sagte sie.
Einen Moment lang blickten sie sich an.
»Ich kann Sie in dieser Stadt immer beschützen«, sagte der Marshal. »Die Strolche von der Horseshoe-Mannschaft werden Sie nie mehr belästigen. Das mache ich jetzt ein für alle Mal klar.«
Er wandte sich mit den beiden Bewusstlosen um, zerrte sie rechts und links neben sich her, drängte sich mit ihnen ziemlich mühsam durch die Tür und verschwand nach draußen. Man hörte, wie er sie über den Gehsteig schleifte – und dann durch den Staub der Fahrbahn.
Reva Northern ging zur Tür, schloss diese und kam zurück. Ihr Blick sah mich forschend an.
»Sind Sie bewaffnet, Mister Morgan?« So fragte sie.
Ich schüttelte kauend den Kopf.
»Nein«, sagte ich. »Ich trage nie eine Waffe.«
Sie nickte und trat zu mir an den Tisch, setzte sich gegenüber auf die Ofenbank.