G. F. Unger 2279 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2279 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Jim Cloud ist sechzehn, als er von zu Hause fortläuft. Mit zwanzig ist er ein recht guter Cowboy und schließt sich einer rauen Mannschaft an, die Rinder den Chisholm Trail hinauf nach Dodge City treibt. Zwei Jahre später besitzt er schon einen gewissen Ruf als Revolverkämpfer.
Und mit fünfundzwanzig ist er bereits ein legendärer Revolvermann.
Als armer Siedlerjunge hat er miterleben müssen, wie sein Vater von den Mächtigen des Landes herumgestoßen und gedemütigt wurde. Und er hatte davon geträumt, eines Tages ein Reiter mit einem Revolver zu sein, der sich vor nichts und niemandem fürchten muss.
Das hat er geschafft - aber auf bittere Art. Und als ihm klar wird, was aus ihn geworden ist, da ist es fast schon zu spät für eine Umkehr.
Lesen Sie, wie es dazu kam, dass Jim als Junge den Glauben an diese Welt verlor und sich die allgemein gültigen Maßstäbe für ihn verzerrten. Denn nur dann kann man Jim Cloud besser verstehen ...

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Seitenzahl: 164

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Silver Creek

Vorschau

Impressum

Silver Creek

Jim Cloud ist sechzehn, als er von zu Hause fortläuft. Mit zwanzig ist er ein recht guter Cowboy und schließt sich einer rauen Mannschaft an, die Rinder den Chisholm Trail hinauf nach Dodge City treibt. Zwei Jahre später besitzt er schon einen gewissen Ruf als Revolverkämpfer.

Und mit fünfundzwanzig ist er bereits ein legendärer Revolvermann.

Als armer Siedlerjunge hat er miterleben müssen, wie sein Vater von den Mächtigen des Landes herumgestoßen und gedemütigt wurde. Und er hatte davon geträumt, eines Tages ein Reiter mit einem Revolver zu sein, der sich vor nichts und niemandem fürchten muss.

Das hat er geschafft – aber auf bittere Art. Und als ihm klar wird, was aus ihm geworden ist, da ist es fast schon zu spät für eine Umkehr.

Lesen Sie, wie es dazu kam, dass Jim als Junge den Glauben an diese Welt verlor und sich die allgemein gültigen Maßstäbe für ihn verzerrten. Denn nur dann kann man Jim Cloud besser verstehen ...

Sie haben in der Senke ein Kalb getötet, es ausgenommen und in Viertel zerteilt. Nun sind sie mit den Vierteln auf dem Heimweg. Vorn geht Georg Cloud. Ihm folgt der dreizehnjährige Jeff, hinter dem der ein Jahr ältere Bruder Joey sein Kälberviertel schleppt.

Und den Schluss macht Jim Cloud, der vor einer Woche sechzehn wurde.

Das Kalb wird uns schmecken, denkt er den ganzen Weg. Wir werden uns endlich wieder einmal an Fleisch satt essen können. Und die große Ranch wird es kaum merken, dass sie ein Kalb verlor. Ah, sie verliert jede Nacht Kälber an Wölfe oder Pumas. Was macht es schon aus, wenn wir uns auch einmal ein Kalb holen. Ein einziges Mal. Man kann nicht immerzu schwarze Bohnen mit Kaninchenfleisch essen.

Dies also sind Jim Clouds Gedanken, denn er ist ein ständig hungriger Junge, und er fragt sich oft genug, warum es sein Vater bisher zu nichts brachte, warum sie immerzu von einem Ort zum anderen ziehen, immerzu herumgestoßen werden und nie glücklich und erfolgreich sein können.

Die größte Angst wird Mutter haben, denkt Jim Cloud, als sie fast vier Meilen in die Hügel zurückmarschiert sind und sich ihrer jämmerlichen Siedlerhütte nähern.

Ma wird voller Furcht und Sorge sein. Sie wird sagen, dass wir nun doch Diebe geworden sind.

Er bricht mit Macht seine Gedanken ab. Er fühlt sich unbehaglich, und aus diesem Gefühl heraus stellt er sich die Frage: Warum bin ich der älteste Sohn eines solch jämmerlichen Siedlers? Warum ist mein Vater nicht einer der stolzen Männer, die im Sattel reiten, einen Revolver tragen und Rinder züchten? Oha, dies sind die wahren Herren des Westens, Ritter, gegen die nichts ankommt! Warum ...

Der Morgen graut schon, als sie ihre Blockhütte erreichen.

Die Mutter steht wortlos in der Tür, die in der Lederangel hängt. Sie sagt nichts, als sie die Viertel in den Stall bringen, dort aufhängen und genügend Fleisch davon abschneiden, um es gleich zum Frühstück zu braten.

Als sie mit dem Fleisch in die Wohnhütte kommen, hat die Mutter den Herd angefacht. Sie nimmt ihnen das Stück ab und beginnt wortlos mit der Zubereitung.

George Cloud und seine drei Söhne aber gehen hinaus. Sie säubern sich am Creek von all dem Blut ihres traurigen Schlachtfestes und dann blicken sie sich unsicher an.

George Cloud ist ein Mann von etwa vierzig Jahren. Doch er sieht aus wie über fünfzig. Er ist mittelgroß und hager. Seine Haltung ist müde, und er wirkt ausgebrannt und ganz wie ein Mann, der längst mutlos wurde, weil er stets überall verlor.

»Hoffentlich ist alles gut gegangen«, sagt er. »Hoffentlich findet niemand unsere Fährte, bevor der Morgentau das Gras wieder aufrichten konnte. Denn wenn sie ...«

»Aaah, die Ranch ist riesengroß. Sie besitzt mehr als zehntausend Rinder. Die Reiter müssen ein riesiges Gebiet bewachen. Warum sollte ausgerechnet ...«

Weiter kommt Jim Cloud, der seinen Vater unterbrach, mit seinen Worten nicht.

Sie blickten alle wie auf ein geheimes Einverständnis in jene Richtung, aus der sie mit dem Fleisch gekommen sind. Und nun sehen sie aus dieser Richtung drei Reiter nahen.

Es ist sofort klar, dass die Reiter auf ihrer Fährte reiten.

»Du lieber Gott, warum kann ich nicht ein einziges Mal Glück haben«, sagte George Cloud gepresst, und man hört seiner Stimme schon die Angst an.

Seine Söhne blicken ihn an, und sie erkennen in seinen Augen das Flackern der Verzweiflung. Sie sehen sogar, wie er am ganzen Leib zittert.

Sie verspüren selbst Furcht. In ihrer Magengegend verkrampft sich etwas. Das Herz schlägt ihnen bis zum Hals, und sie müssen mühsam schlucken und spüren Trockenheit im Mund.

Doch ihre Blicke sind immer noch auf ihren Vater gerichtet.

»Sie haben uns erwischt«, sagt dieser gepresst. »Und dann ...« Er hat plötzlich keine Stimme mehr. Es sieht für einen Moment so aus, als wollte er sich umwenden und davonlaufen.

Und die drei Jungen blicken ihn immer noch an. Sie verspüren selbst Furcht. Doch sie haben jetzt Mitleid mit dem Vater. Sie schämen sich aber auch, weil sie ihn so voller Furcht sehen.

Dann wenden sie mit einem Ruck die Köpfe und blicken den Reitern entgegen.

Sie kennen diese Reiter. Es sind Cowboys der großen Ranch, und der vorderste Reiter ist der harte und raue Vormann selbst.

Die drei Reiter halten an, bleiben in den Sätteln und blicken auf die Gruppe nieder.

Der Vormann der Ranch sagt nun trocken und hart von seinem Pferd nieder: »Siedler, du hast heute Nacht ein Kalb der Ranch getötet und das Fleisch in jenes jämmerliche Loch geschleppt, in dem du mit deiner Familie wohnst. Müssen wir erst noch nachsehen gehen? Oder gibst du jetzt gleich zu, dass da drinnen gestohlenes Fleisch hängt?«

Die Frage ist mitleidlos und grausam. Und der Mann, der sie stellt, ist ein harter Mann, einer der härtesten Männer, die es auf fünfhundert Meilen in der Runde gibt. Es ist ein Mann, der eine raubeinige Mannschaft beherrscht und der im Auftrag seines Bosses die Macht und die Größe der Ranch mit Gewalt und Stärke aufrecht erhält. Und so gibt es keinen Zweifel daran, dass er hergekommen ist, um sie zu bestrafen.

Rinder- und Pferdediebe aber werden in diesem Teil des Landes aufgeknüpft. Denn hier gibt es noch kein Gesetz, nur das Gesetz des stärkeren Mannes oder das der stärkeren Partei.

So ist das also hier.

George Cloud schluckt mühsam. Der Schweiß läuft ihm über das Gesicht. Er zittert am ganzen Körper.

Aus der jämmerlichen Hütte aber kommt nun seine Frau und die Mutter seiner drei Söhne gelaufen. Sie stellt sich neben den Mann, und obwohl sie nicht weniger Furcht verspürt, beginnt sie zu sprechen.

»Ihr Cowboys könnt es nicht verstehen«, sagt sie schnell. »Ihr werdet immer satt. Wir wurden im vergangenen Jahr drüben in Nebraska verjagt. Unsere Ernten waren schlecht und brachten nicht einmal die Zinsen für das Darlehen des Wucherers ein. Und so vertrieb er uns. Wir kamen dann hier in dieses Land, hier in diese Hügel. Und wir mussten uns das Saatgut vom Mund absparen. Wir hungern schon seit Monaten. Doch bald werden wir ernten können. Wir haben einige Felder angelegt. Dies kann man doch sehen! Wir werden bald in der Lage sein, unsere Schulden zu bezahlen. In drei oder vier Wochen können wir mit der Ernte beginnen. Dann ...«

Sie tritt plötzlich wieder zurück, bis sie neben ihrem Mann steht. Sie ergreift seine Hand und hält sie fest. Und sie sagt zu den Reitern: »Ich schwöre es euch! Wenn ihr ihn tötet, so werde ich mir das Leben nehmen. Und unsere drei Söhne werden dann Waisen sein und herumstreunen wie Katzen. Sie werden euch hassen, weil ihr so gnadenlos wart, weil ihr ein Exempel statuieren wollt – nichts anderes. Denn dieses eine Kalb macht euch nicht ärmer. Jede Nacht holen sich Wölfe Kälber aus eurer Herde und ...«

»Wir töten sie, wenn wir sie erwischen«, sagt der Vormann hart. Er nickt seinen beiden Reitern zu. »Na los, nehmt ihn euch vor! Wir wollen ihn mit einer harten Lektion davonkommen lassen! Los, Jungs!«

Sie treiben sofort ihre Pferde vorwärts, und jener Bursche, der das Lasso vom Sattelhorn nahm, schüttelt es aus und hält es zum Wurf bereit. Aber die Jungen und die Frau weichen nicht von George Cloud weg. Sie drängen sich dichter an ihn, sichtlich um ihn zu schützen.

Da lassen die beiden Reiter ihre Pferde gegen die Gruppe prallen und gebrauchen die Lassoenden. Und dann holen sie sich George Cloud heraus. Sie werfen ein Lasso über ihn und schleifen ihn davon. Sie hindern seine Familie daran, hinterher zu laufen.

Es ist eine schreckliche, brutale, mitleidlose und gewalttätige Sache, wie sie auch auf dem alten Kontinent vor mehr als dreihundert Jahren geschah, als die Bauern sich erhoben und die Ritter ihnen das Fürchten beibrachten.

Als sie den Vater dann finden, da glauben sie, dass er tot ist. Doch dann hören sie ihn stöhnen. Und sie legen ihn auf eine Decke und tragen ihn heim.

Heim?

Jim Cloud steht dann draußen vor der kümmerlichen Hütte, die halb in die Erde gebaut wurde.

Ist dies ein Heim? So fragt er sich. Und er weiß, dass sein Vater nach diesen Prügeln noch jämmerlicher, noch furchtsamer und gewiss deshalb auch noch glückloser sein wird.

Und was wird aus mir werden?, fragt er sich nun.

Von hier müssen sie fort. Sie bekamen es von den Reitern der Ranch gesagt. Sie können hier nicht einmal so lange bleiben, bis sie die Ernte eingebracht haben.

Nein, sie müssen innerhalb von drei Tagen fort.

Und sie können nichts dagegen tun. Nichts!

Jim Cloud ist sechzehn Jahre alt, und er denkt darüber nach, warum sie nichts dagegen tun können.

Die Antwort ist ganz einfach: Weil wir nicht kämpfen können! Wir gehören nicht zu der Sorte, die im Sattel sitzt und den Revolver trägt. Wir sind nicht bereit, uns ein Stück von dieser Welt mit der Waffe zu erobern und das eroberte Reich dann auch zu behaupten.

Und so steht sein Entschluss bald fest.

Es ist drei Tage später, als er fortläuft. Und er lässt einen Zettel zurück, auf dem geschrieben steht:

Ich will ein Reiter werden, der einen Revolver trägt. Bliebe ich bei euch, so würde ich sicherlich eines Tages meinem Vater ähnlich sein. Und das möchte ich nicht. Bitte, nehmt es mir nicht übel! Doch es soll mir nicht so ergehen wie Vater. Deshalb gehe ich fort.

Wer ihn damals vor zehn Jahren als mageren, knochigen Jungen kannte, der würde ihn jetzt bestimmt nicht wiedererkennen. Selbst seine eigene Mutter würde ihn wahrscheinlich nicht erkennen.

Doch seine Eltern und seine Brüder sind tot. Es war vor mehr als sechs Jahren, als sie sich einem Wagentreck anschlossen, der nach Oregon wollte. In diesem Wagentreck brach Typhus aus. Die Familie Cloud war eine der ersten, die dem Typhus zum Opfer fiel.

Jim Cloud, der seiner Mutter dann und wann etwas Geld geschickt hat, erhielt Nachricht vom Tod seiner Angehörigen.

Er war damals zwanzig Jahre alt.

Nun, jetzt also würde ihn selbst seine Mutter, lebte sie noch, wahrscheinlich nicht erkennen.

Denn er sieht so gar nicht wie der Sohn eines herumgestoßenen Siedlers aus. Er kommt auf einem großen, schwarzen Hengst geritten, einem narbigen Tier, das sich nur von ihm reiten lässt. Er sitzt in einem mit Silber beschlagenen Sattel – ein großer Mann in dunkler Kleidung.

Und sein Haar ist rabenschwarz. Obwohl er sich am Morgen an einem Bach rasiert hatte, schimmert am Nachmittag sein Bartwuchs bläulich unter der braunen Haut seines Gesichtes.

Nur eines ist hell an ihm: die Augen. Es sind hellgraue Augen, etwa vom Grau der Morgennebel. Sie stehen über einer kurzen und nur leicht gebogenen Nase weit auseinander. Sein Gesicht wirkt sehr ruhig und beherrscht, mit festen Kinnwinkeln, einem breiten Mund und einer Kerbe am Kinn.

Es ist kein hübscher Bursche, ganz gewiss nicht. Doch es gehen eine starke Kraft und eine vollkommene Männlichkeit von ihm aus.

Das also ist jener Jim Cloud äußerlich nach zehn Jahren.

Und er trägt einen großen Colt mit einem dunklen, glatten und abgegriffenen Kolben.

Und man nennt ihn Jim Black Cloud, also auf gut deutsch: Jim Schwarze Wolke. Er kann nichts dafür, dass man ihn so nennt. Aber es ist irgendwie ein Kriegsname, und er hat ihn sich nicht selbst gegeben. Er erhielt ihn als Scout der Armee gegen die Sioux unter dem Häuptling Red Cloud, also Rote Wolke. Und da er ja auch Cloud hieß und jeder Gegner ihn fürchten musste, nannte man ihn Black Cloud. Und diesen Namen behielt er, wohin er auch kam.

Jetzt kommt er über den Kamm der Kiowa-Stone-Kette und blickt auf das Tal des Silver Creek nieder.

Dicht vor der Talenge liegt eine kleine Stadt, kaum mehr als eine Siedlung, wie sie aus einem Handelsstore, bei dem auch die Postkutschen und Frachtwagen halten, entsteht.

Und im Süden?

Nun, dort ist unverkennbar Siedlerland. Jim Cloud sieht mehr als ein Dutzend Siedlerhütten, einiges Vieh, Weidekoppeln, Felder und Äcker. Ja, dort ist unverkennbar Siedlerland.

Jim Cloud holt sein Rauchzeug hervor und dreht sich eine Zigarette. Als er dann raucht, betrachtet er immer noch das lange Tal und dessen Engstelle.

Denn dort an der Engstelle wird gearbeitet. Dort sind Männer und Frauen tätig. Es gibt ein richtiges Camp. Und Wagen bringen immerzu Steine herbei und laden sie ab.

Jim Cloud betrachtet das alles mit einem freudlos und düster wirkenden Blick. Dann drückt er den Zigarettenrest am Sattelhorn aus und reitet hinunter.

Er erreicht die Baustelle, die er von oben sah. Es ist nun schon fast Abend, und er sieht im letzten Dämmerlicht des sterbenden Tages den Steindamm. Er besteht zumeist aus großen Brocken, die zwei Männer nur mit Mühe bewegen oder gar heben können.

Es brennen zwei Feuer, und einer der abgestellten Wagen ist als Küchenwagen eingerichtet.

Jim Cloud hört eine resolute Frauenstimme rufen: »Das Essen ist fertig! Kommt und holt es euch!«

Jim Cloud hält am Weg an, späht zum Camp hinüber und sieht Frauen, Männer und größere Kinder. Sie bilden bald eine Schlange bei dem Küchenwagen. Einige Frauen verteilen die Portionen.

»Bohnensuppe mit Hammelfleisch, Apfelkuchen und Milchkaffee mit Zucker«, so ruft eine Jungenstimme zufrieden.

Jim Cloud will weiter. Doch da hört er vor sich den Hufschlag einiger Reiter. Es sind nicht sehr viele – vielleicht vier oder fünf. Sie kommen von der Stadt her.

Jim Cloud reitet vom Weg, um sie an sich vorbeizulassen.

Doch sie wollen gar nicht vorbei. Sie halten dicht in seiner Nähe und reiten dann auf das Camp zu.

Aber einer der Reiter wendet sich zu ihm, kommt näher heran und beugt sich im Sattel vor, um ihn zu betrachten.

»Verschwinden Sie, Fremder!«, sagt dieser Mann plötzlich scharf zu ihm hinüber. Und weil Jim Cloud sich nicht gleich bewegt, sagt er noch schärfer: »Haben Sie gehört? Sie sollen verschwinden!«

»Reißen Sie Ihr Maul nicht so weit auf, Freund«, erwidert Jim Cloud sanft.

Der Reiter zuckt zusammen. Er murmelt einen Fluch und kommt noch zwei Yards näher herangeritten, um Jim Cloud besser betrachten zu können. Was er sieht oder spürt, lässt ihn darauf verzichten, seinem barschen Befehl Nachdruck zu verleihen. Er zieht wortlos sein Pferd herum und folgt den anderen vier Reitern, die vor dem Camp und dem Küchenwagen einen Halbkreis gebildet haben. Die beiden Feuer beleuchten alles gut.

Jim Cloud befindet sich auf dem Weg, der etwas höher als das Camp liegt. Er kann alles gut sehen und auch hören.

Man steht still und abwartend da, und man hat sich irgendwie schon zusammengedrängt.

Sie sind wie Schafe, denkt Jim Cloud bitter. Wenn sie Gefahr wittern, dann drängen sie sich zusammen und verharren wie gebannt. Und wenn es noch schlimmer wird, so werden sie kopflos die Flucht ergreifen.

Einer der Reiter ruft nun mit scharfer Stimme: »Wir wollen hier keinen Damm, der den Silver Creek staut. Wir wollen es nicht, hört ihr? Und ihr seid schon gewarnt worden. Nun gut, jetzt werden wir euch Beine machen. Ihr seid fertig hier! Packt euch! Bewegt euch! Los! Vorwärts! Wir wollen Bewegung sehen! Wo ist Wilcox? He, wo ist euer Leithammel Steve Wilcox?«

Jim Cloud macht eine leichte Bewegung, als er diesen Namen hört. Denn Steve Wilcox – so heißt der Mann, dessen Brief er in der Tasche trägt und der ihm einen außergewöhnlich günstigen Vorschlag machen will.

Und nun sieht er ihn.

Denn aus der Gruppe der Siedler, die langsam zurückweicht und schon Anstalten macht, sich aufzulösen und die erhaltenen Befehle auszuführen, tritt nun ein etwas mehr als mittelgroßer, doch sehr kräftig und beachtlich wirkender Mann.

Breitbeinig und mit geballten Händen stellt er sich vor die Reiter hin. Seine Stimme ist erfüllt von Zorn und Verachtung.

»Und jetzt wollt ihr wohl zeigen, wie rau ihr werden könnt mit einem Mann, der eure Befehle missachtet? Wollt ihr mich jetzt erschießen? Oder wollt ihr zu mehreren über mich herfallen? Hört, ich nehme es mit jedem von euch auf! Ihr könnt es sogar zu zweit gegen mich versuchen! Doch um ehrlich mit mir zu kämpfen, dazu seid ihr ja wohl zu feige! Revolverschwinger prügeln sich nicht auf die ehrliche Art! Nicht wahr?«

Sie sitzen nach diesen Worten ruhig auf ihren Pferden und denken über seine Worte nach.

Dann sagt einer der Reiter: »Frech ist er auch noch – frech und stolz ist er! Und das ist selten bei diesen Lehmbrechern. Es könnte sich jemand bei ihm anstecken. Und plötzlich ist dann die ganze hergelaufene Hammelherde stolz, frech und mutig. Dagegen müssen wir doch was tun, nicht wahr?«

Der Reiter blickt zu seinem Anführer, einem großen, hageren, chinesenbärtigen Mann von etwa dreißig Jahren, der einen großen mausgrauen Wallach reitet.

Und dieser Mann sagt nun trocken: »Also, Mobby, wenn du dich getraust, mit ihm zurechtzukommen, dann steig ab und gib es ihm! Aber die anderen Lehmbrecher sollen verschwinden!«

Er zieht plötzlich seinen Revolver und feuert einige Schüsse über die Köpfe der Versammelten.

Zuerst sieht es so aus, als würden diese wahrhaftig auseinanderlaufen und die Flucht ergreifen.

Doch dann schieben sie sich wieder enger zusammen und bilden eine geschlossene Gruppe.

Jim Cloud staunt nun. Dies hätte er nie gedacht, und er hat es auch noch nie erlebt, dass eine Gruppe von Siedlern stur zusammenrückt und auf diese passive Art Widerstand leisten will, wenn einige Revolverschwinger über ihre Köpfe schießen.

Es wird still. Und jener Reiter, der Mobby genannt wurde, sitzt mit einem heiseren Lachen ab.

»Al, sie wollen halt zusehen, wie ich ihren Leithammel mit drei Schlägen zu Boden schlage. Lass sie schon! Diese zwei Minuten lass sie noch zusehen, bevor wir ihnen richtig Beine machen!«

Der Mann, der Mobby genannt wurde, steht nun auf dem Boden. Er ist kaum über mittelgroß, doch sehr breit und gedrungen, mit langen Armen und krummen Beinen. Er wiegt sicherlich mehr als zweihundert Pfund.

Und er greift diesen Steve Wilcox, der ihm ruhig entgegentritt, mit jäher Plötzlichkeit an.

Doch er kann den Siedler nicht überrumpeln.

Jim Cloud beginnt nun zu begreifen, warum dieser Steve Wilcox der Anführer dieser Siedler zu sein scheint – nein, sogar offensichtlich ist. Dieser Steve Wilcox ist ein Kämpfer.

Er weicht dem gedrungenen Muskelmann geschmeidig aus und erwischt ihn links von der Seite mit einem Haken am Kopf. Mobby stößt einen seltsamen Laut aus, wirbelt herum und versucht es mit Schlägen, die einen Mann wahrhaftig von den Beinen holen würden.

Doch Steve Wilcox taucht unter diesen Schlägen weg oder blockt sie ab wie ein Preiskämpfer. Er muss sehr stark sein. Denn sonst könnte er diesen gewaltigen Heumacher nicht so blockieren. Dann trifft er Mobby über der Gürtelschnalle und dann mit einem Aufwärtshaken unters Kinn.

Mobby schwankt rückwärts, rudert mit den Armen, stolpert über irgendwelche Dinge, die da beim Feuer am Boden liegen, und dann fällt er rückwärts ins Feuer, kreischt brüllend auf, rollt sich heraus und flüchtet heulend zum nahen Creek. Er wirft sich ins Wasser, wälzt sich darin und löscht seine brennende Kleidung.

Die Reiter verharren zunächst noch still.