G. F. Unger 2288 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2288 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Als Jubal Nolan die Wasserscheide des Passes erreicht, entdeckt er, dass er nicht der einzige Mensch hier oben ist.
Am Rand der Terrasse steht ein Sattelpferd, ein knochiges und schon bejahrtes Tier mit einem Militärsattel und dem Brandzeichen der ehemaligen Südarmee. Auf einem Felsbrocken sitzt ein Mann. Er späht zu Jubal Nolan herüber und hebt dann leicht die Hand. Es ist ein lässiger Gruß.
Jubal Nolan reitet langsam hinüber, denn der Passweg führt dicht an dem Rastplatz des Fremden vorbei. Und je näher Jubal Nolan kommt, umso klarer wird ihm, dass der kleine drahtige Mann auf dem Felsbrocken ein Bursche von seiner Sorte ist. Er verhält sein müdes Tier, und dann betrachten sich die beiden Männer aufmerksam.
Sie tragen noch beide die Uniformen der ehemaligen Südstaatenarmee, jedoch ohne Rangabzeichen. Nolan trägt dazu einen breitkrempigen Hut, während der andere Mann eine zerknautschte Feldmütze auf seinen rostroten Haaren sitzen hat.
»Hallo, Bruder!« grüßt der Rotkopf und deutet zur Ebene hinunter. »Das ist eine prächtige Aussicht, nicht wahr? Vor einigen Jahren hat mir mal ein Mann gesagt, dass Arizona das herrlichste Land der Erde sei. Ich habe diesem Mann gesagt, er wäre ein Lügner. Darauf schlug er mir einen Backenzahn aus, und nun muss ich zugeben, dass er ein Recht darauf hatte, so wütend zu werden. Hast du vielleicht etwas Tabak, Bruder? Ich habe nämlich heute Geburtstag, und ich warte schon den ganzen Tag darauf, dass mir ein Wohltäter begegnet, der mir fünf Gramm Tabak spendiert.«

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Seitenzahl: 165

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Satteltramps

Vorschau

Impressum

Satteltramps

Als Jubal Nolan die Wasserscheide des Passes erreicht, entdeckt er, dass er nicht der einzige Mensch hier oben ist.

Am Rand der Terrasse steht ein Sattelpferd, ein knochiges und schon bejahrtes Tier mit einem Militärsattel und dem Brandzeichen der ehemaligen Südarmee. Auf einem Felsbrocken sitzt ein Mann. Er späht zu Jubal Nolan herüber und hebt dann leicht die Hand. Es ist ein lässiger Gruß.

Jubal Nolan reitet langsam hinüber, denn der Passweg führt dicht an dem Rastplatz des Fremden vorbei. Und je näher Jubal Nolan kommt, umso klarer wird ihm, dass der kleine drahtige Mann auf dem Felsbrocken ein Bursche von seiner Sorte ist. Er verhält sein müdes Tier, und dann betrachten sich die beiden Männer aufmerksam.

Sie tragen noch beide die Uniformen der ehemaligen Südstaatenarmee, jedoch ohne Rangabzeichen. Nolan trägt dazu einen breitkrempigen Hut, während der andere Mann eine zerknautschte Feldmütze auf seinen rostroten Haaren sitzen hat.

»Hallo, Bruder!« grüßt der Rotkopf und deutet zur Ebene hinunter. »Das ist eine prächtige Aussicht, nicht wahr? Vor einigen Jahren hat mir mal ein Mann gesagt, dass Arizona das herrlichste Land der Erde sei. Ich habe diesem Mann gesagt, er wäre ein Lügner. Darauf schlug er mir einen Backenzahn aus, und nun muss ich zugeben, dass er ein Recht darauf hatte, so wütend zu werden. Hast du vielleicht etwas Tabak, Bruder? Ich habe nämlich heute Geburtstag, und ich warte schon den ganzen Tag darauf, dass mir ein Wohltäter begegnet, der mir fünf Gramm Tabak spendiert.«

Er grinst wieder, und er grinst so breit und verwegen, wie nur ein trotziger Ire grinsen kann. In seinem runden Gesicht sind mehr als tausend Sommersprossen. Er hat hellblaue Augen, und seine kleine Nase ist vom ersten Sonnenbrand dieses Jahres arg mitgenommen.

Jubal Nolan nickt. Er rutscht sattelmüde vom Pferd, stampft mehrmals mit den Füßen fest auf den Boden, löst dem Tier den Bauchgurt und begibt sich dann zu dem Rotkopf.

Jubal Nolan ist groß, hager und dunkel. Er hat eine schmale Taille und ziemlich breite Schultern. Sein Gesicht wirkt sehr kühn mit den rauchgrauen, kühlen und wachsamen Augen.

Er setzt sich neben dem Rotkopf auf den Felsbrocken und holt einen schon fast leeren Beutel mit Durham-Tabak hervor.

»Meine besten Wünsche zum Geburtstag«, sagt er trocken.

»Vielen Dank, Wohltäter.« Der Rotkopf grinst und dreht mit zauberhafter Schnelligkeit zwei Zigaretten.

Als die beiden Männer dann rauchen und das Land zu ihren Füßen betrachten, sprechen sie eine lange Weile nicht mehr. Ihre Augen haben zu viel zu schauen und zu bewundern. Man könnte Stunden hier oben sitzen und würde sich niemals langweilen. Denn von hier oben spürt man, wie schön die Welt sein kann.

Jubal Nolan nimmt alles Stück für Stück in sich auf. Zu seinen Füßen fällt das Land in Terrassen zu einem riesigen Becken nieder, und dort unten sind gewaltige Schluchten, mit Wald angefüllt und geheimnisvoll dunkel. Die Terrassen sind mit riesenhaften Zedern bedeckt. Hügel und mächtige Canyons sind in diesem Becken. Im Westen und im Osten, ganz weit in der Ferne, doch in der klaren Luft gut erkennbar, ziehen sich gewaltige Gebirgsketten nach Norden. Schneebedeckte Gipfel von wohl dreizehntausend Fuß Höhe ragen dort gen Himmel. Vor der offenen Ebene im Norden erhebt sich eine wohl viertausend Fuß hohe Mesa, ein riesenhaftes Plateau mit steil aufragenden, zerklüfteten Linien. Die Felswände leuchten rot herüber.

Alles ist gewaltig in seinen Tiefen und Höhen.

Das schmale Band der Passstraße windet sich in Serpentinen in dieses weite und wilde Becken hinunter. Jubal Nolan entdeckt in der Ferne in einem nach Süden zu offenen Halbkreis von bewaldeten Hügeln die Holzhäuser einer kleinen Stadt.

Er drückt den Zigarettenstummel am Felsen aus und sieht den Rotkopf neben sich an.

»Wie heißt dieser Ort dort unten?«

»Ich weiß es nicht, aber ich werde es herausfinden, Bruder. Ich schätze die Entfernung auf etwa zwanzig Meilen. Bis zum Abendessen können wir es schaffen. Oder reitest du lieber allein?«

Der Rotkopf sieht Jubal forschend an.

Plötzlich grinsen sie beide.

»Reiten wir!«, sagt Jubal.

Sie gehen zu ihren Pferden, ziehen die Sattelgurte an und sitzen auf.

»Ich bin Chuck Bennett aus Alabama«, sagt der Rotkopf. »Ich kann nichts dafür, dass mein Vater Irlands grüne Insel verließ und mit seiner Familie nach Alabama ging. Ich kann auch nichts dafür, dass ich Amerikaner wurde und nach diesem verdammten Krieg ein Satteltramp ohne Heimat bin. Und ich kann nichts dafür, dass ich schon zwei Tage nichts gegessen habe, nicht einen einzigen Cent besitze und mir dort unten in dieser Stadt auf jeden Fall ein kräftiges Essen verschaffen werde. Aber überall, wo Burschen von meiner Sorte hinkommen, da gibt es Menschen, die der Meinung sind, ich könnte was dafür. Dann endet die Sache meist damit, dass ich einen Streit anfange. Das wollte ich dir sagen, wenn du dich entschließen solltest, ein Stück mit mir zu reiten.«

Er starrt Jubal Nolan bitter an, aber dann grinst er schon wieder auf seine etwas leichtsinnige und verwegene Art.

Auch Jubal Nolan lächelt blitzend.

»Wir haben alle den gleichen Kummer«, sagt er dann. »Du – ich und tausend andere Burschen. Nun, irgendwo wartet für jeden von uns eine Chance. Man muss sie nur suchen. Well, ich bin Jubal Nolan aus Texas. Komm, Bruder! Meine Taschen sind so leer wie deine. Aber was macht das schon aus, nicht wahr?«

Sie reiten in Serpentinen den Pass hinunter.

Je tiefer sie kommen, umso lauter wird das Raunen des Windes in den Bäumen. Sie hören das Murmeln von Bächen und das Rauschen von Wasserfällen.

Am späten Nachmittag führt die schmale Passstraße durch ein Felsentor, das von einer natürlichen Felsbrücke überspannt wird. Die Hufe der Pferde klappern über das Gestein und senden vor den Reitern ein starkes Echo vorweg.

Als sie unter der Felsbrücke durchgeritten sind und durch das weite Tor wieder freien Blick über das weite und von Schluchten durchfurchte und von Hügeln durchzogene Becken haben, da sehen sie auch die Schranke quer über der schmalen Straße. Neben dieser Schranke steht ein Blockhaus. Auf der Bank vor dem Blockhaus sitzen zwei Männer. Ein Dritter steht bei der Schranke und hält eine Schrotflinte im Arm. Auch die beiden Männer auf der Bank sind gut bewaffnet. Sie tragen Colts, und über ihren Knien liegen jene neuen Winchestergewehre, von denen man jetzt überall spricht.

Jubal Nolan und Chuck Bennett aber halten dicht vor der Schranke ihre Pferde an und betrachten die drei Männer. Sie erkennen sofort, dass es hartbeinige und scharfäugige Burschen sind, und sie werden von diesen gleichfalls scharf betrachtet und abgeschätzt.

Schließlich unterbricht Chuck Bennett die lauernde Stille mit der trockenen Frage: »Was soll das, Leute?« Er deutet dabei auf die Schranke.

Der Mann, der dort steht, grinst leicht bei Chuck Bennetts Frage.

Dann sagt er pulvertrocken: »Hier beginnt Todhunter Larrylands Rinderreich verstehst du, Reddy? Und in dieses Land hier finden nur weiße Böcke Einlass.«

»Aha«, sagt Chuck. Er wischt sich mit der Hand über die stoppelbärtige Wange und fragt sanft: »Bedeutet deine Rede vielleicht, Bruder, dass wir keinen Einlass finden, weil du uns für schwarze Böcke hältst?«

»Wir haben unsere Befehle«, erwidert der Mann sanft und bewegt wie zufällig seine Schrotflinte so, dass sich ihre Mündungen auf die beiden Reiter richten.

»Wir haben unsere Befehle«, wiederholt er. »Dieses Becken ist fünfzig Meilen lang und vierzig Meilen breit. Es ist voller Rinder und Pferde. Es gibt auch eine kleine Stadt hier. Früher durften Fremde ohne Weiteres durch dieses Land reiten, aber jetzt lässt Todhunter Larryland keine Satteltramps mehr herein. Wir haben zu viel Verdruss im Becken. Reitet lieber wieder über den Pass. Versucht es erst gar nicht, einen anderen Weg zu finden. Zu Pferd gibt es nur diesen. Und den bewachen wir.«

Als er verstummt, starrt Chuck Bennett ihn mit großen Augen staunend an. Dann steckt er sich einen Zeigefinger ins Ohr und schüttelt die Hand. Als er den Zeigefinger mit einem Ruck aus dem Ohr zieht, knallt es hörbar.

Wie zutiefst erschüttert wendet sich Chuck an Jubal Nolan und fragt: »Ich habe doch richtig gehört, Jube? Dieser Mister hat eben gesagt, dass hier Todhunter Larrylands Reich begänne und wir unsere Füße nicht auf diesen heiligen Boden setzen dürften. Hat er das wirklich gesagt?«

»So ähnlich.« Jubal lächelt und wendet sich an den Mann mit der Schrotflinte.

»Freund«, sagt er, »wir wollen zu dieser kleinen Stadt im Norden. Wir wollen nur durchreiten und werden auf der Straße bleiben. Dies ist doch eine Poststraße, und kein Mensch kann hier einem anderen Menschen den Weg versperren.«

»Doch, Todhunter Larryland kann das – denn er ist Todhunter Larryland.«

Der Mann an der Schranke grinst.

»Seit drei Tagen lassen wir keine Fremden mehr herein«, fügt er hinzu, »denn von zehn Burschen eurer Sorte, die wir ins Land lassen, kommen nur fünf oder sechs am anderen Ende wieder zum Vorschein. Die anderen verschwinden spurlos in diesem unübersichtlichen Gelände und verstärken die Gemeinschaft der Viehdiebe. Wisst ihr, in diesem Land gibt es mehr als hunderttausend Rinder. Und das Becken mit seinen Schluchten, Hügeln und Kesseln, Mesas und Klüften ist so unübersichtlich, dass sich eine ganze Armee darin verstecken könnte. Aber zum Glück gibt es nur wenige Zugänge. Wir können dafür sorgen, dass die Viehdiebe in unserem Land keine Verstärkungen erhalten und seit einiger Zeit keine einzige Weidekuh mehr aus dem Becken bringen können. Habt ihr jetzt begriffen, warum wir keine Satteltramps durchreiten lassen? Es ist ja möglich, dass ihr gute Burschen seid, die wirklich nur durchreiten wollen. Aber es ist auch möglich, dass ihr zu euren Freunden wollt. Reitet über den Pass zurück und sucht euch einen anderen Weg nach Norden oder in welche Richtung ihr wollt. Das ist alles, Männer! Ihr könnt euch nicht beklagen, denn ich habe euch eine lange Rede gehalten und euch alles erklärt.«

Er macht mit der Schrotflinte eine auffordernde Bewegung.

Chuck Bennett sagt heftig: »Mister, wir haben Hunger und wollen in die Stadt. Wir würden auch gern bei diesem Todhunter Larryland um Arbeit bitten.«

»Er stellt nur Leute ein, die er kennt«, sagt der Mann. »Verschwindet jetzt endlich!«, fügt er schärfer hinzu.

Die Männer auf der Bank erheben sich. Einer sagt: »Pete, du hast nun so lange mit ihnen geredet wie ein Vater mit seinen Söhnen, die er auf den rechten Weg führen will. Jetzt ist es genug. Verschwindet!«

Chuck Bennett und Jubal Nolan sehen sich kurz an und grinsen. Dann rutschen sie aus den Sätteln und kümmern sich nicht um die drohenden Gewehrmündungen. Sie bewegen ihre Hände sehr langsam und vorsichtig, lösen die Schnallen ihrer Waffengürtel und lassen diese einfach zu Boden fallen.

Die drei Männer knurren böse, aber ihre Augen beginnen zu funkeln, denn sie haben sofort und ohne jeden weiteren Wortwechsel begriffen, was die beiden Satteltramps haben möchten.

Die drei Wächter treten zur Bank an der Hüttenwand zurück und legen dort wortlos und grinsend ebenfalls ihre Waffen ab.

Als sie sich den beiden Satteltramps zuwenden, sagt Chuck Bennett zu ihnen: »So ist es richtig, Freunde! Ihr seid drei prächtige Burschen, die jeden Tag dreimal eine gute Mahlzeit in die Bäuche bekommen. Und wir sind zwei schäbige Sattelstrolche, die schon seit zwei Tagen nichts mehr gegessen haben. Probieren wir es also nach guter, alter Sitte aus, ob ihr wirklich groß genug seid, um uns den Weg zu versperren. Es ist nett von euch, dass ihr so fair seid und darauf verzichtet, eure Kanonen zu benutzen. Ihr seid prächtige Burschen. Wenn ich mal Geld habe, dann lade ich euch zu einem Whisky ein.«

Während seiner Worte entledigt sich Chuck seines graublauen Armeerockes, hängt ihn ans Sattelhorn seines Pferdes und krempelt die Ärmel seines roten Wollunterhemdes auf.

Auch die anderen Männer treffen ähnliche Vorbereitungen. Sie grinsen voller Vorfreude dabei, denn die zu erwartende Prügelei scheint für sie nichts anderes als eine willkommene Abwechslung zu werden.

Einer der drei Wächter hält sich streng an die Etikette und erwidert Chuck Bennetts Rede mit den Worten: »Es lässt sich wohl nicht anders machen, als dass wir euch verprügeln müssen. Aber ihr habt uns mit eurer Herausforderung eine Freude bereitet. Wir sitzen hier herum, und etwas Bewegung wird uns gut tun. Ich sage euch aber, dass ihr es auch auf diese Art nicht schaffen könnt. Fangen wir also mit dem Spaß an.«

Nach diesen Worten schiebt der Mann seine Fäuste vor und stürmt gegen Chuck Bennett an. Er ist größer und sicherlich gut zwanzig Pfund schwerer als Chuck. Er ist sich seiner Sache sehr sicher.

Auch die beiden anderen Männer sind es. Beide sind sie groß, schwer, hart und schnell. Gewiss gehören sie zu den härtesten Burschen von Todhunter Larrylands Mannschaft – denn sonst wären sie nicht mit der Aufgabe betraut worden, diesen Pass zu bewachen.

Sie sind sich so sicher, dass der eine zum anderen sagt: »Überlass mir diesen langen Indianer nur allein, Jeremy. Wir wollen nicht unfair sein, nicht wahr? Wenn er mich von den Beinen schlagen kann, dann bekommst du ja immer noch deinen Spaß.«

»Sicher, Bruce«, sagt der andere Mann und tritt zur Hüttenwand zurück. Sein Kamerad aber schiebt nun ebenfalls die Fäuste vor und nähert sich Jubal Nolan mit den Worten: »Nun, Bruder, es geht los! Siehst du, dein Freund mit den verrosteten Haaren liegt schon am Boden!«

Aber das hat Jubal Nolan mit einem raschen Seitenblick inzwischen ebenfalls bemerkt. Chuck Bennett ist nämlich in einen Schwinger seines Gegners gerannt, der ihn zu Boden fegte.

Jubal kann nicht weiter beobachten, was aus Chuck Bennett wird. Er muss kämpfen, denn sein Gegenüber stürmt gegen ihn an und versucht es mit einem Magenhaken und einem kurz herumgezogenen linken Schwinger.

Jedem Beobachter würde sofort klar werden, dass Jubal Nolan kämpfen kann und sicherlich schon durch hundert ähnliche Kämpfe gegangen ist. Den Magenhaken fängt er nämlich durch eine Körperdrehung mit dem Hüftknochen ab. Er blockiert den Schwinger und zieht selbst einen linken Aufwärtshaken hoch, der zwar kurz und blitzschnell kommt, hinter dem aber Jubals ganze Kraft sitzt.

Der schwere Gegner taumelt zurück und rudert mit den Armen durch die Luft. Jubal Nolan tritt nun erst recht in Tätigkeit. Er springt nämlich den taumelnden Mann an. Wie ein schneller Schatten gleitet er ihm nach und trifft ihn zweimal hart. Er zieht abermals einen Aufwärtshaken hoch und fegt den Mann mit einem weit hergeholten Schwinger von den Füßen.

Der Mann stürzt, bleibt einige Sekunden liegen, rollt sich dann auf Hände und Knie und taumelt wieder hoch.

Als er die Fäuste vorschiebt, springt ihn Jubal wieder an, schlägt ihm die Deckung zur Seite und trifft ihn rechts und links.

Dann ist es vorbei. Mit einem zitternden Seufzer legt sich der Mann wieder auf den Erdboden und regt sich nicht mehr.

Jubal wendet sich zu dem anderen Mann um, und er sieht dabei aus dem Augenwinkel, dass Chuck Bennett noch nicht geschlagen ist, sondern seinen Gegner geduckt angreift.

Der bis jetzt unbeteiligte Mann aber sagt zu Jubal: »Das hast du gut gemacht, Mister. Aber Bruce ist mit den Fäusten nicht so gut wie ich. Pass auf, jetzt komme ich!«

»Komm nur, Heldenvater!«, keucht Jubal Nolan, duckt einen Schwinger ab, der über seinen Hinterkopf radiert, und bekommt wenig später eine harte Faust aufs Ohr. Der Mann trifft ihn nochmals, und zwar auf die Herzspitze. Jubal taumelt zur Seite. Sein Gegner folgt ihm schnaufend.

Der Mann kann wirklich mehr als sein Vorgänger, aber er wird nun zu sorglos und achtet nicht mehr auf seine Deckung. Obwohl Jubal etwas in Not gekommen ist, ist er plötzlich wieder da und schlägt hart und präzise. Er trifft den Gegner richtig, folgt dem taumelnden Mann, blockt dessen nur sehr ungenauen und wilden Schwinger ab und schlägt ihn mit einem Aufwärtshaken von den Beinen.

Der Mann taumelt rückwärts über seinen am Boden liegenden Gefährten, fällt auf den Rücken, setzt sich mühsam wieder auf, starrt Jubal verblüfft und ziemlich dumm an und legt sich dann ganz sachte zur Ruhe.

Jubal wischt sich über das Gesicht. Er schmeckt sein eigenes Blut. Er keucht nach Luft, und er muss mit aller Energie seine Schwäche besiegen, die wie Blei in seine Glieder strömt. Er denkt bitter daran, wie sehr er doch eigentlich außer Form gekommen ist, denn auch er hat schon seit fast zwei Tagen nichts mehr gegessen.

Er wendet sich um, sieht nach Chuck Bennett und schnauft grimmig, als er Chuck wieder einmal zu Boden gehen sieht. Diesmal bleibt Chuck jedoch regungslos liegen und erschlafft. Sein Bezwinger schwankt zu ihm und starrt auf ihn nieder.

»Du kleine, freche Wanze«, knurrt der Mann keuchend.

Jubal setzt sich wieder in Bewegung. Da der Mann ihm den Rücken zuwendet und dabei auf seinen Füßen schwankt, streckt Jubal seinen langen Arm aus und klopft ihm leicht auf die Schulter.

Mit einem Brummen wendet sich Chucks Gegner um. Er ist sehr erschöpft und ziemlich angeschlagen.

Jubal nimmt genau Maß und trifft ihn hart und trocken auf die Kinnspitze. Dann geht er schwankend zu Chuck, zieht diesen auf die Beine und führt ihn zum Pferd.

»Och, ich bin heute nicht richtig in Form«, ächzt Chuck. »Ich will es gleich noch einmal versuchen. Wo ist der Bulle?«

»Es ist alles erledigt«, keucht Jubal und hilft Chuck in den Sattel. Langsam stolpert er zu seinem Pferd, nimmt es am Zügel und zieht es hinter sich her. Er öffnet die Schranke, sitzt dann auf und sagt grimmig: »Verdammt!«

Dann sitzt er noch einmal ab, holt ihre Waffengürtel, hängt sie über sein Sattelhorn und sitzt abermals auf.

»Komm, Chuck«, keucht er dann. »Wir haben es ziemlich eilig. Diese drei Knaben werden beim Erwachen gleich sehr ärgerlich sein. Komm nur, Chucky. Es ist genug für heute!«

Er reitet davon. Der noch halb benommene Chuck Bennett folgt ihm auch.

Als sie hundert Yards geritten sind, geht es ihnen etwas besser. Sie blicken zurück.

Einer der drei Wächter steht jetzt auf den Beinen, dreht sich jedoch langsam um die eigene Achse. Ein anderer der drei Burschen setzt sich gerade auf und hält sich mit beiden Händen den Kopf.

»Es war eine schöne Geburtstagsfeier«, keucht Chuck und betastet mit den Fingerspitzen vorsichtig sein zuschwellendes Auge. Und dann grinst er Jubal an und sagt zufrieden: »Langer, ich habe schon lange nicht mehr solch einen Spaß gehabt. Und vielen Dank, dass du unseren Sieg gerettet hast.«

Sie reiten nun schneller und verschwinden um eine Waldecke.

Etwa eine Meile vor der Stadt führt der Weg durch ein dichtes Waldstück in einer Senke. Sie müssen sehr langsam reiten, und ein dicker Nadelteppich dämpft den Hufschlag ihrer Pferde.

»Zum Teufel, ich habe Hunger wie ein Wolf«, sagt Chuck Bennett ziemlich laut. »Es wird wirklich Zeit, dass wir etwas Kräftiges zu essen bekommen. Wo ist der Wohltäter, der uns mit Proviant versorgt? Wo ist er?«

Chuck Bennett erwartet natürlich keine Antwort auf seine im bitteren Galgenhumor gestellte Frage.

Auch Jubal Nolan erwartet keine, denn wer sollte schon zwei hungrigen Satteltramps aus ihrer Not helfen?

Und doch ertönt jetzt eine Stimme aus dem tiefen Schatten der Bäume und sagt ziemlich ärgerlich: »Kommt ihr endlich? Ich dachte schon, Larrylands Mannschaft hätte euch geschnappt. Und ich kann doch nicht so lange der Stadt fernbleiben. Ah, hier stehen die beiden Packpferde. Nehmt sie und verschwindet. Und sagt Jesse McRae, dass es jetzt das letzte Mal ist. Euer Kredit bei mir ist erschöpft. Wenn ihr wieder was braucht, dann will ich vorher endlich mal Geld sehen.«

Nach diesen Worten entfernt sich der unsichtbare Sprecher. Jubal und Chuck sitzen vor Staunen bewegungslos auf ihren müden Pferden. Sie hören jedoch die Geräusche des sich entfernenden Mannes. Aber schon bald verstummt das Knacken des Unterholzes und das Rauschen der Büsche. Der Mann ist zu Fuß. Sicherlich benutzt er irgendeinen Pfad und meidet die Poststraße.

Jubal Nolan hört Chuck Bennett nach Luft schnappen. Dann hört er ihn fragen: »Was war das? Ich träume doch nicht gar? Oh, du lieber Gott, du machst doch keinen schlechten Scherz mit uns?«