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Es war eine wunderschöne Nacht am Pecos, mit einem Mond und all den Sternen am Himmel, hinter denen tausend Geheimnisse verborgen sind.
Aber noch schöner war, dass Reva McKenzie und ich uns wieder einmal liebten.
Ich hatte mich vom Bunkhouse zu der etwas abgelegenen Scheune der mächtigen McKenzie Ranch geschlichen. Und sie war aus dem großen Ranchhaus gekommen, wo sie aus dem Fenster ihres Zimmers klettern musste.
Was wir taten, dies geschah in der gleichen Stunde gewiss überall auf unserer Erde. Junge Menschen trafen sich in solchen Nächten, um sich zu lieben.
Ja, auch ich war noch jung, gerade neunzehn Jahre alt und der jüngste Reiter der McKenzie Ranch. Reva war siebzehn und wunderschön. Und sie wurde von ihren drei Brüdern bewacht wie eine besondere Kostbarkeit.
Nun, wir liebten uns also wieder einmal und beschenkten uns. Und als wir dann glücklich nebeneinander im Stroh lagen, ich sie in meinem Arm hielt, da lag ihr Kopf auf meiner Schulter.
Ich hörte sie flüstern: »Jesse, du musst fort von hier. Du musst tausend Meilen reiten, weit, weit weg von hier ...«
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Seitenzahl: 142
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Der Gejagte
Vorschau
Impressum
Der Gejagte
Es war eine wunderschöne Nacht am Pecos, mit einem Mond und all den Sternen am Himmel, hinter denen tausend Geheimnisse verborgen sind.
Aber noch schöner war, dass Reva McKenzie und ich uns wieder einmal liebten.
Ich hatte mich vom Bunkhouse zu der etwas abgelegenen Scheune der mächtigen McKenzie Ranch geschlichen. Und sie war aus dem großen Ranchhaus gekommen, wo sie aus dem Fenster ihres Zimmers klettern musste.
Was wir taten, dies geschah in der gleichen Stunde gewiss überall auf unserer Erde. Junge Menschen trafen sich in solchen Nächten, um sich zu lieben.
Ja, auch ich war noch jung, gerade neunzehn Jahre alt und der jüngste Reiter der McKenzie Ranch. Reva war siebzehn und wunderschön. Und sie wurde von ihren drei Brüdern bewacht wie eine besondere Kostbarkeit.
Nun, wir liebten uns also wieder einmal und beschenkten uns. Und als wir dann glücklich nebeneinander im Stroh lagen, ich sie in meinem Arm hielt, da lag ihr Kopf auf meiner Schulter.
Ich hörte sie flüstern: »Jesse, du musst fort von hier. Du musst tausend Meilen reiten, weit, weit weg von hier ...«
»He, was ist los?« So fragte ich ungläubig.
Sie zitterte in meinem Arm. Aber dann sagte sie es mir: »Ich bin schwanger. Jesse, du hast mir ein Kind gemacht. Und deshalb werden dich meine Brüder totschlagen. Denn für sie bin ich eine Prinzessin, die du entweiht hast wie ein Heiligtum, weil du für sie nur ein armseliger Cowboy bist. Ich will dich tausend Meilen weit weg von hier wissen, bevor sie mir ansehen können, dass ich ein Kind unter dem Herzen trage. Und sie werden sich denken können, von wem es ist. Also reite fort. Es war unsere letzte Liebesstunde. Reite!«
Sie wollte sich aus meinem Arm rollen, doch ich hielt sie fest. Denn erst musste ich nachdenken, überlegen, nach einem Ausweg suchen, der gut war für Reva und mich.
Und so jagten sich meine Gedanken und Gefühle. O verdammt, so dachte ich immer wieder.
Denn Revas Brüder – oho ...
Ich wollte mir das gar nicht vorstellen.
Dennoch wusste ich, was sie mit mir machen würden.
Sie waren hart und wild, kannten gegen Gegner keine Gnade. Im ganzen Pecos-Land waren sie gefürchtet. Und erst ihr Vater, Big Jake McKenzie ...
Er hatte mir verboten, Reva den Hof zu machen. Denn ich war ihr nicht angemessen. So einfach war das. Vielleicht hätte er mich aus dem Land gejagt, wenn ich nicht trotz meines jungen Alters einer seiner besten Reiter gewesen wäre, ganz gleich, ob es sich um das Zureiten von wilden Pferden, Lassowerfen, Rinderbränden oder die Raubwildjagd handelte. Selbst die älteren Reiter respektierten mich.
Aber ich war nur ein ehemaliger Satteltramp, dem er einen Job gegeben hatte. Halb verhungert und ohne Pferd war ich zu ihm gekommen.
Und dann hatte ich mich in seine Tochter verliebt, sie aber auch in mich.
So war das nun mal. Vom ersten Augenblick an, als wir uns in die Augen sahen.
Auch ihre Brüder hatten mich gewarnt, als sie erkannten, dass auch sie mir »schöne Augen« machte, wie man im Volksmund diesen Zustand so trefflich beschreibt, der zwischen zwei jungen Leuten entsteht – vom ersten gegenseitigen Blickaustausch angefangen.
Aber was konnte ich tun?
Als ich mich das fragte, da begriff ich schnell, dass es nur eine einzige Möglichkeit für Reva McKenzie und mich, Jesse Willow, gab.
Denn mit Reva abhauen irgendwohin, dies wäre das Dümmste gewesen. Ihre Brüder hätten uns schnell eingeholt. Und selbst wenn wir ihnen entkommen wären, wie hätte ich als einfacher Cowboy für eine Familie sorgen können?
Es gab also nur eine einzige Möglichkeit.
Und so sprach ich, indes ich sie immer noch in meinem Arm hielt: »Reva, du kennst doch das Lied vom Cowboy, der fortreiten musste, weil er glaubte, dass irgendwo das Glück auf ihn wartete und er es nur suchen und finden müsste. Und er versprach seinem Mädchen, das er über alles liebte, dass er ihm goldene Schuhe mitbringen würde, wenn er wieder zurück wäre. Reva, dieses Lied trifft auf uns zu. Ja, ich werde vor deinen Brüdern die Flucht ergreifen, so wie du es willst. Doch ich werde als erfolgreicher Mann zurückkommen, den dein Vater und deine Brüder respektieren müssen. Ich werde gleichberechtigt sein, auf gleicher Augenhöhe mit ihnen reden können, wenn ich ihnen sage, dass ich dich zur Frau haben will.«
Nach diesen Worten, die mir geradezu heilig ernst waren und mir nicht einfältig vorkamen, machte ich eine Pause.
Dann sprach ich weiter: »Reva, es wird vielleicht Jahre dauern. Wirst du auf mich warten? Ich schwöre dir, dass ich zurückkommen und dir goldene Schuhe bringen werde. Irgendwo dort draußen in der weiten Welt wartet das Glück. Ich muss es für uns nur noch finden. Willst du warten, Reva?«
Sie zitterte in meinem Arm, aber dann flüsterte sie fast tonlos: »Oh, Jesse, ich will an dich glauben, solange ich lebe.«
Dann befreite sie sich sachte aus meinem Arm und verschwand nach draußen.
Ich lag noch eine Weile bewegungslos im Maisstroh, wusste, dass sie jetzt durch das Fenster wieder in ihr Zimmer klettern würde.
Oh, verdammt, was hatte ich ihr da versprochen? Goldene Schuhe wollte ich ihr bringen. Das Glück wollte ich finden, ein erfolgreicher Mann werden, den auch die McKenzies respektieren mussten.
Aber wie sollte ich das schaffen?
War ich ein Narr, ein großer dummer Junge, der sich etwas vormachte wie ein Träumer?
✰
Am nächsten Morgen klopfte ich nach dem Frühstück an die Tür des kleinen Ranch Office von Big Jake McKenzie, wo der graue Falke über einem Herdenbuch saß und irgendwelche Eintragungen machte.
Als ich vor seinem Schreibtisch verhielt, da betrachtete er mich prüfend mit seinen Falkenaugen und rieb sich die Bartstoppeln.
Dann sprach er: »Du kommst gerade richtig, Jesse. Du und Smoky, ihr werdet hundert Fleischrinder sammeln und zur Reservation bei Santa Rosa treiben. Ihr könnt in zehn Tagen wieder zurück sein. Vielleicht solltet ihr auch noch Miguel mitnehmen. Also los, Jesse! Nehmt zwei Packtiere mit. Der Koch soll euch ausrüsten.«
Er hatte alles gesagt und richtete seinen Blick wieder auf das Herdenbuch, in dem er gewiss die hundert Rinder austragen wollte. Der Rinderbestand der McKenzie Ranch betrug mehr als zwanzigtausend Tiere.
Ich sprach ruhig: »Sir, Sie müssen einen anderen Reiter mit Smoky und Miguel diesen Job machen lassen. Denn ich will fort. Ich möchte nur noch meinen rückständigen Lohn haben. Dann will ich reiten.«
Sein Falkenblick war nun wieder auf mich gerichtet. Es war ein Funkeln in seinen Augen.
Dann nickte er wortlos, zog die Schublade des Schreibtisches auf und holte Geld heraus. Er zählte vierzig Dollar ab und schob sie mir zu.
Dann erst sprach er: »Das ist dein Lohn für die letzten zwei Monate. Und überdies kannst du den Pinto mitnehmen. Der ist ein Hundert-Dollar-Pferd. Wohin willst du, Jesse Willow?«
»Nach Norden, am Pecos entlang und über den Apachenpass, Sir.«
»Und dann?«
»Das Glück suchen, Sir. Es muss irgendwo zu finden sein.«
»Und dann?« Er fragte es zum zweiten Mal, und in seiner Stimme war ein lauernder Klang.
In mir kam nun Trotz hoch, und so erwiderte ich: »Vielleicht komme ich dann zurück, Sir, und zeige Ihnen, was aus mir geworden ist.«
»Lieber nicht, mein Junge, lieber nicht. Ich hätte dich gerne in meiner Mannschaft behalten. Doch es ist klug von dir, jetzt zu reiten. Viel Glück.«
Er reichte mir nicht die Hand über den Tisch hinweg, nein, das tat er nicht. Aber in seiner Stimme war zuletzt ein Klang, als könnte er mich gut verstehen.
Ich nahm das Geld vom Tisch und ging.
Als ich wenig später mein Pferd sattelte und die Sattelrolle hinter dem Zwiesel festzurrte, die Satteltaschen über den Widerrist schwang, da kamen Revas drei Brüder mit klingelnden Sporen über den Hof herüber. Denn auch sie wollten ihre Pferde satteln.
Ihre Vornamen waren Tom, Jack und Jube.
Jube fragte: »Wohin schickt dich Big Jake?«
Sie nannten ihren Vater immer nur Big Jake.
Ich grinste sie an und erwiderte: »Ich reite meinen eigenen Weg, nicht mehr für euch McKenzies. Aber vielleicht sehen wir uns mal wieder.«
Sie grinsten. Tom sprach dann: »Gut, dass du dir Reva aus dem Kopf geschlagen hast. Sie wäre zu gut gewesen für einen Cowpuncher. Denn das wirst du immer bleiben. Ja, hau endlich ab, dann müssen wir nicht mehr ständig auf unsere Schwester aufpassen.«
Ich erwiderte nichts, sondern saß auf.
Und als ich von der Ranch ritt, da dachte ich voller Mitleid an Reva und fühlte mich so hilflos. Denn ich konnte ihr nicht beistehen. Was alles würde sie ertragen müssen, wenn ich weg war?
Aber – verdammt! – ich würde eines Tages zurückkommen.
Ich kam mir vor wie ein Deserteur, wie ein feiger Hund, der sich in Sicherheit bringt, einfach davonläuft.
Aber was hätte es Reva genützt oder geholfen, wenn ihre Brüder mich halb tot und zum Krüppel geschlagen hätten?
Und so dachte ich wieder an das Lied vom armen Cowboy, der ausritt, um das Glück zu suchen und seinem geliebten Mädchen goldene Schuhe bringen zu können.
Eine halbe Stunde später erreichte ich den Wagenweg, der am Pecos entlang nach Norden führte, also auch nach Santa Fe, Taos und über den Apachenpass.
Santa Fe, dies bedeutete so viel wie »Heiliger Glaube«, und der war an diesem Morgen auch in mir. Ja, ich glaubte an mein Glück.
Es wartete im Norden auf mich.
✰
Es war ein langes Reiten. In der alten Pueblo-Stadt Santa Fe blieb ich eine ganze Woche, doch ich erkannte nirgendwo eine Chance. Aber ich gewann am Black-Jack-Tisch siebzehn Dollar, und die konnte ich gut gebrauchen.
Nach einer Woche ritt ich weiter nach Taos hinauf, doch auch in dieser Stadt am Fuße des Apachenpasses war es nicht anders als in Santa Fe.
Einige Wagenzüge warteten hier, und bald wusste ich, warum sie sich hier zwischen Taos und dem Pass gesammelt hatten.
Oben im Pass sollte wieder einmal eine starke Horde von Apachen sitzen, die von den Wagenzügen Wegezoll verlangte.
Es verbreitete sich dann in Taos die Kunde, dass die Wagenzug-Bosse Revolver-Reiter anwarben, mit denen sie den Pass freikämpfen wollten. Denn auf die Armee war kein Verlass. Bis die in Gang kam, verstrichen viele Tage. Und dann waren die Apachen längst wieder weg, als hätten sie sich in Luft aufgelöst.
Für die Wagenzüge aber war jeder Tag verloren, den sie hier festsaßen. Denn sie hatten Waren aller Art für die Goldfundgebiete in Colorado, also für Denver, Cripple Creek, Canyon City und andere Goldgräber- und Minenstädte. Das Warten kostete Geld.
Ich machte mich auf den Weg zur Anwerbestelle und musste bis nach Raton hinauf. Es gab am Fuß des Passes eine Postkutschen-Station. Und hier waren sie alle versammelt, die sich ein paar Dollar verdienen wollten. Unter einer aufgespannten Zeltplane saßen ein halbes Dutzend Wagenbosse.
Als ich vor sie unter die große Zeltplane trat, da betrachteten sie mich mit kundigen Blicken. O ja, sie alle waren harte Burschen. Und das mussten sie auch sein.
Einer von ihnen, der mich bei seinem Anblick an ein knochiges Maultier denken ließ, zeigte mit dem Zeigefinger auf die Stelle an meiner Seite, wo sonst fast jeder Mann in diesem Land seinen Revolver trug.
»Wo ist dein Revolver, Junge?«
Ich grinste ihn an. Ich hatte nicht vor, ihm zu erzählen, wie gut ich mit einem Revolver war, denn ich wollte nicht, dass sich irgendwelche Revolverschwinger von mir herausgefordert fühlten. Deshalb erwiderte ich: »Ich brauche keinen, Sir. Ich habe einen erstklassigen Spencer-Karabiner.«
Nun war ein Lauern in ihnen, das ich deutlich spüren konnte.
Und ihr Sprecher mit dem Maultiergesicht, der zeigte jetzt auch noch die Zähne eines Maultiers.
»Dann zeig uns doch mal, was du mit einem Spencer anstellen kannst, wenn die Entfernung zwischen fünfzig und hundert Yards beträgt, Junge. He, schieß dem Saguaro dort drüben den rechten Arm ab.«
Er deutete auf einen dieser mächtigen Kaktusbäume, die man Saguaros nennt und der seine Arme wie ein riesiger Kandelaber gen Himmel reckte.
Ich nickte, trat zu meinem Pferd, zog meinen Spencer aus dem Sattelschuh und begann zu schießen. Mit dem fünften Schuss – und ich schoss blitzschnell – hatte ich den Saguaro um einen Arm ärmer gemacht, ihn sozusagen abgesägt.
Dann wandte ich mich an die Wagenzugbosse.
»Ich muss Ihnen die fünf Patronen in Rechnung stellen, sollten Sie mich nicht einstellen, Gentlemen. Und wenn Sie mich haben wollen mit meinem Spencer, dann möchte ich erst wissen, wie hoch der Lohn ist.«
Meine Stimme klang höflich, jedoch bestimmt, ganz und gar wie die Stimme eines stolzen Mannes.
Sie sahen mich nun mit anderen Augen an und beurteilten mich nicht mehr nach meinem noch so jungen Aussehen.
Ihr Sprecher sagte: »Wir zahlen zwanzig Dollar pro Tag, aber fünfzig Dollar, wenn wir schon am ersten Tag den Pass freigeschossen haben.«
»Gut«, nickte ich. »Aber dann hätte ich noch gern ein Päckchen Patronen. Denn ich selbst habe nur noch sieben.«
»Patronen bekommst du reichlich, Junge.«
»Wenn Sie mich Jessup nennen würden, Sir, wäre mir das lieber.«
»Gut, Jessup, gut.«
Ja, Jessup war mein richtiger Vorname. Aber man hatte mich immer nur Jesse genannt.
✰
Nun, wir ritten noch am frühen Nachmittag den Raton Pass hinauf. Ein halbes Dutzend Wagenzüge folgten uns. Und keiner dieser Wagenzüge bestand aus weniger als fünfzig Wagen. Es waren zumeist schwere Murphy-Schoner mit kleineren Anhängern. Jeder wurde von einem Dutzend Maultieren gezogen. Und die Fahrer gingen zumeist mit ihren Maultierpeitschen neben den Gespannen her, weil sie die vorderen Tiere selbst mit den langen Peitschen nicht erreichen konnten.
Uns Reiter, die wir kämpfen und den Pass freimachen sollten, führte ein alter ehemaliger Armeescout an, der sich mit Apachen auskannte.
Und er hatte uns zuvor eine kurze Rede gehalten. Denn er sagte: »Umkehren können wir nicht. Der Pass hinter uns ist von den Wagenzügen verstopft. Wir können nur vorwärts, also hinauf. Also darf sich keiner von uns verstecken. Habt ihr das begriffen?«
Nun, das hatten wir.
Und so ritten wir hinauf, waren etwa zwei Dutzend stark und wollten uns das Geld verdienen, das man uns versprochen hatte. Wir mussten es verdienen, weil wir es brauchten, jedenfalls die meisten von uns.
Fünfzig Dollar winkten sozusagen für jeden von uns, wenn wir den Durchbruch sofort ermöglichten und die lange Reihe der Wagenzüge nicht im Pass stecken blieb.
Es war ein enger Weg für Frachtwagen. Manchmal fielen die Hänge dicht neben den linken Wagenrädern steil abwärts. Und je höher wir kamen, umso mehr pfiff uns der Wind um die Ohren.
Nun, wir folgten also dem alten Armeescout, der wahrscheinlich schon so alt war, dass ihn die Armee nicht mehr haben wollte. Und so brauchte auch er unbedingt die fünfzig Dollar. Vielleicht bekam er sogar mehr.
Wir erreichten etwa eine Stunde später die Wasserscheide, und es war inzwischen Nachmittag geworden.
Es gab hier oben ein großes Plateau. Die Apachen erwarteten uns schon, denn sie wollten ja verhandeln, Wegezoll erheben. Sie glaubten, dass wir jeden Preis zahlen würden. Denn die meilenlange Wagenschlange verstopfte den engen Passanstieg, der viele Windungen machte. Ihrer Meinung nach mussten die Wagenzüge, die sich zu einem einzigen überlangen Wagenzug vereinigt hatten, ihre Bedingungen annehmen.
Wir Revolverreiter ritten etwa zweihundert Yards vor dem ersten Wagen.
Als wir die Apachenhorde erblickten, hielten wir an.
Ja, sie waren uns zahlenmäßig überlegen. Und sie zeigten sich offen, weil sie sich ihrer Überlegenheit sicher waren.
Der alte Scout wandte sich im Sattel um.
Wir hielten jetzt in breiter Front hinter ihm, denn wir befanden uns ja schon auf dem Plateau.
»Nun, Jungs«, rief er mit seiner heiseren Altmännerstimme, »jetzt kommt die Stunde der Wahrheit! Wir haben keine andere Wahl! Einige von uns werden gleich zur Hölle fahren. Habt ihr Angst?«
»Großvater, wir machen uns gleich in die Hosen!«, rief eine wilde Stimme.
Wir lachten wild und böse, voller Trotz. Es war der Trotz der Ausweglosigkeit. Denn wir hatten keine Wahl mehr.
Wir ritten wieder an.
Die Apachen vor uns hatten eine breite Front gebildet, hockten auf ihren mageren Pferden, warteten – und hofften wohl, dass wir verhandeln wollten.
Als wir bis auf fünfzig Yards an sie herangekommen waren, da begriffen sie, dass wir nicht verhandeln, sondern kämpfen wollten.
Und so stießen sie wilde Schreie aus, sodass es sich anhörte, als würden ein halbes Hundert Pumas loskreischen. Ja, sie waren geradezu begeistert.
Der alte Scout vor unserer Front stieß sein Gewehr hoch in die Luft, gab seinem grauen und narbigen Wallach die Sporen dabei, senkte das Gewehr und gab den ersten Schuss ab. Ja, er lenkte seinen Wallach nur mit Schenkeldruck und hielt die Zügel im Mund fest. Verdammt, reiten konnte er noch wie ein Comanche. Und diese waren die besten Reiter der südlichen Stämme.
Wenige Sekunden später holte ihn eine Kugel aus dem Sattel. Er war der erste Tote unserer zusammengewürfelten Mannschaft.
Wir brüllten ebenfalls, stießen den Rebellenschrei der Konföderationstruppen aus. Auch ich schrie mit. Einige von uns begannen auf ihren nun galoppierenden Pferden zu schießen, so wie es der alte Scout es getan hatte. Sie waren Gewehrschützen.
Aber die anderen – und es war mehr als die Hälfte unserer Mannschaft – verzichtete auf die Gewehre. Sie waren das, was man Revolverschwinger nannte.