G. F. Unger 2224 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2224 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Der Fluss hat noch keinen Namen. Vielleicht liegt es daran, dass seine Mündung in den Oberen Missouri mehr einem Sumpfgebiet gleicht. Aber hinter dem Sumpfgebiet der Mündung ist er ein schöner, prächtiger und glasklarer Fluss. Jos Kilrain wartete an seinem Ufer jetzt schon seit zwei Wochen tagaus, tagein mit der Geduld des erfahrenen Jägers, der genau weiß, dass sein Wild irgendwann einmal kommen wird.
An diesem Tag ist es so weit.
Zuerst hört Joshua Kilrain das tuckernde Stampfen der kleinen Dampfmaschine des Flachbootes. Doch bald schon sieht er es langsam an seinem Versteck vorbeifahren. Ja, es ist die kleine, flache »Riverbee«. Und abermals ist sie vollgeladen mit vielen kleinen Brandy-Fässern, Schießpulver und Waffen.
Vorn am Bug steht der löwenhafte Flusspirat Abe Sullivan und starrt in die Fahrrinne.
Außer ihm und dem Rudergänger sind noch vier Mann an Bord, und auch sie sind Flusspiraten, Renegaten und rücksichtslose Mörder.
Kilrain weiß es zu gut.
Und wenn er daran denkt, was sie vor einigen Monaten seiner Frau antaten, dann möchte er aufspringen und einfach zu schießen beginnen ...


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Seitenzahl: 146

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Brandy-River-Men

Vorschau

Impressum

Brandy-River-Men

Der Fluss hat noch keinen Namen. Vielleicht liegt es daran, dass seine Mündung in den Oberen Missouri mehr einem Sumpfgebiet gleicht. Aber hinter dem Sumpfgebiet der Mündung ist er ein schöner, prächtiger und glasklarer Fluss. Jos Kilrain wartete an seinem Ufer jetzt schon seit zwei Wochen tagaus, tagein mit der Geduld des erfahrenen Jägers, der genau weiß, dass sein Wild irgendwann einmal kommen wird.

An diesem Tag ist es so weit.

Zuerst hört Joshua Kilrain das tuckernde Stampfen der kleinen Dampfmaschine des Flachbootes. Doch bald schon sieht er es langsam an seinem Versteck vorbeifahren. Ja, es ist die kleine, flache »Riverbee«. Und abermals ist sie vollgeladen mit vielen kleinen Brandy-Fässern, Schießpulver und Waffen.

Vorn am Bug steht der löwenhafte Flusspirat Abe Sullivan und starrt in die Fahrrinne.

Außer ihm und dem Rudergänger sind noch vier Mann an Bord, und auch sie sind Flusspiraten, Renegaten und rücksichtslose Mörder.

Kilrain weiß es zu gut.

Und wenn er daran denkt, was sie vor einigen Monaten seiner Frau antaten, dann möchte er aufspringen und einfach zu schießen beginnen ...

Doch er weiß, dass er sie gewiss nicht alle erledigen könnte.

Sie sind gefährlich und erfahren. Jeder von ihnen wäre ein fast gleichwertiger Gegner, und Abe Sullivan ist dies ganz gewiss.

Nein, ein Mann, der allein gegen sechs Mörder und Frauenschänder kämpfen und überleben will, muss warten.

Als das Tuckern der Dampfmaschine stromaufwärts verklingt, schiebt Kilrain sein Kanu aus dem Gebüsch, steigt ein und paddelt langsam hinterher. Die Strömung des noch namenlosen Flusses ist um diese Jahreszeit nicht stark. Er muss sich dicht am Ufer beim Paddeln nicht besonders anstrengen. Auch ist das Kanu klein. Er könnte es mühelos tragen.

Es wird langsam Nacht.

Bald schon strahlen die Sterne am Himmel.

Der Große Bär und der Polarstern erscheinen greifbar nahe.

Als Kilrain um eine Flussbiegung paddelt, sieht er die Laterne am Mast und das Feuer an Land. Ja, sie haben angelegt. Er hat es nicht anders erwartet.

Denn bis zu dem Platz, wo sie im vergangenen Jahr den Indianern für kostbarste Pelze billigen Brandy, Waffen und Munition gaben, ist es noch eine Tagesreise.

In Jos Kilrain ist eine grimmige Unversöhnlichkeit. Er will sie töten – alle. Gewiss, er kann seine Frau dadurch nicht mehr lebendig machen. Und er darf sich auch ganz gewiss nicht anmaßen, Richter und Henker zu sein. Doch das Gesetz ist weit, sehr weit. Soll er deshalb gemeine Mörder davonkommen lassen, die vielleicht noch viele Untaten begehen werden? Würde er sich dadurch nicht gewissermaßen mitschuldig machen?

Es ist nicht so sehr ein Gefühl der Rachewünsche in ihm, nein, es ist mehr ein Gefühl der Verantwortung. Denn wenn diese Kerle den Indianern abermals eine solche Menge Brandy geben, wird wiederum der ganze Stamm verrückt werden. Und dann passieren sicherlich noch schlimmere Dinge als zuvor.

Er muss sie vernichten. Das rettet anderen Menschen das Leben.

Die Armee würde die Bande sofort aufhängen. Denn wer Waffen an Krieg führende Indianer liefert, fällt unter Kriegsrecht.

Joshua Kilrain verharrt mit seinem Kanu unter einem Busch, welcher weit in den Fluss ragt mit dichtem Geäst. Er wird noch einige Stunden warten müssen.

Es ist dann irgendwann zwischen Mitternacht und grauem Morgen, als er den Kampf beginnt.

Er lässt sich im Kanu unter dem Busch hervortreiben, bis er auf der Flussseite längsseits der »Riverbee« ist.

Der Wächter hockt schlafend auf einer Kiste. Er erwacht erst, als ihn Kilrain in den Haarschopf fasst. Aber da ist es schon zu spät. Kilrain stößt nämlich zu gleicher Zeit auch mit dem Green-River-Messer zu.

Und dann hat er nur noch fünf Gegner.

Er lässt den Toten über Bord ins Wasser gleiten. Die leichte Strömung trägt ihn fort.

Einige Atemzüge lang lauscht er hinüber zum Camp.

Aber dort glimmt das Feuer nur wenig. Die fünf Kerle schlafen. Zwei von ihnen schnarchen hörbar. Wahrscheinlich tranken sie sich die nötige Bettschwere an.

Kilrain macht sich an die Arbeit.

Zuerst befestigt er ein Stück Lunte – welches er aus einer Kiste holte – an einem der Pulverfässer.

Dann schneidet er die beiden Leinen durch, welche das Boot an Land festhalten mit Hilfe zweier Stangen, welche es vom Ufer auf Abstand halten.

Als es zu treiben beginnt, zündet er die Lunte an und klettert wieder in sein Kanu. Er paddelt an Land, steigt aus und zieht das Boot ein wenig auf den Sand.

Dann schlägt er einen Halbkreis und gelangt auf die Landseite des Camps.

Er hat also das Camp und den Fluss nun vor sich.

Dann wartet er, und er braucht nicht sehr lange zu warten. Die Zündschnur hat inzwischen das Pulverfass erreicht.

Und die fünf Renegaten und Deserteure werden nun mit einem prächtigen Knall geweckt.

An Bord fliegen die Brandy-Fässer nur so durch die Luft, klatschen überall ins Wasser. Und gleichzeitig explodieren noch andere Pulverfässer. Die »Riverbee« beginnt zu brennen.

Und vor diesem Feuerschein sieht Kilrain seine fünf Gegner sehr deutlich. Sie springen heulend hoch, greifen zu den Waffen und ballern wild in die Gegend. Kilrain feuert zurück, und er trifft drei der Kerle.

Die anderen beiden – es sind Abe Sullivan und ein anderer Bursche – hechten ins Wasser. Denn dies erscheint ihnen als der sicherste Zufluchtsort.

Sie tauchen sofort unter. Ja, auch in dieser Hinsicht sind es echte Flusspiraten.

Doch auch Jos Kilrain ist schon unterwegs. Er hat seinen Colt leer geschossen und lässt ihn fallen. Auch er stürzt sich in den Fluss – und als Abe Sullivan vor ihm auftaucht, um Luft zu holen, da ist Jos auch schon bei ihm, greift ihm in den löwenmähnigen Haarschopf und sticht das Messer in Sullivans Rücken. Sullivan geht mit einem gurgelnden Schrei unter.

Und nun gibt es nur noch einen Gegner für Kilrain.

Dieser Bursche schwimmt um sein Leben. Aber es nützt ihm nichts.

Es ist am nächsten Morgen, als Jos Kilrain wieder flussabwärts paddelt.

Nein, es ist kein Triumph in ihm. Das Töten bereitete ihm keine Befriedigung oder Genugtuung. Er gleicht einem Menschen, welcher widerwillig eine Aufgabe erfüllt und genau weiß, dass ihn dies noch viele Jahre lang belasten wird.

Als er die ersten Brandy-Fässchen da und dort an den Ufern liegen sieht, da beginnt er gegen den Wunsch anzukämpfen, sich zu betrinken. Denn ein Rausch könnte ihm vielleicht helfen, all das Schreckliche zu vergessen.

Es dauert aber fast eine Meile, bis er seinem Wunsch nachgibt. Er hebt eines der Fässchen in sein Kanu und öffnet es. Aber schon nach drei Schlucken wirft er es wieder in den Fluss. Verdammt, nein, er will kein Saufbold werden, um vergessen zu können, was er tat. Er wird damit leben müssen.

Einmal blickt er gen Himmel, wo er sicher ist, dass dort die Seele seiner Frau einen guten Platz bekam. Denn für ihn war sie die beste Frau auf dieser Erde.

Sternenmädchen hieß sie, denn sie war ein Arapahoe-Mädchen.

Aber er nannte sie stets Mary. Und ein Jesuitenpater hatte sie richtig getraut.

Hat er sie gerächt, weil dies die Pflicht eines Squawman ist?

Er spricht hinauf zum Himmel: »Mary, sie werden nicht noch einmal tun können, was sie dir antaten. Mary, es macht dich nicht wieder lebendig. Aber was konnte ich denn sonst tun? Verdammt, was konnte ich sonst tun?«

Er paddelt weiter. Und überall sieht er die Brandy-Fässchen.

Plötzlich sagt er: »Dieser Fluss hat noch keinen Namen. Aber er wird nun Brandy River heißen. Da gehe ich jede Wette ein. Brandy River! Überall Brandy-Fässchen. Ja, Brandy River heißt dieser Fluss.«

John Pilldarliks Floß ist ein Riesenfloß. Es besteht aus sechs Gliedern, die wie eine bewegliche Schlange hintereinander festgemacht sind.

Und jedes Floßglied besteht aus zwei Dutzend Hundert-Fuß-Stämmen, von denen jeder so dick ist, dass er zumindest die doppelte Anzahl seiner Länge an Festyards Holz bringt.

Es gibt einige Hütten auf diesen Gliedern. Aus der Küche ragt ein Ofenrohr. Und auch einige Ruderboote liegen auf den Stämmen.

John Pilldarliks Mannschaft ist diesem Riesenfloß angemessen.

Denn nur mit solchen Männern konnte Pilldarlik diese Stämme schlagen, transportieren, einzeln natürlich, auf Rollen über Land zu den angestauten Creeks und in diesen wieder einzeln bis zum Missouri.

Es war eine monatelange Arbeit.

Und nun fahren sie auf dem Big Muddy, wie man den Missouri ja nennt, nach Süden. Die Strömung trägt sie.

Vorne stehen vier Mann mit langen Stangen, an deren Enden breite Ruderblätter sind. Nur mit diesen mächtigen Hebeln können sie die Spitze des Riesenfloßes lenken. Und manchmal brauchen sie acht Mann vorne, um das Floß in der Strömung um die Biegungen herumzubekommen. Jede der Ruderstangen wird dann von zwei Mann bedient.

Wie die Giganten fahren sie auf ihrem Riesenfloß den Fluss hinunter.

Und Big Muddy John Pilldarlik denkt schon an Boston McLaine, die man die River Lady nennt.

Denn in spätestens einer Stunde erreichen sie die gefährlichen Fahrrinnen bei Indian Wickmunke. Weil es bald Nacht sein wird, müssen sie anlegen. Denn in der Nacht wäre eine Fahrt durch die gefährlichen Stellen zu risikoreich.

Aber er hätte auf jeden Fall angelegt.

Wegen River Lady Boston McLaine.

Und er hofft, dass Louis Ohio noch nicht mit seinem Floß dort angelegt hat, also vor ihm angekommen ist.

Denn River Bear Louis Ohio – nun, sie werden sich wahrscheinlich diesmal ernsthaft um Boston McLaine prügeln. Und wenn sie sich ernsthaft prügeln, dann wird dies ein Kampf werden, dass die Fetzen nur so fliegen. Sie sind zwei gewaltige Burschen, die besten auf den Strömen und in den Wäldern.

Aber eigentlich ist River Lady Boston McLaine auch ein stolzer Preis für den besten Mann von allen.

Oake Mullen, sein Vormann, kommt zu ihm. Oake Mullen ist einen ganzen Kopf kleiner, doch unwahrscheinlich breit und stark, ein Klotz von einem Mann. Oake sieht ihn nur fragend an.

John Pilldarlik nickt nur.

Da springt Oake Mullen weiter nach vorn auf den gewaltigen Stämmen, welche zusammengebunden sind mit dicken Tauen. Manchmal ist zwischen ihnen Zwischenraum genug, dass ein Mann mit seinem Bein hineinrutschen kann. Das Floß arbeitet ständig in seinen Verbindungen, ächzt, knarrt.

Oake Mullen ruft den Ruderleuten zu: »Bringt es nach der Biegung aus der Strömung in den Rückstau der Wickmunke-Landspitze! Bringt es nur rechtzeitig aus der Strömung! Sonst sausen wir an Indian Wickmunke vorbei! Und es gibt keinen Spaß für euch Affen!«

Sie grinsen und stoßen frohe Rufe aus.

Wickmunke – dies ist ein Dakota-Wort für Falle. Aber dieser kleine Ort an der Biegung des oberen Missouri macht seinem Namen alle Ehre. Es ist ein böses Nest am Strom und wirklich in vielerlei Hinsicht eine Falle.

Es ist dann fast schon Abend, als sie das Riesenfloß mit Mühe aus der Strömung in das ruhige Rückstauwasser der Bucht bringen.

In der Stadt gehen die ersten Lichter an.

Und dicht vor ihnen liegt bereits ein Riesenfloß, auf gleiche Art am Ufer festgemacht wie das ihre.

Sie wissen alle, dass es das Floß von River Bear Louis Ohio ist. Denn Louis Ohio und dessen Mannschaft sind die Einzigen außer ihnen, die solch ein gewaltiges Floß nach Saint Louis hinunterzubringen imstande sind.

Zwei Mann halten Wache bei diesem Floß. Sie stehen am Feuer, welches am Ufer zu leuchten beginnt bei zunehmender Dunkelheit.

Auch John Pilldarlik teilt zwei seiner Männer ein und verspricht ihnen, dass sie alle zwei Stunden abgelöst werden. Er macht sich mit seinen Männern auf den Weg, und dieser Weg steigt etwa drei Steinwürfe weit vom Fluss empor zu den Häusern und Hütten der Stadt.

Dann erreichen sie auch schon die ersten Häuser des Ortes.

Der Weg führt zwischen zwei Häusern von der Seite her in den Ort. In dieser Häuserlücke, die zugleich auch vom Fluss her der Ortseingang ist, tauchen nun ein Dutzend Gestalten auf.

Eine Stimme fragt laut: »He, Pilldarlik, bist du dabei?«

»Sicher, Ohio, sicher.«

»Dann sag mir, ob ihr uns das Erstrecht streitig machen wollt. Denn wenn das so sein sollte, werden wir es jetzt gleich hier austragen. Wir sind erst vor zwei Stunden angekommen und noch nicht so betrunken, dass wir nicht mehr richtig kämpfen können. Also, was wollt ihr – und wie wollt ihr es?«

Es ist eine glasklare Herausforderung.

John Pilldarlik denkt zwei oder drei Atemzüge lang nach, und das reicht aus, um alles genau zu überdenken.

Die Männer aber sind still. Sie warten. Auch Ohio und dessen Mannschaft, die nun noch zahlreicher wird, denn es treten noch weitere Gestalten hinzu, bis es zwei Dutzend sind.

John Pilldarlik sagt nun: »Oha, Ohio, ich weiß doch, wie sehr es dich juckt. Also lass es uns beide allein austragen. Der Gewinner bleibt mit seiner Mannschaft hier. Der Verlierer muss abziehen mit seinen Jungs.«

»Du bist ein Bursche ganz nach meinem Herzen«, erwidert Louis Ohio. »Manchmal verstehen wir uns wahrhaftig wie Brüder, nicht wahr? Komm nur, denn ich geb dir was!«

Er macht eine kleine Pause, ruft dann lauter: »Habt ihr das auch alle verstanden, Jungs? Pilldarlik und ich, wir zwei nur, tragen es aus! Und ihr anderen vertragt euch. Wir brauchen euch morgen wieder auf den Flößen. Von euch wird keiner kämpfen, nicht mal ein halber Mann. Sonst bekommt er es mit uns zu tun. Und nun komm, Pilldarlik!«

Pilldarlik setzt sich mit seinen Männern wieder in Bewegung.

Sie bewegen sich alle bis auf die Mitte der Hauptstraße, die mit dem Fluss parallel läuft, nur durch eine Hausreihe von ihm getrennt.

Und ihre Männer sammeln sich hinter ihnen.

Ohio und Pilldarlik stehen sich dann Fuß an Fuß gegenüber und stellen das andere Bein weit zurück. So sind sie auf Armeslänge mit den Köpfen auseinander.

»Wer schlägt zuerst?« So fragt Ohio.

»Versuch's doch zuerst«, sagt Pilldarlik. »Du brauchst sicherlich eine kleine Vorgabe.«

»Von dir brauche ich keine Vorgabe – nicht von dir«, grollt Ohio.

»Dann schlagen wir gemeinsam. Einer von euch soll das Kommando geben.«

»Nein, einer von euch«, schnaubt Ohio.

»Mann, du bist verdammt kleinlich. He, Oake, stoß einen Pfiff aus. Dann schlagen wir gleichzeitig.«

Der Pfiff von Oake tönt sofort. Und sie ziehen beide je einen Schwinger herum, der sie zur Seite taumeln lässt. Und dann machen sie es nochmals auf einen zweiten Pfiff.

Diesmal gehen sie beide zu Boden.

Pilldarlik ist dann zuerst auf den Beinen, wenn auch nur um eine halbe Sekunde, aber eben doch deutlich erkennbar zuerst. Und deshalb hat er nun das Recht des ersten Schlages.

Ohio muss nun stillhalten. Aber der Trick dabei ist, nicht fest zu stehen. Denn ein fester Stand würde ja die Wirkung des Schlages noch verstärken. Pilldarlik holt den Schlag nun aus Kniehöhe herauf – und Ohio überschlägt sich fast rückwärts, fällt jedenfalls auf den Rücken und wirft die Beine hoch.

Aber er ist dennoch schnell wieder auf den Beinen und reibt sich nur das Kinn.

»Gut, gut«, schnauft er. »Doch jetzt bekommst du gleich meinen Hammer! Pass auf!«

Er will zuschlagen. Doch da kommen plötzlich Reiter.

Da alles gespannt auf Ohios Schlag wartet, ist es recht still. In dieser Stille aber hören sie alle den klirrenden Trab.

Jemand ruft: »Eine US-Kavalleriepatrouille!«

Die trabende Patrouille fällt nun in Schritt, kommt näher und näher und hält auf ein kurzes Kommando an.

Aber neben dem Offizier an der Spitze reitet ein Zivilist. Dieser Zivilist reitet noch drei Schritte weiter und verhält fast in der Mitte der beiden Flussmannschaften.

Als er seine Jacke aufschlägt, um ein Stück zusammengefaltetes Papier aus der Innentasche zu holen, sehen sie einen Marshalstern im Sternenlicht blinken.

Der Marshal ist nicht etwa nur ein Town Marshal – o nein, es handelt sich um einen US Marshal. Sie erkennen es an der Form seiner Plakette.

Und er sagt: »Ich möchte die Kapitäne der beiden Flöße sprechen.«

»Das sind wir«, sagt Pilldarlik. »Was wollen Sie?«

»Wir werden es im Hinterzimmer des Saloons besprechen«, erwidert der US Marshal.

Dann lenkt er sein Pferd hinüber, sitzt ab und geht hinein.

Die US-Kavalleriepatrouille sitzt ebenfalls ab.

Der Lieutenant sagt mit ruhiger Stimme: »Sergeant, lassen Sie das Camp am Flussufer aufschlagen. Ich bin beim Marshal zu finden.«

Nach dieser Anordnung reitet er ebenfalls vor den Saloon, stellt sein Pferd neben das Tier des US Marshals an die Haltestange und sitzt wie dieser ab, um im Saloon zu verschwinden.

Pilldarlik und Ohio stehen sich noch gegenüber. Aber ihre Männer sammeln sich nun hinter ihnen. Sie alle bilden eine dichte Traube.

Ohio fragt: »He, Pilldarlik, kannst du dir denken, was das zu bedeuten hat?«

»Nein, noch nicht«, erwidert dieser. »Aber wenn wir dort hineingehen, werden wir es bald wissen. Wollen wir? Oder möchtest du erst noch dein Glück versuchen?«

»Das hat noch Zeit«, knurrt Ohio. »Weißt du, ich spüre plötzlich eine Unruhe. Ich ahne nichts Gutes. Eine Armeepatrouille und ein US Marshal. Und sie fragen nach uns. He, lassen wir es uns erklären.«

Er macht zwei Schritte in Richtung zum Saloon. Pilldarlik folgt ihm. Aber wie auf ein stillschweigendes Kommando halten sie inne und blicken zurück. Jeder auf seine Mannschaft.

Zweistimmig und wie einstudiert sagen sie: »Und fangt keine Keilerei an, Jungs! Haltet Frieden, bis wir wissen, was die Blaubäuche von uns wollen!«

Und dann gehen sie hinein in den Saloon.

Drinnen steht Boston McLaine an der Treppe nach oben, so als wäre sie soeben heruntergekommen.

Pilldarlik hat sie ein halbes Jahr oder noch länger nicht gesehen. Aber sie gleicht immer noch genau dem Bild, welches von ihr in seiner Erinnerung die ganze Zeit vorhanden war.

Sie ist ein Prachtweib, eine schwarzhaarige Pumakatze mit leuchtend blauen Augen, welche weit auseinander stehen und eine suggestive Kraft auszustrahlen scheinen.

Ihr Mund lächelt, und weiße Zahnreihen blitzen.

Sie sagt: »Willkommen, John. Habt ihr euch schon geprügelt, ihr zwei Narren? Oder kamen die Soldaten noch rechtzeitig? Ihr sitzt in der Falle. Und weil auch ich das erst seit einigen Minuten weiß, konnte ich euch nicht warnen. Aber ich hätte es getan, darauf könnt ihr wetten. Geht nur dort hinein!«