G. F. Unger 2266 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2266 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Als unser Vater damals im Jahre 1865 aus dem Krieg heimkam, trug er noch die zerschlissene Uniform der Unionsarmee mit den drei Sergeant-Winkeln. Sie war ihm sehr weit geworden, denn er hatte soeben seine schwere Verwundung überwunden und musste sich erst wieder herausfuttern.
Im Gürtel hatte er einen guten Army Colt. Und er saß auf einem Pferd der einstigen Rebellenarmee. So kam er vor unser schäbiges Haus in Kentucky geritten und nickte uns zu. Wir - das waren unsere Mom Stella Finley und wir drei Jungen Adam, Ben und Pat Finley. Ich war Pat und hatte an diesem Tag meinen sechzehnten Geburtstag. Ben war siebzehn und Adam achtzehn. Es war Zufall, dass sie daheim waren, und es hatte nichts mit meinem Geburtstag zu tun.
Unser Vater sah vom Pferd aus auf uns nieder - ernst und prüfend.
»Steig ab, George«, sagte Mom ruhig. Sie war stets ruhig und schimpfte oder klagte nie. Sie tat einfach nur, was sie konnte.
Unser Alter saß langsam ab. Und nun sahen wir, was unseren Blicken auf der uns abgewandten Seite seines Pferdes bisher verborgen gewesen war.
Ihm fehlte der linke Fuß ...


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Seitenzahl: 153

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Einer kommt wieder

Vorschau

Impressum

Einer kommt wieder

Als unser Vater damals im Jahre 1865 aus dem Krieg heimkam, trug er noch die zerschlissene Uniform der Unionsarmee mit den drei Sergeant-Winkeln. Sie war ihm sehr weit geworden, denn er hatte soeben seine schwere Verwundung überwunden und musste sich erst wieder herausfuttern.

Im Gürtel hatte er einen guten Army Colt. Und er saß auf einem Pferd der einstigen Rebellenarmee. So kam er vor unser schäbiges Haus in Kentucky geritten und nickte uns zu. Wir – das waren unsere Mom Stella Finley und wir drei Jungen Adam, Ben und Pat Finley. Ich war Pat und hatte an diesem Tag meinen sechzehnten Geburtstag. Ben war siebzehn und Adam achtzehn. Es war Zufall, dass sie daheim waren, und es hatte nichts mit meinem Geburtstag zu tun.

Unser Vater sah vom Pferd aus auf uns nieder – ernst und prüfend.

»Steig ab, George«, sagte Mom ruhig. Sie war stets ruhig und schimpfte oder klagte nie. Sie tat einfach nur, was sie konnte.

Unser Alter saß langsam ab. Und nun sahen wir, was unseren Blicken auf der uns abgewandten Seite seines Pferdes bisher verborgen gewesen war.

Ihm fehlte der linke Fuß ...

Er trug einen Schnürstiefel, der bis über die Wade reichte. Der Fuß an diesem Schnürstiefel war ausgepolstert. Die Sohle war doppelt so dick wie normal.

Wir starrten alle auf sein Bein. Aber als er auf Mom zutrat, da sahen wir, dass er nicht allzu schlimm hinkte. Er brauchte keinen Stock.

Er nahm sie in die Arme, küsste sie und drückte sie nochmals an sich.

Dann sah er unser schäbiges Blockhaus an und gab unsere Mom frei. Er wirbelte herum, ergriff Adam vorn am Hemd und schlug ihm die Rechte mehrmals rechts und links um die Ohren.

Während Ben und ich noch staunten, hatte er uns an den Köpfen und knallte diese wie Kürbisse zusammen, dass es darin dröhnte wie in einer Indianertrommel.

Als wir uns erholt hatten, sagte er: »Es war Zeit, dass ich heimkehrte. Sonst wäre euch wohl noch das Dach eingestürzt. Obwohl hier eine Mutter mit drei kräftigen Söhnen lebt, sah ich nur selten eine so heruntergekommene Farm. Ich bin mächtig stolz auf euch – mächtig! Ihr seid genau die richtigen Söhne, die ein Mann bei seiner Frau zurücklassen kann, wenn er in den Krieg zieht. Ich möchte wetten, dass ihr seit zwei Jahren hier keinen Finger mehr krumm gemacht habt!«

Da hatte er recht.

Adam hatte hier schon länger nichts mehr getan.

Und Ben war bald seinem Beispiel gefolgt. Sie waren immerzu überall herumgeritten und manchmal länger als eine Woche nicht heimgekommen. Eigentlich hatte ich vorgehabt, sie demnächst zu begleiten. Sie hatten im ganzen Land einen üblen Ruf.

Und den wollte auch ich erwerben.

Mom sagte in ihrer ruhigen Art: »George, straf sie nicht zu hart. Sie hatten fünf Jahre keinen Vater. Sie sind nicht schlechter als andere Jungs hier im Land, die keinen Vater haben und in schlechte Gesellschaft geraten sind. Verzeih ihnen, George. Jetzt bist du ja wieder bei uns! Jetzt wird alles anders. Sie waren ganz einfach zu jung, zu dumm und zu wild.«

Er sah uns der Reihe nach an, und wir erwiderten noch sehr trotzig und aufsässig seinen Blick. Wir fühlten uns bereits als stolze Burschen, die sich nichts mehr gefallen ließen. Adam hielt sich sogar für einen Mann, dem man besser aus dem Weg ging. Es gefiel ihm, von anderen Burschen oder sogar Männern gefürchtet zu werden.

Wir sahen unserem Vater sehr ähnlich. Alle waren wir dunkel wie Indianer und hatten graue Augen, die weit auseinander standen. Wir hatten scharfe Nasen, kleine Ohren und waren etwas hohlwangig, doch groß dabei und mit Muskeln bepackt. Wir wirkten wild und verwegen.

»Eure Mom kann stolz auf euch sein«, sagte er. »Ihr seid wohl nur dann hergekommen, wenn ihr mal wieder hungrig wart oder eine saubere Hose brauchtet. Aber ich werde euch jetzt Beine machen.«

Das wussten wir.

Ben und ich, wir starrten auf unseren älteren Bruder Adam.

Würde Adam kuschen? Oder würde er dem Alten vor die Füße spucken, seine Siebensachen nehmen und verschwinden?

Mom trat neben unseren Vater und schob ihre Hand in die seine. Sie stand einfach nur da und blickte uns an.

Wir sahen, wie zierlich Mom war. Sie wog kaum mehr als hundertzehn Pfund, und sie hatte mit ihren siebenunddreißig Jahren schon graue Strähnen im Haar. Dabei war sie noch schön. Wie konnte eine kleine Frau bei der schweren Arbeit noch so schön bleiben?

Man sah ihr an, wie glücklich sie war, dass unser Vater wieder aus dem verdammten Krieg heimgekehrt war. Nun war sie nicht mehr allein. Er war wieder bei ihr. Für sie musste nun alles gut werden.

Adam hatte lange genug nachdenken und in sich hineinhören können.

Er starrte Vater an und sagte plötzlich: »In Ordnung, du hast uns noch einmal verprügelt wie dumme Jungen, und gewiss hätten wir noch weitere Prügel verdient. Du kannst mir jetzt auch Beine machen. Ich bin es Mom schuldig. Ich werde alles tun, um diese Schuld zu tilgen. Nur schlag mich nicht wieder! Schlag mich nie wieder!«

Unser Vater sah ihn fest an.

»Worauf bist du eigentlich so stolz?«, fragte er nur. »Gibt es etwas, auf das du so stolz sein kannst, dass du dich wie ein Mann fühlst, der sich nicht mehr schlagen lassen kann?«

Da wusste Adam nichts mehr zu sagen. Aber er nahm das Pferd des Vaters, um es im Corral zu versorgen.

Ben nahm dem Tier den Sattel und das Gepäck ab und brachte die Sachen ins Haus.

Ich schleppte Wasser in die Küche, damit Mom unserem Vater in dem großen Holzbottich ein Bad bereiten konnte.

Seit vielen Monaten hatte ich kein Wasser mehr ins Haus getragen.

Oh, was für schlechte Söhne waren wir geworden!

Als wir am nächsten Morgen darauf warteten, dass unser Vater mit uns beginnen würde, die Dächer zu flicken, die Corrals auszubessern und all die vielen anderen Dinge zu tun, die schon längst hätten getan werden müssen, da wurden wir enttäuscht.

Denn unser Vater sagte: »Wir geben hier alles auf und ziehen nach Nebraska. Dort in Nebraska gibt es reichlich Land – gutes Land, weites Land. Dort kann ein Mann mit drei tüchtigen Söhnen ein König werden und einst seinen Söhnen ein Königreich hinterlassen. Man wird von Nebraska eine Eisenbahn nach Westen bauen, die zwei Weltmeere quer über unseren Kontinent verbindet. Das ist die große Chance für alle Menschen, die zuerst kommen. Wir machen unseren Wagen fertig, beschlagen alle Pferde und besorgen alles, was wir in den nächsten Monaten brauchen. Ich denke, dass ich für diese heruntergekommene Farm noch fünfhundert Dollar bekommen werde ...«

Schon eine Woche später zogen wir los.

Wir fuhren einen schweren Wagen, den sechs Maultiere zogen, die wir gegen Pferde eingetauscht hatten. Der Wagen hatte noch einen kleinen Anhänger.

Vater fuhr den Wagen. Und Mom saß neben ihm.

Außer den Pferden, die meine Brüder und ich ritten, hatten wir noch eine Remuda von neun Tieren, zu der auch ein guter Hengst gehörte. Die Pferde wurden von Adam getrieben.

Ben und ich, wir hatten mit siebzehn Rindern zu tun. Sechzehn Kühe und ein Bulle waren es, und sie machten uns die ersten Tage schwer zu schaffen, besonders der verdammte Bulle.

Erst nach einigen Tagen erreichten wir mit diesem Rinderrudel fast gleichzeitig mit dem Wagen unser jeweiliges Camp. Die Rinder hatten sich endlich an das Wandern gewöhnt. Nun blieben wir nicht mehr hinter dem zwar langsam, aber stetig rollenden Wagen zurück.

An einem dieser Tage sang ich zum ersten Male seit langer Zeit wieder.

Natürlich war es »My old Kentucky Home«, jenes Lied von Stephen Collins Foster, das sozusagen unsere Nationalhymne war.

Auch meine Brüder sangen mit – sogar Adam, der neben den Rindern die Pferde trieb.

Diese Pferde waren eigentlich unser kostbarster Besitz. Kentucky-Pferde waren damals schon berühmt, und auch unsere konnten sich sehen lassen.

Nun, wir waren eigentlich wieder eine glückliche Familie geworden. Unser Vater machte uns keine Vorwürfe mehr. Für ihn war unser Versagen vergeben und vergessen – obwohl er, wäre unsere Farm nicht so heruntergekommen gewesen, gewiss einen besseren Preis dafür bekommen hätte.

Wir hatten unter alles einen Schlussstrich gemacht und zogen nach Westen.

Dort wollten wir neu beginnen.

Und für drei junge Burschen bestand dort die Möglichkeit der großen Bewährung.

Dort im Westen lag für Jungen unserer Sorte eine Herausforderung.

Unser Vater sprach nicht viel in diesen Tagen und Wochen. Doch er nahm etwas an Gewicht zu. Er und Mom waren glücklich darüber, dass sie wieder beisammen waren.

Dass er keinen linken Fuß mehr hatte, fiel kaum noch auf. Er hinkte nur leicht. Seine Schnürstiefel-Prothese genügte ihm. Er brauchte keinen Stock, und er verrichtete seine Arbeit mit lässig wirkender Leichtigkeit und Sicherheit. Er war ein Mann von hundertneunzig Pfund Gewicht und einer Größe von sechs Fuß und zwei Zoll.

Seinen Colt trug er immer.

Das hatte er früher nie getan. Aber in den fünf Jahren des Krieges hatte er sich das angewöhnt. In seinem Gesicht waren ein paar tiefe, dunkle Linien, und in seinen rauchgrauen Augen sah man manchmal etwas von seiner kühlen, ruhigen Härte.

Einmal in einem Camp auf der Kansasprärie, als wir schon viele Wochen unterwegs waren und auch schon der Mississippi hinter uns lag, trat unsere Mom fast auf eine Klapperschlange.

Da sahen wir unseren Vater ziehen und schießen.

Unser Adam hielt sich für einen besonders schnellen Revolverschwinger, aber er wäre geschlagen worden.

Überdies traf die Kugel genau den Kopf der Schlange, und das aus gut sechs Schritt Entfernung.

Da wussten wir endlich Bescheid, was im Krieg aus unserem Vater geworden war. Er – der ehemalige Farmer – konnte es mit jedem Revolvermann aufnehmen.

Nun, wir zogen weiter. Zumeist schlossen wir uns anderen Wagenzügen an, denn das war sicherer. Es gab überall noch starke Banden einstiger Guerillas aus dem Krieg. Die Zeiten waren verdammt schlecht.

Wir brauchten ein ganzes Jahr. Jawohl, ein ganzes Jahr!

An meinem siebzehnten Geburtstag lagerten wir am Rand einer Hügelkette. Ein kleiner Creek versickerte hier. Er hatte nicht mehr genügend Kraft.

Unser Vater kam bei Anbruch der Abenddämmerung ins Camp geritten. Er war zwei Tage fort gewesen, irgendwo jenseits der Hügel.

Wie es seine Art war, blieb er erst mal auf dem Pferd sitzen und sah uns der Reihe nach an.

Wir erkannten sofort, dass in seinem Innern nun Ruhe herrschte. Deshalb wussten wir, dass er endlich gefunden hatte, was er ein Jahr lang so geduldig und dennoch ruhelos suchte: Land für uns.

Er nickte in Richtung der Hügel und sagte dann ruhig: »Ich habe es gefunden. Dort jenseits der Hügel. Es ist nicht mehr weit – ein Tal, wie es der Herr dieser Welt nur einmal schuf, ein weites, weites Tal mit Creeks und Seen, mit saftigen Weiden, Senken, sanften Hügeln und Waldstücken, ein herrliches Tal, gesäumt von einem natürlichen Wall grüner Berge. Wir sind angelangt, haben gefunden, was wir suchten. Morgen brechen wir auf. Und übermorgen nehmen wir unser Land in Besitz.«

Wir starrten ihn an. Seine Stimme klang, als spräche er ein Gebet und leiste zugleich einen feierlichen Schwur.

Dann saß er ab. Unsere Mom trat schnell zu ihm, küsste ihn und sagte glücklich: »George, ich freue mich, dass du gefunden hast, was für uns gut und richtig sein wird. Ich freue mich so sehr!«

Wir drei Finley-Jungen standen still da.

Und unsere Gefühle waren gemischt.

Zum ersten Mal wurde uns so richtig klar, dass wir die nächsten Jahre in der Einsamkeit leben und etwas aufbauen mussten. Das würden harte, entbehrungsreiche Jahre werden. Es konnte dabei für uns kaum jenen Spaß geben, den Adam und Ben in Saloons und Tingeltangel mit Mädchen und beim Spiel bereits gehabt hatten.

Wir würden hier wie Mönche leben und arbeiten.

Aber wir konnten reiten, jagen, fischen. Und wir würden etwas mit unseren Händen aufbauen.

Das alles begriffen oder ahnten wir.

Dennoch waren unsere Gefühle gemischt.

Am nächsten Tag sahen wir das Tal von oben.

Und selbst wir Jungen waren ergriffen von der großartigen Schönheit.

Erst jetzt erkannten wir richtig, in welcher Größenordnung unser Vater dachte.

Daheim in Kentucky waren wir kleine Farmer gewesen.

Hier wollten wir ein Tal in Besitz nehmen, das fast so groß war wie in Kentucky ein ganzes County mit mehreren Ortschaften und einigen Dutzend Farmen. Erst jetzt begriffen wir, dass Vater mit uns wirklich so etwas wie ein Königreich gründen wollte.

Unsere paar Pferde und die kleine Rinderherde kamen uns lächerlich und unwichtig vor. Und von dem Geld, das wir in Kentucky für unsere Farm bekommen hatten, besaßen wir keine dreihundert Dollar mehr.

Wir staunten über die Größe unserer Zukunft, und wir kamen uns klein vor.

Wer waren wir denn schon? Unserem Vater fehlte der linke Fuß, und wir drei Finley-Jungen hatten daheim nicht mal eine kleine Farm in Schuss halten können, sondern alles unserer Mom überlassen.

Wie konnten wir jetzt über uns hinauswachsen und ein Königreich schaffen?

Als wir unseren Vater ansahen, ahnten wir es. Er würde es uns zeigen und von uns verlangen, dass wir ihm nacheiferten.

Oha, was würden das für harte Jahre werden!

Uns krampften sich die Mägen zusammen. Wir mussten schlucken, und bei aller großartigen Schönheit des Tales war uns nicht wohl. Nur Mom war glücklich.

Am nächsten Tag zogen wir von der Wasserscheide den langen Canyon hinunter und erreichten gegen Mittag einen schönen Platz an einem See. Es gab ein paar alte Bäume diesseits – und drüben am anderen Ufer einen ganzen Wald. Ein Creek floss in den See und verließ ihn als Abfluss wieder.

»Hier bauen wir unsere Ranch«, sagte unser Vater und kletterte vom Wagen.

Er breitete die Arme aus und rief: »Dies ist unser Land, und niemand wird es uns wegnehmen – niemand!«

Wir gaben laut schreiend unserer Zustimmung Ausdruck, denn wir alle waren ergriffen und erlebten diese Stunde sehr bewusst.

Unsere Mom saß noch auf dem Wagenbock und hatte die Hände gefaltet. Sie betete leise.

Wir verstummten und hörten ihre letzten Worte: »... und behüte uns und beschütze uns vor allem Übel. Amen.«

Auch wir sagten unser Amen.

Dann sahen wir die Reiter kommen.

Es waren Weiße wie wir, sieben oder acht Mann. Sie ritten hinter einem Anführer her, und sie waren eine stolze, selbstbewusste Crew, das konnte man schon aus einiger Entfernung erkennen.

Wir standen da und ahnten bereits, dass man auch diesmal wieder – wie stets auf dieser Erde – nichts umsonst bekommen würde.

Wir blickten den Reitern entgegen und warteten.

Unsere Rinder und auch die Pferde waren drüben am Ufer des Sees. Dort würden sie auch noch eine Weile bleiben. Wir brauchten uns nicht um sie zu kümmern.

Mein Vater stellte sich so, dass er den Wagen hinter sich hatte. Adam trat neben ihn. Denn auch Adam trug ja schon einen Colt. Ben hatte ein Spencer-Gewehr. Und ich führte im Sattelschuh eine Schrotflinte mit.

Die Reiter kamen langsam näher, ganz so, als hätten sie viel Zeit. Es waren echte Rindermänner, wahrscheinlich sogar Texaner.

Ihr Anführer war ein großer Mann. Er trug keinen Hut. Sein löwengelbes Haar flatterte im leichten Wind. Er hatte überhaupt viel Ähnlichkeit mit einem Löwen, dieser Mann. Er wirkte gewaltig, souverän und ganz und gar wie ein Boss, der anderen Männern durch knappe Worte oder einen Wink mit einem Finger Befehle geben kann, die genau befolgt wurden.

Als sie unser Camp erreichten, hielten sie im Halbkreis an.

Der löwenhafte Mann lächelte breit. Er ließ zwei kräftige Zahnreihen in der Sonne blinken. Vor unserer Mom zog er sogar höflich den Hut und verneigte sich im Sattel.

»Ich habe natürlich nichts dagegen, wenn Sie hier für eine Nacht ein Camp aufschlagen und morgen über mein Land ziehen«, sagte er. »Mein Name ist Miles, Nelson Miles. Ich habe dieses Tal gestern in Besitz genommen.«

Er sagte den letzten Satz ganz lässig und selbstverständlich. Aber es war etwas in seinen Augen, was sogar mich erkennen ließ, wie gefährlich er werden konnte, wenn ihm jemand das, was er nun als seinen Besitz betrachtete, streitig machen würde.

Ich sah auf unseren Vater.

Und dieser war nun kein kleiner Farmer mehr. Das mochte er vielleicht vor dem Krieg gewesen sein. Doch fünf Jahre konnten einen Mann ändern. Unser Vater hatte zeitweilig als Master Sergeant eine Kompanie geführt, als die Offiziere gefallen waren. Aus vielen anderen Gründen war er ebenfalls kein kleiner Farmer mehr. Er war ja auch ein Revolvermann geworden.

Entschlossen sagte er zu diesem Nelson Miles: »Mister, es tut mir leid. Aber ich muss Ihnen sagen, dass Sie zu spät kamen. Ich war schon zwei Tage vor Ihnen in diesem Tal. Schauen Sie zu diesem Felsen dort drüben! Dort meißelte ich bereits vor drei Tagen mein Squatterrecht ein. Suchen Sie sich ein anderes Tal, Mister Miles. Es gibt sicherlich noch irgendwo ...«

»Nein«, fiel Miles ihm hart in die Rede.

Jetzt wusste unser Vater, dass jedes weitere Wort sinnlos war und wahrscheinlich sogar als Schwäche ausgelegt würde.

Miles befahl nach drei Sekunden hart: »Packt euch! Sofort. Auf der Stelle! Oder meine Reiter machen euch Beine! Mann, wenn das Ihre Frau und Ihre drei Söhne sind, dann würde ich lieber nichts riskieren. Denn wenn wir mit euch anfangen, dann könnte es bald die ersten Gräber hier in diesem schönen Tal geben, das Miles Valley heißen wird.«

Unser Vater blickte ihn ruhig an.

»Lassen Sie nur meine Frau und meine drei Jungen aus dem Spiel«, sagte er. »Und lassen Sie auch Ihre Revolvermänner draußen, Miles. Kommen Sie herunter vom Gaul und zeigen Sie mir persönlich, ob Sie groß genug sind, mich hier zu vertreiben.«

Das war eine Herausforderung.

Ich blickte schnell auf Mom. Sie saß ganz still auf dem Wagen und hielt ihre Hände im Schoß gefaltet.

Auch Miles sah auf Mom. Wahrscheinlich gefiel sie ihm. In diesem Lande gab es nur wenige Frauen. Und unsere Mom war schön.

Miles leckte sich über die Lippen. Er starrte wieder unseren Vater an.

Dann blickte er auf dessen linkes Bein. Er hatte schon erkannt, dass die Sohle des Schnürstiefels, der nichts anderes als eine geschickte Prothese war, doppelte Stärke hatte.

»Sie sind doch ein Krüppel«, sagte er langsam. »Wollen Sie einen Revolverkampf?«

»Ich bin George Finley«, antwortete mein Vater. »Sie können sich aussuchen, ob Sie es mit dem Colt oder mit den Fäusten austragen wollen. Hauptsache ist, dass Sie – sollten Sie verlieren und noch am Leben sein – Ihr Wort halten und verschwinden.«

Nelson Miles nickte. Er leckte wieder über seine breiten Lippen. Sein zerfurchtes Löwengesicht bekam noch ein paar Falten mehr. Er war keinesfalls älter als unser Vater, eher zwei oder drei Jahre jünger.