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Clint Canyon weicht langsam zurück, während ihm von der Ladebrücke die beiden Schläger folgen. Clint blickt zur Seite auf den Cowboy, der am Kai auf einer Kiste sitzt und ihn interessiert betrachtet. Clint wirft ihm die Reisetasche zu und ruft dabei: »Verwahren Sie bitte die Tasche für mich, Bruder! Oder wollen Sie nicht?«
»Doch - ich will«, sagt der Cowboy und hebt die Tasche auf. Das sieht Clint jedoch nicht mehr, denn er springt vorwärts, zwischen den beiden schwergewichtigen Männern hindurch. Er rammt sie einfach zur Seite, obwohl sie nach ihm greifen wollen. Als die beiden aufbrüllenden Schläger herumwirbeln, werden sie schon erwartet. Am Boden lag ein Knüppel. Jetzt benutzt Clint ihn als Keule.
Der erste Hieb fegt Bruce Mackay von den Beinen. Bruce Mackay ist ein harter Bursche. Er hat sich vom jugendlichen Rowdy zum Preiskämpfer und Rauswerfer entwickelt. Jetzt ist er Schläger bei John Vansitter. Mackay kann allerhand einstecken. Doch dieser Schlag ist selbst für ihn zu viel. Er stürzt und bleibt benommen liegen. Sein Partner Sloan Clayborne bekommt das Knüppelende ebenfalls zu spüren. Er greift nach dem Knüppel. Clint Canyon zieht kräftig daran, lässt dann plötzlich los und schlägt den vorbeistolpernden Mann nieder.
Danach könnte er eigentlich an Bord gehen. Vansitters Schläger haben ihn nicht aufhalten können. Er hat sogar noch ein paar Minuten Zeit und kann sich gar nicht verspäten, wenn - ja, wenn dieser babygesichtige Revolvermann auf der Landebrücke nicht wäre ...
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Seitenzahl: 158
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Letzter Trumpf
Vorschau
Impressum
Letzter Trumpf
Clint Canyon weicht langsam zurück, während ihm von der Ladebrücke die beiden Schläger folgen. Clint blickt zur Seite auf den Cowboy, der am Kai auf einer Kiste sitzt und ihn interessiert betrachtet. Clint wirft ihm die Reisetasche zu und ruft dabei: »Verwahren Sie bitte die Tasche für mich, Bruder! Oder wollen Sie nicht?«
»Doch – ich will«, sagt der Cowboy und hebt die Tasche auf. Das sieht Clint jedoch nicht mehr, denn er springt vorwärts, zwischen den beiden schwergewichtigen Männern hindurch. Er rammt sie einfach zur Seite, obwohl sie nach ihm greifen wollen. Als die beiden aufbrüllenden Schläger herumwirbeln, werden sie schon erwartet. Am Boden lag ein Knüppel. Jetzt benutzt Clint ihn als Keule.
Der erste Hieb fegt Bruce Mackay von den Beinen. Bruce Mackay ist ein harter Bursche. Er hat sich vom jugendlichen Rowdy zum Preiskämpfer und Rauswerfer entwickelt. Jetzt ist er Schläger bei John Vansitter. Mackay kann allerhand einstecken. Doch dieser Schlag ist selbst für ihn zu viel. Er stürzt und bleibt benommen liegen. Sein Partner Sloan Clayborne bekommt das Knüppelende ebenfalls zu spüren. Er greift nach dem Knüppel. Clint Canyon zieht kräftig daran, lässt dann plötzlich los und schlägt den vorbeistolpernden Mann nieder.
Danach könnte er eigentlich an Bord gehen. Vansitters Schläger haben ihn nicht aufhalten können. Er hat sogar noch ein paar Minuten Zeit und kann sich gar nicht verspäten, wenn – ja, wenn dieser babygesichtige Revolvermann auf der Landebrücke nicht wäre ...
Clint Canyon nickt dem Cowboy zu, der ihm die Tasche verwahrte, und streckt die Hand nach ihr aus.
»Danke«, sagt er. »Das war freundlich. Ich hätte ja vielleicht etwas länger beschäftigt sein können mit beiden Kerlen, nicht wahr?«
Der Cowboy nickt und reicht ihm die Tasche.
Damit geht Clint Canyon auf die Landebrücke.
Aber der Revolvermann versperrt ihm den Weg.
»Wenn Sie nur noch einen einzigen Schritt machen«, sagt er mit einer seltsam heiseren Stimme, »dann schieße ich Sie von den Beinen.«
Clint Canyon bleibt stehen. Was er zuvor bei den beiden Schlägern nicht spürte, das spürt er jetzt: Gefahr!
Dieser Mörder mit dem Babygesicht ist gefährlich wie eine Giftviper.
Clint Canyon sagt: »Ich habe keinen Revolver, Mister.«
»Das macht nichts«, sagt der Bursche und streicht mit der Linken über den hellen, beinernen Revolvergriff. »Das macht gar nichts, denn ich bin Duke Slater.«
»Sie wollen mich erschießen, obwohl ich unbewaffnet bin, Slater?«
»Nur wenn Sie auf die Landebrücke kommen – sonst nicht.«
»Das wäre Mord!«
Slater lächelt. »Ich werde in einigen Staaten wegen Mordes gesucht«, sagt er. »Ich habe Ihnen doch meinen Namen genannt.«
Clint Canyon nickt, er zögert immer noch. Er weiß, dass der Mann ihn wirklich töten wird, ganz gleich, ob er einen Revolver trägt oder nicht.
John Vansitter hat sich doppelt abgesichert. Wenn seine Schläger versagten, sollte der Revolverheld in Aktion treten, um Canyon aufzuhalten.
Gesetz?
Ein Gesetz gibt es hier nicht. Drüben in der kleinen Stadt gibt es einen Marshal, der im Hauptberuf Storebesitzer ist. Das hier ist ein kleines Nest am Oberen Big Muddy mitten im Indianerland. River Bend heißt es.
Clint Canyon weiß nicht, was er tun soll.
Der Revolverheld grinst. »Nun?«, fragt er spöttisch.
»Wie wär's denn mit mir?«, sagt plötzlich der Cowboy hinter Clint Canyon. »Ich habe einen Revolver. Wie wär's mit uns beiden, Duke Slater?«
Dieser sieht zu ihm hin und murmelt: »Ich dachte mir doch gleich, dass Sie nicht zufällig herkamen, Cowboy. Aber Ihre Bitte um einen Freiplatz auf einem nach Norden gehenden Schiff klang echt. Es wollen so viele Cowboys nach Norden, um Gold zu suchen. Nun, Sie können von mir bekommen, was Sie wünschen – gleich, wenn ich mit diesem Flussschiffer fertig bin.«
Er wartet, starrt Clint Canyon kalt an und gibt ihm ein paar Sekunden Zeit, sich die Sache zu überlegen.
Clint Canyon denkt nach.
Da ist es ihm gelungen, mit mehr als zwanzigtausend Dollar bis zu dieser Stelle zu kommen.
Er könnte mit einem Dutzend Schritten an Bord der »Belle Bee« sein. Drinnen im Aufenthalts- und Speiseraum des Schiffes, in dem Platz für fünfzig Erster- und Zweiter-Klasse-Passagiere ist, sitzt der Notar mit dem Zeugen.
Auch John Vansitter wird dort sein und auf seine Chance lauern, dieses Schiff zu bekommen.
In wenigen Minuten wird er diese Chance haben.
Und noch jemand wird an Bord auf Clint Canyon warten.
Yester! Yester Allison!
Als er an sie denkt, weiß er, dass er nicht länger zögern darf.
Er muss handeln.
Hinter sich hört er Bruce Mackay am Boden stöhnen und immer wieder heiser und voll Schmerzen keuchen: »Er hat mir die Schienbeine zerschlagen. Ich kann nicht aufstehen – ich kann einfach nicht auf den Beinen stehen. Der Schuft hat mir mit einem Knüppel die ...«
Sein Stöhnen wird zu einer Fluchkanonade.
Sein Partner Sloan Clayborne ist noch nicht wieder bei Besinnung. Der Handkantenschlag war eine Klasse für sich.
Clint hört den Cowboy hinter sich sagen: »Wenn Sie's eilig haben, Big-Muddy-Mann, dann gehen Sie ruhig! Ich gebe Ihnen mein Wort, dass Mister Duke Slater mit mir mehr als beide Hände voll zu tun hat. Gehen Sie!«
Clint Canyon geht. Er zögert nicht länger. Er muss es wagen, denn jetzt hat er vielleicht nur noch eine einzige Minute Zeit.
Duke Slater beachtet ihn gar nicht mehr.
Mag er auch den Auftrag gehabt haben, einzugreifen, wenn Mackay und Clayborne es nicht schaffen – jetzt geht es bei ihm um andere Dinge.
Er wurde von einem Texaner herausgefordert – von einem gedehnt und lässig-kühl sprechenden Texas-Cowboy, der einen Revolver trägt.
Er achtet nicht mehr auf Clint Canyon. Er weiß, dass dieser immerhin noch etliche Schritte machen muss, bis er an Bord ist. Vielleicht ist er bis dahin mit dem Cowboy fertig und kann dann noch mit Clint anfangen.
Das sagt sich auch Clint Canyon. Er weiß nicht, ob der fremde, etwas abgerissene Cowboy mit Duke Slater zurechtkommt. Er möchte verhindern, dass der fremde Cowboy seinetwegen sein Leben riskiert, und zugleich vermeiden, von Duke Slater in den Rücken geschossen zu werden, wenn er sich an Bord begibt.
Deshalb spielt er nochmals seine Schnelligkeit aus.
Er schwingt den Arm mit der Tasche herum und trifft Duke Slater damit von hinten auf die Schulterblätter, als dieser gerade den Revolver zieht. Slater stolpert nach vorn, als hätte ihm jemand einen Sandsack in den Rücken geworfen.
Dann bekommt er Clint Canyons Linke auf Kinnwinkel und Ohr.
Nur einmal kann er seinen Revolver abdrücken. Doch er schießt in die Planken der Landebrücke, während er fast einen Purzelbaum schlägt.
Clint Canyon wirft ihn über das Geländer in den Fluss.
Dann nickt er dem Cowboy, der seinen alten Colt schussbereit in der Hand hält, zu.
»Danke, Bruder!«, sagt er und beeilt sich, an Bord zu kommen.
✰
Das Hauptdeck ist leer. Die kleine Mannschaft der »Belle Bee« hat längst abgemustert, weil ihr kein Lohn mehr gezahlt werden konnte.
Nur Hal Mannen wird bei Yester an Bord geblieben sein – nur er, denn seine Treue geht bis in die Hölle und zurück.
Als Clint Canyon den Aufgang zum Texasdeck mit drei Sprüngen nimmt, stößt er auf Hal Mannen. Er ist froh, diesen gedrungenen, rotköpfigen, sommersprossigen Bootsmann zu sehen.
Hal Mannen grinst grimmig.
»Ich musste John Vansitter im Auge behalten«, brummt Hal und wirft einen Blick über die Reling auf die Landebrücke. »Doch ich wusste, dass du es irgendwie mithilfe des Texaners schaffen würdest, der einen Freiplatz ins Goldland möchte. Den habe ich ihm versprochen.«
Sie drängen sich durch den Eingang in den Speise- und Gesellschaftsraum der »Belle Bee«. Hier sieht es nobel aus. Alles ist aus bestem Holz. Selbst verwöhnte Passagiere, die an die großen Luxusschiffe des Mississippi gewöhnt sind, können sich in dieser Umgebung wohl fühlen.
Am größten Tisch sitzen einige Männer und Yester Allison. Sie erhebt sich bei Clint Canyons Eintritt und winkt ihm zu. Ihr Lächeln ist der Ausdruck ihrer Freude und Erleichterung.
»Clint!« Nur dieses Wort sagt sie.
Er winkt zurück. Jetzt ist keine Zeit für eine Begrüßung und viele Worte.
Die Uhr schlägt elf Mal.
Während die Glockenschläge melodisch den Raum erfüllen, betrachtet Clint Canyon die Männer am Tisch.
Da ist der Notar – grau, ledern, genau in allen Dingen – aber auch etwas verbittert und verknöchert.
Dann sind der Storehalter, der zugleich Marshal von River Bend ist, und der Postmeister da. Sie sitzen als Zeugen hier.
Schließlich ist noch John Vansitter am Tisch – als Gläubiger.
Er ist ein großer, schwerer, stattlicher Mann, aschblond und helläugig, mit einem Schnurrbart, der etwas rötlich schimmert. Von diesem Mann geht eine Kraft aus, die alles beherrschen möchte. Er ist ein Bursche von jener Sorte, die überall schnell das Heft in die Hand bekommt, weil sie stets weit vorausdenkt und alle Zusammenhänge erkennen kann.
John Vansitter ist der typische Manager, der die schwierigsten Probleme zu meistern vermag. Er ist hart, stahlhart!
Jetzt blickt er Clint Canyon ruhig an, und es ist ihm nichts anzumerken von seiner Niederlage. Man würde ihm nicht zutrauen, dass er Typen wie Mackay und Clayborne und einen Mörder wie Duke Slater beschäftigt. Er wirkt sehr korrekt – ganz und gar wie ein Gentleman, der große Geschäfte macht.
Nur Clint Canyon erkennt in John Vansitters hellen Augen den Ausdruck einer kalten, erbarmungslosen Wut.
Aber Vansitters Lächeln ist spöttisch und höflich. »Sie haben es geschafft, Canyon. Na gut!«
Der Notar räuspert sich und sagt mürrisch: »Ja, Sie wären fast zu spät gekommen, Mister Canyon. Ich hätte keine Minute länger gewartet. Haben Sie das Geld – ich meine, können Sie Bill Allisons Verpflichtungen übernehmen? Sie belaufen sich auf genau 21.357 Dollar.«
»Ich habe das Geld in dieser Tasche«, erklärte Clint Canyon ruhig. »Ich kann es Ihnen sofort auf den Tisch zählen.«
»Später.« Der Notar winkt ab und blättert in einigen Papieren.
Er überlegt ein paar Sekunden und erklärt dann laut: »Nach dem Willen des Verstorbenen, Bill Allison, Eigentümer der ›Belle Bee‹, sollen sein einstiger Steuermann Clint Canyon und seine Nichte Yester Allison zu gleichen Teilen Eigentümer der ›Belle Bee‹ werden, wenn es Mister Clint Canyon gelingt, die Verpflichtungen der ›Belle Bee‹ vor Ablauf der Frist zu tilgen. Das ist in letzter Sekunde geschehen. Ich fertige die entsprechenden Papiere aus. Nach dem Willen des Verstorbenen wird Mister Clint Canyon als Schiffseigner allein verantwortlich sein. Er hat an Yester Allison einen gerechten Anteil auszuzahlen.«
Der Notar hebt den Kopf und sieht Clint Canyon an.
»Bill Allison muss sehr viel von Ihnen gehalten haben, Mister Canyon, denn er überlässt es mehr oder weniger Ihrer Redlichkeit, dass Miss Allison nicht übervorteilt wird. Ich möchte der Ordnung halber feststellen, dass die Post- und Frachtkontrakte auf das Schiff ausgestellt sind, ganz gleich, wer der Eigentümer ist. Die Konzession und die Kontrakte gehen verloren, wenn der monatliche Liniendienst nicht aufrechterhalten werden kann. Und jetzt können Sie mir das Geld auf den Tisch zählen, Mister Canyon.«
✰
Eine Viertelstunde später sind alle Formalitäten erledigt.
Clint Canyon und Yester Allison sind Eigentümer der »Belle Bee« und besitzen damit auch die wichtigen Regierungskonzessionen und Armeekontrakte.
John Vansitter hat verloren.
Er zählt das Geld, schiebt es zusammen und will den anderen Männern folgen, die schon den Raum verlassen.
»Einen Moment, Vansitter«, sagt Clint Canyon.
Vansitter steht am Tisch. Er setzt sich nicht mehr, sieht Canyon an und fragt gedehnt: »Was gibt's, Canyon?«
»Klärende Worte, Vansitter.«
»Das kann nie schaden«, murmelt dieser.
Clint Canyon deutet durch eines der Fenster an Land. »Da waren zwei Schläger und ein Revolverschwinger, den man in einigen Staaten wegen Mordes sucht. Sie sollten mich aufhalten. Es waren Ihre Handlanger.«
»Das muss erst bewiesen werden«, murmelt Vansitter mit einer trügerischen Sanftheit. »Sonst noch etwas?«
Canyon nickt. »Gewiss, Vansitter. Es waren Ihre Handlanger. Wir wissen es. Und so wie diese drei Burschen Ihre schmutzige Arbeit machen, so sind Sie selbst ein Mann, der für den Trust die raue Arbeit verrichtet. Für den Trust! Sie wissen genau, was ich meine, auch wenn Sie jetzt scheinbar staunen und die Augenbrauen hochziehen. Vansitter, Sie waren im Auftrag des Trusts gar nicht so sehr an der ›Belle Bee‹ interessiert. Solche Schiffe können Sie überall bekommen. Es ging Ihnen um die Konzession und die Kontrakte. Die wollten Sie haben. Und damit kommen wir zur Sache.«
Vansitter lächelt spöttisch und legt den Kopf schief. Er wirkt sehr selbstsicher und auf herablassende Art belustigt.
»Zu welcher Sache?«, fragt er trügerisch sanft. In seinen hellen Augen aber funkelt unversöhnliche Härte.
»Bill Allisons Tod«, sagt Clint Canyon. »Er wurde schwer verwundet, als er die ›Belle Bee‹ durch die Roaring Passage steuerte. Die ›Belle Bee‹ sollte auf die Klippen laufen und sinken. Ich wette, der Trust – also Ihre Hintermänner – hätten dann die Konzession und alle Kontrakte bekommen. Aber Ihre Scharfschützen schafften es nicht. Hal Mannen brachte die ›Belle Bee‹ durch die gefährliche Passage. Und Bill Allison lebte noch lange genug, um alles zu ordnen. Ich erhielt Nachricht, konnte mir das Geld beschaffen und kam noch rechtzeitig.«
»Na gut, Canyon! Warum reden Sie eigentlich so viel?«, fragt Vansitter hart. Nichts ist mehr von der trügerischen Sanftheit in seiner Stimme. Nun ist er ohne Maske.
Er ist hart und gnadenlos. Und weil er ein Spiel verlor, ist er auch böse. Er ist ein Mann, der keine Niederlage verträgt und es immer wieder versucht, bis er gewonnen hat oder untergegangen ist.
»Warum ich so viel rede?«, fragt Canyon und sieht Vansitter nachdenklich an. »Bill Allison musste damals Geld aufnehmen. Er hatte bei der Armee und der Wells Fargo Kautionen zu hinterlegen. Außerdem musste er nach dem Krieg sein Schiff gründlich überholen lassen. Ja, er brauchte viel Geld. Sie, Vansitter, kauften seine Schuldscheine. Vielleicht gehört sogar die Bank einem der Hintermänner des Trusts, der die ganze Schifffahrt auf dem Missouri kontrollieren will. Jetzt musste ich Geld aufnehmen. Aber ich habe mich abgesichert. Ich rede so viel, weil ich weiß, dass ich Sie erledigen werde – irgendwann und irgendwo –, wenn Sie auf mich losgehen, so wie Sie auf Bill Allison losgegangen sind, um ihn zu zerbrechen. Ich rede so viel, weil ich Sie eindringlich warnen will. Deshalb, Vansitter!«
»Nun, Sie haben mich gewarnt«, erwidert dieser und lächelt. Er wendet den Kopf und blickt auf Yester.
»Verkaufen Sie mir Ihren Anteil!«, sagt er. »Sie sind viel zu schön, um hier in diesem rauen Land auf einem Strom zu leben, der erst noch richtig gefährlich wird. Vielleicht fliegt die ›Belle Bee‹ schon auf ihrer nächsten Fahrt in die Luft. Es ist leicht möglich, dass dem Schiff etwas zustößt. Dann ist Ihr Anteil fort wie eine Seifenblase.«
Sie sieht ihn mit halb geschlossenen Augen an. Ihr Gesicht ist ernst und beherrscht. Sie gibt ihm keine Antwort, sondern schüttelt nur den Kopf.
»Runter von diesem Schiff!«, sagt Clint Canyon und kommt gefährlich langsam um den Tisch herum.
John Vansitter zögert. Doch er lässt es auf eine körperliche Auseinandersetzung nicht ankommen. Er nimmt die Tasche mit dem Geld und geht.
✰
Yester und Clint sehen sich an.
»Es tut mir leid«, sagt Clint.
»Was? Was tut dir leid?«
Sie ist ein mittelgroßes, geschmeidiges Mädchen mit schwarzen Haaren und grünen Augen. Auf eine eigenwillige Art ist sie mehr als hübsch. Zu dieser Art gehört ihr lebendiger Mund, der viel über ihre Gefühle verrät. Es gehört dazu, wie sie den Kopf bewegt und das Kinn hebt.
Clint Canyon beugt sich vor, stemmt beide Fäuste auf den Tisch und blickt Yester schärfer an.
»Dass ich nicht bei Bill Allison war, als sie ihn in der Roaring Passage verwundeten, das tut mir leid«, sagt er langsam.
In ihren Augen blitzt es. »Warum hast du ihn denn verlassen, wenn es dir jetzt leidtut, dass er in der Not ohne dich war?«
Ihre Frage ist fast eine Anklage.
Clint Canyon richtet sich auf.
»Ich wollte mein eigenes Schiff auf diesem Strom besitzen. Was ist da falsch? Also musste ich mehr Geld verdienen. Bill Allison konnte mir keinen höheren Lohn zahlen. Er hatte schwer zu kämpfen. Ich aber konnte als Kapitän auf den größeren Schiffen des Missouris und des Mississippis das Dreifache verdienen. Was ist falsch daran, wenn ein Mann nicht länger Erster Steuermann, sondern Kapitän sein will? Bill Allison konnte mir das nicht bieten. Wir schieden als Freunde.«
Sie nickt. »Auch wir schieden als Freunde, nicht wahr, Clint?«, fragt sie bitter und spöttisch zugleich. »Und nun bist du hier Kapitän. Sogar Mitbesitzer bist du, der mich in keiner Weise zu fragen braucht, wenn er Entscheidungen treffen will. Aber wirst du jetzt dreifachen Lohn erhalten?«
Er erkennt sehr deutlich, wie gekränkt sie ist.
Bei seinem Auftauchen hier war Freude in ihren Augen, und sie hat seinen Namen gerufen, als wäre sie befreit und erlöst von Angst und Spannung.
Jetzt wird ihm klar, dass er sie damals sehr verletzte, als er einfach fortging, um am unteren Strom ein Schiff zu übernehmen.
»Ich glaubte«, murmelt er aus seinen Gedanken heraus, »dass es für uns besser wäre, wenn ich ohne Abschied fortginge. Du konntest deinen Onkel nicht allein lassen, ich konnte dich nicht mitnehmen. Also ...«
»Also schlichst du dich fort, obwohl ...«, sie stockt, beißt sich auf die Unterlippe und hebt dann stolz ihr Kinn, »... obwohl ich dich geküsst habe und du wissen musstest, dass ich dich liebte.«
Er nickt. »Ja, so war es. Wir haben uns geküsst. Ich hatte das Gefühl, dass ich gefangen war. Deshalb ging ich fort. Verzeih mir, wenn du kannst.«
»Warum bist du sofort gekommen, als die Nachricht dich erreichte? Warum hast du das viele Geld aufgetrieben und das Erbe hier angetreten, so wie Bill Allison es sich wünschte?«
»Du sagst es«, antwortet er ernst. »Er hat es gewünscht. Als ich damals als kleiner Junge nach Saint Louis kam, nahm er mich in seine Obhut. Er wurde mir Vater und Freund zugleich. Ich bin gekommen, um seinen Mörder und dessen Hintermänner zu erledigen. Das kann ich nur, wenn ich an seine Stelle trete. Der Trust wird die gleichen Burschen auf mich hetzen wie auf ihn. Das ist es, Yester! Wenn ich fertig bin mit dieser Arbeit, die ich Bill Allison schuldig bin, kannst du meinen Anteil an diesem Schiff mit allen Konzessionen und Kontrakten haben.«
Nach diesen Worten geht er zur Tür.
Dort wendet er sich nochmals und sieht Yester an.
»Auch ich liebte dich«, sagt er rau. »Es fiel mir sehr schwer, fortzugehen. Doch ich wollte mir mein eigenes Schiff verdienen. Ich musste wählen zwischen dir und den Zielen, die ein Mann sich setzt.«
»Und warum fragtest du mich nicht, ob ich warten würde?«
Er überlegt. Dann schüttelt er den Kopf.
»Das war vor zwei Jahren. Du warst erst achtzehn Jahre alt. Ich hielt es für besser, dich nicht zu fragen.«
Er tritt hinaus aufs Deck.
Hal Mannen, der gedrungene, rotköpfige Bootsmann, steht hier und grinst ihn an. In seiner Stimme ist ein Drängen, als er sagt: »Wir müssen noch heute losmachen und stromauf, wenn wir den Liniendienst aufrechterhalten und die Kontrakte nicht verlieren wollen. Es ist alles an Bord bis auf die Mannschaft. Wir bekommen wohl auch keine vernünftige Crew. Denn wer jetzt auf der ›Belle Bee‹ fährt, der steht auf der schwarzen Liste des Trusts.«
Clint nickt.
»Einen Maschinisten haben wir auch nicht?«
»Nur mich, Yester und vielleicht den Texaner, dem ich einen Freiplatz bis nach Great Falls versprochen habe.«