G. F. Unger 2271 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2271 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Hufschlag. Ein Reiter nähert sich dem Lagerteuer. Clay Robinson springt auf und gleitet in den tiefen Schatten der Bäume am Rand seines Camps. Clay denkt daran, dass er nicht einmal mehr eine Waffe besitzt. Aber was ist bei ihm schon zu holen? Nichts außer einem alten Gaul und einem Paar silberner Sporen. Das Einzige, was ihm, dem einstigen König der Cowboys, geblieben ist.
Die Silhouette des Reiters schält sich aus dem Dunkel der Nacht. Clay sieht, wie das Pferd stolpert. Das Tier ist am Ende seiner Kraft. Der Reiter schwingt sich aus dem Sattel und führt das erschöpfte Pferd am Zügel.
»Hoi, Feuer!«, ruft eine krächzende Stimme.
Es sind acht Jahre vergangen, seit Clay den kleinen, krummbeinigen Kalispel zum letzten Mal gesehen hat, doch er erkennt ihn sofort wieder.
»He, Kalispel!«, ruft er und tritt aus dem Dunkel in den Lichtkreis des Feuers.
»Clay Robinson?«, sagt Kalispel überrascht. »Mann, bist du wieder in der Heimat?« Er mustert Clays abgerissene Kleidung. »Du scheinst Pech gehabt zu haben, alter Freund.«
Clay nickt nur.
Kalispel grinst. »Auch ich stecke in einer Pechsträhne. Bart Chisham ist hinter mir her. Unser alter gemeinsamer Freund Bart. Und mein Gaul schafft keine halbe Meile mehr. Ich werde ...« Er spricht nicht weiter, sondern hebt lauschend den Kopf.
Auch Clay hört den Hufschlag. Ein Reitertrupp jagt im Galopp auf das Camp zu. »Warum ist Bart hinter dir her?«, fragt Clay den Freund aus alten Tagen. »Was will er von dir?«
Kalispel blickt sieh gehetzt und verzweifelt um. »Was er will? Meinen Kopf!«


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Seitenzahl: 161

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Silberne Sporen

Vorschau

Impressum

Silberne Sporen

Hufschlag. Ein Reiter nähert sich dem Lagerteuer. Clay Robinson springt auf und gleitet in den tiefen Schatten der Bäume am Rand seines Camps. Clay denkt daran, dass er nicht einmal mehr eine Waffe besitzt. Aber was ist bei ihm schon zu holen? Nichts außer einem alten Gaul und einem Paar silberner Sporen. Das Einzige, was ihm, dem einstigen König der Cowboys, geblieben ist.

Die Silhouette des Reiters schält sich aus dem Dunkel der Nacht. Clay sieht, wie das Pferd stolpert. Das Tier ist am Ende seiner Kraft. Der Reiter schwingt sich aus dem Sattel und führt das erschöpfte Pferd am Zügel.

»Hoi, Feuer!«, ruft eine krächzende Stimme.

Es sind acht Jahre vergangen, seit Clay den kleinen, krummbeinigen Kalispel zum letzten Mal gesehen hat, doch er erkennt ihn sofort wieder.

»He, Kalispel!«, ruft er und tritt aus dem Dunkel in den Lichtkreis des Feuers.

»Clay Robinson?«, sagt Kalispel überrascht. »Mann, bist du wieder in der Heimat?« Er mustert Clays abgerissene Kleidung. »Du scheinst Pech gehabt zu haben, alter Freund.«

Clay nickt nur.

Kalispel grinst. »Auch ich stecke in einer Pechsträhne. Bart Chisham ist hinter mir her. Unser alter gemeinsamer Freund Bart. Und mein Gaul schafft keine halbe Meile mehr. Ich werde ...« Er spricht nicht weiter, sondern hebt lauschend den Kopf.

Auch Clay hört den Hufschlag. Ein Reitertrupp jagt im Galopp auf das Camp zu. »Warum ist Bart hinter dir her?«, fragt Clay den Freund aus alten Tagen. »Was will er von dir?«

Kalispel blickt sieh gehetzt und verzweifelt um. »Was er will? Meinen Kopf!«

»Wenn sie mich erwischen«, sagt Kalispel dann, »werden sie mich aufknüpfen. Bart Chisham hat geschworen, dass er ...«

Nach diesen Worten verstummt er, und im Schein des Feuers kann Clay Robinson erkennen, wie die Furcht Kalispels Gesicht verzerrt.

»Ich kann dir mein Pferd nicht geben«, sagt Clay, »es ist älter als deines und ebenso erschöpft.«

Kalispel nickt nur. Dann zieht er sein müdes Pferd herum und reitet davon. Clay kann ihm ziemlich weit nachsehen, denn die Nacht ist hell. Kalispel verschwindet bald zwischen den Hügeln, taucht dort in den Schatten unter.

Clay erinnert sich noch gut an Kalispel. Sie waren Nachbarskinder. Ihre Familien kamen mit einem Treck ins Land. Sie alle gehörten damals zusammen, waren die ersten Weißen in diesem Land.

Auch Bart Chisham war dabei. Gemeinsam wurden sie in diesem Land groß, wurden von Knaben zu Männern.

Und jetzt ...

Clays Gedanken werden unterbrochen, denn nun jagen auf der staubigen Poststraße die Reiter heran, erblicken den roten Schein des Feuers und halten an. Eine scharfe Stimme ruft einen Befehl, und dann kommen sie auch schon herübergeritten, umzingeln das Feuer. Sie halten an. Es wird still.

Dann fragt die scharfe Stimme: »Kalispel?«

»Der ist nicht mehr hier«, erwidert Clay Robinson ruhig. »Und was mich betrifft, ich habe keine Waffe und komme von Laramie herüber.«

Es bleibt noch eine Weile still. Einer der Reiter ist jedoch abgesessen und hat im Mondlicht den Boden abgesucht wie ein Spürhund. Nun sagt er laut: »Es stimmt, Boss! Kalispel kam hier vorbei. Er ist in dieser Richtung auf die Hügel zugeritten.«

Wieder ist es still. Nur die Pferde stampfen und keuchen. Dann reiten zwei der Reiter näher an das Feuer heran. Clay Robinson steht dort ganz ruhig und sieht sie an.

Auch Bart Chisham sah er acht lange Jahre nicht, und vielleicht hätte er ihn nicht erkannt, wenn Kalispel ihn nicht darauf vorbereitet hätte. Bart Chisham wurde mächtig, massig und schwer. Doch er hat gewiss keine Unze überflüssiges Fett an sich.

Er starrt über das Feuer hinweg auf Clay Robinson, und auch ihm ergeht es jetzt wohl so wie Kalispel. Er erkennt Clay nicht, doch er spürt, dass Clay kein Fremder ist.

Dann sieht er die silbernen Sporen beim Feuer und vor dem Sattel liegen.

Auf diese Sporen starrt er lange vom Pferd nieder.

Als er schließlich Clay ansieht, nickt er diesem zu.

»Silberne Sporen«, sagt er. »Als du sie als Preis bekamst, hieltest du dich für einen besonderen Burschen und zogst aus, um dir die Welt zu erobern, als eine Art wandernder Ritter, Preiskämpfer im Sattel. Und nun kommst du ziemlich armselig zurück, Clay Robinson. Ich möchte gern deine Geschichte hören.«

Er sagt es mit großer Selbstverständlichkeit, und man erkennt daran, dass er ein Mann wurde, der mit gleicher Selbstverständlichkeit Befehle gibt und dessen Wille stets bestimmend ist.

Er wendet sich an seinen Nachbarn.

»Reite weiter, Quade«, sagt er. »Kalispel wollte hier wohl sein müdes Pferd tauschen, doch das konnte er nicht. Ihr werdet ihn bald einholen können. Du weißt, was zu tun ist, Quade!«

Er spricht den letzten Satz nicht als Frage, sondern als Befehl.

Und der knochige, hagere Mann, der ihm zur Seite auf einem knochigen Rappen hält, sieht ihn einige Sekunden lang fest an.

»Sicher, Boss«, sagt er dann, »ich weiß, was zu tun ist mit einem Viehdieb – ich weiß es genau.«

Bart Chisham sitzt immer noch im Sattel seines roten Hengstes und betrachtet Clay Robinson.

Aber dann sitzt er mit einer knappen Bewegung ab.

Er bindet den Hengst an einem Ast des großen Baumes an. Dann hockt er sich nach Cowboyart beim Feuer auf die Absätze. Er streckt die Hand aus und nimmt die Silbersporen vom Boden. Wieder klingeln die Rädchen. Sie sind aufeinander abgestimmt.

»Tausend Dollar und ein Paar silberne Sporen gab es damals in Cheyenne«, sagt er. »Und den Titel eines ›Königs der Cowboys‹. Das war vor acht Jahren in Cheyenne – im Jahre 1876, nicht wahr? Es war das erste Fest dieser Art drüben in Wyoming. Nun gut, warum kommst du heim, Clay? Und warum geht es dir so schlecht? Warst du immer so dünn und verhungert?«

Clay bewegt sich langsam zu seinem alten Sattel hin. Er hinkt, obwohl er sich gewiss Mühe gibt, dieses Hinken nicht zu zeigen. Er hält sich auch etwas schief, so wie es Menschen tun, die irgendwann einmal innerlich verletzt wurden.

Aber sonst ist er ein zwar hagerer, doch prächtig gebauter und wohlproportionierter Mann, dem man selbst jetzt noch eine geschmeidige Schnelligkeit zutraut.

Er hockt sich auf den Sattel und nimmt eine der Zigarren, die Bart Chisham ihm in einer Zigarrentasche anbietet.

Doch bevor er die Spitze abbeißt, fragt er: »Was ist mit Kalispel?«

»Er und zwei andere«, murmelt Bart Chisham, »stahlen vor zwei Nächten meine Rinder. Die beiden anderen haben wir bei der Herde erwischt. Kalispel konnte uns entkommen. Doch jetzt haben wir auch ihn.«

»Und was geschieht mit ihm?« Clay Robinson fragt es schwer, und er denkt dabei, dass sie alle einmal Knaben waren, gemeinsam zur Schule gingen und aufwuchsen als Nachbarskinder.

Bart Chisham gibt ihm keine Antwort auf die Frage. Er macht nur eine bezeichnende Bewegung zum Hals.

Clay Robinson starrt auf die Zigarre in seiner Hand und steckt sie in die Hemdtasche.

»So machst du das hier, Bart?«

Dieser nickt. »Ich besitze zehntausend Rinder«, sagt er zu Clay. »Und ich muss sie gegen Raubwild schützen. Es hätte keinen Sinn, im Winter die Wölfe zu töten, wenn ich die Viehdiebe davonkommen lasse. Ich will meine Rinder behalten. Und ich habe im ganzen Land laut genug verkündet, was ich mit jedem Viehdieb mache, dessen ich habhaft werde. Niemand kann also sagen, das hätte er nicht gewusst. Sie wissen es alle! Kalispel hat genau gewusst, in welches Spiel er sich einließ. Er hat jedoch seinen Einsatz gewagt und verloren. Nun muss er seine Chips hergeben. Aber ich hatte dich etwas gefragt, Clay, nicht wahr?«

Clay Robinson nickt langsam.

»Die alten Zeiten sind wohl vorbei?« So fragt er. »Du und Kalispel ...«

»Er konnte bei mir einen Job haben«, unterbricht ihn Bart Chisham. »Jeder alte Freund kann bei mir den Job bekommen, der seinen Fähigkeiten entspricht. Aber wer mich bestiehlt, der ist erledigt. Was ist mit dir?«

»Ich hatte Pech«, murmelt Clay Robinson und deutet auf die Sporen. »Sie sind mein einziger Besitz außer diesem Pferd da und dem alten Sattel.«

Er deutet mit dem Daumen über die Schulter hinter sich nach Westen.

»Dort in Laramie«, sagt er, »war ein Hengst, den niemand reiten konnte. Ich hatte in den vergangenen acht Jahren gut gelebt. Ich hatte mir etwas gegönnt, wie man so sagt, und dennoch hatte ich zehntausend Dollar sparen können. Als ich jenen Hengst sah, da wettete ich mit einem reichen Viehhändler, dass ich den Hengst reiten würde. All mein Geld setzte ich auf meinen Sieg, denn ich wollte meine Ersparnisse verdoppeln. Und ich war sicher, gewinnen zu können. Ich war ja immer völlig siegessicher. Meine Silbersporen hatten mir stets in jedem Sattel Glück gebracht. Es gab in den acht Jahren kein einziges Pferd, das ich nicht reiten konnte.«

Er macht eine kleine Pause und starrt ins Feuer.

»Diesen Hengst konnte ich nicht reiten«, sagt er dann schlicht. »Er warf mich ab und wälzte sich auf mich. Nur einem guten Knochenspezialisten und Chirurgen aus dem alten Fort verdanke ich es, dass ich nun wieder dabei bin, gesund zu werden. Meine Beine und Rippen waren gebrochen. Ich glaubte, fürs ganze Leben ein Krüppel zu sein. Mein Geld war verloren. Was ich sonst noch besaß, verkaufte ich, um die Kosten zu bezahlen. Deshalb komme ich bettelarm zurück. Ich besitze noch das Land meiner Eltern und die alte Hütte, die mein Vater baute. Ich komme als geschlagener Mann zurück, Bart Chisham. Du hattest mehr Erfolg. Aber ...«

»Ich bin auch nicht von Rodeo zu Rodeo gezogen und habe um Preise gekämpft.« Bart Chisham grinst breit. »Ich habe es völlig anders gemacht als du. Doch ich kann dir helfen. Ich benutze schon viele Jahre ein Stück deines Landes als Weide. Ich glaube, ich schrieb einmal vor Jahren an dich deshalb, und du hast mir geantwortet, dass ich die Weide benutzen könne. Ich fand dann auch heraus, dass du stets die Grundsteuer für das Land bezahlt hast. Heute kann ich dir ein gutes Pachtgeld zahlen für all die Jahre. Hier!«

Er greift in die Tasche und holt einige Scheine hervor.

Clay Robinson nimmt sie, zählt sie.

Es sind achthundert Dollar.

Er grinst etwas schief und murmelt: »Achthundert Dollar. So manche Nacht verspielte ich tausend Dollar an einem Spieltisch – oder ich hielt einen ganzen Saloon frei und machte einem halben Dutzend Mädchen teure Geschenke. Ich glaubte immer, das Geld würde kein Ende nehmen. Und nun bin ich froh, dass du mir achthundert Dollar gibst. Um ehrlich zu sein, will ich gestehen, dass ich mit dieser Hoffnung heimkam nach Broken Arrow. Ich hoffte ...«

»Wenn du willst, kaufe ich dir dein Land mitsamt der Hütte ab«, unterbricht ihn Bart Chisham trocken und wie beiläufig. »Ich würde dir – nun, sagen wir – fünftausend Dollar geben. Ich bin recht wohlhabend geworden und kann es mir leisten, meine alten Freunde zu unterstützen.«

»Du kannst es dir aber auch leisten, sie jagen und aufknüpfen zu lassen«, sagt Clay Robinson etwas bitter und sarkastisch.

Bart Chisham erhebt sich aus seiner hockenden Stellung. Er wirft die Zigarre, die er sich angezündet hat, ins Feuer, obwohl sie noch nicht einmal zur Hälfte geraucht ist.

»Richtig«, sagt er. »Das alles kann ich mir leisten – ich, Bart Chisham! Denn vor acht Jahren lieh ich mir dreitausend Dollar und ging nach Texas. Dort kaufte ich eine kleine Herde und trieb sie ein ganzes Jahr lang bis hier nach Nebraska. Ich musste bis nach Texas gehen, weil dort die Rinder so billig waren. Aber ich musste sie auch den weiten Weg hinauftreiben, mit einer Mannschaft, die aus Strolchen bestand. Ich schaffte es dennoch. Ich war es, der die erste Herde auf diese Weide hier bringen konnte. Ich bin groß geworden, Clay, sehr groß und mächtig!«

Er spricht dies mit einem harten Stolz. Dann geht er zu seinem prächtigen Hengst und sitzt auf. Er muss eine volle Minute mit dem Tier kämpfen, bis er es endlich besiegt hat und es ihm gehorcht. Doch dieser Kampf bereitet ihm offensichtlich Freude. Clay kann das im Schein des Feuers erkennen.

Und er denkt: Dieser Bulle braucht den Kampf und muss schwer erreichbare Ziele vor Augen haben. Nur so ist das Leben für ihn lebenswert.

»Überleg es dir – wir sehen uns in Broken Arrow!« So ruft Bart Chisham über die Schulter und reitet seinen Männern nach.

Zwei Stunden später hält Clay die Ungewissheit nicht länger aus. Sein altes Pferd hat sich auch so weit erholt, dass er damit einen kurzen Ritt wagen kann. So folgt nun auch er der Fährte in die Hügel. Im Mondlicht sind alle Hufspuren gut zu erkennen.

Zwei Meilen weiter findet er Kalispel Drake, dessen treues Pferd ganz in der Nähe des Baumes steht und immerzu schnaubt.

Klein und schlaff hängt Kalispel am Lasso, und als Clay ihn herunternimmt, stellt er fest, dass Kalispel leichter ist, als er glaubte.

Kalispel muss gekämpft haben, denn in seinem Revolver fehlen drei Kugeln. Er selbst wurde an der Seite verwundet.

In Clay ist ein kalter, grimmiger Zorn. Er wird sich darüber klar, dass er hier in eine Sache hineingeraten ist, die auch ihn etwas angeht, weil sie jeden Menschen etwas angeht.

Gewiss, Kalispel mag Vieh gestohlen haben.

Doch gibt das Bart Chisham das Recht, einen Menschen hängen zu lassen?

Über diese Frage muss Clay nachdenken, indes er Kalispel in die Decke wickelt, die hinter dessen Sattel festgeschnallt war.

Es ist fast Mittag, als Clay Broken Arrow vor sich sieht.

Acht Jahre sah Clay die kleine Stadt nicht, und sie erscheint ihm unverändert, nur älter, unansehnlicher, verwitterter.

Bart Chisham ist groß geworden, denkt er, doch diese kleine Hügelstadt blieb in ihren Anfängen stecken. Nur Bart Chisham wurde groß, alles andere blieb, wie es war, kam nicht weiter, wuchs und gedieh nicht.

Clay Robinson reitet weiter. Das alte Pferd mit der traurigen Last führt er an der Leine mit sich. Er begegnet keinem Reiter, keinem Gefährt und keinem Fußgänger. Erst als er die ersten Häuser der Stadt erreicht, sieht er den Schmied und ein Stück weiter den kleinen Holzhof, zu dem auch eine Zimmerei und das Sarglager des Leichenbestatters gehören.

Er reitet durch die Einfahrt vor das Büro und nickt dem grauköpfigen Mann zu, der aus der Tür tritt.

»Das ist Kalispel Drake«, sagt er zu Nick Carlson. »Ich fand ihn an einem Ast hängend. In seiner Tasche ist Geld. Wenn es für seine Beerdigung nicht reichen sollte, so zahle ich den Rest. Geht es in Ordnung? Er hat sich bestimmt nicht selbst an den Ast gehängt.«

Nick Carlson betrachtet ihn und dann den kleinen, leblosen Körper, der in die Decke gewickelt quer über dem alten Pferd liegt.

»Nein, das tat Kalispel bestimmt nicht«, murmelt er. »Sie haben ihn also erwischt«, fügt er kaum noch verständlich hinzu. Dann erwacht in seinen etwas stumpfen und gleichgültig blickenden Augen ein schwaches Interesse.

»Ja, ich bin es«, spricht Clay und wirft ihm die Zügel des alten Pferdes zu. »Ich bin es, Onkel Nick.«

Dieser sieht ihn abermals kritisch an. »Besonders gut siehst du nicht aus, Clay, mein Junge«, murmelt er dann.

»Du auch nicht – und diese armselige Stadt auch nicht«, erwidert Clay, zieht das Pferd herum und reitet wieder aus dem Hof.

Clay reitet die einzige Straße hinunter und hat das Hotel erreicht. Es heißt immer noch Pionier Hotel. Auf einer schwarzen Tafel neben dem Eingang ist mit Kreide aufgeschrieben, was es zum Mittagstisch gibt.

Hammelfleisch mit grünen Bohnen, Kartoffeln, Apfelkuchen und Kaffee.

Clay liest es und spürt seinen nagenden Hunger noch wütender.

Drinnen sitzt bereits ein halbes Dutzend Gäste. Sie betrachten Clay scharf. Er kennt keinen der Gäste. Doch nach ihm kommen noch zwei Bürger der Stadt, und diese kennt er. Sie nicken ihm zu, als hätten sie schon mit Nick Carlson gesprochen, wüssten, wer er ist und dass er den toten Kalispel in die Stadt brachte. Sie setzen sich jedoch an einen anderen Tisch.

Ihm ist das nur recht. Er sitzt eine Weile bewegungslos da, entspannt sich, und die Müdigkeit scheint aus ihm zu weichen wie etwas greifbar Körperliches. Doch er ist schwach vor Hunger.

Er blickt auf, als die Bedienung an seinen Tisch tritt – etwas langsam und zögernd. Er blickt hoch und erkennt Rose wieder, obwohl es schon einige Jahre her ist, dass sie miteinander eine Menge Spaß erlebten. Es war damals in Kansas City. Er kann sich ganz plötzlich klar daran erinnern. Sie war eines der schönsten Mädels des »Paradiesvogelkäfigs«. Er aber hatte damals die Taschen voller Geld. Er war mit Rose nach Saint Louis gereist und ...

Nun, das alles war nach wenigen Wochen vorbei. Sie hatten sich als Freunde getrennt und nie wieder etwas voneinander gehört.

Jetzt steht sie hier an seinem Tisch.

Sie wurde älter. Oh, sie muss nun fast achtundzwanzig sein, und sie hat sich fraulich gekleidet, sehr sittsam, wenn auch nett und erfreulich anzusehen.

Sie gibt mit keinem Zucken zu erkennen, dass sie ihn wiedererkannt hat. Dennoch muss es der Fall sein.

Clay gibt nur seine Bestellung auf und sagt nichts. Auch er tut so, als würde er Rose nicht kennen. Doch wenig später hört er, wie einer der beiden Bürger sie als Mrs. Meafitt anredet.

Nun ist alles klar für ihn.

Bret Meafitt ist der Besitzer dieses Hotels. Er ist etwa fünfzehn Jahre älter als Clay. Rose ist offenbar seine Frau.

In der Tür, die zur Küche führt, taucht einen Moment die bullige Gestalt eines Mannes auf, der sich eine Küchenschürze umgebunden hat und offensichtlich der Koch ist.

Oha, denkt Clay, Bret Meafitt kocht selbst für seine Gäste. Aber das hat er schon immer gut gekonnt – kochen und backen. Sie sind also sehr fleißig, die beiden.

Meafitt winkt ihm zu und sagt laut durch den ganzen Raum: »Willkommen, Clay! Ich hörte soeben, dass du heimgekommen seist. Ich habe jetzt keine Zeit. Aber wir sehen uns wohl später, nicht wahr?«

»Ja, ich bleibe diese Nacht in deinem Hotel«, erwidert Clay. Und alle Gäste hören zu, betrachten ihn.

Er isst schweigend, und als er fertig ist, möchte er gern noch eine Portion essen, obwohl es sehr reichlich war. Sein Hunger ist zu schlimm. Er unterlässt es jedoch, zahlt bei Rose Meafitt und geht wieder hinaus.

Er geht zum Store. Da die Mittagszeit vorbei ist, findet er John Jenkins selbst hinter dem Ladentisch.

»Ich bin hier nebenamtlich Town Marshal«, sagt der Storehalter verdrossen, »und ich führe natürlich auch das Einwohnerregister. Ich habe Kalispel Drake als tot ausgetragen. Sie müssen mir noch eine Erklärung unterschreiben, wo, wann und wie Sie ihn gefunden haben, Clay. Aber mehr kann nicht getan werden, denke ich.«

Clay grinst nur verächtlich zu diesen Worten.

Dann beginnt er, einige Dinge aufzuzählen, die er unbedingt haben möchte, weil es ihm an den primitivsten Notwendigkeiten mangelt.

Kalispels Pferd, den Sattel und auch Kalispels Colt will er behalten, denn er weiß, dass Kalispel keine Angehörigen hatte. Dafür wird er für ein gutes Begräbnis sorgen.

Mit einigen Paketen unter dem Arm geht er wenig später zum Hotel und lässt sich ein Zimmer geben. Er mietet sich die Badewanne und genießt das Bad ausgiebig. An seinem hageren, viel zu mageren Körper sind einige Narben. Er lässt sich das Abendessen aufs Zimmer bringen, und es ist Rose selbst, die es ihm bringt.

Erst stellt sie ihm alles wortlos auf den Tisch beim Fenster.

Dann sagt sie schlicht: »Ich danke dir, Clay, dass du so tust, als würden wir uns nicht kennen. Das war nobel von dir.«

»Warum nobel?« So fragt er. »Ich würde nie etwas tun, was dir nicht recht wäre. Wir sind alte Freunde, Rose, doch auch dies kann ich für mich behalten. Hast du Glück gehabt?«