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Es war an einem kalten Regentag, als ich die beiden Ex-Sergeants Mallony und Slater nach Fort Buford brachte. Ich hatte sie beide anschießen müssen, und es ging ihnen gar nicht gut.
Ich hatte sie vor drei Tagen bei einem Holzplatz am Strom erwischt, wo sie den Besitzer und dessen beide Söhne getötet hatten. Und Sally, die Tochter des Mannes, hatten sie ziemlich übel behandelt, um von ihr das Geldversteck zu erfahren.
Denn diese Holzplatzbesitzer am Strom, bei denen sich die Dampfboote mit Feuerholz versorgen mussten, um gegen die mächtige Strömung des Big Muddy ankämpfen zu können, besaßen stets eine Menge Bargeld, weil sie ihr Holz nur gegen bar abgaben.
Nun, ich war noch nicht ganz zu spät gekommen. Sie hatten der jungen Frau zwar schon die Kleidung vom Leib gerissen, und ich konnte auch hören, was sie alles mit ihr anstellen wollten, aber zum Schlimmsten kam es dann doch nicht. Wie eine Wildkatze hatte sie sich gegen die Kerle gewehrt.
Ich schoss sie buchstäblich von ihr herunter.
Und nun ritten wir durch den Regen auf Fort Buford zu ...
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Seitenzahl: 159
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Montana-Marshal
Vorschau
Impressum
Montana-Marshal
Es war an einem kalten Regentag, als ich die beiden Ex-Sergeants Mallony und Slater nach Fort Buford brachte. Ich hatte sie beide anschießen müssen, und es ging ihnen gar nicht gut.
Ich hatte sie vor drei Tagen bei einem Holzplatz am Strom erwischt, wo sie den Besitzer und dessen beide Söhne getötet hatten. Und Sally, die Tochter des Mannes, hatten sie ziemlich übel behandelt, um von ihr das Geldversteck zu erfahren.
Denn diese Holzplatzbesitzer am Strom, bei denen sich die Dampfboote mit Feuerholz versorgen mussten, um gegen die mächtige Strömung des Big Muddy ankämpfen zu können, besaßen stets eine Menge Bargeld, weil sie ihr Holz nur gegen bar abgaben.
Nun, ich war noch nicht ganz zu spät gekommen. Sie hatten der jungen Frau zwar schon die Kleidung vom Leib gerissen, und ich konnte auch hören, was sie alles mit ihr anstellen wollten, aber zum Schlimmsten kam es dann doch nicht. Wie eine Wildkatze hatte sie sich gegen die Kerle gewehrt.
Ich schoss sie buchstäblich von ihr herunter.
Und nun ritten wir durch den Regen auf Fort Buford zu ...
Auch Sally war mitgeritten.
Denn was sollte sie allein auf dem Holzplatz?
Mallony wandte sich im Sattel zu mir um: »Du willst uns wirklich der Armee übergeben, Keene?«
»Das ist mein Job«, erwiderte ich. »Und dein Job war es, deinen Vertrag mit der Armee zu erfüllen. Oder sehe ich das falsch?«
»Scheißarmee«, erwiderte er nur und wandte sich wieder nach vorn, starrte in den verregneten Spätnachmittag auf das Fort. Es lag am Strom, dort wo der Yellowstone in den Missouri floss.
Auch der Exsergeant Slater wandte sich nach mir um. Ich hatte sie beide in die Schulter geschossen. Sie hatten Wundfieber und böse Schmerzen. Nur mühsam hielten sie sich im Sattel. Aber sie waren ja harte Burschen.
Slater sagte: »Die Armee wird uns hängen. Hast du denn kein Verständnis für uns? Du hast uns schlimm genug angeschossen. Ist das nicht Strafe genug? Kannst du nicht verstehen, dass wir zwei arme Sergeanthunde waren, die sich vom Goldrausch anstecken ließen?«
Ich gab ihm keine Antwort. Was sollte ich ihm auch erwidern? Das Thema hatten wir in den vergangenen drei Tagen und Nächten zur Genüge diskutiert.
Sie waren Deserteure und Mörder. Und sie hatten der Armee Pferde, Sättel und Ausrüstung gestohlen. Ich aber war ein US Marshal.
Was die Armee mit ihnen machte, ging mich nichts an.
Ich sah mich nach Sally um, die hinter mir ritt.
Sie war gewiss ein mehr als nur hübsches Mädchen, aber nun sah ihr Gesicht zerschlagen aus, angeschwollen und verfärbt.
Die Drecksäcke hatten den Tod verdient.
Ich dachte in diesem Moment wieder an meine Bea, die für mich alles gewesen war auf dieser Erde – einfach alles. Und ihr war zugestoßen, was Sally durch mein Eingreifen erspart blieb.
Sally sah durch den Regen zu mir nach vorn. Sie wusste meinen fragenden Blick zu deuten und sagte laut genug über die Ohren ihres Pferdes hinweg: »Mir geht es gut, Adam Keene. Keine Sorge, die letzte Viertelmeile schaffe ich auch noch.«
Da sah ich wieder nach vorn, dachte an meine Bea, der ich damals nicht zu Hilfe kommen konnte, und verspürte eine grimmige Genugtuung, dass ich die beiden Dreckskerle da vor mir einbringen konnte.
Nein, es war kein Stolz, aber ein Gefühl der Genugtuung, welches man wohl stets verspürt, wenn man seinen Job endlich erledigt hat.
Wenig später erreichten wir das offene Eingangstor des Forts.
Der Sergeant der Wache trat zu uns und starrte die Gefangenen an.
»Hat euch der Bluthund doch erwischt, ihr armen Schweine«, sagte er.
Dann starrte er zu mir hoch.
»Macht dir das Freude, Menschen zu jagen, Keene?«, fragte er angriffslustig.
Er stand ganz offensichtlich auf der Seite dieser Deserteure und Mörder. Und vielleicht wäre auch er längst desertiert, wenn ein Entkommen so leicht gewesen wäre. Das Klima hier im Fort war denkbar schlecht, denn alle wussten, dass die Indianer bald den großen Krieg anfangen würden. Und dann ging es den Soldaten in diesem Territorium verdammt dreckig.
Bald würde die große Büffeljagd auf der Prärie beginnen. Die Stämme würden sich mit Fleisch versorgen bis zum nächsten Frühling. Die Frauen und Kinder der Dörfer würden Beeren, Pilze und essbare Wurzeln sammeln. Sie würden reichlich Pemmikan herstellen, diese luftgetrocknete, gemahlene, mit Talg vermischte Fleischpaste, die sie in Rohhautbeutel füllten und die eine nahrhafte Winternahrung war.
Danach würden sie Krieg machen. Das wusste jeder Soldat hier im Fort. Und weiter im Norden lockte das Gold. Deshalb war die Stimmung so schlecht. Und die Disziplin war gnadenlos hart.
Ich brachte die Gefangenen zum Gefängnis hinüber und gab sie dem Profoss-Sergeant. Auch der starrte mich böse an, aber zu den stöhnenden Gefangenen sagte er: »Ihr kommt ins Lazarett. Ich übergebe euch erst mal dem Doc.«
Aber das war mir völlig gleichgültig. Ich hatte sie abgeliefert und meinen Job getan.
Nun sah ich mich nach Sally um.
Sie hielt mitten auf dem Paradeplatz im strömenden Regen, und sie kam mir so einsam und verlassen vor. Und so ritt ich zu ihr und sah sie fragend an. »Ich danke Ihnen, Adam Keene«, sprach sie.
Oha, sie tat mir leid.
»Was werden Sie tun, Sally Coburne?«, fragte ich sanft.
Sie hob die Schultern und ließ sie wieder sinken. »Ich habe fast zweitausend Dollar«, erwiderte sie dann. »Dafür haben mein Vater und meine Brüder hart gearbeitet. Ich werde für mich sorgen können. Auch das Pferd kann ich verkaufen. Dann nehme ich das nächste Dampfboot nach New Orleans. Es soll eine schöne Stadt mit französischem Flair sein. Ich habe davon gehört und möchte sie kennenlernen.«
Sie ritt aus dem Fort. Gewiss würde sie in den Pensionen an den Landebrücken unten am Strom ein Zimmer bekommen und konnte in aller Ruhe auf ein Dampfboot warten, welches von Fort Benton herunterkam.
Ich ritt zur Kommandantur hinüber, um mir vom Adjutanten die Einlieferung der beiden Deserteure bescheinigen zu lassen.
Danach würde ich mein kleines Office außerhalb des Forts aufsuchen, nach Post sehen, meinen Bericht schreiben und mir ein paar schöne Tage und Nächte machen.
Denn immer, wenn ich Zeit zum Nachdenken bekam, hatte ich den Wunsch nach Vergessen. Kimberly würde mir dabei helfen. Es würde so sein wie immer, wenn ich von einer Menschenjagd zurückkam und mir darüber klar wurde, dass ich Bea nicht hatte helfen können und ihre Mörder und Schänder immer noch frei und unbestraft herumliefen.
Ja, Kim würde mir helfen beim Vergessen.
✰
Es war am nächsten Tag, als ich neben Kimberly Stone erwachte.
Sie stützte sich auf die Ellbogen und sah mich an. Wahrscheinlich tat sie das schon eine Weile, und ich hatte es im Unterbewusstsein irgendwie gespürt.
»Du trinkst zu viel«, sagte sie. »Ich wette, du hast einen riesigen Kater. Verdammt, Adam, ich gebe mir alle Mühe, dich Bea vergessen zu lassen. Aber ich schaffe es wohl auch in tausend Jahren nicht. Doch du wirst sie vergessen und dich für eine andere Frau entscheiden müssen, wenn du irgendwann mal deine Ruhe finden willst.
»Ich weiß«, hörte ich mich heiser erwidern. Doch dann kam schon wieder jener dumme Stolz in mir hoch.
»Wenn du mich nicht mehr ertragen kannst, Kim«, knurrte ich, »dann sag es mir nur.«
»Du blöder Hirsch«, erwiderte sie und erhob sich, ohne sich wie sonst noch einmal in meine Arme zu drängen.
»Ich werde uns das Frühstück machen«, sprach sie über die Schulter zurück.
Sie war nackt wie ihre Urahne im Paradies. Und sie war wunderschön. Dennoch konnte sie mich Bea nicht vergessen lassen.
Sie warf sich den Morgenmantel um die Schultern und verschwand in der Küche. Dort hatte sie eine richtige Wasserpumpe, was hier ein Luxus und eine Seltenheit war. Ich hörte das Wasser in die große Wanne plätschern.
Aber ich lag noch unbeweglich da, ertrug das Hämmern in meinem Kopf, meinen Kater und meine Gedanken.
Ja, sie hatte recht. Ich konnte mir nicht bis ans Ende meiner Tage Vorwürfe darüber machen, dass ich nicht da gewesen war, als Bea meine Hilfe gebraucht hatte. Und so erhob ich mich endlich.
✰
Es wurde ein gutes Frühstück. Kimberly war eine tüchtige Frau. Sie führte die Handelsagentur hier bei Fort Buford, dazu eine kleine Reederei mit zwei kleineren Dampfbooten. Das alles hatte sie von ihrem verstorbenen Mann übernommen, der mehr als zehn Jahre älter gewesen war als sie.
Sie war jetzt dreißig, also drei Jahre jünger als ich. Und sie besaß gute, zuverlässige Leute, die schon ihrem Mann die Treue gehalten hatten.
Damals, als er die Handelsagentur errichtete, hatte noch Frieden mit den Indianern geherrscht.
Nun, es wurde also ein gutes Frühstück zwischen Kimberly und mir. Wir saßen uns gegenüber und sahen uns immer wieder an. Der starke Kaffee regte meine Lebensgeister an und vertrieb auch meine Kopfschmerzen und den Kater.
Wir sprachen zuerst nicht viel. Dann aber fragte Kimberly: »Wie lange willst du deinen Job als Marshal noch machen?«
»Bis ich die Kerle gefunden habe, die meiner Bea all das Schreckliche antaten«, erwiderte ich. »Das bin ich ihr schuldig.«
Sie nickte. »Ja, so bist du«, sprach sie dann langsam und wiederholte es nochmals eindringlich, »Ja, so bist du wirklich. Also muss ich wohl warten, bis du dich von dieser Schuld befreit fühlst. Aber wie willst du die Kerle finden?«
Ich starrte in die Kaffeetasse und murmelte: »Es waren drei. Und sie nahmen Beas Schmuck mit. Es war alter Familienschmuck von ihren Vorfahren, die in Schottland lebten. Irgendwo und irgendwann wird dieser Schmuck auftauchen. Sie werden ihn gewiss nicht selbst tragen – aber vielleicht verschenken oder verkaufen. Ich kenne die Kerle nicht, aber ich würde darauf wetten, dass sie steckbrieflich gesucht werden und deshalb hier oben in Montana leben – irgendwo, vielleicht im Goldland oder am Strom. Ich muss nur lange genug geduldig suchen. Irgendwann finde ich schon eine Spur.«
»Und so lange willst du den Stern tragen?«
Ich sah sie an und nickte. »Der Marshaljob sichert mir meinen Lebensunterhalt. Ich bin ein Banditenjäger. Irgendwann stoße ich auf die Kerle. Ja, so lange werde ich den Stern tragen, Kimberly.«
Sie nickte. Dann erhob sie sich.
»Ich glaube, wir müssen uns jetzt wieder um unsere Geschäfte kümmern, Adam. Bevor du Marshal wurdest, warst du ein Landvermesser, der im Auftrag der Regierung Karten von diesem Land anfertigte.«
»Ein Landvermesser und Kartograf.« Ich grinste schief. »Aber auch ein Bergläufer, Scout und Flussschiffer. In diesem Land muss ein Landvermesser und Erkunder alles sein. Es war mein Fehler, dass ich Bea auf einem Dampfboot traf und wir uns nicht mehr trennen wollten. Deshalb nahm ich sie mit. Genau das aber war falsch. Auch ich erhob mich nun. »Ja, Kim, wir müssen uns wieder um unsere Arbeit kümmern. Es war schön mit dir. Darf ich wiederkommen?«
»Zu jeder Zeit«, erwiderte sie ruhig.
Dann ging ich.
An einer der Landebrücken lag ein Steamer der Regierung. Man erkannte es an der Flagge, die über der Flagge der Reederei wehte.
Es war ein gewöhnliches Dampfboot, doch weil es Post beförderte, auch Regierungspost, fuhr es als Charterboot unter der Regierungsflagge.
Vor meinem Office wartete ein Mann, den ich kannte. Es war der Kapitän der »Rosebud«. Er nickte mir zu und fragte. »Schöne Nacht gehabt, Marshal?«
Ich gab ihm darauf keine Antwort, obwohl ich Pete Skinner mochte. Und da sah er wohl ein, dass seine Frage etwas zu intim war. Er grinste entschuldigend und sagte: »Ich habe nicht nur Regierungspost an Bord, sondern auch Lohngelder für die Regierungsminen. Zehntausend Dollar. Sie sollen den Transport bis Fort Benton begleiten. Ich lege in einer Stunde wieder ab und gehe in den Strom.«
Ich nickte nur und schloss die Tür meines Offices auf. Über die Schulter sagte ich: »Gut, Skinner, ich werde an Bord sein. Doch ich nehme auch mein Pferd mit. Das Pferd muss mit an Bord.«
Er nickte und ging.
Ich setzte mich hinter meinen Schreibtisch und erledigte ein paar dringende Dinge. Dann wurde es Zeit, an Bord zu gehen.
Ich holte meinen braunen Wallach aus dem Stall. Er war am Tag zuvor noch vom Gehilfen des Schmieds und Mietstallhalters gut versorgt worden.
Von Fort Buford bis nach Fort Benton waren es fast siebenhundert Flussmeilen stromauf. Die »Rosebud« – wenn sie Tag und Nacht im Strom bleiben konnte – würde etwas mehr als hundert Stunden brauchen.
✰
Die »Rosebud« war bis auf den letzten Platz gefüllt wie eine Büchse mit Bohnen. An Deck war jeder Platz belegt. Sogar auf den Brennholzstapeln lagen oder hockten sie und waren Wind und Wetter ausgeliefert. Aber sie alle wollten ins Goldland, um dort ihr Glück zu finden. Und so hatten sie ein paar Dollar zusammengekratzt für die Passage nach Fort Benton.
Es gab auf dem Kabinendeck ein Dutzend Luxuskabinen. Eine war für mich freigemacht worden. Aber das hatte man dem bisherigen Passagier schon in Saint Louis mitgeteilt und ihn auch nur die Passage bis Fort Buford bezahlen lassen.
Als ich an Bord kam, sagte mir der Zahlmeister das und fügte hinzu: »Der geht nicht raus aus der Kabine. Er ist ziemlich betrunken und hat gedroht, dass er jedem dummen Hirsch was aufs Geweih drischt, der ihn stören sollte. Soll ich einige Männer unserer Besatzung ...«
Ich ließ ihn nicht weiterreden. Als Zahlmeister mochte er gut sein, doch als Mann war er eine Pfeife. Und so unterbrach ich ihn mit den Worten: »Ich erledige das schon. Welche Kabine ist es?«
»Die zweite Backbordkabine, Sir.«
Ich ließ mir Zeit und sah erst noch zu, wie mein brauner Wallach mit dem Ladebaum an Bord gehievt wurde. Er würde den Deckpassagieren einigen Platz wegnehmen und eine Menge Äpfel fallen lassen. Es würde Proteste geben.
Ich hörte den Bootsmann grimmig rufen: »Wem das nicht passt, der kann von Bord gehen. Niemand muss auf der ›Rosebud‹ bleiben, dem sie nicht komfortabel genug ist.«
Ich ging hinauf zum Kabinendeck und erreichte meine Kabine.
Als ich sie öffnete, hörte ich ein gewaltiges Schnarchen. Und zugleich roch ich auch, dass hier ein Säufer und Furzer schon einige Tage und Nächte verbracht hatte.
Ich trat an das Doppelbett und betrachtete den Mann. Er war ein Ungetüm von gewiss mehr als zweihundertfünfzig Pfund. Und es waren nur Muskeln und starke Knochen. Nun wusste ich, warum der Zahlmeister mit seinen Männern gekniffen hatte. Denn der Riese hätte sie zum Mond gefeuert.
Ich betrachtete ihn eine Weile und wusste, mein Stern würde ihm nicht besonders imponieren. Überdies war ich auch gar nicht mit der Marshal-Plakette an der Brust an Bord gekommen. Ich trug sie in der Hosentasche und wollte nicht als Marshal erkannt werden.
Was also sollte ich tun?
Der Kabinensteward – ein Schwarzer – steckte seinen wolligen Kopf herein und fragte: »Sir, ich konnte noch nicht sauber machen. Werden Sie ihn rauswerfen?«
»Schaff mir einen Eimer Flusswasser her«, verlangte ich.
Der Schwarze grinste, verschwand und brachte mir den vollen Eimer so schnell, dass er ihn draußen auf dem Deck schon bereitgestellt haben musste.
»Der wird aber mächtig losbrüllen und gegen Sie stürmen wie ein Toro«, sagte der schwarze Boy und zeigte wieder seine blinkenden Zahnreihen.
Ich nahm den Eimer und leerte ihn über dem bärtigen Gesicht des schnarchenden Ungetüms aus.
Der Mann richtete sich auch sofort brüllend auf, wie der Steward es vorausgesagt hatte. Und dann kam er auch schon brüllend wie ein Kampfstier mit gesenktem Kopf und vorgestreckten Armen und gewaltigen Händen, die nach mir greifen wollten.
Ich stand in der offenen Tür.
Und dann machte ich es wie ein Torero. Ich drehte mich zur Seite und ließ ihn an mir vorbeidonnern mit Gebrüll. Zugleich stellte ich ihm ein Bein, sodass er stolperte und erst von der Reling abgefangen wurde. Fast wäre er von selbst über die Reling geflogen. Im letzten Moment hielt er sich fest. Doch ich half nach.
Brüllend stürzte er in den Fluss, tauchte unter und kam wieder hoch. Denn das Wasser hier an der Landebrücke reichte ihm nur bis unters Kinn.
Und so brüllte er und schwang seine Fäuste. jetzt war er auch so richtig wach und begriff, wie sehr er sich selbst zum Verlierer gemacht hatte. Oha, was wünschte er mir nun alles.
Und zuletzt brüllte er: »Warte, ich komme wieder an Bord! Warte, du Hurensohn, ich schlage dir gleich den Schädel ein!«
Er war ein dummer, wilder und primitiver Narr.
Und er würde nicht mehr an Bord kommen können, denn die »Rosebud« machte die Leinen los und zog die Gangway ein. Sie legte ab. Das Schaufelrad am Heck drehte sich. Der brüllende, zweibeinige Bulle im Wasser würde bald umgeworfen werden von der Strömung, die das Schaufelrad erzeugte.
Ich wandte mich an den grinsenden Steward.
»Wirf sein Gepäck über Bord«, wies ich ihn an.
Der Bulle im Wasser brüllte: »Merk dir meinen Namen, du Hurensohn! Ich bin Mike Lonnegan, der stärkste Mann auf dem Missouri! Ich werde dir folgen. Und ich finde dich, wohin du auch gehst. Ich schlage dir irgendwo und irgendwann den Schädel ein, darauf kannst du wetten!«
Nun rauschte das Schaufelrad an ihm vorbei. Die Wellen und die Strömung rissen ihn von den Beinen. Er tauchte unter und kam prustend wieder hoch. Ich winkte ihm zu.
Der schwarze Junge mit den blinkenden Zahnreihen lachte vergnügt und sprach: »Sir, der versteht wirklich keinen Spaß. Die Kabine wird in zwei Stunden sauber sein und nicht mehr stinken. Sie können sich auf mich verlassen, Sir.«
»Wie heißt du, Junge?« So fragte ich
»Ach, sie nennen mich hier an Bord einfach nur Nigger.« erwiderte er. Dabei sah er mich fest an, und ich erkannte in seinen Augen, dass er die Einstellung jener Menschen besaß, die sich alles leicht machen, weil sie über alles, was ihnen widerfährt lachen, einfach nur lachen und es abschütteln wie Hunde das Wasser aus ihrem Fell.
»Sir«, sprach er dann würdig, »mein Name ist George Washington. Mein früherer Herr, der eine Sklavenzucht betrieb, hat mich so getauft. Ich kann nichts für meinen Namen. Aber es ist ein schöner Name, nicht wahr?«
»Ja, es ist ein schöner Name, George.« Ich nickte und ging davon, um nach meinem Pferd zu sehen.
Unten am Niedergang zum Hauptdeck stand der Zahlmeister und grinste mich an. »Wir haben noch mehr schlimme Burschen an Bord«, sagte er, »aber dieser war der schlimmste Passagier, den wir jemals hatten. Er ist ein Preiskämpfer, der im Goldland Preiskämpfe austragen wollte gegen jeden, der sich gegen ihn anzutreten getraut. Der hat auch noch ein paar Begleiter an Bord, die als Deckpassagiere reisen. Sie alle zusammen sind eine üble Bande. Passen Sie nur gut auf sich auf, Marshal. Sonst ...«
»Nennen Sie mich hier an Bord nie wieder Marshal«, unterbrach ich ihn. »Ich trage meinen Stern in der Tasche.«
Nach diesen Worten ging ich nach vorn. Denn dort stand zwischen den beiden Lademasten mein Pferd, mein guter, zäher, narbiger brauner Wallach. Und er hatte auch schon einen Haufen Äpfel fallen lassen, weil er offenbar durch das Anbordhieven nervös geworden war.
Einige der Deckpassagiere umgaben ihn. Und sie alle waren grimmig.
Einer sagte böse: »Man sollte den verdammten Gaul über Bord jagen, verdammt! Er nimmt uns eine Menge Platz weg auf diesem überfüllten Eimer. Ist denn so ein scheißender und pissender Gaul wichtiger als Menschen?«
Ja, der Bursche war so richtig böse, weil er offenbar seinen Deckplatz verloren hatte.
Aber ich konnte ihm nicht helfen. Ich war Marshal und musste meinen Job machen. Und da konnte es durchaus sein, dass ich mein Pferd brauchte.