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Es ist kurz nach Mitternacht, als Judith Mallone von der M-im-Kreis-Ranch in die kleine Stadt geritten kommt und sich vor dem City House von ihrem schweißbedeckten Pferd wirft. Denn sie jagte das Tier erbarmungslos und schonte auch sich selbst nicht. Da sie nur ein dünnes Kleid trägt, das ihr im Sattel über die Knie hoch rutschte, sind ihre Beine blutig gekratzt von all dem Buschwerk, durch das sie ritt, um den Weg zur Stadt abzukürzen.
Im Sheriff's Office hat der Deputy John Miller Dienst. Er hört das Pferd angaloppiert kommen und vor dem Eingang des City House halten. Er verharrt und weiß sofort, dass es irgendwo einen gewaltigen Ärger gegeben haben muss und jemand gekommen ist, um Hilfe zu holen.
Dann kommt auch schon Mrs Judith Mallone herein, die immer noch schöne Frau von Sheriff Jim Mallone, und er sieht ihr an, dass sie einen höllischen Ritt hinter sich hat.
»Wo ist er? Wo ist mein Mann, dieser verdammte Sheriff von Amity?«, stößt sie heftig hervor.
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Seitenzahl: 151
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Bridget Mallone
Vorschau
Impressum
Bridget Mallone
Es ist kurz nach Mitternacht, als Judith Mallone von der M-im-Kreis-Ranch in die kleine Stadt geritten kommt und sich vor dem City House von ihrem schweißbedeckten Pferd wirft. Denn sie jagte das Tier erbarmungslos und schonte auch sich selbst nicht. Da sie nur ein dünnes Kleid trägt, das ihr im Sattel über die Knie hoch rutschte, sind ihre Beine blutig gekratzt von all dem Buschwerk, durch das sie ritt, um den Weg zur Stadt abzukürzen.
Im Sheriff's Office hat der Deputy John Miller Dienst. Er hört das Pferd angaloppiert kommen und vor dem Eingang des City House halten. Er verharrt und weiß sofort, dass es irgendwo einen gewaltigen Ärger gegeben haben muss und jemand gekommen ist, um Hilfe zu holen.
Dann kommt auch schon Mrs Judith Mallone herein, die immer noch schöne Frau von Sheriff Jim Mallone, und er sieht ihr an, dass sie einen höllischen Ritt hinter sich hat.
»Wo ist er? Wo ist mein Mann, dieser verdammte Sheriff von Amity?«, stößt sie heftig hervor.
Deputy John Miller deutet auf die Tür zum Zellenraum.
»Er schläft da drinnen in Ringo Sloanes Nachbarzelle und lässt niemanden in den Zellenraum, bis morgen der Gefängniswagen kommt und Ringo Sloane abholt.«
»Zum Teufel, mich wird er in den Zellenraum lassen!«
Judith Mallone stößt es fauchend hervor, geht zur Tür, die in den Zellenraum führt, und will sie öffnen. Doch die ist von innen verriegelt.
Wütend tritt sie gegen die Tür und ruft dabei: »Komm hoch, Jim, verdammt, komm hoch und lass mich hinein! Es eilt, Jim, es ist was passiert! Aufmachen!«
Drinnen ertönt ein Ruf, dann wird die Tür geöffnet.
Ihr Mann, Sheriff Jim Mallone, steht nun mit schussbereitem Revolver in der Faust vor ihr. Sein Anblick lässt unwillkürlich an einen Jagdfalken denken. Zwar ist er schon etwas grauhaarig, aber sonst sieht man ihm an, dass er noch im Vollbesitz von besonderen Fähigkeiten ist.
»Was ist geschehen, Judith?« Er fragt es ruhig, doch seine Falkenaugen funkeln.
Und so stößt sie hervor: »Du musst Ringo Sloane laufen lassen, Jim! Auf der Stelle. Jim, du hast gar keine andere Wahl, gar keine, verdammt! Denn wenn Ringo Sloane nicht bei Sonnenaufgang den Pecos durchfurtet, dann ...«
Sie kann nicht weitersprechen, denn ihre Stimme versagt plötzlich.
Da tritt Jim Mallone vor und nimmt sie in die Arme. »Ganz ruhig, Judith, bitte bleib ganz ruhig und erzähl mir einfach, was auf der Ranch geschehen ist.«
Sie löst sich von ihm und spricht fast tonlos zu ihm empor: »Jim, sie haben unsere Tochter Bridget aus dem Bett geholt. Und zwei von unseren Cowboys haben sie angeschossen. Wenn du Ringo Sloane nicht aus der Zelle lässt, dann werden sie Bridget drüben in Mexiko an ein Bordell verkaufen. Es waren Burt Wessly und Latigo Herb Kane.«
Judith Mallone hat nun alles gesagt, tritt zurück und lehnt sich gegen den Türrahmen. Ihre Beine zittern, und gewiss spürt sie jetzt erst die Schmerzen der Risswunden von den Dornenbüschen.
In diesem Land reitet man mit ledernen Chaps zum Schutz der Beine. Sie aber ritt ohne Schutz.
Nun starrt sie ihren Mann fordernd an und verflucht in ihren Gedanken wieder einmal mehr, dass er Sheriff blieb, als sie die Ranch von ihren Eltern erbte. Alles, was sie ihm vor fast vier Jahren abverlangen konnte, war, dass er sich nicht noch einmal zum Sheriff wählen lassen würde nach Ablauf seiner Amtszeit.
Sie kann ihm ansehen, wie sehr sich in ihm die Gedanken und Gefühle jagen und er sich müht, die richtige Entscheidung zu treffen.
Aber er hat eigentlich keine Wahl.
Er ist ein Sheriff mit Familie, und das macht ihn erpressbar.
Aber er ist immer Sheriff gewesen, schon seit fünfzehn Jahren und noch vor dem Krieg zwischen Nord- und Südstaaten. Und sie hat stets als Sherifffrau mit ihm in allen Städten gelebt, in denen er den Stern trug, sich um die heranwachsende Tochter gekümmert und manchmal in diesen Städten als Lehrerin gearbeitet.
Dann aber erbte sie von ihren Eltern die Ranch, und er versprach ihr, nach Ende seiner Amtszeit ein Rancher zu werden.
Doch jetzt ...
Als sie sich das fragt, da treffen sich ihre Blicke, und sie kann erkennen, dass er sich entschieden hat.
Er wendet sich ab, holt den Zellenschlüssel vom Wandhaken und tritt vor Ringo Sloanes Zellentür. Ringo Sloane steht dort schon wartend, rüttelt dabei an den Gitterstäben und spricht grinsend: »Das wär's wohl, Mallone. Du hast verloren. Stell dir mal vor, dass sie deine süße Tochter an ein Bordell verkaufen würden, wenn du mich nicht laufen lassen solltest. Ich habe jedes Wort gehört. Ich soll bei Sonnenaufgang den Pecos durchfurten. Denn sonst ...«
Er verstummt, klatscht jedoch die Hände zusammen und verdreht die Augen.
Ringo Sloane ist ein hübscher Bursche mit blauen Augen und blonden Locken, die ihm bis über den Hemdkragen fallen. Niemand sieht ihm an, wie schlecht er ist. Wahrscheinlich hätte man ihn gehängt wegen all seiner Verbrechen.
Jim Mallone spricht kein einziges Wort. Doch er öffnet die Zellentür und macht dem Gefangenen den Weg frei.
Judith Mallone aber spricht: »Jim, du sollst ihm eine Stunde Vorsprung lassen. Und er soll sich dein Pferd aus dem Mietstall holen können. Auch seine Waffen sollst du ihm aushändigen. Das alles gehört zu den Bedingungen. Jim, sie haben unsere Tochter.«
»Ich weiß, Judith, ich weiß«, murmelt er.
Sie betreten das Office, wo der Deputy John Miller immer noch hinter dem Schreibtisch steht. Er ist noch jung und unerfahren.
Jim Mallone spricht ruhig: »John, gib ihm seine Waffen. Und dann bringst du ihn zum Mietstall und sorgst dafür, dass er meinen Wallach bekommt. Ich habe verloren, John, mein Junge. Also richte dich danach.«
»Yes, Sir«, würgt der junge Deputy hervor. »Ich tue alles für Bridget.« Er öffnet den Waffenschrank und holt die Waffen von Ringo Sloane hervor. Es sind ein Revolver mit Elfenbeingriff und eine Winchester.
Ringo Sloane schwingt sich den Revolvergurt mit der schweren Waffe im Holster mit gekonnter Fertigkeit um die Hüften und schnallt die Schnalle in das richtige Loch, sodass die Waffe richtig an seiner Seite unter der Hüfte hängt.
Dabei grinst er den Sheriff, den Deputy und die Frau nacheinander an.
»Also gehen wir«, sagt er und nickt dem Deputy zu. »Du hast ja gehört, wie es laufen soll.«
Sie gehen hinaus.
Die Stadt ist jetzt nach Mitternacht ruhig und still. Nur aus dem Saloon und dem Hotel fallen noch Lichtbahnen.
Die Tür schlägt hinter ihnen zu.
Judith und Jim Mallone sind allein, stehen sich im Lampenschein gegenüber und sehen sich an.
»Wenn du mir Bridget nicht unversehrt zurückbringst ...«, beginnt sie mit fast tonlos flüsternden Stimme. Doch sie spricht nicht weiter, denn sie begreift endlich, dass er ebenso leidet wie sie.
»Ich bringe dich zum Hotel hinüber«, murmelt er. Und nach einer Pause von drei Atemzügen setzt er hinzu: »Ich bringe dir unsere Bridget zurück. Ich schwöre es dir. Und diese drei Kerle werde ich töten.«
Er nimmt nach seinen Worten den Sheriffstern von seiner Hemdtasche und wirft ihn auf den Schreibtisch.
»Ja, ich werde sie abschießen wie böses Raubwild, und das nicht als Sheriff, der die Gesetze achten muss. Gehen wir also hinüber zum Hotel. Dann bringe ich dein Pferd zum Mietstall und suche mir ein Ersatztier für meinen Wallach.«
Sie starrt ihn mit weit offenen Augen an, möchte etwas sagen, bringt jedoch kein Wort heraus. Denn in ihr kriecht die Furcht hoch, dass sie nicht nur ihre Tochter, sondern auch ihn verlieren könnte.
Wieder einmal mehr erkennt sie, dass sie ihn immer noch liebt.
✰
Als Ringo Sloane nach gut zehn Meilen die Furt des Pecos erreicht und hinter sich immer noch keine Verfolger sehen kann, da stößt er einen wilden Ruf des Triumphes aus.
Die Sonne kam hinter ihm im Osten über die Hügel. Vor ihm – etwa eine Meile vom Westufer des Flusses entfernt – sind ebenfalls Hügel. Und von einem der Hügel blinkt das Spiegelsignal seiner beiden Partner und Kumpane.
Sie konnten nach dem Bankraub mit der Beute entkommen. Ihm aber wurde das Pferd unter dem Hintern zusammengeschossen. Er fiel in einen Dornenbusch, und als er blutend und voller Dornen herauskroch, da waren die Verfolger bei ihm.
Sie hatten beim Banküberfall zwei Tote zurückgelassen. Und weil sie längst schon steckbrieflich gesucht wurden, wartete der Strick auf ihn.
Doch jetzt ist er frei. Seine Kumpane ließen ihn nicht in der Patsche sitzen. Er verspürt so etwas wie ein Gefühl von Dankbarkeit, obwohl er sonst solche Gefühle längst nicht mehr kannte.
Er treibt den grauen Wallach des Sheriffs in die Furt. Von den Hügeln blinkt wieder das Spiegelsignal. Er weiß dort seine Kumpane mit der Geisel, der jungen Tochter des Sheriffs.
Und so fühlt er sich als Sieger. Denn die Beute des Bankraubes war hoch.
Als er nach einer Meile die Hügelkette erreicht, da erwarten sie ihn grinsend am Fuße der Hügel.
Und sie sind nicht allein. Sie haben Bridget Mallone – die Tochter des Sheriffs – bei sich.
Er reitet das letzte Stück langsam im Schritt heran, erwidert ihr Grinsen und sagt dann trocken: »Ihr hattet wohl Sorge, dass ich aus der Hölle auf euch nieder spucken würde?«
»So ist es«, sagt Burt Wessly und grinst.
Latigo Herb Kane jedoch lacht schallend und ruft: »Ja, das trauten wir dir zu. Aus der Hölle auf uns spucken, denn nach dem Hängen wäre deine schwarze Seele gewiss im schlimmsten Teil der Hölle gelandet.«
Latigo Herb Kane ist zu einem Viertel ein Comanche. Latigo, so nennt man einen ölgetränkten Lederriemen, der durch die Ölbehandlung besonders geschmeidig ist. Und so wirkt Herb Kane auch. Alles Lederzeug an seinem Pferd ist ölgetränkt, also alle Riemen, das Zaumzeug und das Sattelleder.
Ringo Sloane betrachtet nun das junge Mädchen. Bridget Mallone ist erst fünfzehn, wirkt jedoch schon fast wie eine junge Frau. Aber in diesem Land – also im ganzen Südwesten – heiraten manche Mädchen schon mit kaum mehr als vierzehn Jahren.
Sie erwidert Ringo Sloanes Blick gerade und fest, weicht nicht aus, lässt ihn ihre Abneigung, Verachtung und ihren Stolz spüren.
Das ärgert ihn. Doch er beherrscht sich, denn er weiß zu gut, dass sie vorerst noch eine Menge Sorgen haben.
Aber er fragt dennoch seine beiden Kumpane: »Wie groß ist die Beute?«
»Zwanzigtausend Dollar«, erwidert Latigo ernst. »Und bevor du dir Sorgen machst, sage ich dir, dass wir in den vergangenen zwei Wochen erst siebenundfünfzig Dollar davon ausgegeben haben. Wir hielten uns streng an unsere Abmachung.«
Sloane blickt wieder nach Osten, wo jenseits des Pecos eigentlich die Verfolger auftauchen müssten. Die Sicht in der trockenen Luft ist weit, viele Meilen weit. Aber nichts ist auf dem Weg von Amity zur Pecos-Furt zu erkennen, kein einziges Lebewesen.
Latigo deutet über den Pecos hinweg nach Osten.
»Unser Vorsprung ist groß genug, reicht aus bis zum Anbruch der Nacht. Kein Aufgebot kann uns bis dahin einholen. Wir können die Kleine frei lassen. Sie würde ohnehin einen langen Ritt nicht durchhalten und uns nur behindern. Also, Süße, du kannst nach Amity zurück.«
Bridget Mallone hört es und will sofort anreiten.
Aber Ringo Sloane versperrt ihr mit dem großen Wallach den Weg.
»Wir nehmen sie mit«, entscheidet er. »Sie war auf der Mallone Ranch gewiss ein Cowgirl. Ja, so schätze ich sie ein. Und ihr habt sie ja wohl auch im Sattel beobachten können – oder? Verdammt, ich mag ihren Vater, den Sheriff von Amity, gar nicht. Und sie ist kein Hühnchen, sondern eine Katze. Seht doch, wie sie mich ansieht. Also los, reiten wir.«
Seine beiden Kumpane starren ihn unwillig an.
»Wir haben eine Abmachung mit ihrer Mutter getroffen«, murmelt Burt Wessly. »Deshalb ist noch kein Verfolger zu sehen und bist du in aller Ruhe durch die Furt gekommen.«
»Sie reitet mit«, entscheidet Ringo Sloane endgültig. Und sie kennen ihn gut genug. Er war stets ihr Anführer und traf auf ihren rauchigen Wegen alle wichtigen Entscheidungen.
Und so ist es auch jetzt.
Sie sind ja keine ehrenwerten Männer, keine stolzen Ritter. Sie gehören zum Abschaum des Südwestens nach dem Krieg. Längst verloren sie alle Ehre. Und so fügen sie sich Ringo Sloanes Entscheidung.
Sie reiten an.
Dann hören sie das Mädchen rufen: »Mein Vater wird euch finden, ganz gleich, in welchem Loch ihr euch verstecken werdet! Er wird euch finden!«
Ihre Stimme klingt hell und klar, und dennoch hört man ihr an, dass sie ihre Furcht nur mühsam besiegen kann. Vielleicht wird ihre Stimme schon bald zerbrechen.
Und deshalb ist sie klug genug, um von nun an zu schweigen.
✰
Jim Mallone, der seinen Sheriffstern ablegte, um sich nicht mehr auf seinem Weg der Rache an Gesetze halten zu müssen – denn er hatte ja einen Eid abgelegt –, macht natürlich nicht den Fehler, geradewegs zur Pecos-Furt zu reiten.
Er weiß zu gut, dass bei der meilenweiten Sicht für die Banditen jeder Verfolger auf große Entfernung zu sehen ist.
Noch hofft er, dass sie seine Tochter Bridget wirklich freilassen, doch das ist nur eine schwache Hoffnung, an die er nicht wirklich glauben kann. Und selbst wenn sie Bridget freilassen, so würde diese leicht den Weg zurück nach Amity finden.
Jim Mallone will Rache.
Und so macht er einen Umweg zum Pecos, hält sich in Deckung der Hügel im Süden und erreicht den Pecos etwa fünf Meilen südlich der Furt.
Doch es gibt hier keine Furt.
Eigentlich wirkt der Pecos recht harmlos. In Wirklichkeit ist er fast an allen Stellen, wo er so flach und harmlos wirkt, besonders gefährlich wegen des tückischen Treibsands.
Ja, Treibsand.
Und zum Durchschwimmen ist er zu flach an diesen Stellen.
Jim Mallone wittert hinüber, fragt sich, ob er es hier wagen oder ein Stück weiter reiten soll.
Doch er kann nicht lange zögern. Er muss hinüber, kann den Vorsprung der Banditen nicht noch größer werden lassen.
Jim Mallone entschließt sich plötzlich. Er treibt den Rotfuchs ins Wasser. Sie kommen bis zur langen Sandbank mitten im Fluss, aber das Pferd versinkt bei jedem Sprung immer tiefer. Und als sie auf dem Sandbankrücken anhalten, da geht es unter den Hufen des Pferdes immer noch abwärts. Und so treibt er den Rotfuchs noch einmal gnadenlos an, will es mit Schnelligkeit versuchen.
Doch dann geht es nicht mehr weiter. Der Rotfuchs kann sich nicht mehr mit den Hufen abdrücken. Zwar beginnt er zu kämpfen, will weiter. Doch er sinkt immer tiefer ein.
Jim Mallone wirft sich aus dem Sattel in das nur knietiefe Wasser. Es trägt ihn einigermaßen. Doch wenn er versuchen würde, sich auf die Füße zu stellen, um durch den Fluss zu waten, würde er bald bis zum Bauch versinken.
Er muss durch das flache Wasser kriechen, sich tragen lassen.
Als er an Land gelangt und sich nach seinem Pferd umsieht, da sieht er das arme Tier verzweifelnd kämpfen. Er kann es nicht retten, nur dessen Not und Qual verkürzen.
Und so zieht er den Revolver. Obwohl die Entfernung für einen Revolverschuss ziemlich weit ist, trifft er das bedauernswerte Tier mit dem ersten Schuss in den Kopf.
Er weiß nun zwar, dass er verloren hat, aber noch nicht, wie sehr.
Denn eine Kugel trifft ihn aus dem Grün zwischen den Felsen heraus.
Er fällt nach vorn aufs Gesicht.
Ein Mann kommt zwischen den Felsen hervor, eine ziemlich abgerissene Gestalt, bärtig und mit langen Haaren, die schon grau sind.
Der Mann tritt zu ihm und stößt ihm die Fußspitze in die Seite, dreht ihn dann auf den Rücken, starrt auf ihn nieder.
»Dich habe ich gleich erkannt, Sheriff Mallone. Wir hatten ja noch eine Rechnung offen. Du hast mich nicht umsonst aus deiner Stadt gejagt. Deine Kleidung wird mir passen. Und in deiner Tasche wird gewiss auch etwas Geld sein. Wie konntest du nur so dumm sein, hier durch den Pecos zu reiten? Es war wohl Schicksal, dass ich hier an diesem Pecos-Stück mein verborgenes Camp aufgeschlagen habe, he! Das war heute nicht dein Glückstag. Das Glück war dir nicht mehr gewogen. Du bist schon zu oft davongekommen, oho! Und ich werde dich nicht beerdigen.«
Er macht sich an die Arbeit als Leichenfledderer, denn er hält den Sheriff für tot. Aber er hat ja in seinem ganzen Leben noch nie etwas getaugt. Und weil er jetzt noch weniger taugt und endgültig zu den Bösen gehört, wird ihn gewiss irgendwann auch sein Schicksal ereignen.
Denn auf die Dauer kommt niemand davon. Wäre das nicht so, dann würden die Bösen bald die ganze Welt beherrschen.
✰
Bridget Mallone kann das Schicksal ihres Vaters nicht einmal ahnen, auf den sie immer so stolz war und den sie für unbesiegbar hielt, den sie bewunderte als Hüter des Gesetzes.
Auch Judith Mallone wird niemals erfahren, was mit ihrem Mann geschah, denn er wird verschollen bleiben, einfach verschwunden sein auf dieser Erde.
Und so werden sie sie sich vielleicht eines Tages erst im Jenseits wiedersehen.
Bridget Mallone hält sich an diesem Tage recht gut im Sattel.
Sie legen Meile um Meile zurück und stellen auch am Nachmittag wieder fest, dass niemand ihrer Fährte folgt. Sie reiten nun nach Süden, denn sie wollen über die Grenze nach Mexiko hinüber, weil ihnen dorthin kein Aufgebot mehr folgen würde.
An diesem für Bridget Mallone so langen Tag im Sattel reitet Ringo Sloane oft neben ihr, Steigbügel an Steigbügel. Sie spürt ständig seine forschenden, begehrlichen Blicke.
Einmal fragt er geradezu: »He, hast du es schon mal mit einem Jungen gemacht oder gar mit einem Mann? Weißt du schon, wie es geht?«
Sie blickt ihn fest an und bringt es immer noch fertig, ihm nicht die Angst und all die Furcht tief in ihrem Kern zu zeigen.
Er wartet auf eine Antwort. Und so spricht sie herb: »Mein Vater wird Sie töten.«
Da lacht er und erwidert: »Vielleicht will ich dich gar nicht, Süße. Vielleicht bist du wirklich noch eine Jungfrau. Dann würden wir drüben in Mexiko sehr viel mehr für dich bekommen, hahaha!«
Sie schweigt, doch nun weiß sie, was Ringo Sloane mit ihr vorhat, wenn sie drüben in Mexiko sind.
Sie bleiben den ganzen Tag in den Sätteln, reiten stetig nach Süden, rasten nur dann und wann für kurze Zeit auf höher gelegenen Aussichtspunkten, von denen sie ihre Fährte meilenweit übersehen können.