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Es war schon fast Abend, als wir mit unseren Wildpferden die Red Mesa Station erreichten.
Wir - nun, das waren Carlos, Juan, Nemez und ich. Mich nannte man Gil Concho. Als mich damals Apachen am Concho Creek im Gebüsch fanden, war ich noch zu klein, um meinen Familiennamen zu wissen. Ich wusste nur, dass man mich Gil nannte, was wahrscheinlich eine Abkürzung von Gilbert war.
Sie nannten mich Concho, weil sie mich am Concho Creek fanden. Unser Wagen war damals von mexikanischen Bandoleros überfallen und meine Eltern getötet worden. Irgendwie hatte ich mich in den Dornenbüschen verkriechen können.
Nun, wir erreichten also damals kurz vor der Abenddämmerung die Red Mesa Station im Santa Juanita Canyon und trieben unsere Wildpferde in einen Corral.
John Farraday, der Stationsmann, kam uns vom Stationshaus entgegen, schnitt uns den Weg ab.
»Wie viele Pferde sind es?« So fragte er nach kurzer Begrüßung.
»Siebenundfünfzig«, erwiderte ich. »Wir bekommen fünfhundertundsiebzig Dollar, Mister Farraday. Am besten wäre, Sie geben uns jetzt hundert als Vorschuss. Den Rest holen wir uns, wenn wir nach unserer Feier wieder nüchtern sind.«
Er nickte.
Doch dann sagte er: »Geht nicht in den Saloon. Dort sind Al Wade und ein paar andere Skalpjäger, deren Namen ich nicht kenne. Aber es sind Skalpjäger. Geht lieber nicht in den Saloon.«
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Seitenzahl: 150
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Blutige Fährte
Vorschau
Impressum
Blutige Fährte
Es war schon fast Abend, als wir mit unseren Wildpferden die Red Mesa Station erreichten.
Wir – nun, das waren Carlos, Juan, Nemez und ich. Mich nannte man Gil Concho. Als mich damals Apachen am Concho Creek im Gebüsch fanden, war ich noch zu klein, um meinen Familiennamen zu wissen. Ich wusste nur, dass man mich Gil nannte, was wahrscheinlich eine Abkürzung von Gilbert war.
Sie nannten mich Concho, weil sie mich am Concho Creek fanden. Unser Wagen war damals von mexikanischen Bandoleros überfallen und meine Eltern getötet worden. Irgendwie hatte ich mich in den Dornenbüschen verkriechen können.
Nun, wir erreichten also damals kurz vor der Abenddämmerung die Red Mesa Station im Santa Juanita Canyon und trieben unsere Wildpferde in einen Corral.
John Farraday, der Stationsmann, kam uns vom Stationshaus entgegen, schnitt uns den Weg ab.
»Wie viele Pferde sind es?« So fragte er nach kurzer Begrüßung.
»Siebenundfünfzig«, erwiderte ich. »Wir bekommen fünfhundertundsiebzig Dollar, Mister Farraday. Am besten wäre, Sie geben uns jetzt hundert als Vorschuss. Den Rest holen wir uns, wenn wir nach unserer Feier wieder nüchtern sind.«
Er nickte.
Doch dann sagte er: »Geht nicht in den Saloon. Dort sind Al Wade und ein paar andere Skalpjäger, deren Namen ich nicht kenne. Aber es sind Skalpjäger. Geht lieber nicht in den Saloon.«
Er sprach seine Worte fast bittend.
Wir wussten jetzt, warum er uns entgegengekommen war. Er hatte mich und meine drei Partner warnen wollen. Denn Carlos, Juan und Nemez waren Halbblutmänner, Brüder überdies. Ihre Mutter war ein Mädchen vom Stamm der Chiricahuas, das von einem Missionar, der nicht keusch bleiben konnte, geschwängert worden war. Sie hatte ihre Söhne anfangs ohne Hilfe des Vaters aufziehen müssen, denn dieser hatte die Vaterschaft geleugnet, obwohl er als gläubiger Padre doch nach den Zehn Geboten leben sollte.
Die drei Brüder wuchsen dann teils bei den Apachen, teils bei den Missionaren auf, wobei Letztere wohl stets das Gefühl hatten, an Stelle ihres Mitbruders etwas gutmachen zu müssen.
Manchmal besuchten die Brüder ihre Mutter bei den Chiricahuas.
Als sie es wieder einmal taten, war diese nicht mehr am Leben. Skalpjäger hatten das Dorf überfallen.
Die Brüder waren also auf Skalpjäger nicht gut zu sprechen, wie man sicherlich verstehen kann.
Und Al Wade war ein im ganzen Land bekannter Skalpjäger. Manchmal zog er mit fünfzig Reitern los und brachte viele Skalpe zu den Prämienzahlstellen.
Noch bevor ich etwas sagen konnte, sprach Carlos kehlig: »Skalpjäger? Ay, ich glaube nicht, dass wir sie mögen. Und weil das so ist, gehen wir ihnen nicht aus dem Weg. Oder doch, Brüder?«
»Nein«, sagte Juan.
»Die sollen uns aus dem Weg gehen«, sprach Nemez.
Ich sagte nichts. Aber als sie sich wieder in Bewegung setzten, ging ich mit ihnen. Denn wir waren Partner, Sattelgefährten. Wir kannten uns schon lange und hatten einen Vertrag mit der Post- und Frachtlinie. Wir fingen Wildpferde und lieferten diese für zehn Dollar das Stück. Weitere fünf Dollar bekamen wir für das Zureiten. Bis die Tiere dann im Sechsergespann laufen konnten, mussten die Leute der Postlinie noch harte Arbeit leisten.
Doch die Postlinie bevorzugte die hageren Mustangs, weil sie zäh und ausdauernd waren, sodass sie von einer Station zur anderen durchhielten – also an die dreißig Meilen trabten oder gar galoppierten.
Nun, ich will nicht abschweifen.
Wir setzten uns also in Richtung Saloon in Bewegung. Drinnen tönte Gelächter. Mädchen kreischten. Die Gitarre und der Gesang der dicken Dolores Mateos waren verklungen.
Als wir die Tür erreichten, hielten wir an.
Es war eine Schwingtür. Man konnte über die Flügel hinweg in den Saloon sehen. Rauch, Schnaps- und Weingeruch und der Dunst von Leder, Schweiß und Menschen drangen uns in die Nase.
Auf einem Tisch tanzte eines von Dolores' Mädchen. Sie hatte nicht mehr viel an. Die Skalpjäger umstanden den Tisch und klatschten mit den Händen den Takt. Musik und Gesang waren nicht zu hören. Nur das brettharte Klatschen der Hände tönte und ließ den Körper des Mädchens zucken. Ich sah ihre weit geöffneten Augen und wusste, dass sie irgendein Zeug geraucht hatte. Sie war entrückt. Wahrscheinlich hatte sie das Gefühl zu schweben.
Carlos sagte rau hinter mir: »Gehen wir, Gil. Wir haben Durst.«
Er stieß mich sanft an.
Und so hatte ich die Wahl. Ich konnte ihm und seinen Brüdern den Weg freigeben oder vor ihnen hineingehen.
Ich tat Letzteres.
Als wir eintraten, sahen sie zu uns her.
Hier drinnen brannten schon die Lampen.
Ich kannte Al Wade vom Sehen. Und er kannte mich.
Er deutete sofort mit dem Zeigefinger auf mich, so als wäre sein Finger ein Revolverlauf.
In der anderen Hand hielt er ein halb volles Glas.
Laut sagte er: »Seht euch die an.«
Sie klatschten nicht mehr im Takt. Und auch das Mädchen auf dem Tisch hielt inne in seinen Bewegungen. Die Kerle sahen zu uns her.
Ich setzte mich zum Schanktisch hin in Bewegung. Die drei Brüder folgten mir. Obwohl ich mich nicht nach ihnen umsah, wusste ich, dass sie die Blicke der Skalpjägermannschaft hart, ja, mit Abneigung und Feindschaft erwiderten.
Ich konnte sie gut verstehen. Skalpjäger hatten ihre Mutter ermordet, um für deren Skalp fünfundzwanzig Dollar zu bekommen. Es war Abscheu und Hass in den drei Brüdern Carlos, Juan und Nemez Hermosillo.
Und sie waren stolz. Deshalb konnten sie nicht draußen bleiben. Sie mussten hereinkommen und deutlich machen, dass auch sie Rechte besaßen, die ihnen niemand streitig machen durfte, schon gar nicht solche blutigen Skalpjäger, also Mörder, Menschenjäger, welche auch Frauen und Kinder töteten und gewiss zum Dreck dieser Erde gehörten.
Als wir den Schanktisch erreichten, wischte Paco Mateos – es war der Mann der dicken Dolores – nervös mit einem Lappen auf der Platte herum.
»Tequila, Paco, Tequila für uns.« So sprach ich ruhig, denn wir wollten uns erst mal den Staub aus den Kehlen putzen und das Feuer im Leib spüren.
Aber da sagte Al Wades Stimme lässig: »Paco, den drei Indianern gibst du nichts! Jag sie raus! Indianer und Nigger haben in einem Saloon nichts zu suchen. Jag sie raus, Paco! Und wenn sie nicht parieren, machen wir ihnen Dampf.«
Nun war alles klar.
Ich vermochte ein bitteres Seufzen nicht zu unterdrücken. Da waren wir viele Wochen in der Einsamkeit gewesen und hatten Wildpferde gejagt. Und nun waren wir noch keine einzige Stunde wieder unter Menschen, und schon saßen wir im schlimmsten Verdruss.
Wir wandten uns um.
Und wir waren vier gegen sieben.
Carlos sagte: »Lasst uns nur in Ruhe, ihr Stinker. Oder ihr bekommt was aufs Maul.«
Es ging dann sehr schnell.
Einer der Kerle schnappte fluchend nach dem Colt. Sein Fluchen war auch das Signal für die anderen.
Und so zogen sie alle.
Nein, sie wollten nicht mit den Fäusten kämpfen.
Sie wollten schießen, und sie vertrauten auf ihre Revolverschnelligkeit.
Mein Colt krachte zuerst. Ich schlug sie alle.
Und ich schoss Al Wade in die Brust und schoss weiter. Ich sah in Mündungsfeuer und hörte das Krachen der Colts.
Pulverdampf breitete sich aus.
Dann wurde es still.
Ich spürte jetzt erst die Schmerzen einer Wunde und fiel auf die Knie.
Eines der Mädchen begann unter einem der Tische zu kreischen.
Doch die Stimme der dicken Dolores ertönte hinter dem Schanktisch, wo sie mit Paco kauerte: »Seid ihr jetzt fertig? Ist es nun genug?«
Es blieb eine Weile still. Man hörte in dieser Stille nur gepresste Atemzüge, Stöhnen, Schnaufen, kein einziges Wort.
Ich kam wieder auf die Beine. Nun spürte ich das Blut, das mir aus der Schulter lief, auch aus der Wunde im Rücken. Ich hatte also einen glatten Schulterdurchschuss.
Ich schwankte zum Schanktisch, hielt mich daran fest und griff nach der Flasche, die da zufällig stand. Nach einem langen Zug war wieder Wärme in meinem Leib.
Ich sagte heiser: »Los, steh auf, Dolores. Es ist vorbei. Steh auf und sieh nach meiner Wunde. Mach schon, Dolores!«
Sie erhob sich hinter der Bar, stand massig und fett vor mir auf der anderen Seite. Auch Paco erhob sich. Hinter mir krochen die Mädchen unter den Tischen hervor.
Eine sagte bitter: »Ihr verdammten Arschlöcher. Was habt ihr denn nun davon? Jetzt ist die ganze Bude voller Leichen! O Vater im Himmel, warum bin ich nur hier gelandet!«
»Weil dein Fahrgeld nicht weiter reichte, Lily«, sagte die fette Dolores. Sie wandte sich an Paco. »Vorwärts, hol das Verbandszeug. Wir haben hier eine Menge Löcher zuzustopfen. Die sind nicht alle tot.«
Eine Stunde später wussten wir es genau. Al Wade und drei seiner Skalpjäger waren ziemlich böse angeschossen, doch nicht tot. Drei von ihnen hatte ich erwischt. Auf unserer Seite gab es einen Toten: Nemez. Aber Carlos und Juan waren so böse getroffen, dass sie vielleicht ebenfalls sterben mussten.
Und das alles geschah nur, weil wir vor einer Bande von Skalpjägern nicht kneifen konnten – ja, nicht konnten.
Die Hermosillo-Brüder hassten Skalpjäger.
Und ich war ihr Compadre, ihr Partner, ihr Amigo.
Ich hatte zu ihnen halten müssen. Überdies hasste und verachtete ich Skalpjäger ebenfalls.
✰
Es geschah dann von einer Sekunde zur anderen.
Die dicke Dolores war soeben damit fertig, mir den Verband anzulegen. Sie ließ ein zufriedenes Schnaufen hören und sagte dann: »Du wirst wieder, du gelbhaariger Wildpferdjäger, du wirst wieder. Nur auf meine Mädchen wirst du ein paar Tage verzichten müssen, nicht wahr?«
Sie wandte mir den Rücken zu, warf dabei einen Blick zur Schwingtür und erstarrte jäh. In diesem Moment kam ein Pfeil und schlug mit einem dumpfen Patschen genau zwischen ihren gewaltigen Brüsten in die Magengrube.
»O Gott«, sagte sie noch, indes sie auf die Knie fiel.
Und sie sah dann gewiss auch noch einige Apachen in ihren Saloon springen wie die Teufel aus der Kiste.
Ich begriff in dieser winzigen Sekunde, dass sie hinter Al Wade und dessen Skalpjägern her waren.
Ich saß mit nacktem Oberkörper da. Unter meinem Schulterverband war Blut hervorgelaufen und getrocknet.
Ich hörte Pacos Schrei, der gurgelnd abbrach. Wahrscheinlich hatte er einen Pfeil in den Hals bekommen. Ich sah nicht hin, sondern starrte den Apachen entgegen.
Denn nun würde ich sterben – wie wir alle hier im Saloon.
Die Mädchen wimmerten, wollten wieder unter die Tische kriechen. Aber die Apachen waren schneller. Sie bewegten sich wie gleitende Wüstenwölfe, wenn diese ein Wild gestellt hatten und nun von allen Seiten angriffen, um es in Stücke zu reißen.
Einer der Apachen stand nun vor mir, sein Apachenmesser in der Hand. Ich wusste, er würde mir im nächsten Moment die Kehle durchschneiden. Ich starrte in seine Augen. Dabei hob ich langsam den Arm meiner gesunden Schulter.
Und dann sagte ich schnell in der Sprache dieses Chiricahua-Kriegers: »Ich bin Concho. Halt inne, Bruder. Denn ich habe mit meinen Amigos die Skalpjäger niedergekämpft. Warte noch, bevor du mich tötest.«
Er hielt inne. In seinem wilden Blick erkannte ich Staunen. Ich sah an ihm vorbei zur Schwingtür. Denn dort war jetzt eine Bewegung.
Und da sah ich ihn.
Hurtado.
Ich rief sofort: »He, Hurtado!«
Er kam näher. Es war still im Raum. Sogar die soeben noch kreischenden Mädchen waren still.
Hurtado und ich, wir kannten uns gut. Denn von seiner Sippe war ich damals gefunden und mitgenommen worden. Sie waren es, die mich später zu den Missionaren von Santa Cruz brachten.
Dies aber geschah erst nach einigen Jahren. Hurtado und ich, wir spielten als Kinder miteinander. Und als man auch ihn für einige Jahre zu den Missionaren gab, da waren wir Schüler des gleichen Jahrgangs. Das alles geschah in jener ziemlich kurzen Zeitspanne, da man wieder einmal versuchte, Apachen zu Christen zu bekehren und ihnen die Raub- und Mordlust abzugewöhnen.
Doch das war nicht möglich. Ein wilder Apache blieb ein wilder Apache.
Hurtado kam langsam näher und drängte den Krieger mit einer Armbewegung zur Seite. Er verhielt dann vor mir. Für einen Apachen war er ziemlich groß und recht gut proportioniert. Denn sonst waren die Apachen eher klein, schmalbrüstig und auch kurzbeinig.
Sie sahen nicht so aus, als könnten sie an einem Tag hundert Meilen durch wüstenähnliches Land traben. Aber sie konnten es. Ich wusste das genau.
Er betrachtete mich hart.
Einer seiner Krieger trat zu ihm und sprach schnelle Worte, die ich aber dennoch verstand. Denn die Krieger hier im Saloon hatten inzwischen herausgefunden, dass die Skalpjäger entweder tot oder schwer verwundet waren und dass offenbar ich mit den drei Hermosillo-Brüdern gegen sie gekämpft hatte.
Und natürlich waren auch die drei Hermosillo-Brüder einigen Apachen bekannt. Schließlich war ja deren Mutter eine Chiricahua gewesen.
Der Krieger berichtete also Hurtado alles mit schnellen Worten. Als er fertig war, nickte Hurtado mir zu.
Er sprach die englische und die spanische Sprache so gut wie ich. Und er sagte auf Englisch: »Ihr seid uns zuvorgekommen. Al Wade überfiel mit einem Dutzend Leuten eins unserer Dörfer, indes wir Krieger zum Pferdehandel drüben in Mexiko waren. Unsere alten Männer, die Frauen und die Kinder kämpften, so gut sie konnten. Sie töteten einige der Skalpjäger – aber dann mussten sie sterben. Jedenfalls die meisten von ihnen. Nur wenige konnten dem Massaker entrinnen. Draußen an einem der Sattelpferde hängt ein ganzer Sack voller Skalpe. Gil Concho, es gibt keine Gnade mehr zwischen uns und den Weißen. Du bist ein Weißer. Eines Tages wirst du Partei ergreifen müssen. Dann wirst auch du Apachen töten oder von ihnen getötet werden. Das wird so kommen. Heute lassen wir dich und die beiden Hermosillo-Brüder noch am Leben. Weil auch die beiden Brüder wie Weiße denken und wie Weiße leben, ist es vielleicht dumm von mir, sie nicht zu töten. Die Weißen sind zu sehr in der Überzahl. Und es werden immer mehr. Vielleicht ist es sinnlos, sie alle töten zu wollen. Aber was können wir anderes tun?«
Er wartete nicht auf eine Antwort. Vielleicht hatte er seine letzten Worte auch gar nicht als Frage gestellt.
Er wandte sich ab und ging hinaus.
Seine Krieger zerrten die vier kreischenden Mädchen mit hinaus.
Ja, sie nahmen sie mit.
Denn sie hatten ihre Frauen verloren.
Ich konnte nichts dagegen tun, gar nichts. Ich saß mit einer zerschossenen Schulter auf einem Stuhl. Rechts vor mir lag die dicke Dolores auf dem Rücken. Ein Pfeil ragte zwischen ihren Brüsten aus dem Körper.
Ich sah mich um.
Neben der Bar lag Paco, ihr um mehr als einen Kopf kleinerer Mann.
Überall lagen die Toten.
Doch Carlos und Juan Hermosillo hatten die Apachen am Leben gelassen, so wie mich.
Aber alle anderen waren getötet worden. Ich wusste, dass es auch draußen in den anderen Häusern so war. Die Red Mesa Station war überfallen und jedes Leben darin – bis auf uns drei und die Mädchen – ausgelöscht worden. Man hatte gewiss auch alle Tiere abgeschlachtet. Die meisten wenigstens. Denn dorthin, wo die Apachen nun flüchten würden, nahmen sie gewiss nur wenige Tiere mit. Denn ihre geheimen Wasserstellen reichten nicht für viele Menschen und Tiere.
So war das also. Ich wollte fluchen. Doch mir versagte die Stimme. Fluchen hatte keinen Sinn. Diese Welt hier war zu böse.
Ich roch nun Brandgeruch.
Ja, es brannte. Es musste das Saloondach sein. Es bestand aus Maisstroh, und es brannte gewiss bald wie die Hölle.
Ächzend erhob ich mich. Denn ich musste Carlos und Juan aus dem Saloon zerren. Vielleicht konnten sie mir – so angeschossen sie auch waren – ein wenig dabei helfen. Und über eines war ich mir klar: Hurtado hatte eine blutige Fährte auf seinem Ritt der Rache hinterlassen – und er würde diese blutige Fährte weiterziehen von Camp zu Camp, von Ranch zu Ranch und von Siedlung zu Siedlung.
Nur die größeren Ortschaften würde er umgehen.
Natürlich würden ihn bald Armeekommandos und Bürgermilizen verfolgen.
Doch diese Verfolger hatten keine Chance, sobald die Apachen in wasserloses Gebiet kamen, in dem nur sie die kleinen Wasserstellen kannten.
✰
Die Red Mesa Station brannte in dieser Nacht bis auf die Adobemauern der Gebäude und Hütten ab. Als nach Stunden nur noch die Trümmer rauchten, hörte ich sie kommen.
Ja, da kam eine Armeeabteilung. Man hörte es am Klirren all der Schnallen und Metallteile, die ein Kavallerist und dessen Pferd an sich trugen.
Ich hockte neben der Quelle, die aus einer Spalte der mächtigen Red Mesa rann, lehnte mit meiner gesunden Schulter an einem großen Stein.
Carlos und Juan lagen neben mir. Für Juan hatte ich jetzt ein wenig Hoffnung. Sicher hatte die Armeeabteilung einen Feldarzt oder wenigstens einen guten Sanitäter bei sich. Denn dann konnte man Juan vielleicht die Kugel herausholen, die dicht bei seinem Herzen saß und ihn andernfalls gewiss umbringen würde in den nächsten Stunden.
Ich fühlte mich schwach. Manchmal wurde es dunkel vor meinen Augen, sodass ich Mond und Sterne nicht mehr sehen konnte. Es war eine helle Nacht.
Am liebsten wäre ich eingeschlafen. Doch jetzt wollte ich durchhalten, bis die Soldaten bei uns waren.
Sie hatten längst die Rauchschwaden bemerkt, die die Gegend meilenweit verpesteten.
Schließlich tauchten drei Kavalleristen auf, indes die Abteilung in einiger Entfernung anhielt.
Einer der drei Soldaten war ein Sergeant.
Ich empfing ihn mit einem Krächzen, das erst nach einigen Worten verständlich wurde.
»Nun, Pferdesoldat, ihr habt euch mächtig Zeit gelassen. Die Apachen sind schon einige Stunden fort. Ihr konntet wohl nicht schneller reiten auf euren fetten Pferden, nicht wahr?«
Ich kannte den Sergeant. Er war in Camp Grant stationiert, das nun zu einem Fort ausgebaut wurde. Ich hatte ihm in der Kantine des Forts mal was auf die Nase gehauen, weil er mich anstänkerte.
Nun erkannte er mich endlich in der hellen Mond- und Sternennacht.
»Aah, du bist das.« Er grinste vom Pferd auf mich nieder. »Seid ihr drei hier die einzigen Überlebenden?«
»Wahrscheinlich«, erwiderte ich. »Habt ihr einen Doc bei euch? Der da braucht schnell Hilfe.« Ich deutete mit einer Kopfbewegung auf Juan, der rechts neben mir lag.
Der Sergeant schickte einen seiner beiden Begleiter zurück zur Abteilung, um dieser Meldung machen zu lassen. Dann saß er mit dem anderen Begleiter ab.
»Meine Nase ist jetzt schief«, knurrte er. »Ich hätte Lust, dir deine ebenfalls ein wenig schräg zu klopfen. Aber ich vergreife mich nicht an einem Verwundeten.«
»Weil du edel bist, Sersch.« Ich grinste. »Aber ich kann dir deine Nase ja mal bei Gelegenheit wieder geraderücken.«
Er grollte.
Ich wusste, auf diese Weise überspielte er sein Entsetzen.