G. F. Unger 2283 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2283 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Dodge City war damals schlimm. Auch ich gehörte zu den schlimmen Burschen dieser Stadt.
Man kannte mich, Red Jim Flannaghan, ganz genau.
Eigentlich machte ich mir nichts aus Whisky. Doch weil ich wusste, dass die drei Chanessy-Brüder im Lonestar Saloon saßen, wollte ich hinein.
Mit einigen Freunden hatte ich diesen Chanessys und deren Mannschaft einen üblen Streich gespielt. Unten am Brazos River hatten wir sie überrumpelt und ihnen die Herde weggenommen.
Es war klar, dass sie seitdem hinter meinem Skalp her waren wie wilde Indianer. Warum auch nicht?
Natürlich war es eine Dummheit von mir, aber ich wollte die Burschen nicht lange nach mir suchen lassen. Die Chance, sie vor meinen Colt zu holen, wollte ich mir nicht entgehen lassen.
Ich ging also einfach frech in den Lonestar Saloon hinein ...

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Seitenzahl: 160

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Ritt für den Toten

Vorschau

Impressum

Ritt für den Toten

Dodge City war damals schlimm. Auch ich gehörte zu den schlimmen Burschen dieser Stadt.

Man kannte mich, Red Jim Flannaghan, ganz genau.

Eigentlich machte ich mir nichts aus Whisky. Doch weil ich wusste, dass die drei Chanessy-Brüder im Lonestar Saloon saßen, wollte ich hinein.

Mit einigen Freunden hatte ich diesen Chanessys und deren Mannschaft einen üblen Streich gespielt. Unten am Brazos River hatten wir sie überrumpelt und ihnen die Herde weggenommen.

Es war klar, dass sie seitdem hinter meinem Skalp her waren wie wilde Indianer. Warum auch nicht?

Natürlich war es eine Dummheit von mir, aber ich wollte die Burschen nicht lange nach mir suchen lassen. Die Chance, sie vor meinen Colt zu holen, wollte ich mir nicht entgehen lassen.

Ich ging also einfach frech in den Lonestar Saloon hinein ...

Doch ich kam den Chanessys nicht sehr gelegen. Sie waren schon immer Burschen, die nichts überstürzten, sondern alles der Reihe nach erledigten.

Im Moment war ich noch nicht an der Reihe, denn sie hatten bereits mit einem indianergesichtigen Burschen ein scharfes Pokerspiel in Gang gebracht.

Bei meinem Eintritt blickten sie nur kurz von ihren Karten auf und grinsten mich an.

Doch dann wandten sich die drei Chanessys wieder dem Spiel zu. Daran konnte ich erkennen, dass ihnen das viele Geld auf dem Tisch erst einmal wichtiger war und ich noch etwas warten sollte.

Der Barmann war ein guter Junge, der mich mochte. Er goss mir nicht nur aus einer besonderen Flasche den Whisky ein, sondern blieb auch noch eine Weile bei mir.

Seine leisen Worte habe ich noch genau in Erinnerung.

»Jim«, flüsterte er, »jetzt glaube ich doch, dass du zu den Gentlemen gehörst, die nicht viel älter werden als ein Gaul. Die Wetten stehen zehn zu eins gegen dich. Und wenn diese drei Giftpilze nicht erst noch den dicken Pokerpott gewinnen wollten, wärst du jetzt schon mächtig in Not.«

Ich dachte über seine Worte nach, aber leider war es schon zu spät.

Obwohl ich immer noch an mein Glück glaubte und mir gar nicht vorstellen konnte, dass man mich bald zum Stiefelhügel vor die Stadt bringen würde, verspürte ich plötzlich ein flaues Gefühl in der Magengegend.

Ich will nicht sagen, dass mir richtig bange wurde, aber von meinem Selbstbewusstsein ging eine Kleinigkeit verloren.

Denn die Chanessys waren wirklich schlimme Pilger und wurden in einigen Staaten steckbrieflich gesucht. Genauer gesagt: Sie waren richtige Banditen. Auf Tim und Lefty waren damals je zweitausend und auf Sego dreitausend Dollar Belohnung ausgesetzt. Nur hier in Kansas lag noch nichts gegen sie vor.

Nun, ich verspürte also jenes Gefühl der Ungewissheit, und vielleicht gerade deshalb sagte ich zu Charly, dem Barmann: »Zehn zu eins stehen die Wetten gegen mich? Pass auf, mein Junge, ich habe noch etwa fünfhundert Dollar übrig. Vielleicht kannst du sie für mich unterbringen?«

»Das kann ich.« Charly grinste. »Dort im Hinterzimmer sitzen Gentlemen, die jede Wette annehmen.«

Er nahm mein Geld und ging.

Der Bursche, mit dem die Chanessys spielten, gefiel mir immer besser. Ich erkannte gleich, dass er zu der verwegenen, rastlosen Sorte gehörte, für die das Leben nichts anderes als ein prächtiger Spaß ist. Das war einer von meiner Sorte, der Zickzackfährten ritt und dessen Campfeuer so verstreut waren wie die Sterne am Himmel.

In der Tischmitte lag ein Haufen Geld – etwa fünftausend Dollar. Dafür musste ein Spitzencowboy mehr als zehn Jahre arbeiten.

Aber der Bursche war ganz lässig und sorglos. Er blickte kaum in seine Karten und betrachtete die Chanessys mit Wohlwollen und Vergnügen. Es war ganz klar, dass dieser Mister stets an sein Glück glaubte und nie enttäuscht wurde.

Die Chanessys aber wirkten angespannt und gierig, und als sie dann ihre Karten zeigten, waren diese wirklich nicht schlecht. Sego Chanessy, der drei Asse und zwei Könige aufdeckte, war auch sehr sicher und beugte sich schon vor, um das Geld zu sich heranzuziehen, als der Fremde lässig sagte: »Nichts ist gut genug gegen meinen Straight Flush!«

Und dann zeigte er eine Folge von Karten bis zum Buben.

Von diesem Moment an wurden die drei Chanessys gemein. Das war nun einmal ihre Art. Ihre Taschen waren leer. Das Geld lag auf dem Tisch. Um wieder Geld in die Taschen zu bekommen, hätten sie eine Bank berauben oder einen Geldtransport überfallen müssen.

»Das ist kein Straight Flush, Mister. Was Sie für einen Buben ansehen, ist eine Dame. Ihnen fehlt also der Bube. Sie haben sich geirrt, Mister. Tut mir leid!«

Nun war alles klar.

Die Gäste an den benachbarten Tischen erhoben sich sofort, um aus den Schusslinien zu kommen. Der Barmann hinter mir, der inzwischen mein Geld untergebracht hatte und zurückgekommen war, seufzte tief – und der Fremde, der mir so gut gefiel, staunte eine Weile.

Dann sagte er trocken: »Es ist ein Bube!«

Und damit hatte er genau gesagt, was Sego Chanessy erwartete.

»Niemand nennt mich einen Lügner!«, brüllte Sego auch sofort und schnellte von seinem Stuhl auf.

Das tat auch der Fremde, und ich kann nur sagen, dass er ein Mann war, der gut für sich sorgen konnte. Leider aber war Sego Chanessy der beste Mann des Kleeblattes und zog deshalb einen Sekundenbruchteil schneller.

Und dann krachten die beiden Schüsse.

Es war eine Sache, wie sie fast jeden Tag in Dodge City auf ähnliche Art passierte, denn die Stadt war noch ohne Gesetz und voller Revolverhelden und wilder Jungs.

Sego und der Fremde trafen sich fast gleichzeitig.

Die beiden anderen Chanessys aber erinnerten sich an mich und dachten nicht ganz zu Unrecht, dass ich mir diese Chance nicht würde entgehen lassen.

Als Sego also loslegte, glitten auch seine beiden Brüder Tim und Lefty von den Stühlen, wirbelten zu mir herum und zauberten ihre Revolver aus den Holstern.

Als ich den Rückstoß meines alten Colts in der Hand spürte, wusste ich auch schon, dass meine Uhr noch nicht ablaufen würde. Ich spürte es sicher, obwohl ich einen heftigen Schlag an der Schläfe fühlte und dann in bodenlose Tiefe zu stürzen schien.

Ich erwachte etwa eine Stunde später auf einem Ledersofa. Mit meinem Kopf war etwas nicht in Ordnung. Nach einer halben Stunde aber wirkte das Pulver, das der Doc mir eingeflößt hatte, und die Schmerzen ließen etwas nach.

Ich setzte mich auf und blickte den alten Doc dankbar an.

Er betrachtete mich prüfend und sagte dann: »Ich habe dem Hauptmann der Bürgerwehr gesagt, dass Sie vierundzwanzig Stunden Bettruhe nötig haben, Flannaghan.«

»Zum Teufel mit der Bürgerwehr«, sagte ich, »ich habe nur dafür gesorgt, dass ich nicht totgeschossen wurde, nicht wahr?«

»Sie sind trotzdem ein Revolverheld«, sagte der Doc friedlich. »Und in genau zwölf Stunden beginnt ein Mister Wyatt Earp hier seinen Dienst als Marshal. Seine erste Amtshandlung würde sein, Sie aus der Stadt zu jagen, junger Mann.«

Nun, ganz so jung war ich nicht mehr. Ich hatte damals achtundzwanzig Sommer erlebt – aber der Doc hätte mein Vater sein können.

Von Wyatt Earp hatte ich schon gehört. Es gab damals im ganzen Westen keinen berühmteren Kämpfer als ihn. Er würde also hier in Dodge City den Stern tragen. Oh, er hatte schon viele wilde Städte gezähmt und gebändigt. Er würde auch Dodge City bändigen und zu einer friedlichen Stadt machen.

»Es sieht so aus, als ob ich wirklich fortreiten müsste«, sagte ich. »Denn ich möchte nicht der Mann sein, der von Wyatt Earp hier die erste Lektion erhält.«

Doch da kam Charly, der Barkeeper, herein. Er brachte meinen Hut mit, und in diesem Hut waren mehr als fünftausend Dollar.

Charly grinste mich an und sagte: »Die Wetten standen zwei zu eins gegen dich. Die Gentlemen haben gezahlt, obwohl du nur gegen zwei Chanessys kämpfen musstest. Aber man hat gezahlt.«

»Nimm dir tausend Dollar, mein Junge«, krächzte ich. »Und behalte mich in guter Erinnerung.«

»Das werde ich«, sagte er. »Du bist schon ein prächtiger Bursche, Red Jim.«

Und dann ging er.

Es wäre mir fast gelungen, einzuschlafen, aber da stand plötzlich der Doc neben dem Sofa und sagte: »Dieser Les Rockman möchte Sie sprechen, Flannaghan.«

»Wer ist Les Rockman, Doc?«

»Sego Chanessy hat ihn schlimm getroffen – ich glaube nicht, dass er noch einmal die Sonne aufgehen sieht«, knurrte der Doc.

Und da wusste ich, wer Les Rockman war.

Ja, er lag im Bett, und er hatte immer noch Ähnlichkeit mit einem Indianer, obwohl unter seiner tiefbraunen Haut schon die Schatten des Todes zu erkennen waren.

Aber er grinste. Es ging ihm sehr schlecht, und er hatte keine Chance mehr. Er wusste auch, dass es mit ihm bald zu Ende ging. Aber er grinste.

Wahrhaftig, er gehörte zu jener Sorte, die ich gernhatte und zu der ich ebenfalls gehörte.

Als ich nämlich an Les Rockmans Bett saß, hatte ich das Gefühl, als müsste ich Abschied von einem guten Freund nehmen. Es war ein bitteres Gefühl, aber ich grinste und fragte: »Wie geht es, Partner?«

Als ich es heraushatte, bereute ich es.

Denn Les Rockman antwortete: »Ich bin am Ende des Lassos angelangt, Partner. Und ich war ein verdammter Narr.«

»Wer ist das nicht?«

Er betrachtete mich nachdenklich. »Ich habe schon von dir gehört, Red Jim Flannaghan. Und als du in den Saloon kamst, da erkannte ich, wie sehr wir uns gleichen. Auch ich hätte mich den Chanessys gestellt. Nun, ein Mann macht Fehler – und manchmal erkennt er sie zu spät. Ich möchte dich um einen Gefallen bitten, Red Jim.«

»Bewilligt, Partner.«

»Nimm das Geld dort auf dem Tisch und bringe es meiner Frau.«

»He«, sagte ich, »du bist verheiratet?«

Er nickte, und nun konnte ich in seinen Augen echtes Bedauern erkennen.

»Ich habe eine Frau und einen Jungen. Ich dachte damals, dass ein wilder Bursche wie ich zur Ruhe kommen und sich ein Heim schaffen müsste. Doch die Welt war zu schön. Tausend Abenteuer und Späße warteten. Es war so schön, mit dem Wind zu reiten und die Sterne zu zählen. Zuerst wollte ich nur für wenige Wochen fort – aber ich ritt nicht wieder heim. Vielleicht bin ich ein richtiger Schuft, Jim – doch ich musste immer wieder neuen Zielen folgen. Ich sah immer wieder Berge am Horizont, hinter die ich blicken musste. Kannst du das verstehen, Jim?«

Er schwieg erschöpft.

»Reite zu meiner Frau«, sagte er nach einer Weile gepresst. »Sag ihr, dass sie endlich frei ist und nicht länger auf meine Heimkehr zu warten braucht. Bring ihr das Geld und sag ihr, dass ich sie nicht verdient hatte. Willst du das für mich tun?«

»Gern, Les. Aber warum möchtest du, dass ich ...«

»Vielleicht ist es gut für dich, wenn du erkennen kannst, was ich verloren habe, weil ich ein Narr war«, murmelte er.

Genau zwölf Stunden später verließ ich Dodge City, und ich wusste, dass ich Les Rockmans Worte nie vergessen würde.

Nun, ich begann meinen Ritt, den ich Les Rockman versprochen hatte, auf meinem Colonel. Dieser riesige Rappe wog dreizehnhundert Pfund und wirkte dennoch sehr mager und zäh. Colonel war mit siebzehn Narben bedeckt. Er war ein richtiges Kriegspferd. Dem Verstand nach war er gar kein Pferd.

Während des Bürgerkrieges gehörte ich zur Texasbrigade, und es ist keine Lüge, wenn ich jetzt schreibe, dass ich Captain war. Red Jim Flannaghan und sein Rappe Colonel waren der Stolz der Texasbrigade.

Ich maß damals ohne Stiefel mehr als sechs Fuß, und ich wog ohne Colts stets zwischen hundertneunzig und zweihundert Pfund. Deshalb brauchte ich auch ein so starkes Pferd wie meinen Colonel.

Mein Haar war so rot wie eine Flamme, und wenn man die Breite meiner Schultern messen wollte, konnte man den Gewehrlauf einer Büffelflinte dazu benutzen.

Hässlich war ich – aber es war keine Hässlichkeit, vor der Kinder erschraken. Im Gegenteil, mit Kindern wurde ich stets sehr schnell gut Freund. Und auch Frauen mochten mich. Ich habe mich immer darüber gewundert – bis mir mal ein Mädel in Santa Fe zu verstehen gab, dass ich zwar ziemlich hässlich, aber ein richtiger Mann wäre, dem man den Gentleman gegenüber Frauen auf zehn Meilen ansehen könne.

Sicher hatte ich eine Menge Glück. Der Weg von Kansas nach Arizona war weit. Ich kann nicht genau sagen, wie viele Wochen ich auf Colonel unterwegs war, zumal ich unterwegs auf dem alten Trail nach Santa Fe mit einigen Comanchen Verdruss bekam und wegen eines Pfeilschusses eine Woche lang in einer Siedlung rasten musste.

Irgendwann erreichte ich schließlich doch mein Ziel – eben jenes County in Arizona, wo Les Rockmans Frau und sein kleiner Sohn leben sollten. Die Anschrift hatte er mir noch geben können.

Natürlich hatte ich auch Les Rockmans Spielgewinn bei mir.

So kam ich nach Ricahua, einer kleinen Rinderstadt.

Colonel und ich waren von dem Ritt sehr mitgenommen. Ich war abgerissen und stoppelbärtig, und mein narbiger Partner sah einem struppigen Schwarzwolf ähnlicher als einem Pferd.

Als ich also in die Stadt kam, hielt ich zunächst vor dem Gemischtwaren-Store an und sehnte mich nach einem Beutel Durham-Tabak. Ich rutschte steif und müde aus dem Sattel und sah plötzlich einen Jungen auf dem Plankengehsteig, der mit einem Holzgewehr auf mich zielte.

»Streck sie nur hoch«, sagte der Junge. »Ich bin Wild Bill Hickock und trage den Stern. Ich nehme dich jetzt fest, weil ...«

Dann stockte er. Es fiel ihm einfach nichts ein. Vielleicht kam es deshalb, weil ich gehorsam die Hände hochgenommen hatte und wir uns in die Augen sahen – eine ganze Weile.

Der Junge senkte dann sein Holzgewehr und sagte: »Ich habe mich getäuscht, Sir. Gegen Sie liegt nichts vor. Auch Wild Bill Hickock kann sich mal irren, nicht wahr?«

»Gewiss«, sagte ich. »Aber vielleicht bin ich wirklich ein berüchtigter Bandit.«

Nochmals sah mich der Junge prüfend an. Dann schüttelte er entschieden den Kopf und sagte: »Nein, Sir, Sie nicht. Ich kenne mich mit Männern aus.«

Schon deshalb gefiel er mir auf Anhieb. Er war acht Jahre.

Klein, aber stolz und gerade stand er auf dem Gehsteig und blickte mir fest in die Augen. Sein rabenschwarzes Haar reichte ihm fast bis auf die Schultern, und er trug Mokassins und Lederhosen. Seine Augen waren so blau wie die Kornblumen – nun, er war so ein richtiger Sohn seines Vaters, denn ich fühlte sofort, dass es Les Rockmans Sohn war.

Ich grinste und sagte: »Wer bist du, wenn du nicht Wild Bill Hickock, Wyatt Earp oder Cochise bist?«

Der Kleine schüttelte den Kopf und sagte: »Wenn ich nicht Wild Bill Hickock bin, dann bin ich Captain Red Jim Flannaghan von der stolzen Texasbrigade, verstehen Sie, Mister? Und wenn ich nicht Red Jim Flannaghan bin, dann bin ich Lesly Rockman. Sie kommen von weit her, Fremder, nicht wahr?«

Ich staunte. Da hatte mir doch eben ein kleiner Junge gesagt und zu verstehen gegeben, dass er nicht Wyatt Earp oder Cochise spielte, sondern sich manchmal vorstellte, Red Jim Flannaghan zu sein. Nach Wild Bill Hickock stand ich also bei dem Bengel an zweiter Stelle auf der Liste seiner Vorbilder.

Er betrachtete jetzt meinen narbigen Colonel, und obwohl der Rappe mit einer dicken Staub- und Dreckschicht bedeckt war, war er doch noch als Rappe zu erkennen.

Dann sah mich der Junge zum dritten Male an.

»He«, sagte er und schluckte mühsam, »Sie reiten auf einem riesigen, narbigen und hässlichen Rappen. Sie haben rote Haare und haben eine Säbelnarbe quer über dem Gesicht. Mich soll der Teufel holen, Sir, wenn Sie nicht Captain Red Jim Flannaghan sind!«

»Ich kann es nicht leugnen, Cowboy«, erwiderte ich bekümmert und fügte dann schärfer hinzu: »Der Teufel wird dich also nicht holen, Cowboy. Aber ich halte nicht viel davon, wenn ein richtiger Gentleman flucht. Lass es lieber bleiben. Fluchen ist kein Zeichen von Mut und Männlichkeit.«

»Sie fluchen nie, Captain?«, fragte er sofort.

»Nein«, log ich. »Ich fluche nie.«

»Und Wild Bill Hickock?«

»Den traf ich vor sechs Wochen in Kansas City – und ich habe ihn ebenfalls nie einen Fluch sprechen hören, Lesly.«

Er betrachtete mich sehr genau und wollte sicherlich noch eine ganze Menge sagen. Doch jetzt war ich an der Reihe und fragte sofort: »Wo ist deine Mutter, Lesly?«

Er zuckte leicht zusammen, und es erschien mir so, als erwachte er aus einem Traum und kehrte in die Wirklichkeit zurück. Er deutete schräg über die Straße auf das Restaurant eines Hotels.

Dann sagte er wütend: »Unsere Ranch wird versteigert, weil meine Mutter die Zinsen für das geliehene Geld nicht aufbringen kann.«

Vor dem Eingang standen einige Männer, die ich sofort als Siedler und Drei-Kühe-Rancher einschätzte. Und einer dieser Burschen sagte: »June kann nicht zahlen – und jetzt werden sich Drango Clifford und Lonestar Britt um ihre Ranch raufen.«

Ich schob die Männer mit zwei Armbewegungen rechts und links zur Seite. Sie begannen sofort zu fluchen – aber dann konnten sie mich richtig sehen und wurden still.

Ich ging also hinein.

Es waren nicht viele Leute da. Die Männer vor der Tür waren nichts anderes als furchtsame Mäuseriche, die sich nicht in die Nähe der großen Burschen trauten, die ich nun betrachten konnte.

Ja, da waren einige Männer von jener harten Sorte, die stets große Schritte macht, einen großen Schatten wirft und ihren Wünschen auf die harte Art den notwendigen Nachdruck verleiht. Diese Sorte kannte ich.

Da saßen zwei Halbgötter des Landes mit ihren hartgesottenen Vormännern.

Und da war June Rockman.

Als ich sie sah, begann ich zu ahnen, welch großer Narr Les Rockman gewesen war.

Dann waren noch zwei Männer da. Den einen hielt ich sofort für den Bankier. Und der andere Mann war der Richter.

Zu diesem Mann sagte June gerade: »Nein, es war mir nicht möglich, auch nur die Zinsen, geschweige denn die Schuldsumme aufzutreiben. Die Ranch ist zusammengebrochen ...«

»Wir wissen, dass Ihr Mann Sie im Stich gelassen hat«, mischte sich der Bankier ein. »Eine Frau kann keine Ranch leiten – nicht in diesem Land. Aber die Gentlemen hier werden sicherlich einen fairen Preis bieten. Es wird gewiss noch eine nette Summe übrig bleiben, sodass Sie sich den kleinen Store ...«

»Genug!«, sagte June da, und sie sagte es stolz. »Es braucht sich niemand um meine Zukunft Sorgen zu machen. Die Versteigerung kann beginnen, Gentlemen.«

Ich hielt nun die Zeit für gekommen, um einzugreifen. Als ich neben June trat und den Hut abnahm, starrten mich alle Männer grimmig an.

Halt, Leute, so ganz stimmt das nicht. Der Richter war nicht grimmig, sondern nachdenklich und neugierig.

Ich aber sagte zu June: »Da bin ich wohl noch zur rechten Zeit gekommen, Madam. Mein Name ist Flannaghan, und ihr Gatte schickt mich mit dem Geld. Er dachte es sich, dass die Ranch nun verloren gehen könnte. Deshalb bin ich hier. Les Rockmans Sohn soll eines Tages über die eigene Weide reiten.«

Alle Männer sprangen auf – auch der Richter.

June aber wich zwei Schritte zurück und starrte mich an wie einen Geist. Sie war unter ihrer sonnengebräunten Haut plötzlich so bleich wie weißes Leinen. An einer Stuhllehne suchte sie Halt, und ihr Atem ging heftig und schnell.

»Sie kommen von Les?«, fragte sie. »Les schickt Geld, damit sein Sohn die Ranch behalten kann?«

»Sicher«, sagte ich. »Les ist zurzeit verhindert. Er kann wirklich nicht kommen, obwohl er es sich von ganzem Herzen wünschte. Was sind Sie der Bank schuldig Madam?«

Sie konnte mir nicht sogleich eine Antwort geben. Sie blickte mich nur seltsam an. Ich spürte plötzlich, dass sie schon gewisse Dinge ahnte, denn ich selbst war ja ebenfalls sehr ernst.