G. F. Unger 2298 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2298 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Der Galgen ist mitten auf dem Paradeplatz aufgebaut.
Zwei Corporals führen den Verurteilten hin. Der Apache geht mit erhobenem Kopf. Dennoch wirkt er nicht wie ein großer Häuptling. Dies wird Master Sergeant Jim Oates mit seltsamer Deutlichkeit klar, während er zusieht, wie sie Saguaro die Schlinge umlegen. Und er denkt: Warum ist die verdammte Armee eigentlich davon überzeugt, dass der Hombre dort unter dem Galgen der große Saguaro ist?
Dumpfer Trommelwirbel setzt ein. Die angetretenen Kompanien starren bewegungslos auf den Apachen unter dem Galgen.
Der Adjutant öffnet einen Aktendeckel und beginnt vorzulesen.
»... ist der Angeklagte - bekannt unter dem Namen Saguaro - vom Kriegsgericht für schuldig befunden worden, einen Aufstand verursacht zu haben, dem siebenundfünfzig weiße Zivilisten und neunundvierzig Soldaten zum Opfer fielen. Wegen dieser Straftat wird der Angeklagte zum Tode durch den Strang verurteilt. Das Urteil ist am 17. August 1876 in Camp Yuata zu vollstrecken. Die andere Gefangenen, die an dem Aufstand beteiligt waren, haben der Hinrichtung beizuwohnen und sind danach in die San-Carlos-Reservation zu überführen, wo sie mehrjährige Kerkerstrafen abzuleisten haben. Colonel B. Bishop, Vorsitzender des Kriegsgerichts, Kommandeur von Camp Yuata.«
Der Adjutant schließt den Aktendeckel und salutiert.
Master Sergeant Jim Oates sieht, wie der Colonel das Zeichen gibt. Da wird auch schon die Falltür geöffnet. Zwei Sekunden später hängt der Verurteilte mit gebrochenem Genick in der Schlinge ...

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Seitenzahl: 153

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Pferdesoldaten

Vorschau

Impressum

Pferdesoldaten

Der Galgen ist mitten auf dem Paradeplatz aufgebaut.

Zwei Corporals führen den Verurteilten hin. Der Apache geht mit erhobenem Kopf. Dennoch wirkt er nicht wie ein großer Häuptling. Dies wird Master Sergeant Jim Oates mit seltsamer Deutlichkeit klar, während er zusieht, wie sie Saguaro die Schlinge umlegen. Und er denkt: Warum ist die verdammte Armee eigentlich davon überzeugt, dass der Hombre dort unter dem Galgen der große Saguaro ist?

Dumpfer Trommelwirbel setzt ein. Die angetretenen Kompanien starren bewegungslos auf den Apachen unter dem Galgen.

Der Adjutant öffnet einen Aktendeckel und beginnt vorzulesen.

»... ist der Angeklagte – bekannt unter dem Namen Saguaro – vom Kriegsgericht für schuldig befunden worden, einen Aufstand verursacht zu haben, dem siebenundfünfzig weiße Zivilisten und neunundvierzig Soldaten zum Opfer fielen. Wegen dieser Straftat wird der Angeklagte zum Tode durch den Strang verurteilt. Das Urteil ist am 17. August 1876 in Camp Yuata zu vollstrecken. Die andere Gefangenen, die an dem Aufstand beteiligt waren, haben der Hinrichtung beizuwohnen und sind danach in die San-Carlos-Reservation zu überführen, wo sie mehrjährige Kerkerstrafen abzuleisten haben. Colonel B. Bishop, Vorsitzender des Kriegsgerichts, Kommandeur von Camp Yuata.«

Der Adjutant schließt den Aktendeckel und salutiert.

Master Sergeant Jim Oates sieht, wie der Colonel das Zeichen gibt. Da wird auch schon die Falltür geöffnet. Zwei Sekunden später hängt der Verurteilte mit gebrochenem Genick in der Schlinge ...

Master Sergeant Jim Oates betrachtet die anderen Gefangenen. Es sind fünf. Sie stehen bewegungslos da. Ihre Handgelenke sind durch Handschellen zusammengeschlossen.

Doch die fünf Apachen wirken sehr stolz, würdig und gefasst. Es ist, als ginge von dieser bewegungslosen Gruppe eine starke Kraft aus, ein Strom von Unbeugsamkeit, die alles überdauern und überwinden kann, was auch kommen mag.

Die fünf Apachen sind sich ähnlich wie Brüder. Sie waren Unterhäuptlinge oder führende Krieger des Aufstandes. Jeder von ihnen sieht imposanter und beachtlicher aus als Saguaro, den man eben henkte. Jeder von ihnen hätte eher der rote Apachenmessias sein können, jener Wundermann, zu dem die Krieger aller Stämme eilten und an den sie glaubten.

Aber alle gefangenen Indianer haben jenen als Saguaro bezeichnet – jenen dort am Strick.

Er hat auch selbst zugegeben, es zu sein.

Nun ist er tot. Die Apachen können nicht länger an seine Unverwundbarkeit glauben. Die Kunde von seinem Tod wird sich unter den Stämmen herumsprechen.

All die großen und kleinen Kriegshorden werden in ihre verborgenen Dörfer heimkehren – die jungen Krieger, die aus scheinbar friedlichen Dörfern oder aus Reservaten kamen, werden sich ebenfalls wieder dort einfinden.

Ein Apachenaufstand wird beendet sein – bis die Roten wieder einen neuen Wundermann und Messias bekommen, einen Burschen, der ihnen alles verspricht, was sie sich an Freiheit und Größe erträumen.

Sergeant Jim Oates weiß das alles.

Er ist schon lange genug in diesem Territorium und weiß, dass es immer Burschen gibt, die wie Kometen aufsteigen, die eine Weile Glück haben und eine Menge Wirbel machen.

Sergeant Jim Oates betrachtet intensiv die fünf Apachen. Er denkt daran, dass sie vor drei Wochen die große Aurora-Mine überfielen, die Leute dort niedermachten und die Goldausbeute von Monaten raubten.

Das Gold wurde bisher nicht gefunden. Es blieb verschwunden.

Wenn man die fünf Rothäute zum Reden bringen könnte, denkt der Sergeant. Irgendwo im Indianerland haben sie das Gold verborgen. Das wäre etwas für einen Sergeant, der am Ende seiner Dienstverpflichtung steht und seinen Vertrag mit der Armee nicht verlängern will.

Die einzelnen Kommandos rücken nun ab. Auch Jim Oates führt seine Abteilung zu den Ställen und Corrals hinüber und lässt absitzen.

Er übergibt sein Pferd einem Soldaten und wendet sich einem der drei anderen Sergeants zu, die zu seiner Abteilung gehören.

»Ihr drei haarigen Affen könnt mir jetzt den Buckel runterrutschen«, sagt er. »Und du, Barney, wirst von nun an meine Stelle einnehmen. Du wirst der neue Master Sergeant dieser Strolche sein. Ich wünsche dir viel Spaß!«

Nach diesen Worten geht er davon – ein großer, sehniger Bursche mit langen, etwas krummen Beinen, die in eleganten Offiziersstiefeln stecken, obwohl das gegen die Vorschrift ist.

Er ist ein rothaariger Mann, der die gebräunte Haut eines Apachen hat. In seinem harten Gesicht sind ein paar Narben. Und seine harten grauen Augen brachten schon manchen Offizier zum Stottern.

Als er die Kommandantur erreicht, die nichts anderes als eine Steinhütte mit einem Zeltplanendach ist, erwartet ihn der Kommandantur-Sergeant Scott schon ungeduldig und sagt: »Warum lässt du den Colonel so lange warten? Du hattest doch den Befehl, dich unmittelbar nach dem Wegtreten zu melden. Oder hast du vielleicht keine Lust mehr?«

»Nein«, sagt Jim Oates. »Und ihr könnt mich alle mal! Es ist jetzt schon einige Minuten nach zwölf Uhr mittags. Eigentlich bin ich schon Zivilist, mein Bester. Die Armee kann mich bis in die Steinzeit und wieder zurück. Hast du das richtig verstanden, Scotty?«

Der grinst. »Geh nur hinein, Master Sergeant. Geh hinein, Heldenvater! Der Colonel will dir zum Abschied noch eine wonnige Freude bereiten. Geh nur, alter Junge.«

Oates sieht ihn mit einem schrägen Blick an und murmelt im Vorbeigehen: »Ich glaube, dass ich mit dir die ganze Zeit zu sanft umgegangen bin, Scotty. Wenn dein Grinsen reine Schadenfreude sein sollte, dann bekommst du es noch von mir.«

Nach diesen Worten tritt er ein.

Im Vorraum hockt der Adjutant, Lieutenant John Britt. Er wirkt müde und ausgebrannt. Seine rotumränderten Augen verraten einige schlaflose Nächte.

Er starrt den Sergeant Jim Oates wortlos an und macht nur eine leichte Kopfbewegung zur Tür, die aus Brettern von Konservenkisten zusammengenagelt ist.

Jim Oates hat eine Spur von Verachtung in seinem Blick, als er am primitiven Schreibtisch des Adjutanten vorbei zur Tür geht. Der Lieutenant spürt diese Verachtung genau. Sein Gesicht wird dunkler. In seinen blauen Augen glitzert es böse.

Aber Oates klopft schon an die Tür und tritt ein.

Der Colonel steht am Fenster, von dem aus er den ganzen Paradeplatz bis zu den Quartieren, den Ställen und den Corrals überblicken kann.

Der Colonel, ein harter Mann, war während des Bürgerkrieges General. Seit mehr als zwanzig Jahren kämpft er gegen Indianer – gegen Apachen, Comanchen, Cheyennes und Sioux.

Langsam wendet er sich dem Sergeant zu.

»Sie mögen mich wohl nicht, Sergeant?«

»Nicht sehr, Colonel.«

»Warum nicht?«

»Ich habe noch nie einen Offizier gemocht, Sir. Es war überhaupt falsch, dass ich zur Armee ging. Dieser Fehler kostete mich zwölf Jahre meines Lebens. Sonst noch etwas, Sir?«

Der Colonel lächelt schmal.

»Dennoch sorgten Sie für die blutjungen Lieutenants, die ohne Indianererfahrung an die Grenze kamen und Patrouille reiten mussten, wie ein Vater für hilflose Kinder. Dennoch passten Sie auf, dass diese jungen Leute keine Fehler machten, dass sie überleben und lernen konnten.«

»Wegen der armen Hunde, die unter ihrem Befehl standen«, erklärt Oates mit kehliger Stimme. »Nur wegen dieser armseligen Hunde, die jede Dummheit der Armee ausbaden mussten. Colonel, meine Dienstzeit ist beendet. Kann ich jetzt gehen? Hat der Adjutant meinen Entlassungsschein bereit?«

Der Colonel grinst wie ein Frontoffizier, ja, fast wie ein Sergeant.

Dann tritt er an seinen Schreibtisch und nimmt ein Papier auf.

»Hier ist der Schein, Sergeant. Aber er ist noch nicht gültig.«

»Doch – er muss gültig sein! Seit mehr als zehn Minuten muss er gültig sein. Wenn ich wollte, Colonel, könnte ich Ihnen vor die Füße spucken oder Sie aus Ihrer feinen Paradeuniform boxen. Kein Militärgericht könnte mich noch belangen. Geben Sie her! Ich habe meinen Vertrag mit der Armee gehalten. Jetzt soll ihn auch die Armee halten. Oder?«

»Es gibt eine Klausel«, sagt der Colonel. »Zu Kriegszeiten verlängert sich eine Dienstverpflichtung. Und auch sonst muss erst ein erteilter Auftrag erfüllt werden. Man kann nicht einfach mitten in der Erledigung aufhören, wenn die Dienstzeit abgelaufen ist.«

»Ich habe keinen Auftrag. Und der Kriegszustand ist mit Saguaros Hinrichtung beendet. Colonel, wollen Sie mich reinlegen?«

Der Colonel schüttelt leicht den Kopf.

»Ihre Dienstzeit endet erst«, sagt er, »wenn Sie mit den Gefangenen die San-Carlos-Reservation erreicht haben und alle anderen Soldaten und sonstigen Personen sicher in Fort Apache eingetroffen sind. Es handelt sich um einige Zivilisten und degradierte und verurteilte Soldaten. Sergeant, nennen Sie mir einen Mann in Camp Yuata, den ich mit den fünf Apachen, zwei degradierten und zu je zehn Jahren Zwangsarbeit verurteilten Soldaten, fünf Zivilisten, einer weißen Frau und einer Eskorte von nur zwölf Mann nach Fort Apache und der San-Carlos-Reservation schicken könnte. Nennen Sie mir diesen Mann, Sie würden mich sehr glücklich machen.«

In des Colonels Stimme kam zuletzt eine hilflose Wut.

Jim Oates spürt plötzlich, dass der alte Colonel in diesem Moment ebenso sauer auf die Armee ist wie er, Jim Oates.

Plötzlich ist etwas zwischen ihnen. Es ist die alte Gemeinsamkeit, die in solchen Situationen alle Männer der Armee zu Partnern macht.

»Ich kenne keinen anderen Mann außer mir, der das schaffen könnte, Sir«, sagt Oates bitter. »Und wenn der Apache, den wir vorhin aufknüpften, gar nicht Saguaro war, sondern einer der fünf Gefangenen dieser Saguaro sein sollte, dann kann auch ich die Sache nicht schaffen. Denn dann warten Saguaros wilde Jungs nur darauf, dass sie ihn mir wieder abnehmen können. Und zuvor werden sie uns alle totschlagen.«

Der Colonel nickt.

»Sie vermuten also auch, dass wir den falschen Saguaro hängten, Sergeant Oates?«

»Es könnte immerhin sein. Von den sechs Gefangenen schien er der Geringste zu sein. Niemand von uns kannte Saguaro. Wir wussten nur, dass es einer der Gefangenen sein musste. Und erst als wir drohten, dass sie alle aufgeknüpft würden, meldete er sich freiwillig. Colonel, er kann sich für den wirklichen Saguaro – den sie für den neuen Messias halten – geopfert haben. An dieser Sache stinkt etwas.«

Der Colonel nickt.

»Vielleicht«, sagt er. »Aber das wird sich schon bald herausstellen, wenn Sie mit den Gefangenen unterwegs sind. Und dann werden Sie dafür sorgen, dass Saguaro doch noch stirbt! Auf jeden Fall gebe ich Ihnen den ausdrücklichen Befehl, die Gefangenen bei Fluchtversuchen zu erschießen!«

Oates grinst bitter zu diesen Worten.

»Das ist wieder typisch für die Armee«, sagt er. »Ein Roter wurde gehängt, von dem man offiziell glaubt, dass er Saguaro ist und der sich selbst als Saguaro ausgegeben hat. Aber plötzlich sind wir uns unserer Sache nicht mehr sicher, glauben, dass man uns angeschmiert hat. Und nun soll ein Sergeant, der schon bald nicht mehr zur Armee gehört, die Sache ausbügeln. Zum Teufel, Colonel!«

»Ja, zum Teufel!«, sagt auch der Colonel. »Sie brechen in einer Stunde auf, Sergeant! Ihre Reiter können Sie sich selbst aussuchen.«

»Wenigstens diese Freude machen Sie mir, Sir«, sagt Oates und salutiert mit unvermuteter Exaktheit. Seine fast herausfordernde Lässigkeit ist verschwunden.

Eine knappe Stunde später inspiziert Jim Oates seine zwölf Reiter, die Sergeant Tom Barney meldet, wobei er ein Gesicht macht, als wollte er den ranghöheren Master Sergeant im nächsten Moment anspringen.

Bei drei Reitern findet Jim Oates in den Feldflaschen Whisky statt Wasser, und bei zwei weiteren Reitern sind die Wasserflaschen mit Tequila gefüllt. Aber sonst ist alles an Reitern und Pferden in Ordnung.

Er tritt zurück und grinst schief.

»Ihr Strolche wart sicher schon mächtig froh, mich loszuwerden, was? Auch ich glaubte, dass die Armee mir endlich den Buckel runterrutschen könnte. Wir wurden also alle enttäuscht. Das gibt uns etwas Gemeinsames. Ich will euch nur ein paar Worte sagen. Es kann sein, dass unser Ritt ein schöner Ausflug wird. Dann könnt ihr mir dankbar sein, dass ich euch für ein paar Tage aus dem eintönigen Einerlei von Camp Yuata herausholte. Es kann aber auch sein, dass die Roten uns draußen die Haut abziehen wollen, wobei sie sich diesmal aus bestimmten Gründen besondere Mühe machen werden. Wenn das zutrifft, freut euch darüber, dass Onkel Oates euch führt. Denn das wird einigen von euch Säufern und Exbanditen die Chance geben, mit heiler Haut davonzukommen. Aber auch nur dann, wenn ihr immer genau das tut, was ich euch sage – nicht mehr und nicht weniger. Vergesst es nicht, Jungs! Ich bin euer Onkel, euer Vater und eure Mutter. Auch das Denken übernehme ich für euch. Ihr braucht nur immer das zu tun, was ich von euch verlange. Habt ihr nun die Rede eines Master Sergeants gut verstanden?«

Er grinst sie ohne Fröhlichkeit an.

Und sie grinsen auf die gleiche Art zurück.

Sie lieben ihn nicht, denn sie spürten stets seine Verachtung. Als Master Sergeant stand er zwischen ihnen und den Offizieren. Er hatte mit keiner dieser beiden Gruppen etwas gemein. Vielleicht war er sogar noch einsamer als der Colonel.

Sergeant Tom Barney, der eigentlich sein Nachfolger bei diesem Kommando werden sollte, sagt schließlich: »Master Sergeant, wir wissen es zu schätzen, dass du uns für dieses Vergnügen ausgesucht hast. Wir sind sehr froh und lieben dich dafür noch mehr als früher.«

Er erwidert nichts, sondern sitzt auf und nickt Barney zu.

Dieser lässt ebenfalls aufsitzen und folgt ihm mit den elf Reitern. Vor der Kommandantur nehmen sie noch einmal Aufstellung. Jim Oates meldet das Kommando beim Colonel ab.

»Viel Glück!«, sagt der Colonel. »Wir werden uns auf keinen Fall mehr wiedersehen, Oates. Viel Glück! Sobald man in Fort Apache die Erledigung Ihres Auftrages bestätigt, gilt Ihr Entlassungsschein.«

Oates nickt.

Dann zieht er sein Pferd herum und führt die Abteilung an den beiden wartenden Wagen vorbei zum westlichen Ausgang des Camps.

Es sind zwei Bagagewagen der Armee.

In einem sitzen die fünf mit Handschellen gefesselten Apachen.

In dem anderen Wagen hocken zwei gleichfalls mit Handschellen gefesselte Soldaten, die ebenfalls dem Provost-Corporal und dessen zwei Fahrern unterstehen.

Auf dem Bock dieses Wagens sitzt noch eine Frau.

Sie sitzt sehr gerade, sehr stolz, hat ihr Kinn hoch erhoben und sieht in die Ferne, als könnte sie dort ihre Zukunft erblicken und nicht nur wilde Hügel, rote Felsen und in weiter Ferne das mächtige Mogollon Rim mit seinem dunklen, geheimnisvollen Grün, aus dem die roten Felsen leuchten.

Jim Oates streift im Vorüberreiten zuerst die fünf Apachen, dann die beiden Fahrer und den Provost-Corporal mit einem schnellen Blick.

Dann betrachtet er etwas länger die beiden gefesselten Soldaten. Sie grinsen ihn herausfordernd, böse und aufsässig an.

Aber er erwidert ihren Blick nur ausdruckslos.

Zuletzt scheint sein dunkles, narbiges Gesicht noch ausdrucksloser zu werden, als er die Frau betrachtet.

Sie wendet plötzlich den Kopf und erwidert seinen Blick. Ihre grünen Augen sehen ihn fest und gerade an. Unter dem dünnen Kopftuch leuchtet ihr bernsteinfarbenes Haar.

Zuerst sieht es ganz so aus, als wollte er nicht anhalten.

Doch dann zügelt er sein Pferd und winkt Sergeant Barney zu, weiterzureiten.

Während die Zweierreihe der Soldaten an den Wagen vorbereitet, lenkt Oates seinen Wallach etwas näher heran und sagt: »Mrs. Britt, wollen Sie Ihren Entschluss nicht ändern? Noch haben Sie die Chance, hier bleiben zu können. Wenn wir erst draußen sind, gibt es keine Umkehr mehr. Und auf eine Frau warten im Apachenland schlimmere Dinge als der Tod.«

Georgia Britt, die ihren Mann, den Lieutenant und Adjutanten, verlässt, sieht ihn fest an.

»Das weiß ich, doch ich will mit.«

Da nickt er und lässt seinen Braunen anspringen.

Zwischen den Mannschaftsquartieren und den Magazinen und Werkstätten hindurch führt er sein Kommando in das wilde Land. Die Zivilisten schließen sich zu Pferd jetzt erst an.

Es sind neunundzwanzig Menschen: Master Sergeant Jim Oates, Sergeant Tom Barney und elf Reiter, der Provost-Corporal Drago Higgins und zwei Fahrer, zwei Arrestanten der Armee, fünf gefangene Apachen, fünf weiße Zivilisten und Georgia Britt.

So ziehen sie hinaus in ein wildes, mitleidloses Land, in dem es nur Jäger und Gejagte gibt, in ein Land mit gewaltigen Sonnenuntergängen, mit glühenden Tagen und eiskalten Nächten, in ein schweigendes Land – in ein feindliches Land.

Camp Yuata ist kein befestigtes Fort mit Palisaden oder Wällen.

In der Nähe gibt es einige Camps von »zahmen« Indianern. Auch ein paar Apachenfamilien sind dabei.

Diese Indianer stehen am Weg und lassen die Kolonne an sich vorbeiziehen.

Jim Oates bleibt etwas zurück, bis er neben dem Wagen reitet, in dem die fünf gefangenen Apachen sitzen.

Sie sitzen stolz auf den Holzbänken des Mannschaftswagens und starren geradeaus.

Jim Oates beobachtet die zahmen Indianer. Ein paar sind darunter, denen er zutraut, dass sie vor wenigen Tagen noch nicht so friedlich aussahen.

Sie starren auf die Gefangenen. Ihre Blicke scheinen sich an ihnen festzusaugen. Aber sonst ist an ihnen nichts zu erkennen. Sie stehen nur stumm und bewegungslos da und starren.

Oates will wieder nach vorne reiten. Er verspürt eine leichte Enttäuschung. Aber was hat er eigentlich erwartet? Glaubte er vielleicht, dass diese scheinbar zahmen Indianer den großen Saguaro unter den fünf Gefangenen erkennen und es laut verkünden würden?

Sein Blick fällt auf die fünf Zivilisten, die den beiden Wagen in einigem Abstand folgen. Er verhält sein Pferd, bis sie neben ihm reiten. Er kennt sie alle mehr oder weniger gut. Sam Stanley und Billy Ringloke sind Skalpjäger, die den von ihnen ermordeten Apachen die Skalpe nehmen und dafür Prämien kassieren.

Robert Gannaway ist ein Rancher, dem die Apachen den Besitz abbrannten, die Familie töteten und alle Rinder abschossen. Seitdem ist er ständig betrunken.

Slim Bridger und Sloan Slade sind eines Tages verwundet nach Camp Yuata gekommen, um sich an diesem einigermaßen sicheren Ort auszukurieren. Sie sind Revolverhelden, wahrscheinlich sogar Banditen. Jim Oates glaubt, dass sie vielleicht von Tucson aus einen Mann verfolgt und irgendwo im Apachenland gestellt hatten. Oder sie waren angeworben worden, jemanden umzubringen. Wahrscheinlich haben sie den oder die von ihnen Verfolgten eingeholt, gestellt und getötet – irgendwo in dem schweigenden Land, in dem es keine Zeugen gibt. Sie selbst sind dabei verwundet worden und brauchten ein Obdach.

Jim Oates betrachtet nacheinander die fünf Reiter.

Sie erwidern mehr oder weniger herausfordernd seine Blicke. Einige grinsen. Sloan Slade sagt: »He, Pferdesoldat, du kannst dich bei uns bedanken, dass wir mit euch reiten. Wir sind so viel wert wie der ganze Rest deiner Abteilung. Ohne uns wärst du nur halb so stark. Ist dir das eigentlich klar? Wir sind fünf Mann mit neun Colts und fünf Gewehren. Aber wenn es Schwierigkeiten gibt, muss ja wohl erst mal die Armee kämpfen, nicht wahr? Sollen wir dann auf die Gefangenen achten?«

Oates betrachtet sie von der Seite mit einem schrägen Blick. Sie reiten in einem losen Rudel zu seiner Rechten, der einstige Rancher Robert Gannaway zuletzt. Aber er unterscheidet sich nicht viel von ihnen. Er ist ein Mann, der nie wieder neu anfangen wird. Die letzten Wochen haben ihn verändert.