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Die Indianer-Völker der Nordprärie glaubten an Visionen, nahmen also Zuflucht zu übernatürlicher Hilfe.
In diesem Streben gingen sie in die Einsamkeit und suchten auf verschiedene Weise Verbindung zu den Geistern, versuchten deren Freundschaft und Hilfe zu erwerben.
Das geschah durch Fasten, Kasteien und Martern des eigenen Körpers, durch Meditation und ständiges Flehen. Vor allem das Fasten und die Kasteiungen riefen irgendwelche Halluzinationen hervor. Und so glaubten sie auch, dass die angerufenen Geister ihnen in Gestalt von Tieren zu Hilfe kamen, ihnen Rat gaben bei ihren Entscheidungen.
Sie glaubten also an fliegende Adler und Falken, an Bären und Büffel, besaßen also eine Art religiöses Glaubenssystem.
Um sich in jenen Zustand zu versetzen, der es ihnen ermöglichte, Visionen zu haben, benutzten sie auch Mittel wie den Saft des Meskalin-Kaktus Peyote, der von Süden her Verbreitung fand.
Und bei fast allen Völkern der Hochprärie gab es jene Heiligen Frauen, die es verstanden, mit den Geistern der Ahnen Verbindung aufzunehmen, sich beraten und leiten zu lassen durch Visionen, die ihnen hellseherische Fähigkeiten verschafften ...
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Seitenzahl: 155
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Wiyan Wakan – Heilige Frau
Vorschau
Impressum
Wiyan Wakan –Heilige Frau
Die Indianer-Völker der Nordprärie glaubten an Visionen, nahmen also Zuflucht zu übernatürlicher Hilfe.
In diesem Streben gingen sie in die Einsamkeit und suchten auf verschiedene Weise Verbindung zu den Geistern, versuchten deren Freundschaft und Hilfe zu erwerben.
Das geschah durch Fasten, Kasteien und Martern des eigenen Körpers, durch Meditation und ständiges Flehen. Vor allem das Fasten und die Kasteiungen riefen irgendwelche Halluzinationen hervor. Und so glaubten sie auch, dass die angerufenen Geister ihnen in Gestalt von Tieren zu Hilfe kamen, ihnen Rat gaben bei ihren Entscheidungen.
Sie glaubten also an fliegende Adler und Falken, an Bären und Büffel, besaßen also eine Art religiöses Glaubenssystem.
Um sich in jenen Zustand zu versetzen, der es ihnen ermöglichte, Visionen zu haben, benutzten sie auch Mittel wie den Saft des Meskalin-Kaktus Peyote, der von Süden her Verbreitung fand.
Und bei fast allen Völkern der Hochprärie gab es jene Heiligen Frauen, die es verstanden, mit den Geistern der Ahnen Verbindung aufzunehmen, sich beraten und leiten zu lassen durch Visionen, die ihnen hellseherische Fähigkeiten verschafften ...
G.F. Unger
Ein wunderschöner Tag ist angebrochen, und Yellow Bird, der nach dieser Nacht der Morgenankündiger ist, beendet seine letzte Runde und reitet in die Mitte des Oglala-Dorfes.
Dann schallt seine Stimme durch das kleine Tal: »Wacht auf! Wacht auf, ihr stolzen Oglala! Freut euch auf den Tag, erlebt ihn unter dem Schutz von Wakan Tanka! Seht hinauf zu ihm in den Himmel. Und dann seht nach euren Pferden, ob keines fehlt. Seid dankbar für euer Leben, ganz gleich, ob ihr noch Kinder oder Alte seid! Ihr Krieger freut euch auf eine gute Jagd! Und ihr alle vergesst nie, dass ihr stolze Oglala vom Volk der Sioux seid!«
Als Yellow Birds Stimme verstummt, kommt Bewegung in das kleine Dorf, dessen Häuptling Big Fox ist.
Es stellt sich schnell heraus, dass noch alle Pferde vollständig vorhanden sind und keines von den Pferdestehlern, den Crows, gestohlen wurde, auch kein Fohlen von Berglöwen oder Wölfen gerissen.
Diese Feststellung ist wichtig für die Existenz des Dorfes. Denn ohne Pferde gibt es keine Büffeljagd. Die Pferdeherde ist der wertvollste Besitz des Dorfes. Ohne Pferde gibt es keine stolzen Krieger, die das Dorf beschützen. Ohne Pferde würden sie alle armselige Wurzel- und Beerensammler werden, so wie ihre Vorfahren in jener Zeit, als es auf diesem Kontinent noch keine Pferde gab.
Doch jetzt sind sie ein stolzes Reitervolk.
Die Frauen bringen die Feuer in Gang und beginnen Fleisch zu braten. Die Mädchen helfen ihnen beim Zubereiten der üblichen Zutaten, also dem Wurzel- und Kräutergemüse, dem süßen Beerenmus.
Und die Knaben des Dorfes laufen mit den Kriegern, von denen sie unterrichtet werden in allen Dingen, die das Überleben dieses Dorfes möglich machen, zum nahen See und stürzen sich in das Wasser, das von den Bergen herunterkommt und eisig kalt ist.
Das Leben und Treiben des Dorfes von Big Fox kommt also in Gang. Und sie alle freuen sich ihres Daseins und danken Wakan Tanka, dem Großen Geist.
Big Fox kommt dann an der Spitze der Schar aus dem See. Sie alle sind nackt, wie Wakan Tanka sie schuf, und sie alle wirken gesund.
Big Fox hat schon graues Haar. Obwohl er nackt ist, geht eine große Würde von ihm aus. Er ist nur mittelgroß, aber prächtig proportioniert. An seinem Körper gibt es einige böse Narben, die von einem harten Kriegerleben künden – auch von Selbstkasteiungen, die er immer wieder auf sich nahm, um dem Großen Geist näher zu kommen.
Doch diese wilde Zeit ist für Big Fox vorbei.
Er wurde erfahren, dachte viel nach und besitzt nun die Erfahrung eines großen, weisen Häuptlings. Dabei ist sein Dorf klein. Es sind nur ein halbes Hundert Tipis. Und da man im Durchschnitt für jedes Tipi fünf Seelen zählt – also Kinder, Squaws, Alte und Krieger – leben in Big Fox' Dorf zweihundertfünfzig Seelen, davon ein halbes Hundert Krieger. Er ist also kein großer und wichtiger Häuptling.
Doch er könnte es sein, hätte er dies angestrebt. Ja, dann wäre er ein Häuptling geworden wie Red Cloud, Gail, Spotted Tail, Man Afraid und vielleicht sogar wie Crazy Horse oder Sitting Bull.
Doch er hält sich seit einigen Jahren mit seinem kleinen Dorf abseits, so als könnte er in die Zukunft sehen.
Und wahrscheinlich ist das wirklich so. Denn in einem der Tipis lebt Black Blanket, die Heilige Frau des Dorfes, die Wiyan Wakan.
Es ist nach dem Frühstück, als Big Fox das etwas abseitsstehende Tipi von Black Blanket betritt, nachdem er um Einlass bat.
Black Blanket liegt noch unter einer Winterdecke, denn sie ist ja uralt und hat keine gute Durchblutung mehr. Selbst ihre eigenen Zaubermittel versagten zuletzt.
Neben Black Blanket kniet ihre Schülerin Blue Star, die sie einst auswählte unter den Mädchen des Dorfes.
Blue Star blickt zu Big Fox empor und flüstert: »Sie sagte vorhin, dass ihr Geist nach Wanagi Yata fliegen will, dem Sammelplatz der Seelen. Und sie möchte hinauf zum Gipfel des Berges gebracht werden, dessen Schatten am Nachmittag auf unser Dorf fällt.«
Als Big Fox dies hört, da senkt er bedauernd den Kopf und flüstert: »Sie wird uns fehlen, denn sie war die Verbindung mit dem Geist unserer Ahnen. Sie konnte in die Zukunft sehen. Wirst auch du das können, Blue Star? Kann sie in dir leben und dich zu unserer nächsten Wiyan Wakan werden lassen?«
Blue Star kniet nicht länger, sondern erhebt sich. Und wie sie da so vor ihm steht im ins Zelt fallenden Morgenlicht, da stellt er einmal mehr fest, dass sie wunderschön und alles an ihr vollendet ist.
Sie ist die Tochter seiner Schwester, und auch diese war wunderschön, starb jedoch im vergangenen Jahr, als sie beim Beerensammeln einem Grizzly in den Weg geriet.
Blue Star betrachtet ihren Onkel mit festem Blick. Ihre Augen sind von einem leuchtenden Blau, so wie die Sterne am Himmel zu gewissen Zeiten.
Ruhig spricht sie: »Onkel, es wird darauf ankommen, ob der Adler-Geist auch mir helfen wird. Und deshalb will Black Blanket hinauf zum Gipfel des Berges. Schafft sie hinauf!«
In ihrer Stimme ist ein energisches Fordern, so als wüsste sie genau, dass nicht mehr viel Zeit ist.
Und so nickt Big Fox und wirft noch einen Blick auf Black Blanket. Doch diese schläft, wirkt fast schon wie tot.
Und so macht Big Fox nur die Bewegung von Respekt und tritt wieder hinaus.
Dann tönt seine Stimme laut genug.
Wenig später nimmt das ganze Dorf Abschied von seiner Wiyan Wakan, seiner Heiligen Frau. Sie alle bilden ein Spalier.
Vier Krieger tragen die Bahre. Andere transportieren das zusammengepackte Tipi mit den langen Stangen. Und wieder andere tragen alles, was zum Errichten eines Gerüstes notwendig ist, das sie oben auf dem Berggipfel errichten werden für die leibliche Hülle ihrer Wiyan Wakan.
Der Trauergesang des Dorfes, dessen Morgenerwachen so gut und freundlich war, folgt ihnen.
Big Fox steht noch lange mitten auf dem Dorfplatz und sieht ihnen nach.
Dabei denkt er: Alles verändert sich im Leben, immer wieder und wieder. Nichts bleibt, wie es ist.
Er blickt zum Himmel empor und fragt sich besorgt: Was wird Blue Star voraussehen? Wird sie Zwiesprache halten können mit dem Adler-Geist? Kann sie das mit ihrer Zauberkraft? Hat sie alles von Black Blanket übernehmen können von Geist zu Geist? Denn schon Black Blanket sagte für unser Volk schwere Zeiten voraus. Großen Siegen wird unser Untergang folgen. Und wie werde ich mein Dorf retten können ohne die Hilfe des Adler-Geistes?
✰
Es ist fast Mittag, als sie oben sind.
Black Blanket lebt immer noch. Sie legen sie in das schnell aufgebaute Tipi und bauen dann das Totengerüst.
Als sie damit fertig sind und auf der Plattform für ein weiches Lager sorgten, tritt Blue Star im Tipi neben das Lager der Sterbenden.
»Es ist alles bereit«, flüstert sie zu der wie tot wirkenden Wiyan Wakan nieder.
Und da öffnet diese die Augen, als hätte sie auf diese Worte gewartet.
»Schick sie alle weg, Blue Star«, spricht sie mit seltsam vibrierender Stimme. »Und wenn wir allein sind hier oben auf dem Berg, dann hilf mir auf die Beine. Dann will ich den Adler-Geist rufen und ihm sagen, dass du von nun an meiner Stelle die Wiyan Wakan bist, der er helfen muss, weil die Geister unserer Ahnen es so wollen.«
Blue Star erzittert innerlich und muss mehrmals hart schlucken. Dann tritt sie hinaus und ruft den Kriegern zu: »Geht jetzt! Lasst uns allein für den großen Zauber! Stört uns nicht, denn wir brauchen unsere ganze Geisteskraft!«
Es sind ein Dutzend Krieger, und sie alle machen das Zeichen von Woyuonihan, dem großen Respekt und der tiefen Verehrung.
Wenig später sind die Wiyan Wakan und deren Nachfolgerin allein.
Blue Star tritt in das Tipi.
»Sie sind alle fort«, flüstert sie.
Black Blanket wirkt abermals wie tot. Doch als sie endlich die Augen öffnet, da erkennt Blue Star in ihnen eine leuchtende Energie, eine starke Kraft, die wie ein Feuer ist.
Blue Star hilft ihr hoch und stellt wieder einmal mehr fest, wie klein und leicht die alte Medizinfrau wurde. Dabei denkt sie: Wird das auch eines Tages bei mir so sein?
Sie treten aus dem Tipi.
Und plötzlich braucht die alte Wiyan Wakan keine Stütze mehr. Sie schüttelt Blue Stars Arm ab, richtet sich noch gerader auf und bewegt sich Schritt für Schritt zum höchsten Punkt der Bergspitze, angetrieben von einer starken inneren Kraft.
Blue Star bleibt zurück, doch sie kann von ihrem Standort neben dem Tipi aus alles gut beobachten.
Zuerst breitet die Wiyan Wakan ihre dünnen Arme aus, und diese Arme wirken plötzlich nicht mehr schwach und zerbrechlich, sondern ausdrucksvoll bittend und beschwörend.
Sie ruft mit einer Vogelstimme Worte gen Himmel.
Dann aber nimmt sie eine Pfeife in die Hände. Es ist ein seltsames Instrument aus gebranntem Ton, keine Tabakspfeife, nein, eher eine seltsame Flöte, der man Töne entlocken kann, die niemand hört, welche dennoch vorhanden sind, jedoch von einem menschlichen Ohr nicht gehört werden.
Immer wieder bläst sie in dieses seltsame Instrument.
Dann und wann tönen Vogelschreie, auch die scharfen Pfiffe von Falken. Sie alle fangen offenbar die für Menschen unhörbaren Töne auf.
Dann aber – es mögen zwanzig Minuten vergangen sein – ertönt der Ruf eines mächtigen Adlers.
Und dann kommt aus der Ferne ein Adler angeflogen und kreist um die Wiyan Wakan.
Es ist, als hielten sie Zwiesprache, ebenfalls unhörbar.
»Komm, komm!« So ruft Wiyan Wakans Vogelstimme schrill.
Und so setzt sich Blue Star in Bewegung, tritt neben die Alte und hebt wie diese die Arme. Black Blanket hängt ihr nun die seltsame Tonpfeife am Lederriemen um den Hals, und es ist wohl so, als übergäbe sie damit eine Macht an ihre Nachfolgerin.
»Blase damit, blase damit, Blue Star!«
Diese gehorcht. Und nun beginnt der Adler um ihren Kopf zu kreisen.
In Blue Star ist plötzlich ein seltsames Gefühl. Sie spürt ganz deutlich und stark ein Einverständnis, einen Austausch ohne Worte, eine Gemeinsamkeit.
Und sie weiß schon jetzt, dass sie Träume haben wird, die ihr mitteilen, was die Geister der Ahnen, die über die Oglala wachen, durch sie – die neue Wiyan Wakan –, zu sagen haben.
Der Adler fliegt plötzlich davon.
Und als Blue Star nach Black Blanket sieht, da liegt diese tot am Boden.
Blue Star hebt die Hände gen Himmel.
Dann wendet sie sich um und geht zu ihrem Tipi.
Die nächsten Tage und Nächte wird sie im Tipi verbringen, jede Nahrung verschmähen und ihren Geist auf die Reise schicken, so wie Black Blanket es sie in den vergangenen Jahren lehrte. Dann versetzten sie sich gemeinsam in einen seltsamen Zustand mithilfe von Kräuterrauch und scharfen Tropfen, deren Herstellung Blue Star lernte und die stets Geheimnisse aller Wiyan Wakans blieben.
Blue Star wird sich verändern in ihrem Inneren. Ein Geheimnis ist nun in ihr. Sie wird eine andere werden.
Nur ihre Schönheit wird bleiben.
✰
Wie so viele andere Texaner zog es Barton Keene nach dem verlorenen Krieg nach Norden. Auch er wollte nicht länger im verarmten Texas bleiben, das auch noch von den Besatzern der siegreichen Union ausgebeutet wurde.
Er ließ sich treiben, wurde zum Satteltramp, blieb jedoch ständig unterwegs nach Norden. Und so gelangte er am 17. Oktober nach Kansas City, das das Ausfalltor nach Westen und Norden ist.
Kansas City brodelt, denn hier sammeln sich alle, die Guten und die Bösen, die Reinen und die Sündigen. Sie alle hoffen auf ihr Glück, so als könnten sie eine Art Goldenes Vlies finden, jenes sagenhafte, von einem Drachen bewachte Widderfell der Antike, das von unschätzbarem Wert sein soll.
Doch die Hoffnung auf ein Glück und reiche Beute trieb die Menschen schon immer zu Wagnissen und Höchstleistungen an, ließ sie alles wagen und ertragen, machte sie zu Eroberern, Mördern und Dieben.
Und so wollen sie auch von Kansas City aus ins Büffelland, das das Land der Indianer ist. Wagenzüge wollen von hier hinauf nach Oregon oder zu den Goldfundgebieten in Montana.
Die ersten Büffeljäger-Mannschaften machen sich von hier aus bereit, um auf der Kansas-Prärie mit dem großen Büffelmorden zu beginnen. Sie werden in den nächsten Jahren fünfzig Millionen Büffel nur wegen ihrer Häute töten und damit die Lebensgrundlagen der Indianervölker der Hochprärie vernichten.
Nun, Barton Keene kommt also auf seinem mageren Pferd in diesen brodelnden Topf Kansas City. Ein großer, hagerer Mann, den man auch für einen Comanchen halten könnte, obwohl er nur zu einem Viertel einer ist, da sein Großvater eine Comanchen-Squaw zur Frau nahm.
Eigentlich hofft Barton Keene, dass er als bewaffneter Begleiter eines Wagenzuges einen Job bekommt. Denn Büffeljäger möchte er nicht werden – und er könnte es auch nicht, weil ihm dazu die Ausrüstung fehlt, vor allen Dingen eine schwere Buffalo Sharps und reichlich Munition.
Er besitzt als Waffe nur einen alten Whitneyville-Walker-Revolver. Und so ein Whitneyville Walker ist der längste und schwerste Revolver, der jemals hergestellt wurde.
Nun, mit diesen Ding kommt Bart also nach Kansas City.
Und gleich am südlichen Eingang der Stadt empfängt ihn ein Master Sergeant der Unionsarmee, einer von jener Sorte, von der man schon auf den ersten Blick glaubt, dass sie Kieselsteine zu Mehl zermalmen können, weil alles an ihnen noch härter ist als solche Kiesel.
Der Sergeant hat noch zwei Soldaten bei sich, denen man ansieht, dass sie von seiner Sorte sind. Sie versperren Barton Keene den Weg und versuchen dabei freundlich zu grinsen.
Barton hält an und grinst vom Sattel aus zurück, fragt dann: »Ist was, Sarge? Wird man hier von der Armee begrüßt?«
»O ja, willkommen, Texas!« Der Sergeant grinst noch härter und grimmiger. »Aber ich stehe hier, um Satteltramps zur größten Chance ihres Lebens zu verhelfen. Ich werbe Rekruten an für die glorreiche Armee der Union. Kapiert?«
Barton Keene grinst nun noch stärker und schiebt seinen alten Hut der einstigen Konföderierten-Armee in den Nacken zurück.
»O Mann«, stößt er dann mitleidig hervor, »jetzt wollt ihr Blaubäuche mithilfe von Texanern die Indianer besiegen. Bekommt ihr denn unter euch Yankees keine Soldaten für diesen Mistjob?«
Der Master Sarge grinst nun nicht mehr, sondern wirkt plötzlich richtig böse.
»Du verdammter Hurensohn von einem Rebellen«, spricht er langsam. »Von deiner Sorte habe ich mehr als ein Dutzend im Nahkampf noch bei Appomattox umgebracht. Und ...«
Weiter kommt er nicht. Denn Barton Keene lässt seinen Wallach anspringen. Und weil dieser Wallach ein richtiges Kriegspferd ist, rammt er gegen die drei Soldaten wie ein angreifender Toro. Sie haben keine Chance und kugeln durch den Staub der Wagenstraße.
Barton Keene klopft dem Wallach dankbar den Hals.
»Gut, mein Junge, gut! Wir haben noch nichts verlernt, gut, Witwenmacher, gut.«
Durch den Hufschlag seines Wallachs hört Barton Keene das wilde Gebrüll der Blaubäuche. Und so reitet er lachend in Kansas City ein.
Noch einmal hat er über großmäulige Yankees einen Sieg errungen, einen kleinen und unwichtigen Sieg zwar, aber einen, der ihm Freude macht. Er kann ja nicht ahnen, dass er mit diesem Master Sergeant noch zu tun bekommen und er dann zum Verlierer werden wird.
Langsam reitet er über den Marktplatz und sucht sich einen Weg durch das Gewimmel.
Auf der anderen Seite des Platzes befindet sich die Post- und Fracht-Station mit dem Wagenhof. Eine Postkutsche saust dort gerade sechsspännig aus dem Hof und schlägt den Weg nach Norden ein, lässt eine lange Staubwolke zurück.
Barton Keene reitet in den Hof der Fracht- und Postlinie und stellt seinen Wallach an einen der Tränketröge. Aus dem Haus der Posthalterei tritt ein bulliger Mann ins Freie und starrt zu ihm herüber. Barton geht geradewegs auf diesen Mann zu, hält vor ihm an und versucht ein freundliches Lächeln.
Doch der bullige Mann verzieht keine Miene, lässt nur unfreundliche Abweisung spüren.
Barton fragt dennoch: »Ich suche einen Job als bewaffneter Wagenzugbegleiter nach Norden. Habe ich da eine Chance?«
»Keine«, erwidert der Mann. »Von Ihrer Sorte gibt es genug. Mit euch könnte man ...«
Er bricht plötzlich ab, denn er konnte inzwischen lange genug in Barton Keenes Augen sehen. Und weil er ein erfahrener Mann ist, spürt er die Warnsignale seines Instinkts, die ihm sagen, dass er diesen langen Texaner besser nicht beleidigen sollte.
Er wendet sich um und verschwindet im Haus.
Barton Keene aber entdeckt unter einem halb offenen Schuppen eine Pokerrunde, die um eine ausgebreitete Decke hockt.
Die Männer dort haben sich aus dem Trubel auf dem Marktplatz zurückgezogen und hier ein Pokerspiel begonnen.
Barton grinst und denkt an seine sechs Dollar. Es sind richtige Yankee-Dollars, kein wertloses Südstaatengeld. Und er hat sie sich vor einigen Tagen bei einem Schmied als Zuschläger verdient.
Soll er mit sechs Dollar in das Spiel einsteigen?
Das fragt er sich, indes er zum Tränketrog tritt und sich neben seinem saufenden Wallach wäscht.
Dann ist er endlich fertig und schlendert hinüber zum halb offenen Schuppen, wo die vier Mann beim Poker hocken.
Sie sehen zu ihm hoch, als er fragt: »Kann man bei euch mitmachen?«
Sie betrachten ihn wachsam, und er sieht, dass sie zur hartgesottenen Sorte gehören. Aber auch sie sind ziemlich abgerissen wie er, also Satteltramps.
Einer sagt: »Hast du auch von diesem Sarge Handgeld bekommen wie wir?«
Als Barton das hört, da sagt ihm sein Verstand, dass er auf dem Absatz kehrtmachen und verschwinden sollte. Denn diese Burschen sind angeworbene Rekruten und müssen hier warten. Und weil sie Handgeld erhielten, will jeder von ihnen beim Poker noch ein paar Dollar hinzugewinnen.
Fast hätte er sich abgewandt.
Doch dann sieht er das Geld auf der Decke bewusster. Ja, es sind blanke Yankee-Dollars und er könnte mehr als nur sechs gebrauchen.
Er grinst und spricht wie beiläufig: »Ah, der Sarge. Der wird gewiss nicht mein Freund. Oder gefällt er euch?«
Sie schütteln die Köpfe. Er aber setzt sich zu ihnen und holt seine sechs Dollar hervor.