G. F. Unger 2260 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2260 E-Book

G. F. Unger

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Am Waldrand verhält Oven Timberland seinen Rotfuchs und sieht auf seine Hütte hinunter, die am Fuße des Hanges unter hohen Föhren errichtet ist.
Er drückt den Rest seiner Zigarette am Sattelhorn aus, steckt ihn in die Tasche und reitet langsam in die Senke hinunter.
Im kleinen Hof vor dem Blockhaus, dicht vor dem Tränktrog, steht ein fremdes Sattelpferd. Oven Timberland schwingt sich aus dem Sattel, und ein Comanche hätte es nicht geschmeidiger machen können. In Deckung seines Pferdes bleibt er stehen. Seine scharfen Augen entdecken bald die Umrisse eines Mannes, der bewegungslos auf der Bank neben der Tür sitzt. Die Dunkelheit ist nahezu vollständig geworden. Oven Timberland hat seinen Colt in der Hand, als er fragt: »Mann, wer sind Sie?«
Ein leises Lachen antwortet. Und dann sagt eine tiefe Stimme im schleppenden Tonfall des Texaners: »All right, Oven. Ich bin es - aber ich bin mir nicht sicher, ob du es bist. Deshalb wartete ich. Ich möchte mit dir sprechen, Oven.«
Oven Timberland erwidert nichts. Einige Sekunden verharrt er schweigend hinter dem Pferd. Dann führt er es zum Tränktrog und nimmt ihm den Sattel ab.
»Gehen Sie in die Hütte, Thomson, und machen Sie Licht. Ich schließe die Fensterläden und komme gleich nach«, murmelt er.
Der andere Mann erhebt sich und verschwindet. Die Tür knarrt leise. Dann wird drinnen eine Petroleumlampe angezündet ...


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 158

Veröffentlichungsjahr: 2024

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Stern auf der Weste

Vorschau

Impressum

Stern auf der Weste

Am Waldrand verhält Oven Timberland seinen Rotfuchs und sieht auf seine Hütte hinunter, die am Fuße des Hanges unter hohen Föhren errichtet ist.

Er drückt den Rest seiner Zigarette am Sattelhorn aus, steckt ihn in die Tasche und reitet langsam in die Senke hinunter.

Im kleinen Hof vor dem Blockhaus, dicht vor dem Tränktrog, steht ein fremdes Sattelpferd. Oven Timberland schwingt sich aus dem Sattel, und ein Comanche hätte es nicht geschmeidiger machen können. In Deckung seines Pferdes bleibt er stehen. Seine scharfen Augen entdecken bald die Umrisse eines Mannes, der bewegungslos auf der Bank neben der Tür sitzt. Die Dunkelheit ist nahezu vollständig geworden. Oven Timberland hat seinen Colt in der Hand, als er fragt: »Mann, wer sind Sie?«

Ein leises Lachen antwortet. Und dann sagt eine tiefe Stimme im schleppenden Tonfall des Texaners: »All right, Oven. Ich bin es – aber ich bin mir nicht sicher, ob du es bist. Deshalb wartete ich. Ich möchte mit dir sprechen, Oven.«

Oven Timberland erwidert nichts. Einige Sekunden verharrt er schweigend hinter dem Pferd. Dann führt er es zum Tränktrog und nimmt ihm den Sattel ab.

»Gehen Sie in die Hütte, Thomson, und machen Sie Licht. Ich schließe die Fensterläden und komme gleich nach«, murmelt er.

Der andere Mann erhebt sich und verschwindet. Die Tür knarrt leise. Dann wird drinnen eine Petroleumlampe angezündet ...

Als Oven eintritt, die Tür schließt und den Sattel gleich neben der Tür auf den Boden legt, zündet Thomson gerade im Herd das Feuer an.

Dann richtet er sich auf, lächelt ernst und sagt: »Es war ein weiter Ritt zu dir. Ich habe einen mächtigen Hunger, Oven. Ich denke, wir unterhalten uns nach dem Essen.«

Oven Timberland sieht den US Marshal Mac Thomson aufmerksam an.

Die scharfen Falkenaugen des Oldtimers funkeln seltsam. Ein grimmiger Ernst ist in ihnen zu erkennen.

»All right.« Oven Timberland nickt. Er nimmt einen Holzeimer und geht hinaus. Nach einer Weile kommt er zurück. Man sieht, dass er sich gewaschen hat.

Dann bereiten sich die beiden Männer ein Abendbrot.

Sie essen schweigend. Manchmal sehen sie sich in die Augen. Aber sie sprechen nicht. Und als nichts mehr da ist, schieben sie ihre Teller zurück und drehen sich Zigaretten.

»Ich stecke mir keinen Stern mehr an die Weste, Thomson, wenn Sie deshalb gekommen sind«, murmelt Oven Timberland und sieht den Alten an.

Der schenkt ihm ein freudloses Lächeln.

Oven Timberland legt beide Fäuste auf den Tisch. »Thomson, ich werde fünfunddreißig Jahre alt. Ich habe genug vom Reiten und Kämpfen. Ich baue mir hier eine Ranch auf. Eines Tages wird die Weide hier von Rindern wimmeln, die meinen Brand tragen. Und vielleicht finde ich eine Frau, die mir Söhne schenkt. Das sollte das Ziel eines Mannes sein, der sein halbes Leben schon hinter sich gebracht hat.«

Mac Thomsons faltige Gesichtshaut spannt sich plötzlich. Seine Falkenaugen werden noch schärfer. Sie funkeln.

»Sei doch ehrlich, Oven. Du hast aus anderen Gründen deinen Stern abgelegt. Du wolltest kein US Deputy Marshal mehr sein, weil dein Bruder ein Bandit wurde. Damals ließ ich dich gehen, denn es wäre hart für dich gewesen, den eigenen Bruder zu jagen. Nun, jetzt hole ich dich zurück. Du wirst dir wieder den Stern an die Weste stecken!«

Er funkelt ihn an und zeigt seine Zähne, die lückenlos und gesund geblieben sind.

»Thomson, Sie wissen ganz genau, dass Jack durch besondere Umstände plötzlich außerhalb des Gesetzes stand. Er war nie ein wirklicher Bandit und ist es auch heute noch nicht – wenn er auch in den Wild Cliffs in Gesellschaft von ...«

»Er ist tot, Oven«, unterbricht Mac Thomson sanft. Und dann beobachtet er schweigend, wie Oven Timberland den Schock bekämpft.

Oven Timberlands breite und knochige Schultern spannen sich. Seine Augen werden schmal, und in ihrem Hintergrund erscheint ein kaltes Funkeln. Dann stößt er den angehaltenen Atem aus und fragt kurz: »Wer?«

Thomson hebt die Schultern und zeigt nach Indianerart seine Handflächen.

»Jemand schoss ihm in Rushwater drei Kugeln in den Rücken. Es war Nacht, und er wollte sich gerade in den Sattel schwingen, um aus dem Ort zu reiten. Vorher hatte er im Three Bells Saloon mit Big Joe Uvalde eine Unterredung. Mehr ist mir noch nicht bekannt über seinen Tod. Ich habe jedoch von meinem Vertrauensmann einige Berichte erhalten, die für mich sehr aufschlussreich sind.«

Eine Pause entsteht. Die beiden Männer sehen sich in die Augen.

Dann murmelt Oven Timberland: »Jack hat zwei Männer getötet, um einem Freund eine Chance zu geben, dem er selbst sein Leben verdankte. Jack wurde damals zu diesem Kampf gezwungen. Und er war ein Revolvermann. Das alles stimmt. Aber ich weiß, dass er niemals eine krumme Sache mitgemacht hätte. Er war jemandem im Weg. Und dieser Jemand hat ihn in den Rücken geschossen. Nun, ich werde nach Rushwater reiten und diesen Mann zu finden wissen!«

Mac Thomson nickt.

»Das war mir von Anfang an klar«, sagt er ruhig. »Deshalb suchte ich dich auf. Hör, Oven: Wenn du in diese wilde Ecke reitest, dann reitest du mitten in einen Weidekrieg hinein.«

»Ich werde meinen Mann finden«, wiederholt Oven Timberland hart.

»Damit solltest du dich nicht begnügen, Oven.«

»Sicher nicht. Der Mann wird Freunde haben. Ich werde einen ganzen Verein in Stücke schlagen müssen. Das weiß ich. Und ich werde es tun, um meinen Mann zu bekommen.«

»Vielleicht erweist du dann der anderen Partei damit einen Dienst, Oven. Vielleicht gab es unter guten Leuten nur diesen einen Schuft. Oven, im Rushwater County gibt es noch kein Gesetz. Ich möchte, dass du einen Stern trägst, wenn du hinreitest. Der Stern wird dich zwingen, die Dinge objektiv zu sehen. Deine Achtung vor dem Gesetz wird dich auf die richtige Art handeln lassen. Du wirst dieses wilde Land eines Tages zur Ruhe bringen. Mach es auf die saubere Art, Oven. Hier ist der Stern! Steck ihn an! Dann reite hin, und bringe das Gesetz nach Rushwater. Und noch etwas, Oven: Du hast freie Hand. Alles, was du tun wirst, werde ich decken. Meine beste Zeit liegt schon einige Jahre hinter mir. Sonst würde ich selbst hinreiten und die Arbeit machen. Du willst den Mörder deines Bruders finden. Reite mit dem Stern nach Rushwater, Junge. Dann machst du es richtig!«

US Marshal Jack Thomson legt den glänzenden Stern eines US Deputy Marshals auf den Tisch. Das Metallabzeichen funkelt im gelblichen Schein der rauchenden Petroleumlampe.

Ein paar Kratzer sind auf dem Metall. Oven Timberland kennt diese Kratzer. Er nimmt den Stern in die Hand und besieht ihn sich genau.

»Das ist mein alter Stern, den ich damals zurück ...«

»Yeah, er gehörte Captain Oven Timberland, der mein erster Deputy war«, knurrt Mac Thomson. »Steck ihn dir an, Sohn!«, schnappt er plötzlich.

Oven Timberland schließt seine lange Hand um das Ding. Es ist nur ein Stück Metall mit scharfen Ecken. Aber für einen verantwortungsbewussten Mann, der nach bestimmten Grundsätzen lebt, ist es mehr.

Dieser Stern bedeutet Unbestechlichkeit.

Sein Träger darf nicht seinen eigenen Wünschen dienen.

Man muss diesen Stern – und mit ihm das Gesetz – mehr lieben als das eigene Leben.

Dieser Stern ist eine Pflicht, eine Bürde. In diesem rauen Land, in dem die meisten Männer ihr eigenes Gesetz in Gestalt eines Colts an ihrer Hüfte tragen, bedeutet dieser Stern Einsamkeit unter anderen Männern. Und er ist erst dann für seinen Träger etwas wert, wenn im Land Gesetz und Ordnung herrschen.

Das alles weiß Oven Timberland. Plötzlich steckt er sich das Ding an. Und dann sieht er Mac Thomson in die Augen.

»Ich habe ihn nun an der Weste. Aber ich habe Angst, Mac, dass ich eines Tages nicht mehr weiterweiß, ihn als Last empfinde, ihn zum zweiten Mal zurückgebe und es ohne ihn erledige«, murmelt er düster.

»Ich habe keine Angst, Oven«, knurrt Mac Thomson. »Wann reitest du?«

»Wenn ich mein Bündel gepackt habe«, erwidert Oven und erhebt sich.

Rushwater

Fünf Meilen

Bleibt auf der Straße!

Oven Timberland liest die Worte. Dann verfolgt er den Lauf der staubigen Straße, die sich in Windungen neben dem Creek nach Norden zieht.

Nach einer Weile trennt sich der Wasserlauf von der Straße. Da Oven weiß, dass der Creek vom Wasserfall bei Rushwater gespeist wird, folgt er dem Creek und nicht der Straße.

Ein kaum erkennbarer Reitweg führt am Ufer entlang. An einer Biegung setzt er auf die andere Uferseite über. Das Wasser geht dem Rotfuchs bis kaum über die Knie.

Als Oven dann an einer Waldinsel vorbei will, sieht er drei Reiter im Schatten der Bäume.

Und er weiß, dass sie ihn schon seit einigen Minuten beobachten.

Als er mit den wartenden Reitern auf gleicher Höhe ist, treiben diese ihre Pferde vorwärts und reiten vor ihm auf den Weg. Über die Köpfe ihrer Pferde hinweg sieht er in ihre harten und scharfen Gesichter. Ihre Pferde tragen alle dasselbe Brandzeichen.

Cowboys, denkt Oven, Grenzwächter der mächtigen Uvalde Ranch. Jetzt werde ich bald wissen, wie hart sie hier sind.

Er sieht sie ruhig an und nickt kurz.

»Hallo«, murmelt er. »Reitet zur Seite, ich will nach Rushwater.«

Er sagt es ganz ruhig und sitzt betont lässig im Sattel.

Die drei Weidereiter grinsen wie auf Kommando. Es ist aber kein gutes Grinsen.

»Es ist ein Schild an der Brücke«, sagt der rotköpfige Mann in der Mitte. »Auf diesem Schild steht ganz klar und deutlich, dass jeder Mensch auf der Straße zu bleiben hat. Nun, wir kennen Sie, Mann! Sie sind Oven Timberland. Sie sehen Jack Timberland sehr ähnlich, obwohl die Narbe – ah, Timberland, kehren Sie um! Wir wollen Sie hier im County nicht haben. Früher waren Sie mal US Deputy Marshal. Als Ihr Bruder vom Gesetz gesucht wurde, legten Sie den Stern ab. Wir wollen Sie weder mit noch ohne Stern. Wir wollen überhaupt keinen Timberland mehr sehen.«

Oven Timberland nickt. Sein Gesicht bleibt unbeweglich.

»Yeah«, sagt er, »ich glaube euch jedes Wort. Ihr wollt keinen Timberland mehr sehen. Der Anblick meines Bruders, dem man drei Kugeln in den Rücken geschossen hatte, wirkte wohl wie ein Schock auf verschiedene Leute. Nun, ich werde eine ganze Weile in diesem Land bleiben. Ihr scheint mich alle gut zu kennen. Passt auf, ihr drei Burschen. Dies hier ist Regierungsland. Und selbst wenn eure Kühe darauf weiden, ist es für Reisende frei. Keine Mannschaft in diesem County ist mächtig genug, um mir die Wege vorzuschreiben. Das wollte ich gleich eindeutig klarstellen. Deshalb ritt ich von der Straße hinunter. Jetzt gebt den Weg frei, Cowboys!«

Seine Stimme klingt bei den letzten Worten scharf und hart. Und er treibt sein Pferd vorwärts, um zwischen ihnen durchzustoßen.

Aber sie sind wirklich von der harten Sorte, die nicht blufft, sondern eine begonnene Sache auskämpft.

Sie treiben, genau wie er, ihre Tiere vorwärts.

Ovens großer Rotfuchs rammt den Mustang des Rotkopfs. Und Oven hat seinen Colt in der Faust. Er schlägt im Moment des Zusammenpralls den Lauf der Waffe über den Kopf des Cowboys.

Die Pferde wiehern und steigen. Der Rotkopf kippt aus dem Sattel und fällt unter seinen Mustang.

Oven Timberland reißt sein Pferd herum und zeigt den beiden anderen Männern den Colt, lässt sie in die Mündung sehen.

Einer hat die eigene Waffe schon in der Hand. Aber er hat sie noch nicht im Anschlag. Überdies tanzt sein Pferd noch zu sehr. Der andere Cowboy hatte eine andere Idee. Er hält seine Bullpeitsche in der Hand. Aber auch er vergisst seine Absicht.

»Lass schnell die Kanone fallen, Bruder! Und du die Peitsche! Ihr seid nicht schnell genug für mich. Los, wird's bald?«

Bevor die langen Sekunden vergehen, in denen sich die beiden Männer entscheiden, ob sie gehorchen oder weitermachen sollen, kracht halblinks hinter Oven Timberland ein Gewehrschuss.

Sein Rotfuchs bäumt sich wiehernd auf und bricht dann wie vom Blitz gefällt zusammen.

Oven wirft sich aus dem Sattel. Als er aufschnellt, reitet ihn der Peitschenmann nieder. Nur mit Mühe rettet sich Oven etwas zur Seite, sodass ihn nicht die Hufe treffen. Aber die Schulter des stämmigen Pintos rammt gegen ihn. Oven fällt wieder zu Boden. Er ist einen Moment lang wie gelähmt.

Endlich kann er sich herumwälzen.

Und er schießt sofort.

Seine Kugel trifft das Pferd des Mannes, der auf ihn abdrücken will.

Dann hört Oven dicht hinter sich die Hufschläge des anderen Reiters, der ihn abermals niederreiten will. Er rollt sich zur Seite. Seinen Hut hat er längst nicht mehr auf dem Kopf. Der angreifende Mann schlägt das dicke Ende der Bullpeitsche, sich dabei weit aus dem Sattel beugend, auf Oven Timberlands ungeschützten Kopf.

Sie haben mich, denkt Oven nur noch dumpf und verliert für eine Weile das Bewusstsein.

Als seine Sinne wieder zu arbeiten beginnen und er den höllischen Schmerz im Kopf ertragen muss, hört er wie aus weiter Ferne eine scharfe Stimme rufen: »Zum Teufel, Ernest! Bleib mit deinen Fingern aus seinen Taschen!«

Es ist für Oven eine neue Stimme. Sie gehört keinem der drei Cowboys. Es ist eine tiefe Bassstimme, befehlsgewohnt und selbstbewusst.

Und eine andere Stimme, die vor Erregung klirrt, antwortet: »Dad, er könnte etwas in der Tasche haben, was für uns sehr aufschlussreich ist. Lass mich nachsehen, ob ...«

»Nein, niemals, Ernest! Wir greifen keinem geschlagenen Gegner in die Taschen. Wenigstens diese Regel werden wir beachten.«

Oven Timberland hört ein unwilliges Murmeln. Er öffnet die Augen. Als sich die Schleier lichten, sieht er einen großen Mann neben sich. Der Mann erhebt sich und will zur Seite treten. Aber dann sieht er, dass Oven wieder bei Besinnung ist, und bleibt stehen.

Oven sieht in zwei wasserhelle Augen.

Schwankend steht er dann auf den Beinen, betastet die immer noch anschwellende Platzwunde auf seinem Hinterkopf und sieht dabei aufmerksam in die Runde.

Der Rotkopf steht in der Nähe und presst sein Halstuch gegen das blutende Gesicht.

Der Cowboy, dessen Pferd Oven erschoss, steht daneben. Außerdem sieht er den Burschen, der ihn mit der Bullpeitsche niederschlug.

Oven wendet den Kopf auf die andere Seite und bemerkt den Mann, der ihm die Taschen durchstöbern wollte.

Er ist groß, weißblond, breit und bedeutend schwerer als Oven. Dieser blonde Bursche wäre prächtig, wenn seine Augen nicht so eng neben der dünnen Nase säßen, wenn die Ohren nicht wie Löffel abstünden und wenn die Vorderzähne nicht zwischen den aufgeworfenen Lippen zu sehen wären.

Oven sieht nun aus nächster Nähe in die glitzernden Augen. Und er erkennt darin einen feigen Hass.

Zuletzt sieht Oven Timberland auf den Reiter vor sich. Er hat sofort erkannt, dass dies der wichtige Mann ist. Nun schenkt er diesem Mann seine volle Aufmerksamkeit.

»Sicherlich sind Sie Big Joe Uvalde«, sagt er etwas heiser und gepresst, denn sein schmerzender Kopf beruhigt sich nur langsam.

Big Joe Uvalde nickt. Er bleibt auf seinem schwarzen Riesenpferd sitzen wie ein König, wie ein wilder, grimmiger und stolzer König dieses Landes.

Oven sieht in zwei kohlschwarze Augen. Er erkennt darin eine Menge Dinge und begreift, dass man Joe Uvalde nicht nur wegen seiner Körpergröße Big Joe nennt. Dieser Mann hat auch sonst Format.

»Ja, ich bin Joe Uvalde. Neben Ihnen steht mein Sohn Ernest. Und Sie sind Oven Timberland. Sie wollen den Tod Ihres Bruders rächen, was? Daraus wird nichts, Oven Timberland!«

Die tiefe Bassstimme dröhnt, obwohl sich der Sprecher nicht anstrengt, besonders laut zu sein.

Oven sieht an sich hinab. Er erkennt, dass sie ihm die Waffe abgenommen haben. Er wischt sich mit dem Ärmel übers Gesicht. Dann tritt er langsam drei Schritte vor und sieht zu Joe Uvalde hoch. Aufmerksam sieht er diesen an, forscht in seinen Augen und nickt schließlich.

»Sie werden mir ein neues Pferd geben müssen, Mister Uvalde. Ich denke, ihr prächtiger Sohn war der Meisterschütze, der es mir unter dem Sattel erschoss. Was halten Sie von meiner Forderung?«

Big Joe Uvalde beugt den mächtigen Oberkörper vor. Die Gesichter der beiden Männer sind nur knapp einen Yard voneinander entfernt.

»Nichts halte ich davon, Oven Timberland. Sie haben das Pferd eines meiner Reiter getötet. Wir sind quitt, Timberland.«

»Die Rechnung stimmt nicht, Uvalde. Mir wurde auf Regierungsland der Weg versperrt. Es war mein gutes Recht, die Wegelagerer zu bekämpfen. Und ich hätte anstatt des Pferdes den Mann töten können, denn er hatte eine Waffe in der Faust. Mein Tier aber wurde aus dem Hinterhalt aus sicherer Entfernung mit einem Gewehr getötet. Ich will ein Pferd von der Uvalde Ranch. Und eines Tages hole ich es mir, Joe Uvalde. Ich hole mir ein Pferd – und den Schuft, der meinen Bruder in den Rücken schoss. Es scheint hier üblich zu sein, dass man ...«

Weiter kommt Oven Timberland nicht, denn Ernest Uvalde stößt ihm hinten eine harte Faust in die Nieren.

Oven taumelt bis an das Pferd des Ranchers, und er wäre gefallen, wenn er daran keinen Halt gefunden hätte. Der Schmerz ist höllisch. Oven ist wie gelähmt. Etwas schwerfällig wendet er sich um.

Es war ein tückischer Schlag, der für Oven unerwartet kam. Er ist immer noch wie gelähmt und möchte vor Schmerz brüllen.

Und doch hört er noch die Worte des Ranchers, der seinen Sohn verflucht.

Ernest Uvalde ist jedoch von einer bösen Wut erfasst. Er schlägt Oven Timberland mit wuchtigen Schlägen zusammen. Wäre Oven nicht wie gelähmt, so könnte er diesen Schlägen mühelos ausweichen.

Aber er hatte von Anfang an keine Chance.

Plötzlich ist es aus mit ihm.

Ernest Uvalde hält inne, nachdem er Timberland noch einmal niedergeschlagen hat. Er stößt einen zufriedenen Ruf aus.

Big Joe Uvalde klettert langsam vom Pferd. Und langsam stapft er über Ovens Körper hinweg bis dicht vor seinen Sohn.

Und dann schlägt er diesem mehrmals die flache Hand ins Gesicht.

Es klatscht – und die zuschauenden Cowboys wenden sich ab und sehen in eine andere Richtung oder zu Boden.

Ernest Uvalde hält sich schützend die Arme vors Gesicht und weicht zurück.

»Du schlägst mich? Du schlägst deinen Sohn? O Hölle, das ist zu viel!«

Big Joe Uvalde folgt dem Sohn mit geballten Fäusten. Er prügelt ihn nicht mehr, aber er folgt ihm.

»Warum kannst du nicht wie ein Mann kämpfen, warum bist du kein echter Uvalde? Ich muss mich schämen, du feiger Coyote! Fast möchte ich annehmen, dass du gar nicht sein Pferd, sondern ihn selbst treffen wolltest. Hast du einen bestimmten Grund, ihn zu fürchten?«

Groß, mächtig und in wildem Zorn, so steht er vor seinem Sohn, der bestimmt kein zweiter Big Uvalde werden wird.

Und leicht geduckt, die Arme noch schützend erhoben, steht der Sohn vor dem Vater. Er gibt keine Antwort, sieht ihn nur unruhig an und senkt dann seine Augen.

Der Alte wischt sich zitternd über das lederhäutige Gesicht. Dann richtet er sich auf. Seine Stimme klingt wieder kontrolliert.

»Man kann aus einem Coyoten keinen Löwen machen. Ich habe es viele Jahre lang versucht. Ich habe einen Sohn, der nicht ehrlich kämpfen kann. Geh mir für eine Weile aus den Augen, Ernest. Im Halbmondtal ist ein Corral zu bauen. Du wirst es tun. Ich kann dich nicht kämpfen lassen, denn du bringst die Uvaldes in Verruf. Ein Uvalde kämpft stets anständig, wenn auch hart und ohne Mitleid, aber fair und sauber. Geh!«