G. F. Unger 2245 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2245 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Es war etwa zwei Stunden nach Mitternacht, da kamen sie auch zu mir.
Mein Hund warnte mich durch leises Knurren. Cheyenne wusste genau, dass er nicht bellen durfte. Er bellte ohnehin nur sehr selten. Vielleicht lag das an seinem Wolfsblut. Ich war davon überzeugt, dass er zumindest zur Hälfte ein Wolf war. Dennoch vertrugen wir uns gut. Denn wir respektierten uns gegenseitig. Das allein war die Basis unserer Partnerschaft.
Nun, Cheyenne knurrte also leise. Aber ich war gewarnt und rollte mich aus den Decken. Es war schon ziemlich kalt. Die Luft roch nach Schnee. Vielleicht würde bald ein Blizzard den Spätherbst beenden und den Winter bringen.
Ich nahm den Colt in die Hand und wartete.
Meine Position war nicht schlecht. Denn ich lag im Stolleneingang der kleinen Mine. Wer zu mir wollte, konnte das nur von vorn und musste gegen die Kugeln meines Revolvers anrennen. Ich aber konnte mit meinem Revolver die Hölle loslassen.
Cheyenne lag nun sprungbereit neben mir. Ich legte ihm die Hand flach auf den Kopf, und ich wusste, er verstand mich. Er würde nicht losspringen. Denn wenn er jetzt lossprang, würde das den Tod für ihn bedeuten.
Es waren zu viele, die da gekommen waren, und sie hielten ihre Waffen bereit ...


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Seitenzahl: 156

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Gold King

Vorschau

Impressum

Gold King

Es war etwa zwei Stunden nach Mitternacht, da kamen sie auch zu mir.

Mein Hund warnte mich durch leises Knurren. Cheyenne wusste genau, dass er nicht bellen durfte. Er bellte ohnehin nur sehr selten. Vielleicht lag das an seinem Wolfsblut. Ich war davon überzeugt, dass er zumindest zur Hälfte ein Wolf war. Dennoch vertrugen wir uns gut. Denn wir respektierten uns gegenseitig. Das allein war die Basis unserer Partnerschaft.

Nun, Cheyenne knurrte also leise. Aber ich war gewarnt und rollte mich aus den Decken. Es war schon ziemlich kalt. Die Luft roch nach Schnee. Vielleicht würde bald ein Blizzard den Spätherbst beenden und den Winter bringen.

Ich nahm den Colt in die Hand und wartete.

Meine Position war nicht schlecht. Denn ich lag im Stolleneingang der kleinen Mine. Wer zu mir wollte, konnte das nur von vorn und musste gegen die Kugeln meines Revolvers anrennen. Ich aber konnte mit meinem Revolver die Hölle loslassen.

Cheyenne lag nun sprungbereit neben mir. Ich legte ihm die Hand flach auf den Kopf, und ich wusste, er verstand mich. Er würde nicht losspringen. Denn wenn er jetzt lossprang, würde das den Tod für ihn bedeuten.

Es waren zu viele, die da gekommen waren, und sie hielten ihre Waffen bereit ...

Natürlich konnte ich kämpfen. Vielleicht würde ich es sogar einige Tage und Nächte aushalten. Doch ich war allein mit meinem Hund. Und diese Kerle waren gnadenlos. Ich wusste es, denn ich hatte einige Geschichten über sie gehört.

Meinem Nachbarn Al Banner, der so wie ich in einem Mineneingang lag, schossen sie mit Pfeil und Bogen eine Sprengstoffstange in das Loch. Die Lunte war so kurz, dass die Sprengstoffstange über ihm explodierte.

Nun war er taub und krank. Er bettelte in Kingstown.

Und das alles wegen ein paar Pfund Gold, die er in wochenlanger Arbeit aus der alten Mine gekratzt hatte.

Nun waren sie also zu mir gekommen.

Sollte ich kämpfen oder aufgeben?

Mein Stolz und mein Gefühl für Gerechtigkeit verlangten von mir den Kampf. Mein Verstand aber sagte mir, dass ich als toter Mann weder von meinem Stolz noch von meinem Gold etwas haben würde.

Ich rief laut nach draußen: »Hoiii, ihr Schleicher, was wollt ihr?«

Es blieb einige Atemzüge lang still. Offenbar waren sie doch überrascht, dass ich sie kommen hörte, zumal mein Hund nicht bellte.

Dann aber erwiderte eine kühle Stimme präzise: »He, Rimcaid, du kannst dir jetzt aussuchen, wie es weitergehen soll. Du bist da in einer Mine, die dir nicht gehört. Wir sind gekommen, um dir das klar zu machen. Wenn du dein Unrecht einsiehst, wird dir nichts geschehen. Zünde die Laterne an, damit wir dich sehen können. Vorwärts, Rimcaid!«

Rimcaid, dies ist mein Name, Ringo Rimcaid.

Und ich befand mich tatsächlich in einer Mine, die ich für herrenlos gehalten hatte. Denn in diesem Land waren viele Minen und Claims herrenlos geworden seit dem Tag, da in Kingstown das Registrieroffice abgebrannt war und mit ihm auch alle Registrierungen von Minen und Claims.

Niemand mehr konnte seine Ansprüche nachweisen, und die Macht der Gold King Mining Company war groß.

Das war es.

Die Macht der Gold King Company war erdrückend.

Nun bekam ich sie zu spüren. Ich gehorchte, zündete die Minenlaterne an, in deren Schein ich die vergangenen Wochen in der Mine gearbeitet hatte. Ich stellte mich in den Lichtkreis und wartete.

Als sie mich sahen, da kamen sie. Es waren vier, und einer war ein Halbblut mit einem schweren Büffeljagdbogen. Im Köcher waren einige Pfeile, an die Sprengstoffstangen gebunden waren.

Ja, sie hätten mir diese Dinger in die Mine geschossen. Es war klug von mir, keinen Kampf zu riskieren.

Es waren drei Revolvermänner und dieser Halbblutmann. Letzterer kannte sich in den Bergen hier in Montana besonders gut aus. Er war mir bekannt, denn auch ich war ja ein Mann dieses Landes, ein Jäger, Scout und Bergläufer – bis ich auf die Idee kam, es mal mit dem Goldsuchen zu probieren.

Der Halbblutmann hieß Blue Dakota. Wahrscheinlich hatte er seinen Vater nie gekannt, weil dieser die Dakota-Indianerin vielleicht nur ein einziges Mal vernascht hatte und dann aus ihrem Leben wieder verschwunden war.

Er nickte mir im Laternenschein zu und sagte mit seiner stets sanft klingenden Stimme: »Das war schlau von dir, Ringo. Es hätte mir tatsächlich Leid getan um dich. Weißt du noch, wie wir einmal einen langen Blizzard in der Silvertip Station abwarten mussten und was wir da für einen Spaß hatten?«

Ich nickte. Denn ich erinnerte mich an diese acht langen Tage und Nächte.

In der Post- und Frachtstation hatte eine Sonderexpresskutsche Schutz gesucht, die von Dolly Dunn und deren sieben Mädchen gemietet worden war. Oha, was hatten wir für einen Spaß gehabt! Denn wir waren zwei prächtig anzusehende Burschen. Die Mädchen aber hatten Angst vor Wölfen, Indianern und Banditen. Vor allem deshalb, weil sie mit den Einnahmen monatelanger Arbeit unterwegs in den Süden waren.

Sie träumten schon von einem anderen, besseren Leben. Manche wollten sich kleine Läden kaufen, andere heiraten oder ein Hotel eröffnen. Und sie hatten mit der schnellen Expresskutsche den Banditen des Goldlandes entkommen wollen. Nun saßen sie fest und fürchteten sich.

Wir trösteten sie und gaben ihnen das Gefühl von Schutz und Sicherheit. Dafür waren sie uns abwechselnd dankbar.

Nein, wir waren keine Heiligen. Wir nahmen stets, was wir bekommen konnten.

»Aber die alten Zeiten sind wohl jetzt vorbei zwischen uns, Blue?«, fragte ich ihn aus meinen Gedanken der Erinnerung heraus.

Er grinste wortlos.

Einer der drei anderen Kerle übernahm nun das Reden. Er sagte: »Rimcaid, die Gold King Mining Company erhebt Anspruch auf diese Mine. Du hast hier widerrechtlich Gold herausgekratzt. Gib es heraus! Auf der Stelle!«

Ich starrte im Laternenschein in seine harten Augen und spürte, wie gnadenlos er war.

Ich trat an die Stollenwand, nahm dort ein paar Steine heraus und griff in das dahinter liegende Loch.

Ich holte nacheinander drei Beutel heraus und warf sie ihm zu. Jeder Beutel wog ziemlich genau zwei Pfund. Er fing sie auf und warf sie den anderen Männern zu.

»Ist das alles?« So fragte er dann knapp.

Ich nickte, und ich wusste, dass ich jetzt schmale Augen hatte und meine Lippen die Zahnreihen zu einem kalten Grinsen freigaben.

Neben mir hockte Cheyenne und zeigte seinen blinkenden Fang. Er knurrte nicht einmal. Aber ich wusste, wenn ich jetzt zu kämpfen begann, würde er einem der Kerle an die Kehle springen und die Gurgel durchbeißen.

Der Mann grinste zurück.

»Ich bin Johnny Laredo«, sagte er. »Wenn dir was nicht passt, dann kannst du es mit mir austragen. Die anderen werden sich nicht einmischen, sondern nur zusehen. Willst du?«

Es juckte mich sehr. Denn ich glaubte – nein, ich war sicher –, dass ich ihn mit dem Revolver schlagen konnte.

Aber ich schüttelte den Kopf.

»Ihr habt gewonnen«, erwiderte ich. »Aber warum kommt ihr jetzt erst? Warum habt ihr mich erst viele Wochen arbeiten lassen?«

Sie grinsten nun alle, auch Blue Dakota.

Dann fragte Johnny Laredo: »Wie viele Wochen? Zehn, zwölf? Oder noch mehr?«

Ich deutete zur Stollenwand. Dort hatte ich Kerben eingemeißelt.

»Zweiundsiebzig Tage«, sagte ich. »Zählt die Kerben.«

Johnny Laredo nickte. Dann griff er in die Tasche und holte Geld heraus. Er begann es abzuzählen.

»Zweihundertachtundachtzig Dollar«, sagte er. »Mr King hat Anweisung gegeben, dass wir alle Claim- und Minenräuber – wenn sie ihr Unrecht einsehen – für ihre Arbeit entschädigen. Die Minen zahlen vier Dollar für jede Schicht an ihre Arbeiter. Das tun wir hiermit auch. Du darfst sogar bleiben, wenn du willst. Wir bringen dir dann noch einige Leute, und du bekommst den Job eines Vormanns. Pro Schicht würden wir dir sechs Dollar zahlen und Sonderprämien, wenn die Ausbeute gut ist. Wir kommen in einer Woche wieder und sehen nach, was ihr geleistet habt.«

Nach diesen Worten gingen sie.

Blue Dakota ging zuletzt. Er warf mir noch einen bedauernden Blick zu.

Dann war ich mit Cheyenne wieder allein.

Sie hatten mir sechs Pfund Gold abgenommen und mir dafür zweihundertachtundachtzig Dollar gegeben. Das war noch nicht mal der zehnte Teil des Goldwertes.

Sie hatten mich wie einen dummen Esel für sich arbeiten lassen.

Denn ich wusste, die Mine war verlassen, aufgegeben. Ich hatte nur Glück gehabt, in ihr etwas zu finden, und dann hart gearbeitet. Sie mussten in diesem Land ein gutes Nachrichtensystem besitzen und beobachtet haben, dass ich in Kingstown meine Einkäufe mit Gold bezahlte.

Ich stand da und musste mich beherrschen, dass ich nicht losbrüllte vor Wut.

Dann verspürte ich den Wunsch, ihnen zu folgen und sie nacheinander abzuschießen. Dort draußen in der Nacht hatte ich bessere Chancen als hier in der Mine. Nur Blue Dakota wäre mir da gewachsen gewesen. Mit den drei Revolvermännern hätte ich Katz und Maus gespielt – und ich wäre wahrhaftig nicht die Maus gewesen.

Doch ich hielt an mich. Denn eigentlich waren sie doch nur Handlanger der Gold King Mining Company.

Und der Boss dieser Company war John King.

Ich kannte den Burschen.

Er hatte die Campstadt gegründet und sie Kingstown genannt. Seine Macht beherrschte alles auf hundert Meilen in der Runde.

Und er hatte diese Burschen zu mir geschickt.

Es war schon fast Abend, als ich Kingstown erreichte, eine Bretterbuden- und Zeltstadt, kaum mehr als ein Camp, das wie eine Pilzkolonie nach feuchter Wärme aus dem Erdboden geschossen war. Von hier aus beherrschte John King das gesamte Goldfundgebiet.

Letzteres war recht einfach.

Denn in dieses Goldfundgebiet mitten in den Rocky Mountains führen nur wenige Wege. Es gab eine Gold-King-Frachtlinie, welche allein alle benötigten Dinge nach Kingstown brachte. Auch die Postlinie gehörte zur Gold King Mining Company. In allen Ländern des Landes wurden also nur die Waren der Company verkauft. Sie hatte eigentlich ein Monopol auf alles. Selbst die käuflichen Mädchen waren bei ihr unter Vertrag.

Und jeder Konkurrenzversuch – auf welchem Gebiet auch immer – wurde gnadenlos zertreten und klein gemacht.

Die Gold King hatte die Macht.

Als ich in die Stadt ritt, konnte ich es überall an den Läden, Hotels, Saloons und Spielhallen lesen.

Überall stand der Name der Gold King Mining Company, zwar klein und unauffällig, aber doch deutlich zu erkennen.

Ich hielt bei einem Bratstand an, drängte mich zwischen die hungrigen Burschen und kaufte mir drei Speckpfannkuchen und einen großen Becher Kaffee. Stehend schlang ich die Pfannkuchen an einem brusthohen Tisch herunter. Rechts und links von mir mampften andere Kerle. Sie rochen nach Schweiß, Leder und Tabak – und bald schon würden sie mehr oder weniger betrunken sein oder sich ein Mädchen mieten.

Als ich einigermaßen satt war, nahm ich mein Pferd am Zügel und ging zu China-Molly. Sie hatte ihr Etablissement am Ende einer kleinen Gasse und zahlte dafür eine irrsinnig hohe Miete. Denn alle Häuser und Hütten in Kingstown gehörten der Gold King Mining Company.

Als ich mein Pferd in den Hof führte, kam Shorty, der hier für die Pferde der Gäste sorgte. Er fragte: »Wo ist denn dein verdammter Wolf?«

»Ach«, sagte ich, »der kommt schon noch. Der sucht sich erst sein Abendbrot. Wenn er satt ist, wird er auf meiner Fährte herkommen und hier neben dem Pferd auf mich warten. Sei nett zu ihm, Shorty.«

Ich ging zur Hintertür. Shorty grollte: »Soll ich diesem Wolf die Schnauze küssen, Sir?«

Aber ich lachte nur und öffnete die Hintertür.

Sie führte direkt zum Ende der Theke. Hinter ihr saß China-Molly auf einem hohen Sessel, auf dem sie nur mit Hilfe eines Hockers hinaufgelangte. Aber von ihrem hohen Sitz konnte sie den ganzen Raum übersehen.

Als sie mich sah, lächelte sie.

Vor zwei Jahren hatte ich sie und ihre Mädchen von der Westküste über die Bitter Roots in dieses Land gebracht. Dabei war es einige Male um Leben und Tod gegangen.

Jetzt schenkte sie mir aus einer besonderen Flasche einen Drink ein und schob mir die Zigarrenkiste hin.

»Mein Freund«, sagte sie, »es tut gut, dich wieder zu sehen. Du warst lange nicht hier. Und in deinen Augen erkenne ich etwas, was mir Sorgen macht. Du bist angefüllt mit einem Zorn, der dich zu verbrennen droht. Ich rufe dir Esther. Sie wird dich oben auf ihrem Zimmer verwöhnen, auf andere Gedanken bringen und deinen wilden Zorn besänftigen. Du wirst dann wieder besser und ruhiger denken können. Glaub mir, mein Freund. Ich weiß, was gut ist für einen Mann in deinem Zustand. Wer war es?«

»Gold King«, murmelte ich.

Sie fragte nicht mehr weiter.

Aber sie rief die schöne Esther herbei.

Esther war eine echte Französin, erst vor wenigen Jahren eingewandert. Damals, als ich China-Molly und deren Mädchen über die Bitter-Roots-Berge in die Goldfundgebiete von Montana brachte, sprach sie noch keine zehn Worte englisch.

Dennoch hatte ich mich schon damals besonders gut mit ihr verstanden. Am liebsten hätte ich sie bei mir behalten. Doch sie machte mir klar, dass sie eines Tages als feine Lady in einem noblen Haus leben, teure Kleider tragen und in einer prächtigen Kutsche fahren wollte, verwöhnt von einer großen Dienerschaft.

Und dazu wäre es notwendig, möglichst schnell eine Menge Geld zu verdienen. Denn nur mit Geld könnte sie in San Francisco als feine Lady auftreten und sich einen reichen Burschen angeln.

Nein, sie wollte also damals nicht bei mir bleiben und mit mir in die Berge ziehen. Wahrscheinlich hatte sie Recht. Denn inzwischen war sie gewiss ihrem Ziel ein gutes Stück näher gekommen.

Oha, sie schenkte mir eine Menge Zärtlichkeit in dieser Nacht. China-Molly hatte mir die richtige Medizin verordnet. Ich wurde ruhiger. Der wilde, böse und auch für mich selbst gefährliche Zorn, der mich gewiss zu unüberlegtem Handeln getrieben hätte, verrauchte in mir.

Die schöne Esther war eine Zauberin.

Sie tat einem Burschen gut, der verloren hatte und dessen Stolz schlimm verletzt worden war.

Vielleicht hätte ich sie für ein ganzes Leben bekommen können, wenn es mir gelungen wäre, eine ganze Goldader zu finden.

Kaum hatte ich das gedacht, da fiel mir auch schon wieder die Gold King Mining Company ein.

Sie hätte mir das Gold wieder abgenommen. In ihrem Machtbereich saß jeder in der Falle. Auch China-Molly mit ihren Mädchen.

Es war schon gegen Morgen, und Esther lag in meinem Arm. Ich spürte die Wärme ihres geschmeidigen Körpers, und an ihren Atemzügen hörte ich, dass sie wach war. Vielleicht dachte sie nach über ihr Leben, ihre Ziele und Wünsche.

Ich fragte: »Esther, wann gehst du fort von hier nach San Francisco, um dort ein neues Leben zu beginnen? Ich würde dich gerne über die Berge zum Columbia bringen, wo du ein Seeschiff ...«

Sie ließ mich nicht weiterreden.

Denn sie stieß ein einziges Wort aus: »Merde!« Dann aber fügte sie hinzu: »Er nimmt uns zu viel Geld ab. Wir zahlen ihm mehr als die Hälfte unserer Einnahmen. Und deshalb werden wir doppelt so lange arbeiten müssen, wie wir es uns ausrechneten.«

Sie sagte tatsächlich »arbeiten«.

Natürlich brauchte sie mir nicht erst zu erklären, wer ihnen zu viel Geld abnahm. Es konnte nur John King sein, der Boss der Gold King Mining Company.

Er nahm ja allen hier zu viel Geld ab.

Selbst für einen Hufnagel zahlte man in Kingstown irrsinnige Preise. Denn John King besaß das Monopol für alles.

»Manchmal muss eine von uns für eine Nacht zu ihm in sein nobles Haus kommen«, sagte sie nach einer längeren Pause.

»Auch du?« So fragte ich.

»Ja, auch ich«, erwiderte sie herb. »Er ist ein Mann wie alle anderen auch. Und wir hier sind die schönsten Frauen im ganzen Goldland. Wir haben uns schon überlegt, ob eine von uns ihn umbringen soll, wollten das Los entscheiden lassen. Alle hier sind wir seine Sklaven. Merde!«

Sie stieß das letzte Wort aus, wie es nur eine Französin in ihrer Muttersprache tun konnte – voller Hass und Zorn und Verachtung.

Ich sagte: »Beschreib mir mal sein Haus. Erzähl mir alles, was du von diesem Haus weißt – die Lage der Zimmer, die Zahl seiner Leibwächter – alles. Weißt du, Esther, mein Engel, ich habe auch noch eine Rechnung mit Mr John King zu begleichen.«

»Du musst ihn töten, Ringo«, flüsterte sie heftig in mein Ohr. »Du musst ihn töten. Erst dann sind wir alle frei.«

Sie rollte sich über mich und flüsterte auf mich nieder: »Wir haben alle unsere Sorgen und leben in einer verdammten Welt. Aber zum Glück gibt es Stunden, in denen man vergessen kann. O Ringo, warum bist du kein reicher Bursche, der mir meine Wünsche erfüllen kann? Ich würde dir treu sein, und du wärest der Mann für mich für ein ganzes Leben.«

Oha, sie war schon eine besondere Marke, diese Esther, deren Nachnamen ich immer noch nicht kannte. Sie war so schön und reizvoll – und dennoch so materiell eingestellt.

Irgendwie war etwas falsch an ihr.

Aber ich konnte ihr keine Vorwürfe machen.

Ich trieb mich mit meinem Hund den ganzen Tag in Kingstown herum, spielte den Müßiggänger und beobachtete das Leben und Treiben.

Am Nachmittag besuchte ich mein Pferd, das immer noch im Hof von China-Mollys Etablissement stand, als wäre ich noch Gast im Hause.

»Ich hole es irgendwann diese Nacht«, sagte ich zu Shorty. »Ab Mitternacht könntest du es gesattelt für mich bereithalten.«

»Sicher«, sagte Shorty und sah mich fest an.

Wieder strich ich durch die Stadt. Cheyenne ging neben mir bei Fuß wie ein guter Hund. Er spürte irgendwie, dass ich mich auf der Jagd befand. Er witterte es.

Es war schon fast Abend, als ich im Gold King Saloon auf Blue Dakota, Johnny Laredo und die beiden anderen Burschen traf, die in der vorletzten Nacht zu mir gekommen waren, um mir sechs Pfund Gold abzunehmen und mich wie einen Minenarbeiter zu bezahlen.

Sie standen an der Bar und grinsten mich im Spiegel an.

Ich trat neben sie und grinste zurück.

Vor zwei Nächten hatten sie mich bei der Mine in der Klemme gehabt. Und ich hatte mich ihnen sozusagen ergeben.

Nun waren sie sorglos, gewissermaßen nicht im Dienst, und Blue Dakota hatte auch seinen Büffeljagdbogen und die Büffelpfeile mit den Sprengpatronen nicht bei sich.

Johnny Laredo, der Revolvermann aus dem Süden, stand neben mir. Er fragte grinsend: »Na, hast du deinen Lohn schon auf den Kopf gehauen? Wann gehst du zur Mine zurück? Die Gold King Mining Company wird dir einige Arbeiter mitgeben.«

Ich grinste nur.

Inzwischen hatte mir der Barmann eine fast volle Flasche und ein Glas hingestellt. Er kannte meine Eigenart, mir selbst einzuschenken.

Ich nahm die Flasche oben am Hals wie eine Keule und schlug zu.

Johnny Laredo, der schnelle Revolvermann aus dem Süden, bekam das Ding wie einen Huftritt mitten ins Gesicht. Er sagte nichts mehr, ging zu Boden.

Und weil die volle Flasche noch heil geblieben war, machte ich weiter. Jetzt warf ich sie gegen Blue Dakotas Kopf. Er konnte ihn nicht mehr zur Seite nehmen. Die Flasche traf ihn wie eine Kriegskeule.