G. F. Unger 2232 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2232 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Es war im Jahre 1866, als ich nach Kansas City kam, um dort den Winter zu verbringen. Geld hatte ich genug, denn ich kam ja mit einem Kanu voller Edelpelze in die große Grenzstadt, wo sich der Missouri und der Kansas River vereinigen.
Ja, ich wollte nach vielen Jahren in der Einsamkeit unbedingt in eine große Stadt, dort etwas erleben und mich so richtig amüsieren.
Kansas City war damals ein verdammtes Höllenloch, und die zweibeinigen Wölfe fraßen die zweibeinigen Schafe. Aber das ist ja wohl überall so auf unserer Erde unter den Lebewesen. Es gibt überall Fresser und Gefressene. Mich konnte niemand fressen, bei mir bissen sich die harten Burschen die Zähne aus. Mein Revolver war schneller als die aller anderen. Und das sprach sich herum.
Einmal hörte ich einen der Revolverhelden und Spieler zu einem anderen sagen: »Der da, das ist Kilbourne, Al Kilbourne, ein Trapper aus dem Norden, der den Fluss herunterkam, um sich mal richtig auszutoben. Lass nur die Finger von ihm. Der putzt alles weg wie ein Berglöwe. Der frisst rohes Fleisch in den Bergen von Montana, vielleicht sogar Hundefleisch wie die Indianer ...«


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Seitenzahl: 149

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Höllentrail

Vorschau

Impressum

Höllentrail

Es war im Jahre 1866, als ich nach Kansas City kam, um dort den Winter zu verbringen. Geld hatte ich genug, denn ich kam ja mit einem Kanu voller Edelpelze in die große Grenzstadt, wo sich der Missouri und der Kansas River vereinigen.

Ja, ich wollte nach vielen Jahren in der Einsamkeit unbedingt in eine große Stadt, dort etwas erleben und mich so richtig amüsieren.

Kansas City war damals ein verdammtes Höllenloch, und die zweibeinigen Wölfe fraßen die zweibeinigen Schafe. Aber das ist ja wohl überall so auf unserer Erde unter den Lebewesen. Es gibt überall Fresser und Gefressene. Mich konnte niemand fressen, bei mir bissen sich die harten Burschen die Zähne aus. Mein Revolver war schneller als die aller anderen. Und das sprach sich herum.

Einmal hörte ich einen der Revolverhelden und Spieler zu einem anderen sagen: »Der da, das ist Kilbourne, Al Kilbourne, ein Trapper aus dem Norden, der den Fluss herunterkam, um sich mal richtig auszutoben. Lass nur die Finger von ihm. Der putzt alles weg wie ein Berglöwe. Der frisst rohes Fleisch in den Bergen von Montana, vielleicht sogar Hundefleisch wie die Indianer ...«

Ja, dies also hörte ich.

Und ich grinste in Gedanken. Denn ich hatte mir wahrhaftig Respekt verschafft unter den Hartgesottenen. Und nachdem ich am Heiligen Abend einen Falschspieler, den ich bei einem Kartentrick erwischte und der so dumm war, nach seiner Waffe zu greifen, mitten in die Stirn geschossen hatte, da spielten sie alle nur noch ehrlich mit mir.

Sie zollten mir Respekt. Denn auch mit dem stärksten Bullen in Kansas City trug ich einen Kampf aus, wobei es um tausend Dollar Einsatz ging, die jeder von uns einsetzte. Der Kampf fand in einer großen Scheune statt. Die Zuschauer und Wetter drängten sich wie beim Hahnenkampf. Ich gewann diesen Kampf.

Die meisten hatten auf den anderen gesetzt und verloren. Also waren sie mir böse.

Auch einige Frauen waren unter der gierigen Meute, die nicht nur gewettet hatte, sondern auch einen blutigen Kampf sehen wollte. Eine dieser Frauen – es waren entweder Edelhuren oder Abenteurerinnen und Glücksjägerinnen – trat zu mir. O ja, sie war eine Katze mit schwarzen Haaren und grünen Augen.

Sie hielt mir ein Handtuch hin.

Ich nahm es. Es war ein nasses Handtuch, welches ich mir gegen das zerschlagene Gesicht presste. Die Frau verstand etwas von Dingen, die ich jetzt brauchte.

Sie reichte mir dann mein Hemd und meine Jacke. Denn ich trug ja hier in Kansas City nicht mein Lederzeug.

Als ich das nasse Handtuch von meinem Gesicht nahm, da sah ich, dass sie mir meine Sachen hinhielt. Ich nahm sie und zog mich an.

Noch einmal reichte sie mir das nasse Handtuch, welches sie inzwischen im Eimer ausgewaschen und neu nass gemacht hatte. Ja, ich blutete aus einigen Schrammen. Meine Lippen waren zerschlagen. Zum Glück hatte es meine Nase nicht erwischt.

Doch ich war ohnehin nicht das, was man einen schönen Mann nennt. Ich sah nur wie ein harter Bursche aus. Und wäre mein Haar nicht gelb und wären meine Augen nicht blau gewesen, so hätte man mich gewiss für einen Indianer halten können.

Ich sah sie dann wieder an.

War sie eine von jenen Frauen, welche verrückt nach harten Burschen sind, die vor Männlichkeit nur so strotzen?

Sie sagte: »Gut gekämpft, Kilbourne. Ich habe auf Sie gewettet und dreitausend Dollar gewonnen. Denn die Wetten standen drei zu eins gegen sie. Nun möchte ich mich gerne revanchieren. Gehen wir?«

Die große Scheune hatte sich schon fast geleert. Alle, die vorhin noch gebrüllt und gejohlt hatten, drängten schweigend hinaus.

Ich sah mich nach meinem Gegner um.

Big Bull Mallone saß schon wieder auf dem Schemel. Er hatte zuletzt auf dem Rücken gelegen.

Nun starrte er mich an.

Dann aber grinste er und hob wie grüßend die Hand.

»Es war ein guter Kampf, nicht wahr?« So fragte er.

Ich erwiderte: »O ja, mein Freund, es war ein guter Kampf. Und fast hättest du mich geschafft. Du warst ganz nahe dran.«

Er genoss meine Worte.

Die Frau neben mir sagte: »Gehen wir.«

Und so ging ich mit ihr. In meinem Kopf brummte es noch gewaltig. Aber dass ich mit ihr ging, lag nicht daran.

Ich war einfach nur neugierig.

Sie war – ich sagte es schon – eine grünäugige Katze.

Was wollte sie? Nur einen harten Burschen, dem die Männlichkeit aus allen Knopflöchern strömte? Oder was sonst?

Ich wusste nicht einmal ihren Namen, und ich war ihr hier in Kansas City noch nie irgendwo begegnet.

Sie sah von der Seite her zu mir auf und sagte: »Ich werde Ihre Beulen und Risse gut behandeln. Ich war während des Krieges mal Krankenschwester.«

Ein Mann holte uns ein. Es war Pierce Conelly, den ich hier kennengelernt und mit dem ich so manchen Spaß gehabt hatte. Er reichte mir einen Beutel.

»Hier«, sagte er, »ich habe deinen Wettgewinn kassiert, so wie du es wolltest. Das sind siebentausend Dollar. Eintausend von Big Bull und sechstausend von deinem eigenen Einsatz. Sie haben anstandslos ausgezahlt. Auch ich habe auf dich gesetzt und gewonnen.«

Ich nahm den Beutel und bedankte mich.

Er sah auf die Schöne neben mir. »Ist er bei Ihnen in guten Händen, Lady?« So fragte er höflich.

Sie lachte leise. »Gewiss, mein Guter. Ich habe ein kleines Haus gemietet. Ihm wird es an nichts fehlen. Sind Sie ein Freund von ihm?«

»Ja, das kann man wohl sagen«, erwiderte Pierce Conelly und blieb zurück.

Wir gingen weiter den Uferweg entlang. Hier waren die Landebrücken der Dampfboote.

Mir ging es bei jedem Schritt schlechter. Dieser Big Bull Mallone hatte mich eine ganze Menge von meiner Substanz gekostet. Dass ich ihn schließlich schlagen konnte, lag allein an der Eisenhärte und Zähigkeit, die man brauchte, um in Montana bei der Pelztierjagd zu überleben.

Ich war bei den Indianern aufgewachsen.

Später dann hatte mich ein weißer Händler den Oglalas abgekauft und einen weißen Jungen aus mir gemacht, der auch lesen und schreiben lernte. Aber leider hatte dieser Mann nur noch wenige Jahre gelebt. Immerhin aber machte er einen Weißen aus mir, und manchmal zweifelte ich daran, ob das gut war.

Wir erreichten ein kleines Haus. Es war inzwischen später Nachmittag geworden, fast schon Abend. Bald würde in Kansas City ein anderes Leben erwachen. Schon bei Tag war diese Stadt an zwei Flüssen ein Babylon, böse, schlecht und voller Sünden. Aber nach Nachtanbruch wurde es noch schlimmer.

Diese Stadt war voller Flussleute, also Dampfschiffer, Flößer und Hafenarbeiter. Dazu kamen Frachtwagenfahrer, Excowboys aus dem Süden, die dort keine Arbeit fanden, Exsoldaten, Spieler, Banditen, Revolverschwinger, Betrüger, frei gewordene Sklaven, Büffeljäger, Siedler, die nach Westen wollten, Indianerkämpfer und auch Trapper.

Nun, wir erreichten also ein kleines Haus, in welchem schon Licht war.

Die Tür öffnete sich. Eine füllige Schwarze wurde sichtbar.

»Oooh, Miss Barnes, wie gut ich das abgepasst habe. Ja, das Abendessen ist fertig. Heute kommen Sie sehr pünktlich. Wie schön!«

Sie eilte vor uns her ins Haus zurück. Wahrscheinlich verschwand sie in der Küche. Die Schöne aber führte mich ins Wohnzimmer, wo ich in einen bequemen Sessel sank und die Beine ausstreckte. Dabei konnte ich ein erleichtertes Seufzen nicht unterdrücken.

Sie fragte: »Ob Sie wohl etwas essen können?«

»Nein«, erwiderte ich nur, lehnte den Kopf gegen die hohe Sessellehne zurück und schloss die Augen. Nein, ich schlief nicht ein, dazu waren die Schmerzen zu stark. Ich fiel aber auch nicht in Bewusstlosigkeit. Es war eher ein Halbschlaf der totalen Erschöpfung.

In meinen Gliedern war Blei. Und für eine Weile hörte und sah ich nichts mehr.

Irgendwann wurde ich wieder wach. Ich hörte die Stimme der grünäugigen Schönen sagen: »Gut, gut, Mary, du kannst jetzt heimgehen zu deiner Familie. Das Essen hat vorzüglich geschmeckt. Du solltest eine Speiseküche eröffnen. Deine Kochkünste würden sich schnell herumsprechen. Ich kenne einen der Stadträte. Soll ich dir eine Konzession verschaffen?«

»Was nützt mir diese, Ma'am? Ich brauchte auch Betriebskapital. Einer Schwarzen mit einem Krüppel von Mann und fünf Kindern gibt niemand Kredit.«

»Doch, Mary, doch – nämlich ich. Wie viel brauchst du? Du musst ein Haus mieten, eine Küche einrichten, Vorräte kaufen und den Gastraum ausstatten. Was wäre da an Geld nötig?«

»Tausend Dollar, Ma'am, tausend Dollar. Würden Sie das riskieren, Ma'am?«

Ich hörte das alles und machte mir so meine Gedanken über die grünäugige Schöne, deren Nachname offenbar Barnes lautete. Ich hörte sie dann noch sagen: »Mary, ich bleibe gewiss nur noch wenige Tage hier in Kansas City. Aber wenn ich weggehe, dann bekommst du die tausend Dollar.«

»Und Sie scherzen nicht mit einer dicken Niggerin, Ma'am?«

»Nein, Mary, gewiss nicht. Jetzt geh heim.«

Ich hörte bald darauf die Tür klappen.

Dann kam die Schöne zu mir ins Wohnzimmer, wo ich immer noch erschöpft und ausgebrannt mehr im Sessel lag als saß.

»Geht's besser?« So fragte sie.

Ich nickte und setzte mich auf, befühlte meine Rippen.

»Die sind angeknickt«, stellte ich fest. »Die müssten bandagiert werden. Ob Sie das können, Miss Grünauge?«

»Ich kann eine Menge«, erwiderte sie. »Mein Name ist Jessica Barnes. Nennen Sie mich einfach nur Jessica. Ihr Name ist Al Kilbourne. So hörte ich es. Sie haben sich den ganzen Winter über hier in Kansas City einen Namen gemacht. Sie gelten hier als zweibeiniger Montana-Wolf, mit dem man sich nicht anlegen sollte.«

»Vielleicht ist das so«, sagte ich und versuchte ein Grinsen. Doch ich ließ es bei dem Versuch bleiben, weil meine Lippen wieder zu bluten begannen.

Sie nickte.

»Gehen wir ins Schlafzimmer«, sagte sie ruhig. »Dort helfe ich Ihnen beim Ausziehen. Ich werde Sie mit scharfem Schnaps einreiben und durchmassieren. Sonst sind Sie bald für einige Tage steif. Und natürlich werde ich auch alle Risse und Beulen behandeln. Doch am nötigsten wäre diese Massage, denke ich. Bei Ihnen wird bald alles völlig verkrampft sein. Dieser Big Bull Mallone hätte Sie eigentlich schlagen müssen. Er war einmal ein großer Preiskämpfer zwischen Saint Louis und New Orleans. Sie würden wohl lieber sterben als verlieren?«

»So ist es«, erwiderte ich. »Das lernt man in den Bergen von Montana. Ich meine das Überleben, solange man noch einen Finger bewegen kann. Na gut, gehen wir also zu Ihrem Bett im Schlafzimmer, Jessica. Sie können ja sicher sein, dass ich Ihnen nichts tun werde. Ich meine, als ...«

»Ich weiß schon, was sie meinen, Al«, unterbrach sie mich. »Sie sind zu krank, um mit einer Frau Spaß haben zu wollen.«

»Und wäre sie noch so schön und begehrenswert«, sprach ich heiser.

Sie lachte leise. Dann fragte sie: »Gibt es in Montana auch schöne Indianerinnen?«

Ich quälte mich auf die Füße, stand dann schwankend vor ihr.

»Sicher«, erwiderte ich. »Die Frauen und Mädchen der Cheyennes und der Nez Perces sind manchmal wunderschön. Richtige Gazellen. Sonst noch was, Jessica?«

»Nein, Al Kilbourne, nein«, murmelte sie.

Dann gingen wir hinüber. Ich merkte meine Steifheit und Verkrampfung schon. Ja, sie musste mir tatsächlich beim Ausziehen helfen.

Als ich nackt vor ihr stand, da sah sie auch meine vielen alten Narben. Es waren Schussnarben, Messernarben und die Krallennarben eines Grizzlys, der mich damals fast getötet hätte.

Sie legte eine Wolldecke und dann ein weißes Laken auf das Bett und sagte: »Legen Sie sich hin, Al. Ich hole den starken Schnaps. Ich glaube, er ist fünfzigprozentig. Wenn ich Sie einreibe und durchmassiere, wird das zuerst schmerzen. Doch dann wird ein wohliges Gefühl kommen.«

»Ich weiß«, knurrte ich und legte mich lang. Dann murmelte ich noch: »Es ist mir eine Beruhigung, Jessica, dass Sie offenbar schon mehr als einen nackten Mann gesehen haben.«

Aber sie erwiderte nichts, sondern machte sich an die Arbeit.

Ja, zuerst war es die Hölle, denn sie hatte starke, knetende Hände. Es waren irgendwie Zauberhände. So kam es mir vor.

Irgendwann wandelte sich der Schmerz wahrhaftig in ein wohliges Gefühl der Entkrampfung und Durchblutung.

Auch meine anderen Wunden behandelte sie gut.

Nun, ich schlief bald ein.

Und ich wusste immer noch nicht, was die schöne Jessica Barnes von mir wollte.

Es war gegen Mittag des nächsten Tages, als ich hoch musste, um meine menschlichen Bedürfnisse zu erledigen. Ich fand den Weg zum hinteren Hof, wo der Abort stand. Oh, ich war steif am ganzen Körper und bewegte mich wie ein gichtkranker Greis. Ich trat dann zum Brunnen, holte mit dem Eimer Wasser herauf und wusch mich, so gut ich konnte. Als ich mich umdrehte, da kam die dicke schwarze Mary zur mir und brachte mir ein Handtuch. Ich war immer noch nackt, aber die Schwarze benahm sich ganz natürlich. Es war ein großes Badetuch, mit dem ich mich danach auch einwickeln konnte von den Knien bis unter die Brustwarzen.

»Nun, Mrs Mary, wo ist Miss Barnes?« So fragte ich.

Die dicke Schwarze lächelte mich an. »Ach, Mister«, sprach sie, »Miss Barnes reitet um diese Zeit immer aus. Haben Sie Hunger? Ich bereite Ihnen etwas wirklich Gutes.«

»Eine Fleischsuppe wäre mir recht«, murmelte ich. »Mehr verträgt mein Magen noch nicht. Und Kamillentee wäre auch nicht schlecht.«

Nach diesen Worten ging ich wieder zurück ins Haus. Aber ich legte mich nicht sofort wieder lang. Erst bewegte ich mich – wenn auch unter Schmerzen – im Schlafzimmer umher.

Wieder fragte ich mich, ob es Big Bull Mallone auch ähnlich ging wie mir. Denn das hätte mich zufriedener gemacht.

Als ich später auf dem Bettrand saß, brachte Mary mir die Suppe und den Tee. Ich ging zum Wohnzimmer hinüber und setzte mich an den Tisch.

Und dann kam Jessica Barnes von ihrem Ausritt heim und saß bald neben mir, trank Kamillentee wie ich.

Ich sah sie fest an.

»Jetzt ist es wohl Zeit, dass Sie mir endlich sagen, was Sie von mir wollen«, brummte ich. »Denn Sie haben sich weder in mich verliebt, noch halte ich Sie für einen wohltätigen Engel. Also ...«

»Und für was halten Sie mich?« Sie fragte es hart. Ihre Stimme klirrte ein wenig.

Ich dachte nach.

Ja, was für eine Frau war sie?

Ich wollte sie nicht beleidigen, musste also vorsichtig sein. Aber schließlich zuckte ich mit den Schultern und sprach: »Nun, schöne Jessica, es ist wohl so, dass Sie eine nach Beute jagende Raubkatze sind. Und aus irgendeinem Grund brauchen Sie mich.«

»Richtig«, nickte sie und trank einen Schluck Kamillentee.

Und dann sprach sie ganz ruhig: »Ich habe beim Poker einen ganzen Frachtwagenzug mit wertvoller Ladung gewonnen. Vierundzwanzig Murphy-Frachtwagen mit Anhängern. Und jeder wird von einem Dutzend Maultieren gezogen.«

Nun staunte ich. Und nun wusste ich es auch ganz genau. Sie war eine Spielerin, ein weiblicher Kartenhai sozusagen. O ja, ich wusste, es gab solche Ladys. Und sie hatte einen ganzen Wagenzug gewonnen.

Ich fragte nun aus Neugierde: »Und was hat der Wagenzug für eine Ladung?«

»Whisky«, sagte sie knapp, »nichts als Whisky, zweihundert große Fässer Whisky – guter Bourbon, kein Handels-Whisky, sondern bester Bourbon.«

Ich pfiff durch die Zähne. Sie besaß also vierundzwanzig Doppelwagen mit fast dreihundert Maultieren, zweihundert großen Whiskyfässern und zumindest fünfzig Mann. Denn die Fahrer dieser Murphy-Doppelschoner hatten stets einen Gehilfen, der auch als Bremser des Anhängers fungierte, wenn es steil bergab ging.

Ich versuchte mir auszurechnen, was wohl zweihundert große Fässer voll echtem Bourbon wert waren.

Aber da kam es wohl darauf an, wo man sie verkaufen wollte.

Deshalb fragte ich: »Wohin soll das Zeug?«

Dabei sah ich sie an. O weia, ich hätte es vielleicht in diesem Moment nicht tun sollen, denn durch das Fenster fiel nun Sonnenlicht herein und beschien ihr Gesicht. Es war ein Gesicht von einer starken, eindringlichen Schönheit, die vom Leben geformt wird, sodass die angeborene Schönheit sozusagen noch veredelt wird, weil es ausdrückt, dass diese Frau schon durch alle Höhen und Tiefen wandern musste, also die Liebe und auch die Enttäuschungen kannte. Diese Spuren von Glück und vergangener Bitterkeit waren zu erkennen, und so war das wache, leidenschaftliche, herrliche Gesicht einer Frau entstanden, dessen Ausdruck sich jäh zu verändern vermochte.

Himmel und Hölle, sie gefiel mir immer mehr! Denn es gingen starke Strömungen von ihr aus, die ich immer deutlicher spürte. Und ihre Stimme war stets melodisch und klang klar.

Ich war ja inzwischen wieder etwas erholt und konnte klarer denken als gestern nach dem Kampf. Ja, sie gefiel mir mächtig.

Meine Frage stand noch im Raum.

Und nun endlich kam ihre Antwort. »Den Bozeman Trail hinauf natürlich. Denn wo ließe sich bester Whisky teurer verkaufen als im Goldland?«

Nun wusste ich es genau. Und mit einem Mal war alles klar.

Dieser Whisky für besondere Kenner mochte zweihunderttausend Dollar wert sein, wenn nicht noch mehr.

Heiliger Rauch! Und sie wollte das Zeug selbst hinauf ins nordwestliche Montana bringen!

Ich kannte den Weg, denn ich war ihn mehrmals geritten. Von Kansas City ging es auf dem sogenannten Oregon Trail bis etwa dreißig Meilen hinter Fort Laramie. Dann bog der Oregon Trail nach Westen ab. Was weiter nach Norden ging, hieß nun Bozeman Trail. Er endete in Bozeman, einer verrückten Goldgräber- und Minenstadt, die aus einem primitiven Camp entstanden war und ein noch böseres Höllenloch war als Kansas City.

Ich staunte die schöne Jessica immer noch an.

»Nun gut«, sagte ich und grinste vorsichtig, damit meine Lippen nicht wieder aufplatzten. »Zwanzigtausend Liter Whisky sollen nach Bozeman. Was habe ich damit zu tun? Wo liegt der Hund begraben, schöne Jessica?«

Ich hatte nun die gute Fleischsuppe ausgelöffelt und in meinem Magen das Gefühl, er würde es vertragen. Auch der Kamillentee war gewiss nicht schädlich, eher heilend.

»Ich habe mich genau über Sie erkundigt, Al Kilbourne«, sprach sie sanft und klar zugleich. »Sie sind wahrscheinlich der einzige Mann unter zehntausend, der meinen Wagenzug ans Ziel bringen kann. Sie können kämpfen und deshalb eine raue Mannschaft bändigen. Man wird Sie als Boss respektieren. Und Sie kennen den Weg, das Land dort oben und die Indianer. Es sind noch einige andere Trapper und Bergläufer der Hirschlederbrigade aus Montana heruntergekommen. Ihr Name, Al, steht dem von Jim Bridger in nichts nach. Das sagen sie alle. Ich brauche Sie, Al. Sie sollen als Kind bei den Indianern gelebt haben. Einige der großen Häuptlinge sind Ihre Freunde. Ich brauche Sie, Al Kilbourne.«