G. F. Unger 2300 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2300 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Als Pernel Wittacker das Zimmer von Mary Stone verlässt, warten sie schon auf ihn. Er steigt langsam die Treppe zum Golden Hole Saloon hinab.
Sie starren zu ihm empor und grinsen. Einer sagt: »Wir wollten dich holen, Glücksjunge. Wir wollten dich zurück an den Spieltisch holen.«
»Und wozu?« Er fragte es fast höflich und freundlich.
Sie grinsen stärker. Ihr Sprecher sagt: »Du hast ein schönes Weib im Spiel gewonnen, Texas. Und wir wollen es dir abgewinnen. Nicht wahr, du spielst doch mit uns um dieses Honeygirl?«
Er gibt nicht sogleich eine Antwort. Erst sieht er sich die hartgesottenen Burschen noch einmal genauer an. Er kennt diese Sorte. Sie ist übel. Die drei Kerle gehören zum Abschaum der Grenze. Wahrscheinlich sind sie Banditen, Gold- und Claimräuber, die irgendwo Beute machen konnten und hier nun ein paar schöne Tage und Nächte bei Whisky, Karten und Frauen verbringen wollten.
Doch der Blizzard sperrte sie einige Tage und Nächte ein. Sie kamen daher nicht voll auf ihre Kosten. Schnaps bekamen sie - und auch ein wenig Spaß beim Kartenspiel. Aber es fehlten die Frauen. In dieser Hinsicht wurden ihre Erwartungen enttäuscht. Sie sind immer noch angetrunken genug, um keinerlei Hemmungen zu haben.
Soeben erlebten sie, wie ein Mann am Pokertisch eine Frau gewann. Denn so und nicht anders stellt sich die Sache für sie dar ...

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Seitenzahl: 151

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Stunde der Vernichtung

Vorschau

Impressum

Stunde der Vernichtung

Als Pernel Wittacker das Zimmer von Mary Stone verlässt, warten sie schon auf ihn. Er steigt langsam die Treppe zum Golden Hole Saloon hinab.

Sie starren zu ihm empor und grinsen. Einer sagt: »Wir wollten dich holen, Glücksjunge. Wir wollten dich zurück an den Spieltisch holen.«

»Und wozu?« Er fragte es fast höflich und freundlich.

Sie grinsen stärker. Ihr Sprecher sagt: »Du hast ein schönes Weib im Spiel gewonnen, Texas. Und wir wollen es dir abgewinnen. Nicht wahr, du spielst doch mit uns um dieses Honeygirl?«

Er gibt nicht sogleich eine Antwort. Erst sieht er sich die hartgesottenen Burschen noch einmal genauer an. Er kennt diese Sorte. Sie ist übel. Die drei Kerle gehören zum Abschaum der Grenze. Wahrscheinlich sind sie Banditen, Gold- und Claimräuber, die irgendwo Beute machen konnten und hier nun ein paar schöne Tage und Nächte bei Whisky, Karten und Frauen verbringen wollten.

Doch der Blizzard sperrte sie einige Tage und Nächte ein. Sie kamen daher nicht voll auf ihre Kosten. Schnaps bekamen sie – und auch ein wenig Spaß beim Kartenspiel. Aber es fehlten die Frauen. In dieser Hinsicht wurden ihre Erwartungen enttäuscht. Sie sind immer noch angetrunken genug, um keinerlei Hemmungen zu haben.

Soeben erlebten sie, wie ein Mann am Pokertisch eine Frau gewann. Denn so und nicht anders stellt sich die Sache für sie dar ...

Nun wollen sie diese Frau im Spiel gewinnen. Dies scheint ihnen der einfachste Weg, in diesem miesen Nest Golden Hole zu einer Frau zu kommen, zu einer schönen Frau. Dieses Wollen hat sich in ihren Hirnen festgesetzt wie eine Sucht.

Dies alles wird Pernel Wittacker innerhalb dieser wenigen Sekunden klar, indes er von der vorletzten Treppenstufe auf sie nieder blickt.

Ihre grinsenden Gesichter blicken zu ihm auf.

Einer knurrt: »Also komm runter, Bruderherz! Oder glaubst du, dass du größer bist, nur weil du höher stehst?«

Pernel Wittacker seufzt leise. Der Verdruss ist unausbleiblich.

Gewiss, er könnte diesen drei Grenz- oder Goldwölfen sagen, dass ihn die Frau dort oben im Zimmer nichts mehr angeht, dass er sie gewissermaßen freigegeben hat und gar nicht mehr als Spielgewinn betrachtet.

Doch dann wäre sie gewissermaßen vogelfrei.

Er sieht über die drei grinsenden Kerle hinweg quer über den Raum zum Schanktisch hin. Der Wirt steht dort und starrt her. Dieser bullige Wirt wirkt übermüdet, bleich und ganz so wie ein Mann, der sich eine Menge Sorgen macht und sich dennoch nicht in der Lage sieht, etwas dagegen zu tun. Dieser Wirt ist ausgebrannt nach drei langen Tagen und Nächten. Er, seine Frau und sein chinesischer Koch und Helfer haben die ganze Zeit die hier eingesperrten Gäste versorgt.

Er starrt dumpf herüber. Von ihm ist kaum Hilfe zu erwarten.

Pernel Wittacker seufzt zum zweiten Mal.

Da hat er also wieder einmal Verdruss bekommen, und abermals liegt es daran, dass er nicht davonschleichen kann, obwohl dies nur klug wäre. Denn ein Kampf wird ihm nichts einbringen, keine Ehre, keine Freunde – nichts, gar nichts, nur Verdruss und wahrscheinlich körperliche Not.

Aber er kann nicht anders.

Und so sagt er fast freundlich: »Wisst ihr was, Jungs – ihr könnt zur Hölle gehen!«

Die scheinbare Freundlichkeit seiner Stimme verblüfft sie etwas, und sie können deshalb die Herausforderung, die in seinen Worten liegt, nicht so schnell begreifen.

Als sie dann vor Freude aufheulen, weil sie glauben, nun auch den Spaß haben zu können, einen harten Burschen kleinzumachen, haben sie schon einen wertvollen Sekundenbruchteil verloren.

Denn er springt von der vorletzten Treppenstufe auf sie los und stößt gleich zwei von ihnen die Fäuste in die brüllenden und verzerrten Gesichter.

Dann wirbelt er herum und trifft mit seinem herumgezogenen linken Haken den dritten Mann auf die Leberpartie.

Der Bursche stöhnt nur und legt sich auf die Treppe, krümmt sich auf den Stufen zusammen und kann für ein paar Sekunden nicht mehr mitmachen.

Die beiden anderen aber haben inzwischen verdaut, was zu verdauen war. Ihre Gesichter haben sich durch die beiden Geraden verändert und werden nie wieder so aussehen wie vorher. Doch es handelt sich um wirklich harte Grenz- und Goldwölfe, die sich auch nicht durch den Schmerz gebrochener Nasenbeine vom Weiterkämpfen abhalten lassen.

Im Gegenteil! Sie heulen auf und greifen Wittacker an. Sie springen auf ihn zu, bekommen seine Fäuste und geben ihm ihre zu spüren.

Sie gehen zu Boden, rollen übereinander, geben es sich im explosiven Ausbruch von Wildheit, Hass und den animalischen Wünschen nach Vernichtung. Sie reißen Bänke, Stühle und Tische um und richten binnen weniger Sekunden ein heilloses Durcheinander an.

Der Wirt hinter dem Schanktisch kommt endlich in Bewegung. Er greift unter den Schanktisch und bringt eine Schrotflinte mit abgesägten Läufen zum Vorschein.

Dabei brüllt er: »Aufhören! Aufhören! Oder ich punktiere euch die Ärsche mit Blei!«

Vielleicht hätte er wirklich die Schrotflinte abgedrückt, doch da greift der Dritte der Goldwölfe wieder ein. Er konnte inzwischen den wie ein Huftritt wirkenden Leberhaken verdauen. Er erhob sich und wartete nur darauf, dass sich die Chance bot, nach Pernel Wittacker zu treten.

Es ist gar nicht so einfach, an diese drei Männer heranzukommen.

Doch da gibt der dritte Mann des bösen Kleeblatts auch auf. Als er sieht, dass der Wirt mit der Schrotflinte schießen will, zieht er den Colt und drückt ab.

Der Wirt bekommt die Kugel in die Schulter. Er zieht beide Hähne der Flinte durch, doch die Ladungen gehen zu hoch. Sie hacken in die Decke.

Der Wirt aber fällt hinter dem Schanktisch um.

Der Mann mit dem rauchenden Colt in der Hand brüllt: »Geht weg von ihm! Lasst ihn los! Dann gebe ich ihm was Heißes!«

Doch sie hören ihn gar nicht. Sie sind viel zu sehr ineinander verbissen und verkrallt. Als er ihnen zu nahe kommt, tritt ihm Pernel Wittacker mit aller Kraft gegen das Knie. Er zertrümmert dieses Knie, und so fällt der Mann mit dem Colt wieder aus – diesmal noch länger als nach dem Leberhaken. Er denkt nicht mehr ans Schießen, lässt sogar den Colt fallen, hockt am Boden und hält sich das Knie, so, als könne er auf diese Weise den mitleidlosen Schmerz lindern.

Pernel Wittacker gelingt es, sich zu lösen, loszureißen und endlich wieder auf die Beine zu kommen.

Seine beiden Gegner schaffen dies jeweils nur kurzfristig. Denn so wie sie abwechselnd hochkommen, schlägt er sie wieder von den Beinen. Und so wird die ganze Sache mehr und mehr zu einer Bestrafung für sie. Pernel Wittacker muss sie immer wieder umhauen.

Er schlägt also den einen fünfmal – und den anderen sechsmal von den Beinen, bis sie endlich genug haben und sich nicht mehr rühren.

Nun ist es vorbei. Er keucht und atmet zitternd aus. Dieser Kampf hat ihm alles abverlangt, was er zu geben in der Lage war. Er beginnt nun, die Schmerzen zu spüren. Die Welt scheint sich mit ihm zu drehen. Ihm wird dunkel vor Augen – aber nur für einen Moment. Dann kann er wieder sehen. Er schwankt zum Schanktisch und hält sich an der Ecke fest.

Der Wirt erhebt sich soeben hinter dem Schanktisch, presst seine Hand stöhnend gegen seine Schulterwunde, versucht so, das Blut zurückzuhalten.

Er sagt dabei knirschend: »Hast du's den Hundesöhnen besorgt? Aaaah, du hast ihnen die Bumsköpfe eingeschlagen. Gut! Diese Strolche gehören an ein Scheunentor genagelt – ooooh!«

Ihm wird wieder schlecht, und er wäre gewiss abermals zu Boden gegangen, wenn jetzt nicht seine Frau und der Chinakoch aus dem Nebenraum gekommen wären. Sie nehmen ihn zwischen sich und führen ihn in die privaten Räume.

Pernel Wittacker findet unter dem Schanktisch noch eine halb volle Flasche vom Privatwhisky des Wirtes, öffnet sie und nimmt einen langen Schluck.

Dann tritt er an die Spülwanne und taucht seine schmerzenden Hände ein.

Er blickt zur Seite auf seine drei Gegner.

Aber die wurden von ihm richtig kleingemacht. Sogar der Mann mit dem kaputten Knie ist bewusstlos. Es war zu viel für ihn, zweimal einen solch höllischen Schmerz ertragen zu müssen.

Auf der Treppe ist Bewegung.

Er sieht Mary Stone. Sie kommt herunter und bahnt sich durch all die Trümmer einen Weg zu ihm. Als sie neben ihm verhält und sie sich ansehen, erkennt er ihre zuckenden Lippen, ihre vibrierenden Nasenflügel – und das Hämmern der feinen Äderchen an ihrem Hals und an der Schläfe.

»Ich hab zugehört und zugesehen«, sagt sie. »Ich hab alles mitbekommen. Warum haben Sie für mich gekämpft, Pernel? Sie hätten diesen Strolchen sagen können, dass ...«

»Schon gut«, murmelt er, »schon gut, Mary. Manchmal tut ein Mann eben Dinge, die er später nicht erklären kann.«

Irgendwann gegen Morgen erwacht er, und er spürt Mary neben sich auf dem Bett. Ihr Körper wärmt ihn, und er ist zunächst etwas verwirrt und hält alles, was nun in seiner Erinnerung ist, für einen bösen Traum.

Doch als er dann die Schmerzen überall an seinem Körper spürt, sobald er seine Muskeln nur ein wenig bewegt und anspannt, als er mit vorsichtigen Fingern sein Gesicht betastet und die Schwellungen fühlt, da weiß er schon bald, dass er keinen bösen Traum träumte.

Er hat gekämpft. Dann nahm ihn Mary auf ihr Zimmer und sorgte für ihn. Sie wusch ihm das Blut ab, kühlte seine Wunden, rieb ihn mit hochprozentigem Schnaps ein, massierte seine Muskeln und behandelte die Blutergüsse. Sie kümmerte sich um seine Hände, tat alles, um seine körperliche Not zu lindern.

Irgendwann war er dann vor Erschöpfung eingeschlafen. Und jetzt spürt er ihren Körper neben sich, hört er sie atmen.

»Bist du wach, Pernel?«

»Ja, Mary, ich bin wach.«

»Warum hast du für mich gekämpft? Du hättest ihnen sagen können, dass ich dich nichts mehr anginge. Und dann wären sie heraufgekommen. Sie waren angetrunken und gierig. Der Saloon war leer. Alle, die hier vom Blizzard eingesperrt wurden, waren fort. Sie hätten mit mir gemacht, was sie wollten. Warum hast du für mich gekämpft, Pernel Wittacker?«

»Vielleicht«, murmelt er, »weil ich ein Narr bin – vielleicht, weil wir beide aus Texas kommen. Vielleicht, weil du mir sehr gefallen hast und ich nicht wollte, dass drei solche Dreckskerle dich erniedrigen. Dieses Golden Hole hier ist ein böses Nest. Aber es ist noch edel und gut gegen Lucky Ben, wo du hingebracht werden möchtest. In Lucky Ben ist die Filiale der Hölle. Und im vergangenen Winter fraßen einige Kerle sogar Menschenfleisch. Verstehst du?«

Er spürt, wie sie neben ihm erzittert.

»Ich weiß«, hört er sie sagen, »dass dort in Lucky Ben die Bösen leben. Doch ich muss hin. Bitte bring mich hin, Pernel Wittacker. Bitte! Von wem in diesem Land und an diesem Ort hier könnte ich mich sonst hinbringen lassen? Wem könnte ich mich sonst anvertrauen, wenn nicht dir? Und du sollst mich ja nur hinbringen, nichts anderes als hinbringen. Ich verlange ja gar nicht mehr, dass du den Mann tötest, den ich tot sehen möchte. Ich verlange es nicht mehr. Ich will nur noch nach Lucky Ben. Hilf mir!«

Ihre Stimme ist ein ernstes Bitten.

Er möchte sie wieder fragen, wer der Mann ist, dessen Tod sie wünscht. Er möchte auch gern wissen, was dieser Mann ihr getan hat.

Doch er fragt nicht. Er spürt, dass es sinnlos ist. Sie wird ihm ihre Beweggründe nicht darlegen. Noch nicht.

Er seufzt bitter.

»Was gestern Abend geschah«, murmelt er, »war gar nichts. Ein Mann, der mit dir nach Lucky Ben geht und dich dort beschützen will, der wird sich mit der ganzen wilden Horde dort herumschlagen – oder gar schießen müssen.«

»Ja«, sagt sie. »Vielleicht wird das so sein. Ich glaube es fast. Doch ich will diesen Mann aus Dankbarkeit lieben. Bin ich nichts wert?«

Er spürt ihre Nähe stark. So schlimm sein Körper auch geprügelt wurde und so krank er sich fühlt – er spürt dennoch die Ausstrahlung dieser Frau so stark wie niemals zuvor bei einer anderen.

»O ja«, murmelt er, »du kannst einem Mann gewiss den Himmel auf Erden geben. Jeder Mann in diesem Land sehnt sich nach einer Frau, nach Liebe und Zärtlichkeit, Wärme und Glück. O ja, du bist gewiss eine Menge wert, Mary.«

Sie liegt still neben ihm.

Beide lauschen sie, und sie hören über sich auf dem Dach und draußen am Haus ein fortwährendes Plätschern, ein Rinnen und Tropfen. Es ist auch nicht mehr so kalt in dem unbeheizbaren Zimmer, wie es während der letzten Tage und Nächte war.

»Tauwetter«, sagt er nach einer Weile. »Das Wetter ist umgeschlagen. Der Schnee schmilzt. Wenn er beim nächsten Wetterumschwung zu frieren beginnt, werden alle Wege wieder passierbar sein. So lange wirst du warten müssen, bis du versuchen kannst, nach Lucky Ben zu gelangen.«

»Und du wirst mich hinbringen?«

Er murmelt: »Nun gut, ich bringe dich nach Lucky Ben.«

Später dann – als sie nebeneinander liegen, dem Plätschern des Tauwassers lauschen –‍, da fragt sie ihn: »Und was bist du sonst für ein Mann? Was treibst du in diesem Land? Du bist ein Texaner. Du bist gekleidet wie ein Reiter. Ich kann dich nicht einordnen. Ich halte dich nicht für einen Frachtfahrer oder Rindermann. Du bist kein Trapper und Jäger. Was für ein Bursche bist du, Pernel Wittacker?«

Er gibt ihr nicht sogleich Antwort. Er liegt eine Weile bewegungslos und schweigt. Erst nach einer Weile wendet er den Kopf und sagt ruhig: »Ach, Mary, ich reite nur so umher. Ich reite eine Zickzackfährte.«

»Und von was lebst du?«

Wieder lässt er sie auf eine Antwort warten.

Schließlich murmelt er: »Wenn man's genau nimmt, Mary, so lebe ich von meinem Colt.«

»Bist du ein Revolvermann?«

Seine Antwort kommt zögernd: »Nun – genau gesehen, stimmt das wohl. Bist du enttäuscht, Mary?«

Sie schüttelt neben ihm auf dem Kissen den Kopf.

»Wenn du ein wirklicher Revolvermann wärst«, spricht sie, »hättest du gegen die drei betrunkenen Strolche nicht mit den Fäusten, sondern mit dem Colt gekämpft. Was wolltest du hier in Golden Hole?«

Da lacht er leise, und als er antwortet, ist seine Antwort eine Überraschung für sie. Denn er sagt: »Ich war und bin unterwegs nach Lucky Ben. Ich hab dort etwas zu erledigen. Der Blizzard hielt mich hier fest.«

»He?«, haucht sie. »Dann hätten wir ja ohnehin den gleichen Weg von Anfang an gehabt.«

»So ist es«, murmelt er. »Und ich sag dir schon jetzt, dass ich nicht weiß, ob ich dich in Lucky Ben werde beschützen können.«

»Mir genügt es, wenn du mich hinbringst«, erwidert sie.

Drei Tage später können sie aufbrechen. Denn das Tauwetter schlägt um. In der Nacht zum dritten Tag ist der getaute und zusammengesunkene Schnee steinhart gefroren.

Nach Lucky Ben gehen von Golden Hole aus keine Postkutschen. Man muss reiten oder im eigenen Wagen fahren.

Sie reiten und haben ein Packpferd bei sich. Denn sie werden unter freiem Himmel übernachten müssen und brauchen dazu einige Ausrüstung.

Verdruss bekommen sie keinen mehr in Golden Hole. Die drei Kerle, mit denen Pernel Wittacker kämpfte, sind verschwunden. Sie hören, dass sie mit dem, dessen Kniescheibe ruiniert wurde, zu einem Arzt unterwegs sind, da es in Golden Hole keinen gibt.

Mary Stone und Pernel Wittacker reiten los, ohne sich noch einmal umzublicken.

Sie verlassen die Schlucht und reiten tiefer in die Black Hills hinein. Mary Stone ist tatsächlich eine erstklassige Reiterin. Er stellt es befriedigt fest, denn es ist sehr schwer, auf diesem hart gefrorenen und vereisten Schnee zu reiten.

Das Land ist nicht leer. Überall wird nach Gold gesucht. In den Minen, deren Stollen in die Berge führen, wird gearbeitet. Aber auch auf einigen Claims brennen Feuer, mit denen man den Boden auftaut, um aus ihm den goldhaltigen Dreck herauskratzen zu können.

Als es Nachmittag ist, kommen sie in einen breiten Canyon.

Eine mächtige Burreiche steht mitten im großen Canyonmaul. Ihr Holz ist eisenhart, und nur deshalb wurde sie noch nicht abgeholzt und als Feuerholz oder für einen anderen Zweck verwandt. Es ist ein gewaltiger Baum, dessen Äste sich wie Schlangenleiber krümmen.

An einem der ausladenden Äste hängt ein menschlicher Körper.

Es ist ein Mann, den irgendwelche Leute am Halse aufhängten, bis er tot war.

»Sieh nicht hin, Mary«, sagt Pernel Wittacker knapp. »Du sollst nicht hinsehen, sag ich dir! Zum Teufel, warum hörst du nicht auf mich?«

Aber sie schüttelt nur den Kopf und beißt die Zähne aufeinander.

Ihr Blick ist starr auf den Gehenkten gerichtet, dem sie sich nähern. Sie müssen dicht an diesem Hängebaum vorbei.

Plötzlich ruft Mary: »Das ist ja John Jennison. Pernel, dies ist Jennison! Es gibt keinen Irrtum! Und man hat ihm ein Stück Pappe an einem Bindfaden an den Fuß gehängt. Pernel, was steht auf dieser Pappe geschrieben? Ich muss es wissen!«

Auch Pernel Wittacker hat den Mann nun erkannt. Es ist der Spieler, dem er in Golden Hole beim Pokern die Frau abgewonnen hat.

Er nickt ihr zu.

»Reite vorbei! Reite weiter! Ich halte an und sehe nach.«

Sie gehorcht. Er aber treibt sein Pferd mit dem Packtier hinter sich die paar Yards hinüber und hält dicht beim Gehenkten an. Er kann dann lesen, was man mit einer Patronenspitze auf das Pappstück geschrieben hat.

Er war ein Claimräuber!

Sonst steht nichts auf dem Pappstück.

Wittacker sieht sich um. Doch nirgendwo ist etwas zu erkennen – nur ein paar Spuren, die von rechts kamen und wieder nach rechts wegführen.

Jennison ist verfolgt und eingeholt worden. Vielleicht haben sie ihn auch schon in ihrer Mitte zu diesem Baum hergebracht, weil es der einzige Baum weit und breit ist, der auch noch am Wege steht, den alle kennen müssen.

Sie haben ihn hier als Warnung aufgeknüpft. Es soll sich herumsprechen, dass es offenbar in diesem Land Vigilanten gibt, die mit Goldräubern kurzen Prozess machen.

Er reitet wieder an und ist bald bei Mary.

»Sie haben ihn beim Claimraub erwischt«, sagt er zu Mary. »Er hatte offenbar kein Geld mehr – keinen einzigen Dollar, nachdem er alles an mich verlor. Er ritt einen Tag oder eine Nacht vor uns aus Golden Hole fort. Und er brauchte Reisegeld. Er wusste, dass er sonst umkommen würde. Er war kein Jäger und hätte jetzt auch keinerlei Arbeit gefunden. Er musste Bandit werden. Sie erwischten ihn und hängten ihn auf. Wahrscheinlich gibt es schon zu viele Banditen hier. Jetzt wehren sich die Goldgräber auf die böse Art. Dieses Land ist mitleidlos zu allen. Bedeutete er dir viel, Mary?«

Sie hat Tränen in den Augen. Doch sie schüttelt den Kopf.