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Drango Lonekid wirft seine Karten hin, ohne sie angesehen zu haben, erhebt sich und sagt trocken: »Ich höre auf, ich bin hier fertig!« Er greift nach seinem Geld und will es einstecken.
»Sie können nicht mitten in einem angefangenen Spiel aufhören«, begehrt einer der Mitspieler auf.
»Doch, ich kann«, sagt Drango Lonekid. »Ich bin dagegen, wenn jemand sich die Karten von unten gibt!« Er hat inzwischen seine Dollarstücke eingesteckt. Er achtet scharf auf den Mann, der gegeben hat und den er für einen billigen Kartenhai halten muss.
Blitzschnell greift der Kartenhai in die Innentasche seines schwarzen Prinz-Albert-Rockes. Doch ehe er einen kleinen Colt-Derringer in die Hand bekommt, hechtet Drango über den Tisch und stößt ihm beide Fäuste ins Gesicht. Der aufspringende Mann stürzt rücklings über den Stuhl. Er ist größer und schwerer als Drango Lonekid. Doch Drango erweist sich als schneller und härter.
Er verabreicht ihm eine Tracht Prügel. Er lässt dem Kartenhai keine Chance, nutzt den Vorteil, den er dadurch bekam, dass er ihn beim Angriff mit beiden Fäusten treffen konnte und auf ihm zu liegen kam. Als er fertig ist mit dem Mann, der ihn betrügen wollte, erhebt er sich. Obwohl er soeben explodiert ist wie ein Kettenblitz und in rasende Tätigkeit geriet, geht sein Atem nicht viel schneller als zuvor. Auch ist in seinem hageren, etwas hohlwangigen Gesicht keinerlei Anstrengung festzustellen. Und sein feuerrotes Haar leuchtet im Lampenlicht ...
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Seitenzahl: 146
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Der Weg nach Bozeman
Vorschau
Impressum
Der Weg nach Bozeman
Drango Lonekid wirft seine Karten hin, ohne sie angesehen zu haben, erhebt sich und sagt trocken: »Ich höre auf, ich bin hier fertig!« Er greift nach seinem Geld und will es einstecken.
»Sie können nicht mitten in einem angefangenen Spiel aufhören«, begehrt einer der Mitspieler auf.
»Doch, ich kann«, sagt Drango Lonekid. »Ich bin dagegen, wenn jemand sich die Karten von unten gibt!« Er hat inzwischen seine Dollarstücke eingesteckt. Er achtet scharf auf den Mann, der gegeben hat und den er für einen billigen Kartenhai halten muss.
Blitzschnell greift der Kartenhai in die Innentasche seines schwarzen Prinz-Albert-Rockes. Doch ehe er einen kleinen Colt-Derringer in die Hand bekommt, hechtet Drango über den Tisch und stößt ihm beide Fäuste ins Gesicht. Der aufspringende Mann stürzt rücklings über den Stuhl. Er ist größer und schwerer als Drango Lonekid. Doch Drango erweist sich als schneller und härter.
Er verabreicht ihm eine Tracht Prügel. Er lässt dem Kartenhai keine Chance, nutzt den Vorteil, den er dadurch bekam, dass er ihn beim Angriff mit beiden Fäusten treffen konnte und auf ihm zu liegen kam. Als er fertig ist mit dem Mann, der ihn betrügen wollte, erhebt er sich. Obwohl er soeben explodiert ist wie ein Kettenblitz und in rasende Tätigkeit geriet, geht sein Atem nicht viel schneller als zuvor. Auch ist in seinem hageren, etwas hohlwangigen Gesicht keinerlei Anstrengung festzustellen. Und sein feuerrotes Haar leuchtet im Lampenlicht ...
Zwei Rauswerfer der Spielhalle schieben sich durch den losen Kreis der Zuschauer. Sie sind erfahren und sehen sich die Sache erst einmal an.
»Er hat sich selbst die Karten von unten gegeben«, sagt Drango Lonekid zu ihnen. »Ihr solltet solche Burschen nicht in eurem Haus dulden. Er sieht so nobel aus wie ein richtiger Gentleman, aber dies ist vielleicht sein großer Trick. Ist er etwa ein Freund dieses Hauses oder von euch?«
Er sagt die Worte auf eine Art, die erkennen lässt, dass er es auch mit den beiden Rauswerfern aufnehmen und keinem Kampf aus dem Weg gehen würde.
Aber die beiden Rauswerfer lassen sich nicht herausfordern. Im Gegenteil, sie reden beruhigend auf ihn ein. »Dieser Mann ist heute zum ersten Mal in den Last-Chance-Spielhallen.«
Der Sprecher richtet den Tisch auf und sammelt die heruntergefallenen Spielkarten ein. Sein Kollege hilft dem schwer angeschlagenen Kartenhai auf die Beine. Die beiden Rauswerfer verschwinden mit ihm durch die Seitentür.
Drango Lonekid geht langsam aus der Spielhalle. Es ist eine kühle Nacht, Anfang Mai. Die Kühle macht ihn noch nüchterner.
Er geht zum Postwagenhof und lässt sich dort vom Nachtmann die Reisetasche aus dem Gepäckaufbewahrungsraum geben. Mit der Tasche in der Hand wandert er langsam aus der Stadt.
Er ist nicht allein auf diesem Weg. Es sind Soldaten unterwegs, die bis zwei Stunden nach Mitternacht Ausgang hatten und die nun zurück müssen.
Nach etwa zwei Meilen kommt Drango Lonekid an ein Tor. Zwei Posten kontrollieren im Lampenschein. Drango Lonekid muss zum Corporal der Wache. Dieser schickt ihn mit einem Soldaten zum Offizier vom Dienst, einem schon älteren, schnurrbärtigen First Lieutenant, der während des Bürgerkriegs Major auf Kriegszeit gewesen ist und der dann wie alle Offiziere um einige Ränge zurückversetzt wurde, als man nach dem Krieg die Armee reorganisierte.
Diesem Offizier reicht Drango Lonekid einen Schein, den er schon bei der Wache gezeigt hatte. Der Offizier nickt brummend.
»Aha, Wiedereinstellung! Ich habe gestern zufällig Ihre Personalakte gelesen, Lonekid. Ich erinnere mich. Sie sollen sogar zum alten Dienstgrad eingestellt werden. Ihr Mannschaftsdienstgrade habt es doch gut.«
Er verstummt mürrisch.
Drango Lonekid sagt nichts dazu.
»Gehen Sie in die A-Baracke und suchen Sie sich dort eine freie Schlafgelegenheit. In genau sechs Stunden treten alle Neuen zur Vereidigung an. Es wird eine ganze Kompanie aufgestellt, alles altgediente Soldaten, vom letzten Mann bis zum Offizier. Sie sind als Master Sergeant vorgesehen. Nach der Vereidigung melden Sie die neue Kompanie nach der Einkleidung Ihrem Offizier.«
»Yes, Sir«, erwidert Drango Lonekid.
Und als er dann über den weiten Paradeplatz geht, hört er, wie die Posten sich zurufen: »Zwei Uhr nachts! Alles wohl!«
Drango Lonekid hört es, und er fühlt sich irgendwie erleichtert und wieder daheim.
Solange er zurückdenken kann, war er immer bei Soldaten. Schon als Säugling war er bei der Armee. Denn Soldaten fanden ihn irgendwo an einem Weg. Wahrscheinlich war er aus einem Wagen gefallen. Und er war ganz allein – ein Kind am Weg. Man nannte ihn »Lonekid«, was so viel wie »Einsames Kind« heißt. Und auf diesen Namen wurde er damals auch von einem Armeegeistlichen getauft, weil man ja nicht wusste, wie der Name seiner Eltern war. Eine Soldatenfrau, die zu dem kargen Sold ihres Mannes als Wäscherin für die Offiziersfamilien noch etwas dazuverdiente, wurde seine Pflegemutter. Doch die ganze Kompanie hatte ihn adoptiert. Seine Pflegemutter nannte ihn mit dem Vornamen ihres eigenen verstorbenen Kindes. Und so war er also Drango Lonekid.
Mit siebzehn Jahren wurde er Soldat.
Mit zwanzig Jahren war er Sergeant.
Und dann begann der Krieg gegen die Südstaaten. Als der Krieg beendet war, wurde er entlassen, wie all die anderen Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten. Er hatte eben das Pech, gerade zu jenen Einheiten zu gehören, die vollkommen aufgelöst wurden.
Und er verlor damit seine Heimat, sein Zuhause, jenen festen Platz, den jeder Mensch nötig hat. Denn von Anfang an war doch die Armee seine Heimat, sein Elternhaus, sein fester Platz.
Es war ein schreckliches Jahr für ihn. Er wurde einer jener ruhelosen Abenteurer, die stets nach einer Chance suchten.
Er war als bewaffneter Postkutschenbegleiter unterwegs. Er fuhr als Spieler und Kartenausteiler auf den Mississippi-Luxusdampfer. Und er war Rauswerfer in einer Luxusbar. Oh, er unternahm einige Dinge und brachte auch einige Kämpfe hinter sich. Seine Revolvergeschicklichkeit verschaffte ihm schnell einen bitteren Ruhm. Und so war er auf dem besten Wege, einer jener berühmt-berüchtigten Revolverkämpfer zu werden.
Es war ein Zufall, dass er von der Reorganisation der Armee hörte und auch davon, dass altgediente Soldaten wieder eingestellt würden.
Er meldete sich sofort. Doch er musste einige Wochen warten, bis man sich seine Personalakte beschafft hatte und alles über ihn wusste.
Und nun soll er hier mit seinem alten Dienstgrad wieder eingestellt werden. Er soll Master Sergeant einer Einheit werden.
Dies alles geht ihm noch einmal durch den Kopf. Nun hat er die A-Baracke erreicht. Er öffnet sie und tritt ein. Im Aufenthaltsraum stehen einige lange Tische und Bänke.
Hier sitzen beim Schein einer Lampe mehrere Männer und würfeln. Bei seinem Eintritt haben sie einige Flaschen unter dem Tisch verschwinden lassen. Nun holen sie die Flaschen wieder hervor. Drango riecht den billigen Handelswhisky, den nur Männer mit kupfernen Kehlen vertragen können.
Es sind Exsoldaten, die dort sitzen und würfeln. Er betrachtet sie mit einem raschen Blick. Nein, er kennt keinen von ihnen. Doch er kennt ihre Sorte.
Er nickt ihnen zu. Sie betrachten ihn aufmerksam, schätzen ihn ab und beobachten stumm, in welche Richtung er sich wenden wird.
Denn die Kompaniebaracken sind in der ganzen Armee die gleichen. Man kommt zuerst in den Aufenthaltsraum. Dieser Raum trennt die Baracke in zwei ungleiche Teile. Der rechte und größere Teil ist der Schlafraum der Mannschaft. Der linke, kleinere aber besteht aus den Kammern der Sergeants, der kleinen Schreibstube, der Kleider- und Ausrüstungskammer.
Es ist deshalb für die Männer am Tisch sehr interessant, nach welcher Seite sich der späte Ankömmling wenden wird.
Als sie sehen, dass er sich nach links wendet, betrachten sie ihn noch aufmerksamer und nun lauernd. Ein bärtiger Riese sagt auf eine deutlich herausfordernde Art: »Das sind die Sergeantquartiere. Irrst du dich nicht in der Richtung, Bruder?«
Drango Lonekid hält inne, dreht sich halb um und blickt über die Schulter zu den Männern am Tisch.
»Mein Name ist Lonekid«, sagt er. »Drango Lonekid! Habt ihr das gut verstanden? Es ist bestimmt jemand unter euch, der schon von mir gehört hat.«
Er zeigt ihnen ein hartes Lächeln.
Dann verschwindet er durch die Tür und betritt eine Kammer, in der schon drei Betten belegt sind. Die drei Schläfer schnarchen. Wenig später schläft auch Drango.
Im Aufenthaltsraum aber lauschen die Männer auf die Worte eines Burschen, der im Unterzeug aus dem Mannschaftsschlafraum kam und sich zu ihnen an den Tisch setzte und eine Zigarette zu drehen begann.
»Ich kenne Drango Red Lonekid«, sagt dieser Bursche. »Als unsere Offiziere gefallen waren, führte er uns damals am Bull Run gegen Stonewall Jacksons Texaner. Und dann ...« Der Mann bricht ab, um seine Zigarette anzuzünden. Er raucht drei Züge und macht eine vielsagende Handbewegung.
»Ihr werdet ihn schon kennenlernen«, brummt er. »Er hat aus so manchem jungen Lieutenant einen brauchbaren Offizier gemacht, wenn der junge Lieutenant klug genug war, auf seinen Master Sergeant zu hören. Und die, die nicht so klug waren, nun, sie wurden zumeist nicht alt. Dieser Drango Lonekid hat es zweimal abgelehnt, Offizier zu werden. Er blieb lieber Master Sergeant. Oh, er ist ein harter Bursche, und er kennt keine Gnade. Ich habe noch keinen Mann gesehen, der ihn schlagen konnte. Und mit dem Revolver ist er besser als ein Revolverheld aus Texas. Er kennt jeden Trick und wird euch alle durchschauen und schnell wissen, wer eine Niete ist. Jungs, er wird uns die Haut abziehen, wenn er mit uns unzufrieden ist. Nur in einer Beziehung kann ich euch Trost spenden. Er ist ein Mann, der immer noch eine gute Idee hat, wenn andere längst aufgeben, und der immer noch einen Ausweg findet, wenn andere keine Chance mehr sehen. Er ist gut für eine Truppe, die den Auftrag bekommt, dem Teufel ins Maul zu spucken. Er ist der Mann, der die hilflosen Kindlein bei den Händen nimmt und wieder in Sicherheit bringt. Doch das hängt natürlich immer von dem Offizier ab. Er versteht es jedoch gut, einen Offizier so zu beraten, dass dieser glaubt, alle guten Ideen wären auf seinem Mist gewachsen. Jetzt wisst ihr wohl besser über ihn Bescheid.«
✰
Sie werden noch einmal kurz von einem Arzt gemustert. Sie müssen die schon vorbereitete Verpflichtung unterschreiben und werden zugleich vereidigt.
Und dann geht es in den Ausrüstungsraum der Kompanie. Hier bekommen sie alles, was ein Reiter der US-Kavallerie haben muss.
Sie kleiden sich schweigend ein, und obwohl ihre Uniformen neu sind, wirken sie darin nicht wie Rekruten. Sie haben alles an sich, was sie als alte Soldaten erkennen lässt.
Dann warten sie, bis auch der letzte Mann fertig ist. Ein Läufer kommt von der Kommandantur zu Drango Lonekid und meldet, dass der First Lieutenant Lester Yates seine Abteilung gemeldet bekommen möchte.
Drango Lonekid sitzt mit den drei anderen Sergeants an einem Tisch. Und sie haben sich inzwischen einigermaßen berochen und herausgefunden, dass sie alle keine grünen Jungs mehr sind. Doch sie werden sich noch gegenseitig besser kennenlernen und abschleifen müssen. Sie wissen das.
Drango nickt den drei Zugsergeants zu und geht hinüber in den Mannschaftsraum.
Als Drango Lonekid im Mannschaftsraum seine Stimme ertönen lässt, ist es eine präzise Stimme, voller Autorität und jenem zwingenden Klang, wie ihn nur die Stimme eines Mannes haben kann, der daran gewöhnt ist, Befehle zu erteilen, anzutreiben, zu fordern, anzuordnen, zu überwachen, zu loben und zu tadeln.
Drango Lonekid sagt laut und präzise: »Herhören!«
Und als es in der hintersten Ecke nicht gleich still ist, ruft er noch schärfer: »Herhören!«
Nun ist es still. Und er sagt mit einer drohenden Ruhe in seiner Stimme: »Dies war das erste und einzige Mal, dass ich euch etwas zweimal sagte und euch danach ungeschoren ließ. Ich brauche euch keine lange Rede zu halten, denn ihr alle seid altgediente Soldaten, die nun wieder eingestellt wurden. Mein Name ist Lonekid, Master Sergeant Drango Lonekid. Ich bin hier euer Vater und eure Mutter. Ich denke für euch und sorge dafür, dass ihr immer satt in eurem Bettchen liegen könnt. Ich sorge aber auch dafür, dass ihr alles haargenau so ausführt, wie es der Offizier unserer Abteilung haben will. Und wer mir dabei Schwierigkeiten macht, wer mich ärgern will oder wer gar dumm auffallen sollte, nun, Jungs, der wird herausfinden, was für ein Narr er ist. Raustreten!«
Es sind alles altgediente Soldaten. Und sie erkennen einen harten Sergeant wie ein bockiges Pferd einen harten Reiter, gegen den man keinen Chance hat.
Sie bewegen sich schnell. Denn sie sehen, dass er einen Uhr in der Hand hält und die Sekunden zählt. Sie wissen aus alter Erfahrung, mit wie viel Sekunden sie einen harten Sergeant zufriedenstellen können.
Und sie schaffen es.
Sie sind siebenundzwanzig Männer, neun Corporals und drei Zugsergeants. Sie sind in einer Viertelminute draußen. Und als Drango Lonekid ihnen langsam folgt, sind sie angetreten und richten sich bereits aus. Er tritt vor ihre Front und sieht am Rande seines Blickfeldes einige Offiziere kommen. Doch er blickt nicht zu ihnen hin. Er sorgt dafür, dass die Abteilung haargenau ausgerichtet ist, und weiß, dass die Offiziersgruppe hinter ihm angehalten hat. Der Offizier, dem er zu melden hat, wird zumindest einen Schritt vor der Gruppe stehen.
Drango Lonekids Kommandos klingen fest und präzise. Man hat den bestimmten Eindruck, dass er auch in größter Gefahr jedes Kommando so ruhig und präzise geben wird.
Als er die Abteilung zur Meldung fertig hat, macht er seinen Kehrtwendung und geht rasch und straff auf den Offizier zu, der vor der Gruppe anderer Offiziere steht.
Er erkennt ihn nicht sogleich, denn der First Lieutenant Lester Yates hält den Kopf etwas gesenkt. Der Schild seiner Garnisonsmütze verdeckt bis zum Mund sein Gesicht.
Aber als Drango Lonekid salutiert und seine Meldung macht, da hebt Lester Yates sein Gesicht. Nun sehen sie sich an. Und es ist gut für Drango, dass er die Meldung schon sprach. Er hätte sonst bestimmt gestottert oder einen Fehler gemacht.
Denn die Überraschung trifft ihn wie ein Hammerschlag. Obwohl er straff und gerade steht, reißt er die Augen auf und macht für einen Sekundenbruchteil einen recht dummen Eindruck.
Denn er sieht die Zeichen seiner Fäuste im Gesicht des Offiziers. Er erkennt in diesem Offizier den Falschspieler von gestern, den er so schlimm verprügelte.
Und dies kann selbst einen solch harten und erfahrenen Sergeant wie Drango Lonekid umwerfen.
Doch dann wehrt sich sein Verstand dagegen, zu glauben, was er sieht. Er will an eine Ähnlichkeit glauben, an die Möglichkeit, dass er sich täuscht.
Aber als er in die Augen des Mannes blickt, da erkennt er darin die ganze Feindschaft. Nein, es gibt keinen Irrtum. Dieser Offizier, in dessen Gesicht man die Zeichen einer Schlägerei erkennen kann, ist der Falschspieler von gestern.
Er dankt nun für die Meldung und schreitet an Drango vorbei, um die Leute zu mustern. Drango folgt ihm und hält nach Vorschrift sein Notizbuch bereit.
Doch Lester Yates verzichtet darauf, ihm irgendwelche Dinge aufzugeben, die notiert werden müssen. Er nimmt sich auch keinen der Männer irgendwie vor, um etwas an ihm auszusetzen.
Er begibt sich bald wieder vor die Front und sagt knapp und sachlich: »Ich bin First Lieutenant Lester Yates. Während des Krieges war ich Captain im Vierten Massachusetts-Regiment. Ich bin genau wie ihr alle aufgrund meiner Bewerbung wieder eingestellt worden und kam heute mit der Morgenpost von Missouri herüber. Ich habe den Befehl, diese Abteilung binnen vier Wochen felddienstmäßig zu machen.«
Er wendet sich an Drango.
»Lassen Sie wegtreten zum Mittagessen! Bei Dienstbeginn begeben sich die Züge einzeln zu den Corrals hinüber und bekommen dort die Pferde zugeteilt. Ich halte um fünf Uhr nachmittags Stallinspektion und eine Stunde danach Quartiersinspektion. Sämtliche Unteroffiziere nähen sich während der Mittagspause ihre Streifen an die Ärmel.«
Er grüßt und Drango salutiert vor ihm.
»Yes, Sir«, sagt er, macht eine Kehrtwendung, tritt vor die Abteilung und gibt die entsprechenden Befehle. Doch indes er dies alles tut, jagen sich seine Gedanken.
Oh, er kennt die Armee. Er weiß zu gut, dass er bald die Hölle bekommen wird. Ein Mann wie Lester Yates – also ein Mann, der betrügt und der es dennoch verstanden hat, als Offizier wieder eingestellt zu werden – ist zu jeder Gemeinheit fähig.
Es ist bezeichnend für Drango Lonekid, dass er mit keinem Gedanken daran denkt, einem höheren Vorgesetzten Meldung zu machen und um eine Versetzung zu bitten.
Dies wäre auch sinnlos. Denn er hat gegen diesen First Lieutenant keine Beweise. Die Spieler der Pokerrunde – jene zwei Büffeljäger und jener Rancher von gestern – sind gewiss kaum noch aufzufinden. Und überdies sahen sie ja auch nicht, was Drango sah. Nein, nur er allein weiß, dass dieser Offizier gestern noch ein Kartenhai war, der betrog.
Aber für die Armee ist ein Offizier eine Person, die über jeden Zweifel erhaben ist.
✰
Bei der Pferdezuteilung zeigt Drango Lonekid zum ersten Mal, was er wert ist. Denn er lässt nicht zu, dass der Regimentsstallmeister seiner Abteilung irgendwelche »Krücken« oder gar »Verbrecher« andreht. Er begutachtet jedes einzelne Pferd, und der Regimentsstallmeister wird immer grimmiger und missgelaunter, weil dieser neue Master Sergeant die besten Pferde herausfindet.
Doch in dem Ansehen seiner Männer steigt Drango Lonekid auf die erste Stufe. Diese alten Soldaten wissen es zu schätzen, ein gutes Pferd unter sich zuhaben. Und nun glauben sie, dass dieser Master Sergeant sein Versprechen wahr machen wird, ihnen ein guter Vater und eine gute Mutter zu sein. Denn bei der Kavallerie fängt alles bei den Pferden an.
Und diese Abteilung bekommt gute Pferde.
Aber dann wird dieser Master Sergeant unerbittlich und scharf, als sie ihre Tiere und das Sattelzeug und überhaupt alles zur Inspektion fertig machen. Es hagelt die ersten Strafdienste, und der Wind innerhalb der Abteilung wird scharf und gnadenlos. Die drei Zugsergeants und die neun Corporals haben sich schnell auf den scharfen Master Sergeant eingestellt. Sie schlagen kräftig in seine Kerbe, und so herrscht mit einem Mal ein scharfer Dienstbetrieb.