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Als die Postkutsche die Wasserscheide des Mateo-Passes erreicht, hält der Fahrer an, um das Sechsergespann verschnaufen zu lassen. Er, sein Begleitmann und die vier männlichen Passagiere verlassen die Kutsche. Der Fahrer ruft halblaut: »Die Ladys nach links und die Gentlemen nach rechts!«
Doch Sarah Wheeler, die als einzige Frau in der Kutsche mitfährt, macht von dem Angebot keinen Gebrauch. Sie steigt nicht einmal aus, um sich die Beine zu vertreten. Sie bleibt in der Kutsche, erwacht gar nicht richtig aus ihrem Halbschlaf. Sie ist zu müde und erschöpft, und dies ist kein Wunder, denn sie ist schon viele Tage und Nächte unterwegs.
Einer der Männer sagt zum Kutscher: »Was ist, wenn die verdammte Armee die verdammten Apachen doch nicht verjagt hat und dieser verdammte Pass gar nicht frei ist?« Der Mann gehört offenbar zu jener Sorte von Menschen, bei denen jedes dritte Wort ein Fluch ist.
Der Fahrer aber lacht leise und mit einem deutlichen Klang von Bitterkeit. Dann sagt er grimmig: »He, Mann, was dann ist, wollen Sie wissen? Oha, wenn die verdammte Armee mal wieder nicht geschafft hat, was sie versprach, dann ...«
Der Fahrer kommt nicht weiter mit seinen Worten. Denn ein Apachenpfeil durchschlägt seinen Hals. Und neben ihm sterben auch die anderen Männer ...
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Seitenzahl: 153
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Verdammte Flagge
Vorschau
Impressum
Verdammte Flagge
Als die Postkutsche die Wasserscheide des Mateo-Passes erreicht, hält der Fahrer an, um das Sechsergespann verschnaufen zu lassen. Er, sein Begleitmann und die vier männlichen Passagiere verlassen die Kutsche. Der Fahrer ruft halblaut: »Die Ladys nach links und die Gentlemen nach rechts!«
Doch Sarah Wheeler, die als einzige Frau in der Kutsche mitfährt, macht von dem Angebot keinen Gebrauch. Sie steigt nicht einmal aus, um sich die Beine zu vertreten. Sie bleibt in der Kutsche, erwacht gar nicht richtig aus ihrem Halbschlaf. Sie ist zu müde und erschöpft, und dies ist kein Wunder, denn sie ist schon viele Tage und Nächte unterwegs.
Einer der Männer sagt zum Kutscher: »Was ist, wenn die verdammte Armee die verdammten Apachen doch nicht verjagt hat und dieser verdammte Pass gar nicht frei ist?« Der Mann gehört offenbar zu jener Sorte von Menschen, bei denen jedes dritte Wort ein Fluch ist.
Der Fahrer aber lacht leise und mit einem deutlichen Klang von Bitterkeit. Dann sagt er grimmig: »He, Mann, was dann ist, wollen Sie wissen? Oha, wenn die verdammte Armee mal wieder nicht geschafft hat, was sie versprach, dann ...«
Der Fahrer kommt nicht weiter mit seinen Worten. Denn ein Apachenpfeil durchschlägt seinen Hals. Und neben ihm sterben auch die anderen Männer ...
Der wilde Pumaschrei der Apachen klingt durch die mondhelle Nacht. Aus dem Schatten der Felswand, deren Rissen und Spalten, hinter den Dornbüschen hervor, springen die sehnigen, halb nackten Gestalten der Angreifer.
Doch die sechs Gespannpferde der Kutsche rasen los, erschreckt vom Pumaschrei.
Und so kommt es, dass die Kutsche den Apachen vorerst mal davonfährt.
In der Kutsche aber erwacht Sarah Wheeler aus ihrem Halbschlaf. Denn diesen Apachenschrei kennt sie gut genug. Es ist erst wenige Jahre her, da sie ihn hörte. Sie war damals noch ein Mädchen an der Schwelle zur Frau. Und ihre Mutter warf sich in jenem jämmerlichen Armeezelt, das so wenig Schutz bot, über sie, um sie mit ihrem Körper zu schützen, indes die Apachenpfeile durch das Zelt fauchten.
Der Weg vom Pass hinunter zum Canyon des Cherry Creek ist schmal und gewunden. Die Postkutsche jedoch ist ohne Fahrer. Dass sie mit dem durchgehenden Gespann nicht schon bei der ersten Biegung abstürzt, liegt nur daran, dass das Gespann diesen Weg schon oftmals hinter sich brachte und selbst in Panik instinktiv das tut, was ihm sonst der Fahrer mit Hilfe der Zügel und viel Gebrüll abverlangt.
Sarah Wheeler aber ist sich der Gefahr bewusst, in der sie schwebt. Und nur ein gütiges Geschick wird sie retten können.
Einige Male wird die Kutsche auf zwei Rädern um die Biegungen geschleudert, hängt mit den anderen Rädern über dem Abgrund. Das Gespann gerät noch mehr in Panik, steigert weiter sein Tempo, und die Katastrophe scheint nicht mehr aufzuhalten zu sein.
Sarah Wheeler kann nichts tun als beten und hoffen.
Doch dann ist es plötzlich überstanden.
Irgendwie beginnt sie zu begreifen, dass entweder ihre Bitte vom Himmel erhört wurde oder auf andere Weise ein Wunder geschehen ist.
Denn sie haben den gefährlichen Passweg hinter sich gebracht, ohne abzustürzen. Jetzt geht es zwar immer noch abwärts, doch der Weg wird breiter, und die Biegungen sind nicht mehr so eng. Das Gespann beruhigt sich allmählich.
Wahrscheinlich läuft es nur deshalb weiter, weil es vor sich die nächste Pferdewechselstation weiß, wo es abgelöst wird und sich in einem Corral bei Futter und Wasser erholen kann.
Bald trabt das fahrerlose Gespann mit der Kutsche durch den Cherry Creek Canyon unterhalb des Tonto Rim zum Tonto Basin hinunter, das auch Mogollon Rim und Mogollon Basin genannt wird.
Der Cherry Creek mündet in den Salt River, etwa in der Mitte zwischen Fort Apache und einer aus einem Camp entstehenden Stadt, die man bald Phoenix nennen wird. Denn wie der Phoenix aus der Asche, so wird sie in der Wüste erstehen, sobald das Problem der Bewässerung gelöst ist.
Doch davon weiß Sarah Wheeler nichts.
Die Kutsche schwankt und rüttelt nicht mehr so schlimm. Das Gespann zieht sie nun in einem ruhigen Trab.
Und dann hält es an.
Sarah Wheeler klettert hinaus. Als sie im Mond- und Sternenlicht die Adobehütten, die Corrals und Schuppen sieht, da stößt sie einen lauten Ruf aus und wundert sich dabei, dass sich noch niemand zeigte.
Der Stationsmann und dessen Leute mussten in der stillen Nacht doch die Kutsche schon aus meilenweiter Entfernung gehört haben.
»Hoiii, Leute!« So ruft Sarah abermals.
Aber sie erhält keine Antwort.
Nichts regt sich.
Dann sieht sie den toten Hund zu ihren Füßen.
Und dann weiß sie, dass die Apachen zuerst hier waren, bevor sie den Pass hinauf zur Wasserscheide ritten, um dort auf die Kutsche zu warten.
Warum warteten sie nicht hier? Dies fragt sie sich.
Wie eine Antwort auf ihre Frage hört sie plötzlich etwas.
Und das Geräusch kennt sie. Es ist ihr vertraut aus der Kindheit, als sie mit ihrer Mutter noch bei der Armee lebte – leben musste. Was sie da kommen hört, ist der klirrende Trab reitender US-Kavallerie, jenes unverkennbare Geräusch, das sich zusammensetzt aus Hufschlag, klirrenden Metallteilen, Säbelgerassel, Pferdeschnauben, Klappern irgendwelcher Ausrüstungsstücke.
Was da kommt, muss die Eskorte sein, die ihr Vater aus Camp Mateo zur Cherry Canyon Station gesandt hat, um sie von hier abzuholen. Denn ihr Vater ist der Kommandant von Camp Mateo.
Sie stößt einen befreiten Ruf aus.
Denn sie glaubt, dass sie nun gerettet ist.
Soldaten kommen.
Sie ist wieder bei der Armee, so wie damals, als Mutter, Vater und sie noch eine Familie waren und bevor ihre Mutter mit ihr aus diesem verdammten Land floh wie aus der Hölle.
Sie verharrt bewegungslos beim Brunnen vor dem Stationshaus, als Lieutenant George Howell mit sechs Soldaten angeritten kommt, denen ein leichter Bagagewagen folgt.
Als die kleine Kolonne anhält, verharrt Sarah immer noch bewegungslos.
Der Lieutenant kommt herbei geritten und hebt grüßend die Hand an die Hutkrempe. Im Mondschein betrachten sie sich einige Sekunden lang schweigend.
Dann sagt er: »Sarah, du bist wunderschön geworden. Und es ist kaum mehr als vier Jahre her.«
»Verdammt, George Howell«, unterbricht sie ihn. »Hast du noch nicht begriffen, dass ich ganz allein hier bin, dass es außer mir kein Leben gab, bevor ihr herkamt? Gleich werden die Apachen hier auftauchen. Und du redest von meiner Schönheit! O zum Teufel, was ist los mit dir?«
Sie sieht ihn im Sattel zusammenzucken. Dann blickt er sich rasch um. Und endlich dämmert es ihm, wie wenig hier auf dieser Pferdewechselstation in Ordnung ist.
Seine Stimme klingt schrill, als er seinen Reitern zuruft: »Absitzen! Die Station durchsuchen! Alles für eine Verteidigung vorbereiten! Vorwärts, Leute!«
Er schwingt sich vom Pferd, so, als befürchte er plötzlich, dort oben im Sattel ein gutes Ziel zu bieten.
Als er an Sarah herantritt, erkennt sie seinen unsicheren Gang. Und das kann nicht nur mit Sattelsteifheit zusammenhängen – nein, sie spürt nun auch ein wenig von seinem Atem. Und da kann sie es wittern. Ja, sie ist plötzlich sehr sicher, dass er nicht nüchtern ist. Er hat getrunken. Sie wittert den Geruch von billigem, doch starkem Brandy, wie man ihn in der Kantine ausgeschenkt bekommt.
Oh, was ist aus George Howell geworden?, denkt sie bestürzt. Und dabei erinnert sie sich wieder daran, wie ehrgeizig, schneidig und wagemutig er damals vor vier Jahren als blutjunger Offizier war, als er geradewegs von West Point zur Einheit ihres Vaters hier ins Arizona-Territorium kam.
Jetzt ist er offenbar ein Säufer.
Und dabei sieht er immer noch beachtlich aus, sehr männlich und kühn, ganz und gar wie ein Offizier, der zu führen versteht.
»Erzähl mir, was geschehen ist, Sarah«, verlangt er und kämpft dabei gegen seine Trunkenheit an. Seine Sprechweise wird sicherer.
Sie berichtet ihm alles mit knappen Worten, und sie staunt dabei über sich, weil sie alles so beherrscht und sachlich schildern kann, als berührte es sie innerlich nicht.
Als sie verstummt mit ihrem Bericht, nähert sich Sergeant Tab Hunter.
Er wirft ihr einen forschenden Blick zu.
»Hey, Tab«, sagt Sarah, »ich habe nicht vergessen, dass ich auf deinen Knien reiten lernte, als du noch der Bursche meines Vaters warst. Und dann hast du mich vor dich auf dein Pferd genommen – später als Corporal. Weißt du noch, ich habe dir damals zum Abschied einen Kuss auf die Wange gegeben. Komm her, damit ich dies auch zum Wiedersehen tun kann!«
»O Miss Sarah ...«, ächzt Sergeant Tab Hunter.
Aber sie wirft sich in seine Arme und küsst seine stoppelbärtige Wange, auf der Schweiß und Staub eine schmierige Schicht bilden.
Dies besiegelt ihre endgültige Rückkehr zur Armee. Ja, was sie da tut, ist symbolhaft für Sarah.
Sie ist zurück.
George Howells Stimme aber klirrt böse: »He, Sergeant, ich will Ihren Bericht! Es ist jetzt keine Zeit für Sentimentalitäten!«
Sarah gibt den alten Sergeant frei.
Er nimmt vor dem Lieutenant Haltung an und meldet: »Sir, sie sind alle tot. Es handelt sich um den Stationsmann, dessen Frau und dessen Gehilfen. Es sieht schlimm dort drinnen aus – alles mit Blut bespritzt. Sie haben wie die Teufel gehaust. Sir, wir sollten von hier verschwinden. Ich glaube nicht, dass die Indianer uns folgen würden. Denn es sind nicht viele. Sie hätten hier auf der Station auf uns gewartet, wenn sie stark genug gewesen wären.«
Er verstummt heiser und wie beschwörend. Und er ist ein alter, eisgrauer und in diesem Lande erfahrener Sergeant.
Doch Lieutenant George Howell schüttelt heftig den Kopf. »Nein«, sagt er, »wir verschanzen uns in der Station und warten ab. Ich gehe mit der Tochter des Majors kein Risiko ein. Vorwärts, Sergeant!«
Er wendet sich ab, beachtet den Sergeant und auch Sarah nicht mehr. Er tritt zu seinem Pferd, geht auf die andere Seite des Tieres und nimmt dort die Wasserflasche ab. Als er deren Boden gen Himmel hebt und glucksend trinkt, da wissen Sarah und der Sergeant, dass es gewiss kein Wasser ist, das er durch seine Kehle rinnen lässt.
✰
Das Haupthaus der Station ist so gebaut, dass es leicht zu verteidigen ist. Es besteht aus Adobe, also Lehmziegel, und scheint einigermaßen solide gebaut.
Sie haben die Toten hinüber in einen Schuppen gebracht und hier in dem dreiräumigen Raum etwas Ordnung gemacht. Auf dem niedrigen Speicher haben zwei Soldaten im Maisstrohdach Öffnungen geschaffen, um von dort aus schießen zu können. Unten sind die schießschartengroßen Fenster je mit einem Soldaten besetzt. Im Ganzen sind sie neun Mann, nämlich der Lieutenant, sechs Reiter und die beiden Soldaten, die den Bagagewagen fuhren.
Sie warten und lauschen und fragen sich, was kommen wird. Sind die Apachen wirklich zu schwach, um sie anzugreifen?
Oder werden noch andere Horden zu jener Horde stoßen, mit der sie es zu tun haben? Sie wissen, dass die Apachen stets in kleineren Horden auf der Suche nach Beute durch das Land streifen. Und nach jedem Überfall ziehen sie sich stets in raues und fast völlig wasserloses Land zurück, dessen wenige Sickerquellen nur sie allein kennen. Die Armee kann ihnen dann wegen Wassermangels kaum länger als drei Tage folgen. Für die kleinen Apachenhorden aber reicht das Wasser.
Sarah Wheeler erinnert sich an all diese Dinge, indes sie und die Soldaten schweigend in der Station warten.
Sie haben kein Licht in den drei Räumen, und nur ein schwacher Schimmer der hellen Mond- und Sternennacht fällt durch die kleinen, schießschartenartigen Fenster. Nur schemenhaft vermögen sie einander zu erkennen.
Doch Sarah, die sich mit George Howell im selben Raum befindet, hört ihn mehrmals glucksend aus einer Flasche trinken.
Und immer wieder fragt sie sich: Warum wurde er zum Säufer? Was ist mit ihm geschehen? Es muss mit ihm etwas geschehen sein in diesem Land. Denn wie sonst könnte ein Mann wie er zum Säufer werden? Verdammt, was macht dieses Land aus uns Menschen? Meine Mutter floh mit mir wie aus der Hölle. Und ein Mann wie George wurde zum Säufer. Warum eigentlich bin ich hierher zurückgekommen?
Sie erhebt sich von der Bank, auf der sie saß, und tritt zu George Howell, der mit dem Colt in der Hand beim Fenster steht und nach draußen späht.
Und als sie dicht bei ihm verhält, da riecht sie deutlich den Brandy, den er in sich hineinschüttete.
»George«, sagt sie leise, »du weißt, dass ich dich als Mädchen bewundert habe. Du warst für mich der schneidigste Lieutenant der ganzen Armee. Warum wurdest du zum Trinker?«
Ihre Frage kommt unvorbereitet und fast brutal. Doch sie war schon immer ein Mädchen, das die Dinge stets beim Namen nannte und niemals auf Umwegen auf ihr Ziel zuging.
Er lässt sie lange auf Antwort warten.
Dann aber murmelt er: »Du wirst es schon noch erfahren, Sarah. Bei der Armee im ganzen Arizona-Territorium kennt man meine Geschichte. Du wirst sie schon noch erfahren – aber nicht von mir. Ich kann sie nicht so gut erzählen wie die Leute, die gar nicht dabei waren, nur davon hörten und ihrer Fantasie freien Lauf lassen können. Nur eines kann ich dir sagen, Sarah.«
Als er eine Pause macht, fordert sie: »Dann sag es, George.«
Er hält die große Wasserflasche der US-Kavallerie, die mit Brandy gefüllt ist, in der Linken, will sie wieder zum Trinken ansetzen, lässt sie dann aber sinken.
»Diese verdammte Flagge ...«, murmelt er heiser. »Ich schwor ihr einst die Treue. Doch nun hasse ich den Tag, an dem dies geschah. Ich hasse auch diese verdammte Flagge, die mich für alle Menschen zum Feigling werden ließ. Verdammte Flagge, verdammte Armee ...«
»Und warum bist du dann noch Soldat?« Sie fragt es scharf.
»Das liegt an deinem Vater«, murmelt er. »Er bewilligt mein Abschiedsgesuch nicht. Und so besteht die Armee darauf, dass ich meinen Vertrag mit ihr erfülle. Sie hat mich in West Point zum Offizier ausgebildet. Ich muss meine Jahre abdienen. Dein Vater bescheidet jedes Abschiedsgesuch abschlägig. Und er ist mein Kommandeur. Bei der Armee hält man den Dienstweg ein, alles geht vorschriftsmäßig vonstatten.«
Er verstummt mit bitterem Spott. Dann setzt er wieder die Flasche an den Mund und trinkt gierig.
Sarah verharrt noch neben ihm – und sie weiß nicht, ob das Gefühl in ihr nun Mitleid, Enttäuschung oder Verachtung ist. Es wird wohl Mitleid sein, denkt sie.
Denn längst weiß sie, dass sich die Dinge auf dieser Erde ständig verändern, auch die Menschen.
Sie kehrt wortlos wieder zu ihrem Platz auf der Bank zurück, setzt sich und wartet, wie sie alle hier in der Station warten.
Ihre Pferde befinden sich draußen im Corral. Es war nicht möglich, die Tiere mit ins Haus zu nehmen. Die Räume sind zu klein.
Manchmal hören sie die Pferde schnauben oder stampfen.
Langsam geht die Nacht draußen ihrem Ende zu.
Mond und Sterne verblassen. Das erste Grau steigt im Osten auf und tilgt alle Schatten.
Dann beginnen die Nebel zu steigen.
Und da passiert es.
Der Soldat an dem Fenster, das dem Corral zugekehrt ist, ruft plötzlich scharf: »Da sind sie! Sie stehlen unsere Pferde, die Pferde der US-Kavallerie! Soll ich schießen, Sir? Aber ich sehe nicht viel. Der Nebel. Sie haben Deckung zwischen unseren Pferden.«
»Nein, nicht schießen!«, erwidert die Stimme des Lieutenants heiser. »Es hätte wenig Sinn, unsere Pferde zu töten, um vielleicht einen Apachen zu erwischen. Wir schießen nur, wenn sie uns hier angreifen.«
Wieder herrscht im Haus nur Schweigen.
Sie alle lauschen nach draußen. Die Geräusche sind unverkennbar.
Man treibt alle Pferde fort. Die Tiere schnauben lauter und heftiger als normal. Ihnen behagt die Witterung der Apachen nicht. Sie sind zu sehr an die Soldaten gewöhnt.
Es wird dann eine Weile still.
Dann aber klingt eine Stimme in kehligem Englisch: »He, Soldaten!«
Niemand gibt Antwort.
Da ruft der Apache draußen wieder: »He, Lieutenant Howell!«
»Ich höre dich, Jerome!«, ruft George Howell durch das kleine Fenster hinaus in den wallenden Nebel, den erst die Sonne fressen wird, wenn ihre Strahlen stark genug geworden sind.
»Ich lasse dich am Leben, Howell, so wie ich dich mal am Leben ließ, als du vor mir auf den Knien lagst und um dein Leben flehtest. Ich habe nur fünf Krieger bei mir. Wenn du nicht so feige und furchtsam wärst, hättest du dich mit deinen Soldaten zum Kampf gestellt und mich geschlagen. Leb wohl, Howell! Bis zum nächsten Mal! Ich werde dich immer wieder besiegen. Ein Verlierer wie du, der sollte sich aufhängen!«
Nach diesen Worten bleibt es still.
Nur ein Pferd galoppiert durch den Nebel davon, folgt dem dumpfen und verklingenden Hufschlag der anderen Tiere.
Sarah hört den Lieutenant heiser seufzen. Fast klingt es wie ein Wimmern.
Und dann sieht sie ihn undeutlich neben dem helleren Fensterrechteck, wie er wieder die Flasche an den Mund setzt. Nun trinkt er sie leer und wirft sie mit einem Fluch in die Ecke. Es scheppert, weil er damit irgendwelches Geschirr trifft, offenbar eine große Kanne.
Dann fällt er um.
Er hat sich sinnlos betrunken.
Sergeant Tab Hunter kommt aus dem Nebenraum.
Er flucht leise, doch voll Bitterkeit.
Sarah möchte etwas fragen, schweigt aber. Aber sie weiß, dass sie bald alles erfahren wird.
Sie können nichts anderes tun als warten. Denn ohne Pferde sitzen sie hier fest. In diesem Lande können sich nur Apachen zu Fuß bewegen und überleben.
Überdies ist ihr Offizier zu betrunken, um Befehle geben oder Entschlüsse fassen zu können.
Es wird Tag. Die Sonne tilgt alle Nebel.
Draußen ist es still in weiter Runde. Denn die Apachen sind weg. Sie nahmen alle Tiere mit. Und schon als sie die Station überfielen, trieben sie die Tiere der Post- und Frachtlinie davon.
Die Soldaten gehen hinaus, um Wasser aus dem Brunnen zu holen.
Aber sie stellen fest, dass ein Toter im Brunnen liegt. Es ist der zweite Gehilfe des Stationsmannes. Sie stellen dies fest, als sie ihn herausgeholt haben. Dann schöpfen sie den Brunnen leer bis auf den sandigen Grund und hoffen, dass das nun nachsickernde Wasser sauber genug sein wird, um es trinken zu können.
Denn der Tag wird heiß werden.
Irgendwann dann am späten Vormittag beginnen sie Kaffee zu kochen und aus ihrem Proviant ein Essen zuzubereiten.
Der Sergeant bringt dann einen Blechteller mit Speckpfannkuchen und einen Zinnbecher voll schwarzem Kaffee zu Sarah ins Haus, wo sie am Fenster sitzt und in das wilde Land hinausblickt.