G. F. Unger 2267 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2267 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

In jenem Winter damals folgte ein Blizzard dem anderen, und überall wanderten die Herden vor diesen eisigen Nordstürmen nach Süden, irgendwohin, wo es Schutz gab. Es waren viele Herden aus Montana unterwegs, Zehntausende von Rindern. Männer ritten mit ihnen, die die Tiere nicht anhalten konnten, Männer, die bald genug damit zu tun hatten, sich selbst am Leben zu erhalten.
In jenem Winter starben Tausende von Rindern.
Und es starben sehr viele Reiter.
Als die Montana-Herden, getrieben von den eisigen Blizzards, nach Wyoming kamen, stießen sie auf die Stacheldrahtzäune der dort sesshaften Rancher.
Auch die Herde von Adam Lee und seiner Mannschaft gelangte damals an einen Zaun, der wie eine Schranke war und sicherlich bewirkt hätte, dass, die Tiere davor umgekommen wären.
Es war kein einfacher Stacheldrahtzaun. Es war der Zaun eines Mannes, der eine Art König war. Ein mächtiger Mann, der viele Revolverschwinger auf seiner Lohnliste führte. Er hieß Josua Morgan.
Als Adam Lee den Zaun des Morgan-Reiches zerschnitt, damit seine sterbende Herde noch Rettung finden konnte, brach die Hölle los. Es begann ein blutiger Weidekrieg, der in die Geschichte des Landes einging ...


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Seitenzahl: 167

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Die Montana-Herde

Vorschau

Impressum

Die Montana-Herde

In jenem Winter damals folgte ein Blizzard dem anderen, und überall wanderten die Herden vor diesen eisigen Nordstürmen nach Süden, irgendwohin, wo es Schutz gab. Es waren viele Herden aus Montana unterwegs, Zehntausende von Rindern. Männer ritten mit ihnen, die die Tiere nicht anhalten konnten, Männer, die bald genug damit zu tun hatten, sich selbst am Leben zu erhalten.

In jenem Winter starben Tausende von Rindern.

Und es starben sehr viele Reiter.

Als die Montana-Herden, getrieben von den eisigen Blizzards, nach Wyoming kamen, stießen sie auf die Stacheldrahtzäune der dort sesshaften Rancher.

Auch die Herde von Adam Lee und seiner Mannschaft gelangte damals an einen Zaun, der wie eine Schranke war und sicherlich bewirkt hätte, dass die Tiere davor umgekommen wären.

Es war kein einfacher Stacheldrahtzaun. Es war der Zaun eines Mannes, der eine Art König war. Ein mächtiger Mann, der viele Revolverschwinger auf seiner Lohnliste führte. Er hieß Josua Morgan.

Als Adam Lee den Zaun des Morgan-Reiches zerschnitt, damit seine sterbende Herde noch Rettung finden konnte, brach die Hölle los. Es begann ein blutiger Weidekrieg, der in die Geschichte des Landes einging ...

Als die Rinder durch den tiefen Schnee in das Bachbett taumeln, finden sie etwas Schutz vor dem eisigen Schneesturm. Und die stärksten Tiere machen sich sofort daran, die Rinde von den Weiden zu reißen.

Die schwächeren Tiere aber verenden hier zu Dutzenden. Und manche brechen sogar durch das Eis und versinken.

Dazu heult und tobt der brüllende Blizzard unaufhörlich, und manchmal wird der Schneefall zu einem Blaueishagel, dessen Körner so groß wie Walnüsse sind.

Im Schutz einer hohen und etwas überhängenden Uferbank treffen sich einige Reiter, die in den Sätteln festgefroren sind und die sich kaum noch bewegen können. Ihre zottigen Pferde, an denen Eiszapfen hängen, drängen sich von selbst eng zusammen und in den Windschutz der Felswand. Einer der Reiter bringt eine Blechflasche zum Vorschein, krächzt unverständliche Laute und trinkt. Dann wandert die Flasche von Mann zu Mann, und das in ihr enthaltene Feuerwasser regt die Lebensgeister der Reiter wieder an.

»Du lieber Himmel, was haben wir denn verbrochen?«, fragt eine heisere Stimme bitter und anklagend.

»In der Hölle wird dir wieder warm, Shorty«, sagte eine andere Stimme voller Grimm. »Warte nur, bis du in die Hölle kommst. Dann wirst du derart braten, dass du freiwillig wieder in diesen Blaueisblizzard springen möchtest.«

»Ich spüre schon eine Weile meine Beine bis zu den Knien nicht mehr«, sagt der dritte Reiter hustend. »Ich glaube, ich muss absteigen und ...« Er bricht ab, flucht gepresst und löst sich dann vom Sattel. Er bringt es fertig, vom Pferd zu kommen, doch schon beim zweiten Schritt fällt er in den Schnee. Seine heulenden Flüche sind nicht mehr verständlich. Die beiden anderen Männer sitzen nun ebenfalls ab. Sie heben ihren Gefährten auf und führen ihn im Schutz der Felswand herum.

»Du musst mit deinen krummen Dackelbeinen feste aufstampfen, Kid, mein Junge«, krächzt einer der Männer. »Wenn du kein Gefühl mehr in die Füße bekommst, dann müssen wir dir Stiefel und Hosen ausziehen und dich mit Schnee einreiben und durchkneten wie Sabe Swift seinen Sauerteig!«

»Es wird schon gehen, es wird schon gehen«, ächzt der Junge. »Ich spüre nun schon wieder was! Ich bin gleich wieder in Ordnung, denke ich!«

Ein vierter Reiter taucht bei ihnen auf. Er ist groß und sitzt auf einem riesigen Rappen, der sich leicht und geschmeidig durch den Schnee arbeitet und zufrieden schnaubt, als er den Windschutz der überhängenden Felswand spürt.

Auch dieser Reiter ist vermummt wie die anderen Männer. Er hat sich den dicken Wollschal über den Hut und um den Hals gebunden. Der Kragen seiner langen Büffeljacke ist hochgeschlagen. Und seine Lederhosen sind aus Schaffell.

Ein dichter Bart, in dem Eis und Schnee hängen, bedeckt ein dunkles Gesicht und lässt nur Nase, Augen und die Wangenknochen frei. Es ist ein kühnes Gesicht, mit grauen Augen, die hart und zwingend sind. Auf seinem linken Wangenknochen ist eine kleine, halbmondförmige Narbe, die hell, fast weiß zu erkennen ist.

Der Mann sagt: »Ich werde euch später, wenn wir hier heraus sind, ein warmes Bett in einem Hotel bestellen. Und ihr könnt in heißem Wasser baden und euch eine ganze Woche lang Geschichten erzählen. Doch jetzt dürft ihr nicht aufgeben. Habt ihr mich verstanden? Wir kämpfen immer noch mit diesem Blizzard um die Herde! Wir machen weiter! Bis in die Hölle und zurück! Vorwärts! Vorwärts! Die Herde! Die Herde muss aus dem Creekbett! Hier verhungert sie! Hier sterben sie alle!«

Seine Stimme hat einen harten und zwingenden Klang. Er reißt seinen riesigen Rappen herum und reitet wieder in den Sturm hinaus. Er verschwindet im Schnee- und Eishagel.

Die Reiter folgen ihm. Einer der Männer brüllt: »Zur Hölle! Zur Hölle mit Adam Lee und seiner Herde! Zur Hölle mit ...«

Der Mann ruft nicht weiter. Er macht schnell den Mund zu. Denn die eisige Kälte lässt seine Zähne, den Hals und seine Lungen schmerzen. Es ist wirklich unklug, seinen Unmut durch lautes Schimpfen abreagieren zu wollen.

Die drei Reiter gesellen sich wieder zur Mannschaft, die verzweifelt gegen den Eissturm um die Herde kämpft.

Denn sie müssen die Rinder auf den Beinen halten. Sie dürfen nicht zulassen, dass sie sich irgendwo im Schnee oder im Schutz des Creekbettes niederlassen. Sie müssen die Herde – oder genauer gesagt, die schwächeren Tiere der Herde – vorwärtsbringen, irgendwohin nach Süden, wo es jenseits einer Ebene bewaldete Hügel, tiefe Senken und geschützte Täler geben soll.

Auch Adam Lee, der Herdenboss, der den riesigen Rappen reitet und solch harte Worte sprach, verrichtet seine Arbeit wie ein Cowboy. Er weiß, dass seine Mannschaft ihn nun schon seit Tagen verflucht und hasst, ihn und die Herde, den Blizzard und die ganze Welt der Schwierigkeiten und Hindernisse.

Er aber flucht auf die Mannschaft und erwidert deren Hass mit unduldsamer Härte.

Und so kämpft er seinen erbitterten Kampf und zwingt die Reiter immer wieder zu dieser mörderischen Arbeit. Einige seiner Reiter fehlen. Wenn sie nicht desertiert sind, dann sind sie gewiss erfroren, vom Weg abgekommen, verloren.

Aber er glaubt nicht, dass sie desertierten. Gewiss, sie fluchen und hassen jetzt alle Dinge auf dieser Welt. Doch sie alle sind Cowboys, echte Männer der Rinderweide.

Vor Adam Lee, der eine erschöpfte Kuh den jenseitigen Hang hinaufprügelt, taucht ein Reiter auf. Und durch das Orgeln des Blizzards klingt der Ruf: »Adam! Hoiii!«

Sie treffen sich, beugen sich zueinander. Und Adam Lee blickt in die blutunterlaufenen Augen seines Vormannes Johnny Bermuda.

»Da vorn! Da vorn! Ein höllischer Stacheldrahtzaun. Ein starker Zaun. Das ist Wyoming!«

Johnny Bermuda ruft es heiser und wild.

»Dann legt ihn doch um! Legt diesen Mordzaun doch um!«

Adam Lee brüllt es zurück und treibt seinen Rappen vorwärts. Sein Vormann und zwei, drei andere Männer folgen ihm. Und sie stoßen bald auf eine Reihe Rinder, die gegen den Zaun geprallt sind und sich im tiefen Schnee niederlegten. Andere Tiere, die noch kräftiger sind, wandern am Zaun entlang.

San Antonio Bargas, ein dunkler Bursche aus dem Alamo County in Texas, bringt eine Drahtschere aus seiner Satteltasche zum Vorschein. Doch als er sich die Handschuhe wieder anziehen will, entfällt ihm die Schere und verschwindet in dem tiefen Schnee.

Adam Lee schwingt sich aus dem Sattel. Er muss den langen Arm bis zur Schulter in den Schnee stecken, bis er die Zange ergreifen kann. Sofort arbeitet er sich an den Zaun heran. Eine Kuh brüllt ihn an, und dieses Gebrüll klingt kläglich. Dabei würde die halbwilde Longhornkuh sonst auf der grünen Weide jeden Fußgänger angreifen.

Adam Lee beginnt, den Zaun zu zerschneiden. Es sind fünf Drähte, und sie sind an starken Pfosten befestigt. Es ist ein wahrhaft starker und bestimmt nicht billiger Zaun, und er ist fast so hoch wie ein Reiter.

Indes Adam Lee die Drähte durchschneidet und der Blizzard ihn umtobt, denkt er daran, dass dieser starke Zaun bestimmt von einem großen Mann errichtet wurde.

Er hat im vergangenen Jahr schon gehört, dass die Rancher in Wyoming neuerdings Zäune errichten. Und er hat auch schon von den Größten und Mächtigsten dieser Rancher gehört, von den großen Rinderkönigen, und auch von ihren nicht kleineren Widersachern, den großen Schafzüchtern.

Indes Adam Lee also Draht für Draht zerschneidet, dann durch den Schnee stapft und beim nächsten Pfosten alles wiederholt, da weiß er ungefähr, wo er gelandet ist.

Irgendwo südlich, da muss die kleine Stadt Creek Station liegen. Und wenn dort Creek Station liegt, nun, dann ist dieser Zaun hier die Nordgrenze von Big Josua Morgans Rinderreich.

Denn Big Josua Morgans Bull Skull Ranch ist mehr als eine Ranch. Es handelt sich um ein riesiges Weidegebiet mit vielen Vorwerken, Siedlungen und Weidehütten.

Adam Lee, der Mann aus Montana, hat davon schon gehört.

Und er ist jetzt in dieses Reich eingedrungen, er hat den Zaun durchschnitten. Seine rund zehntausend Rinder – oder was davon noch übrig ist – werden sich mit den Rindern der Bull Skull Ranch vermischen, die ja auch sicherlich überall in den Senken und im Wald Schutz gesucht haben.

Es ist noch gar nicht auszudenken, was nun alles kommen wird.

Aber vorerst ist nur wichtig, dass die Montana-Herde aus dem brüllenden Eisblizzard heraus und in den Schutz der Wälder, Hügel, Senken und Täler des Belle-Fourche-River-Landes kommt.

Es ist am Abend dieses Tages, als Adam Lee mit zwei seiner Männer die kleine Stadt Creek Station erreicht.

Dass er, Kid Drake und der Koch Sabe Swift die kleine Stadt überhaupt finden konnten, verdanken sie der Fortsetzung eines Zaunes, der immer genau an einer zugeschneiten Straße entlang nach Süden führt. Die Zaunpfosten waren gute Wegweiser.

Die drei Reiter, die wie Schnee- oder Eismenschen anmuten, hämmern lange genug gegen das Tor des Mietstalls, bis sich die kleine Pforte darin öffnet und ein Mann seinen Kopf sehen lässt.

»Oh, Bruder, mach uns nur auf«, sagt Sabe Swift laut und übertönt das Heulen des Sturmes. Sie rutschen nun von den Tieren, und sie sind steif, fast erfroren, erschöpft, ausgehöhlt und erledigt.

Als sich das große Tor öffnet, taumeln sie mit ihren Pferden in den Stall. Und als das große Tor geschlossen wird, da ist ihnen, als wären sie in einen Backofen gesprungen, so heiß ist es. Und so still und ruhig kommt ihnen alles vor, als hätte ein Riese eine große Käseglocke über sie gestülpt, die alle Unbilden der Welt von ihnen abschirmt. Das Eis an ihnen beginnt zu tauen, und sie schälen sich aus ihren Pelzen.

Der Stallmann staunt nicht mehr länger, sondern bemüht sich um die Pferde. Er hat begriffen, dass diese Reiter erledigt sind, und er sagt: »In der linken Ecke von der Futterkiste steht meine Flasche. Nehmt nur einen guten Schluck! Und in meinem Schlafverschlag habe ich den Kaffeetopf auf dem Ofen. Hoi, ich dachte, es kämen einige Eismenschen vom Nordpol herein. Seid ihr lange in diesem höllischen Blizzard geritten?«

Indes er spricht, betrachtet er die Brandzeichen der Pferde. Das Brandzeichen stellt einen Steigbügel dar, und solch einen Brand hat der Stallmann noch nie gesehen.

»Diesen Stirrup-Brand kenne ich nicht«, sagt er. »Wo gibt es den?«

Er bekommt nicht sogleich eine Antwort. Doch dann sagt Adam Lee mit einer rostigen, heiseren und gepressten Stimme: »Im Norden von hier – etwa dreihundert Meilen – im Montana-Territorium, da gibt es die Stirrup Ranch. Und von dort kommen wir.«

»He!« Der Stallmann staunt. »Dann müsst ihr ja schon viele Tage unterwegs sein!«

»Wochen.« Adam Lees Stimme klingt nun ganz trocken. »Einige Wochen, mein Freund. Die Blizzards begannen schon vor dem Weihnachtsfest, nicht wahr? Und sie folgten dicht hintereinander. Wir sind seit Weihnachten mit unseren Rindern unterwegs. Drei- oder viermal hatten wir die Herde umgedreht und waren dabei, sie zurückzutreiben. Es war eine höllisch breite Front von Rinderrudeln. Aber wir kamen stets nur wenige Meilen weit. Dann kam der nächste Blizzard. Die Rinder machten wieder kehrt und ließen sich mit dem Schneesturm treiben.«

»Ja«, sagt der Stallmann. »Rinder drehen jedem Unwetter das Hinterteil zu und wandern vor ihm her. Das ist so. Mein Name ist Pete Shepard. Mir gehört dieser Mietstall.«

Er macht sich eine Weile in den Boxen an den Pferden zu schaffen, sattelt sie ab, schüttet ihnen Kornfutter vor und füllt die Heuraufen.

»Sie müssen erst mal abtauen«, sagt er dann. »Und man sieht Ihnen an, dass sie erledigt sind.«

Er kommt wieder zurück in den Vorraum. Und er sieht, dass die drei Männer müde auf den Futterkisten hocken, die Flasche kreisen lassen und dazu aus dem Kaffeetopf trinken, den sie sich aus seinem Wohnverschlag holten.

»Du lieber Himmel«, sagt er. »Wir haben jetzt den fünften Februar. Und ihr seid seit dem Christfest draußen in diesen Blizzards bei den wandernden Rindern? Heiliger Rauch! Wie viele Rinder sind es denn? Und wie viele Reiter seid ihr?«

Adam Lee gibt nicht sogleich Antwort. Die Müdigkeit, die Wärme des Stalles, die Windstille hier und die warmen oder scharfen Getränke, dies alles erschlägt ihn regelrecht und lässt ihn fast einschlafen.

Doch nun denkt er bei der Frage des Stallbesitzers wieder an seine Reiter. »Oh, ich besaß etwa zehntausend Rinder und fast zwei Dutzend gute Cowboys«, sagt er langsam und schwer. »Ich weiß nicht, was davon noch übrig und am Leben ist. Und ich bin gekommen, um Proviant zu holen. Wir haben für unsere Rinder den Zaun durchschnitten. So gelangten wir in den Schutz der Senken, des Waldes und der vielen geschützten Winkel dieses Landes. Wir fanden ein festes Blockhaus, zu dem ein Schuppen und eine Scheune gehören. Es war verlassen. Wir quartierten uns dort ein. Und nun warten meine Männer darauf, dass ich ihnen all die Dinge bringe, auf die sie Anspruch haben. Mein Name ist Adam Lee.«

Der Stallmann betrachtet ihn staunend. Dann kratzt er sich hinter dem Ohr.

»Sie sind auf die Morgan-Weide gekommen«, sagt er langsam. »Sie haben Josua Morgans Zaun durchschnitten. Und Ihre Rinder sind nun auf seinem Land – oder zumindest auf einer Weide, die er für sich beansprucht. Das kann schlimm werden, Mister Lee, sehr schlimm. Denn Big Josua Morgan ist ein harter Mann, ein mehr als harter Mann. Sein Vormann ist ebenso hart. Und seine beiden Söhne ...« Er verstummt und macht eine Bewegung, die wohl ausdrücken soll, dass ihm einfach die treffenden Worte fehlen.

Er macht eine kleine Pause, betrachtet Adam Lee abschätzend und wird sich wohl darüber klar, dass von diesem großen, hageren und erschöpften Mann eine Menge Härte, Kraft und Stärke ausgeht.

In den Augen des Stallbesitzers erscheint ein besonderes Funkeln.

»Nur in einer Sache haben Sie etwas Glück Mister! Das Blockhaus, in dem Sie Quartier machten, gehört nicht Big Josua Morgan. Die Nelson Ranch hat ihm noch nie gehört. Doch als er seinen Drahtzaun baute, bezog er diese Ranch einfach in sein Gebiet mit ein.«

»Konnte er denn das so einfach tun?«

Der Stallbesitzer nickt. »Mister Morgans Wille ist auf fünfzig Meilen im Umkreis Gesetz«, sagt er. »Und die kleine Nelson Ranch gehört jetzt einem Mädchen, das hier in der Stadt einen Schneiderladen hat. Wer hätte Big Josua Morgan wohl daran hindern können, seinen Zaun so zu ziehen, wie er es wollte?«

Darauf gibt Adam Lee keine Antwort. Er erhebt sich von der Futterkiste, schüttelt und rüttelt seine beiden Begleiter wach, die in der Wärme des Stalles einschliefen, und will mit Ihnen gehen.

Der Stallbesitzer sagt schnell: »Der General Store ist hundert Schritte stadteinwärts auf dieser Seite. Gegenüber liegt der Komm-Herein-Saloon. Dort vertreiben sich schon seit Beginn des letzten Blizzards Josua Morgans beide Söhne die Zeit. Vorsicht! Sie sind zwei schlimme Pilger. Soll ich frische Pferde und Packpferde bereithalten, Mister Lee?«

Adam Lee blickt ihn an und nickt.

»Ja, frische Pferde und drei Packpferde«, sagt Adam Lee. »Ich kann alle Dinge sofort bar bezahlen. Ich habe genügend Geld bei mir. Und ich danke für alle Auskünfte – wirklich, ich danke Ihnen sehr!«

Damit verschwindet er mit seinen beiden wortkargen und noch halb schlafenden Reitern, die jedoch gleich darauf im eisigen und brüllenden Schneesturm, der auch zwischen den Häusern dieser kleinen Stadt tobt, wieder richtig wach werden.

Adam Lee hält sich im Store nur so lange auf, bis er sicher ist, alle gewünschten Dinge bekommen zu können. Er steckt den eben gekauften Tabak und die Zigarettenblättchen ein und geht zur Tür.

»Ist der Saloon genau gegenüber?« So fragt er.

»Es sind genau fünfzig Schritte«, sagt der Storehalter und legt zwei geräucherte Speckseiten auf den Ladentisch.

Adam Lee geht wieder hinaus, und der Sturm fällt erneut über ihn her.

Als Adam in der Mitte der Straße ist, reicht ihm der Schnee bis zum Bauch, und er kann keine der beiden Häuserfronten mehr sehen. Doch dann erreicht er den jenseitigen Gehsteig. Er stemmt sich auf den Plankengehsteig und erreicht den Saloon.

Man hat hier die Wintertür eingesetzt. Adam Lee öffnet sie, und als er in den Saloon tritt, wirbelt der brüllende Sturm Eis und Schnee in den Raum.

Inmitten der Tische steht ein großer Eisenofen, der einen glühenden Bauch hat.

An einem Tisch sitzt eine Pokerrunde. Und auch der Barmann sitzt als Spieler mit an diesem Tisch. Er fragt: »Wollen Sie Whisky, Fremder? Dort auf dem Schanktisch steht die Flasche. Nehmen Sie ein Glas und bedienen Sie sich.«

Dann blickt er wieder in seine Karten und leckt sich über die vollen Lippen. »Ich halte jeden Einsatz und verdoppele«, sagt er dann und blickt sich wie triumphierend um.

Es sitzen noch vier andere Männer an diesem Tisch. Einer ist ein typischer Berufsspieler, ein großer, schlanker und für dieses Land sehr gepflegt wirkender Mann mit langen Händen. Er trägt einen dunklen Tuchanzug und ein weißes Hemd mit Krawatte. Sein Gesicht ist ernst, beherrscht und ausdruckslos, kühl und dunkel.

Neben ihm sitzt ein älterer Mann, den Adam Lee nicht genau einstufen kann. Der Mann könnte der Arzt der Stadt, aber auch ein Makler, ein Bankier oder ein Anwalt sein. Sein Blick ist fest und prüfend.

Die beiden anderen Spieler sind ganz offensichtlich Zwillinge. Es sind noch junge Männer von etwa fünfundzwanzig Jahren. Sie sind groß, sehnig und haben etwas Wildes und Ungezügeltes an sich.

Aber sie besitzen die überhebliche Unduldsamkeit von Männern, die Macht und Reichtum besitzen und denen dies zu Kopf stieg.

Einer der beiden Brüder grinst, lacht leise und spöttisch und sagt: »Vielleicht kann er den Whisky gar nicht bezahlen, Mike. Vielleicht ist er ein lausiger Tramp, der sich aufwärmen will. He, Schwarzbart, wo kommen Sie her bei diesem Wetter?«

Die scharfe Frage gilt Adam Lee.

Adam tritt näher an den runden Spieltisch heran. Die Männer betrachten ihn. Auf dem Tisch liegt eine Menge Geld. Nur die beiden Brüder scheinen verloren zu haben. Denn vor ihnen liegen weder Chips noch Geld.

»Ich bin hereingekommen, um mit jemandem von den Morgans zu reden«, sagt Adam langsam. Seine Stimme klingt rauer und härter als sonst, doch daran ist jene schreckliche Zeit schuld, die er hinter sich hat.

»Ich bin Jack Morgan«, sagt der Mann gedehnt. »Und das ist mein Bruder Tim. Sie können also gleich mit zwei Morgans sprechen. Ich bin gespannt, was Sie auf dem Herzen haben, Schwarzbart. Und Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet. Aber ich frage nie zweimal, verstanden?«

Seine Stimme klingt herausfordernd und herrisch.

Adam Lee bleibt ganz ruhig und sachlich. Denn er möchte keinen Verdruss bekommen, jetzt nicht und überhaupt nicht.

Er sagt: »Mein Name ist Lee, Adam Lee. Und ich komme aus Montana. Meine Rinder treiben seit dem Christfest vor den aufeinander folgenden Blizzards nach Süden. Ich konnte sie nicht anhalten oder wieder nach Norden treiben. Ich musste mich mit meiner Mannschaft darauf beschränken, die große Herde möglichst beisammenzuhalten und in ein geschütztes Land zu bringen.«

Er verstummt einen Augenblick, und die Männer betrachten ihn. Sie begreifen in diesem Moment, was er hinter sich hat. Das macht ihnen klar, dass er ein beachtlicher und ein harter Mann sein muss.

Und dennoch unterschätzen sie ihn noch.

Timothy Morgan sagt nun väterlich: »Pah, was sind schon einige hundert Rinder! In diesem Winter gehen die Rinder auf den weiten Ebenen zu Tausenden, ja, zu Zehntausenden ein wie die Karnickel auf dem Eis. Mann, was wollen Sie von uns Morgans? Dass wir Sie mit Ihren paar Rindern durch unseren Zaun in unser geschütztes Land kriechen lassen? Wollen Sie das?«