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Als damals nach dem Bürgerkrieg in allen Staaten und Territorien der Wiederaufbau begann, nahm Arizona kaum Anteil daran. Dieses Territorium war zu sehr mit seinen eigenen Problemen beschäftigt, und seine Menschen brauchten ihre ganze Kraft, um überleben zu können. Arizona war damals ein wasserarmes Land und wurde viele Jahre von den Apachen beherrscht, die erst nach einem jahrelangen Krieg besiegt werden konnten. Diese Apachen blockierten jeden Verkehr im Land, und die wenigen Städte waren wie Inseln in einem von Piraten beherrschten Meer. Es gab in Arizona lange Zeit kein Gesetz. Es galt nur jenes Gesetz, das ein Mann in der Trommel seines Colts trug. Und weil das so war, sammelte sich in Arizona all das Gelichter der Grenze, jener Abschaum der Menschheit. Durch diese wilde Zeit ritt Kendall Cane, von dem ich hier erzählen will. Er war ein Sohn jener Zeit, einer Zeit, die längst vorbei ist und die es nicht mehr gibt. Und die Maßstäbe von damals haben heute keine Gültigkeit mehr. Warum ich die Geschichte von Kendall Cane trotzdem erzähle? Nun, er ritt zuerst einen Weg ohne rechtes Ziel, eine Zickzackfährte, die nirgendwohin zu führen schien. Doch irgendwann wurde es anders. Irgendwann erkannte er seinen Weg, den er reiten musste. Dies zu erzählen - so meine ich - ist der Mühe wert ...
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Seitenzahl: 166
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Kendall Canes Weg
Vorschau
Impressum
Kendall Canes Weg
Als damals nach dem Bürgerkrieg in allen Staaten und Territorien der Wiederaufbau begann, nahm Arizona kaum Anteil daran. Dieses Territorium war zu sehr mit seinen eigenen Problemen beschäftigt, und seine Menschen brauchten ihre ganze Kraft, um überleben zu können.
Arizona war damals ein wasserarmes Land und wurde viele Jahre von den Apachen beherrscht, die erst nach einem jahrelangen Krieg besiegt werden konnten. Diese Apachen blockierten jeden Verkehr im Land, und die wenigen Städte waren wie Inseln in einem von Piraten beherrschten Meer.
Es gab in Arizona lange Zeit kein Gesetz. Es galt nur jenes Gesetz, das ein Mann in der Trommel seines Colts trug. Und weil das so war, sammelte sich in Arizona all das Gelichter der Grenze, jener Abschaum der Menschheit.
Durch diese wilde Zeit ritt Kendall Cane, von dem ich hier erzählen will. Er war ein Sohn jener Zeit, einer Zeit, die längst vorbei ist und die es nicht mehr gibt. Und die Maßstäbe von damals haben heute keine Gültigkeit mehr.
Warum ich die Geschichte von Kendall Cane trotzdem erzähle?
Nun, er ritt zuerst einen Weg ohne rechtes Ziel, eine Zickzackfährte, die nirgendwohin zu führen schien. Doch irgendwann wurde es anders. Irgendwann erkannte er seinen Weg, den er reiten musste.
Dies zu erzählen – so meine ich – ist der Mühe wert ...
Mit vierzehn Jahren war er nach Arizona gekommen, doch der Wagenzug wurde von Indianern überfallen, und seine Eltern starben dabei.
Er kam auf eine Rinderranch, deren Männer einen ständigen Kampf gegen die Apachen und jede andere Art von zweibeinigem oder auch vierbeinigem Raubzeug führten – einen Kampf, der keine Pause kannte.
Deshalb lernte er schon sehr früh das Gesetz des Überlebens kennen, jenes schreckliche Naturgesetz, nach dem hier alle Menschen lebten und das jedes Lebewesen dazu zwang, schneller, härter und gnadenloser zu sein als das andere.
Mit sechzehn Jahren war er schon ein vollwertiger Kämpfer, der bereits einige Apachen und einen weißen Pferdedieb getötet hatte. Er sah aus wie zwanzig, und er konnte nicht mehr lachen. Er glich einem dieser Hunde, die nicht bellen, nicht knurren – sondern die sofort mitleidlos zubeißen.
Mit achtzehn Jahren war er ein richtig harter Mann. Er besaß nun ein gutes Pferd, einen guten Sattel, einen erstklassigen Revolver und ein Gewehr. Und hundert Dollar hatte er gespart.
Und er sagte seinem Rancher, dass er fortreiten und die Welt sehen möchte.
Der Rancher sah ihn an – lange und prüfend. Und er wusste sofort, dass er ihn nicht halten konnte, denn er war selbst einmal solch ein Junge gewesen.
Und so nickte er und sagte: »Nun gut, Junge. Viel Glück auf deinem Weg. Nur eine Frage beantworte mir: Was glaubst du, warum ich es hier in diesem verteufelten Land aushalte und Tag und Nacht kämpfe, um mich behaupten zu können?«
Der Junge dachte nicht nach. Er sagte schlicht: »Um sich zu beweisen – sich selbst immer wieder zu beweisen, dass Sie standhalten können und man Sie nicht vertreiben kann. Aus Trotz und aus Stolz, Mister!«
Der Rancher nickte.
»Das ist es«, sagte er. »Da du es begriffen hast, habe ich keine besonderen Sorgen um dich. Wenn du lange genug herumgeritten bist, wirst du herausfinden, dass sich ein Mann irgendwo einmal stellen und aushalten muss. Ich habe damals hier meinen Platz gefunden, wo ich mich herausgefordert fühlte, hier in diesem verteufelten Land und inmitten von Apachen und Banditen. Suche dir einen besseren Platz aus, Junge.«
Der Junge sagte nichts. Er hatte sein Pferd schon vor der Veranda angebunden.
Er saß auf und ritt davon.
Und damit begann sein Weg.
Kendall Cane hieß der Junge.
Er war über sechs Fuß groß und wog schon hundertsechzig Pfund, dabei wirkte er hager, knochig und halb verhungert, mit hohlen Wangen. Doch über seinem breiten Mund spross ein blondes Bärtchen. Er hatte die blauesten Augen, die man sich denken kann. Und sein Haar war gelb wie reifer Weizen.
Er war schlecht gekleidet, trug einen alten Stetson mit flacher Krone und silberne Sporen, die er einmal bei einer Wette gewonnen hatte.
So ritt er davon.
Halt, da wäre fast etwas vergessen worden zu erwähnen!
Seinen Revolver!
Er trug ihn links!
✰
Als Kendall Cane den Ort zum ersten Mal sieht, verspürt er ein prickelndes Gefühl, so etwa, als wüsste er ganz genau, dass tausend Wunder und Freuden auf ihn warten.
Denn es ist der größte Ort, den er seit fast sechs Jahren sieht. Damals vor dem Krieg war er als Knabe mit seinen Eltern von Frankfort in Kentucky in den Westen gekommen.
Doch an Frankfort in Kentucky kann er sich kaum noch erinnern.
Diese Stadt zu seinen Füßen interessiert ihn auch sehr viel mehr. Denn nun ist er kein Junge mehr, sondern ein Mann, der sich die Welt ansehen möchte, der irgendwelche Dinge erleben will.
Die Stadt da unten ist nicht groß. Sie besteht aus Adobebauten und Holzhäusern, die zum größten Teil ungestrichen sind. Es ist eine Minenstadt, in die jedoch auch die wenigen Farmer und Rancher der Umgebung kommen. Doch hauptsächlich lebt sie von den Silberminen, die man wieder in Betrieb genommen hat. Und nicht weit von der Stadt entfernt gibt es am Creek eine Erzmühle.
Arizonac heißt die Stadt, und das bedeutet in der Sprache der Papago-Indianer so viel wie »Kleiner Fluss«. Kendall Cane weiß das. Er weiß auch, dass der Name Arizona von Arizonac abgeleitet wurde und etwa mit »Land der kleinen Flüsse« zu übersetzen ist.
Die Stadt liegt in einem grünen Tal, durch das sich der Creek windet.
Kendall Cane reitet hinunter. Er verspürt ein frohes und erwartungsvolles Gefühl und vergisst ganz und gar sein Misstrauen gegen die Menschen.
Aber dann, als er im Tal ist und in die Stadt reitet, wird er wachsam, während seine Neugierde auf die Menschen wächst.
Denn er war all die Jahre nur mit den anderen Reitern der Ranch zusammen und kam nur alle paar Monate mal zu einem Fort der Armee, dessen kleine Truppe einen zumeist erfolglosen Kampf gegen die Apachen führte und in deren Schutz eine kleine Siedlung entstanden war.
Doch dies hier ist eine Stadt, eine richtige Stadt mit vielen Saloons und Geschäften, Hotels und Restaurants, mit vielen Menschen – vor allem auch Mädchen und Frauen.
Ken Cane reitet langsam die Main Street hinunter. Es ist schon später Nachmittag, und der Betrieb in Arizonac kommt in Gang. Man kann kaum glauben, dass die Stadt ziemlich abgeschnitten ist von der Außenwelt und fast alle Wagenzüge sich den Weg hierher erkämpfen müssen.
Hier herrschen Handel und Bewegung. Hier stehen überall Sattelpferde an den Haltestangen.
Goldgräber, mexikanische Banditen und Pferdediebe, Frachtfahrer, Farmer und Cowboys, zahme Indianer, einige Soldaten, die Urlaub haben oder auf der Durchreise zu irgendwelchen einsamen Kommandoposten sind, und von den umliegenden Minen kommen auch schon die ersten Bergleute hereingeströmt.
Die Main Street hat sogar Plankengehsteige, die vor den großen Saloons und Geschäften verandaartig ausgebaut sind.
Dort drängt sich alles. Denn die Abendkühle setzt ein. Man macht Einkäufe, trinkt einen kühlen Trunk vor dem Abendessen und freut sich auf den Spaß danach.
Ken Cane bringt sein Pferd in den Mietstall, und er muss für Futter und Unterkunft im Voraus bezahlen.
Er wäscht und rasiert sich beim Brunnen im Hof des Mietstalles und zieht sich sein gutes Hemd an.
Und dann ist er fertig für all den Spaß.
Zuerst geht er ins Mogollon-Restaurant essen und isst ein großes Stück von einem auf mexikanische Art zubereiteten Ferkel und zum Nachtisch eine ganze Anzahl Kuchen. Dann verspürt er Durst und begibt sich in den Silver Star Saloon, weil hier selbst gebrautes Bier aus dem kühlsten Keller von Arizonac verkauft wird.
Als er seinen ersten Durst gestillt hat, beginnt er seine Runde zu machen, und er klimpert unternehmungslustig mit den Dollars in seiner Hosentasche.
Es gibt genügend Burschen, die ihn wachsam und abschätzend betrachten, denn er wirkt nun einmal wie ein hungriger Wolf aus der Wüste, der Appetit auf rohes Fleisch hat.
Und einige »Experten« betrachten auch seinen Revolver unter der linken Hüfte.
Aber er bekommt noch keinen Verdruss, o nein, noch nicht, obwohl sich die Stadt immer mehr mit lärmenden Bergleuten aus den Minen füllt und immer lauter und wilder wird.
Die Barmänner, die Tanzmädels, die Kartenausteiler und Bankhalter, sie alle bekommen zu tun.
Ken Cane kauft sich in O'Connors Tanzbar drei Tanzkarten und versucht es mit einer blonden, einer schwarzen und einer roten Tänzerin, und dann bekommt er den ersten Streit, weil er mit seinen Sporen einem anderen Mann die Hosenbeine beschädigt.
Als der Tanz beendet ist, tippt ihm der Mann von hinten auf die knochige Schulter. Ken Cane wendet sich um und sieht dabei aus den Augenwinkeln die Faust kommen.
Aber auf solch unerwartete Gefahren ist er trainiert. Er reagiert instinktiv, bevor er überhaupt richtig begreift.
Er reißt den Kopf zur Seite, sodass die Faust ins Leere stößt, und trifft selbst knallhart mit der Rechten.
Da er weiß, dass er ziemlich viel Dampf hinter seiner Rechten hat, kümmert er sich nicht mehr um den zu Boden gegangenen Burschen, sondern sieht sich nach dessen Freunden um.
Doch der Mann am Boden hat wohl keine Freunde im Lokal. So bietet Ken Cane seinem Tanzmädchen den Arm, wie er es die anderen Männer tun sah, und führt das Girl zur Bar, wo die Tänzer ihren Tänzerinnen noch einen Drink spendieren müssen. Das Mädchen ist etwa sieben Jahre älter als er. Es betrachtet ihn staunend.
»Junge«, sagt es, nachdem es das Zuckerwasser getrunken hat, »Junge, du wirst in dieser Stadt eine Menge Verdruss bekommen, wenn du so was noch mal machst. Dann werden nämlich einige Burschen darauf zu wetten beginnen, dass du mit ihnen nicht so umspringen kannst.«
»Ich kann auf mich achten, Madam«, murmelt Ken Cane, macht eine Verbeugung und zieht sich zurück, da er keine Tanzkarte mehr kaufen möchte und noch nicht alle Vergnügungslokale gesehen und ausprobiert hat.
Er sieht dann in einer Spielhalle beim Roulette zu, riskiert einige Dollar und verliert sie.
Er staunt über die Könnerschaft einiger Billardspieler, die mit den Kugeln für seine Begriffe zaubern können.
Und plötzlich – ehe er es sich versieht – sitzt er mitten in einer Pokerrunde. Er fragt sich, wie dies nur kommen konnte. Und da begreift er, dass er für eine Weile richtig betrunken war, jetzt jedoch langsam wieder nüchtern wird.
Und obwohl er betrunken war und geradezu verrückt und dumm gespielt hat, gewann er schon mehr als dreißig Dollar.
Jetzt aber, da er langsam nüchtern wird, beginnt er mit seinem Verstand zu spielen.
Und dieser Verstand ist gut.
Poker spielen kann er. Denn er spielte vier Jahre lang mit den Reitern der Ranch Poker, und diese Pokerspieler waren hartgesotten und konnten sich mit jedem im Pokerspiel messen.
Und wie in fast allen anderen Dingen, die Ken Cane auf jener Ranch lernte, übertraf er die anderen Reiter bald auch beim Pokerspiel.
Und jetzt, hier, da er langsam wieder nüchtern wird und zu begreifen beginnt, dass er mit hartgesottenen Männern Poker spielt, gebraucht er in zunehmendem Maße seinen Instinkt und auch den Verstand.
Zwei Stunden später besitzt er etwa dreihundert Dollar.
Gegen Mitternacht sind es fünfhundert.
Und gegen drei Uhr morgens hat er an die tausend Dollar gewonnen.
Der Ingenieur einer Silbermine, der Vormann der Erzmühle, der Boss eines Frachtbüros und ein Mexikaner, der mit Pferden handelt, hören nun auf. Auch Ken Cane will aufhören. Denn ihm sind tausend Dollar genug. Er hätte nie gedacht, dass er einmal tausend Dollar besitzen würde. Für tausend Dollar hätte er auf der Ranch, von der er kam, vier Jahre lang arbeiten müssen.
Aber als er sein Geld sortiert und gezählt hat und einstecken will, da entdeckt er, dass noch ein Mann am Tisch blieb – ein großer, dunkler und für Ken Canes Begriffe wie ein Lord gekleideter Mann, der außer ihm das meiste Geld gewonnen hat. Es ist der berufsmäßige Spieler, der hier den Tisch gemietet hat und dem Besitzer dieses Hauses dafür einen bestimmten Prozentsatz seiner Einnahmen zahlen muss.
Und dieser Mann sagt nun ruhig zu Ken Cane: »Sie wollen doch wohl nicht aufhören, Junge?«
Ken betrachtet den Mann, und er kann nichts in diesem ausdruckslosen Gesicht erkennen – auch nicht in den dunklen Augen. Aber im Klang der Stimme lag ein drohender oder zumindest warnender Ton.
Und Ken Canes Instinkt sagt ihm nun, dass er einem harten Burschen gegenübersitzt, der nicht gewillt ist, einen Jungen wie ihn mit einem Tausend-Dollar-Gewinn davonkommen zu lassen.
Dieser Kartenhai da auf der anderen Seite des Tisches ist noch nicht fertig mit dem Spiel. Er wird erst dann fertig sein, wenn er Ken Canes tausend Dollar hat.
So ist das.
Ken Cane ist sich darüber klar, dass er in dieser Stadt sehr allein und ohne Freunde ist.
Dies hat der Kartenhai natürlich längst erkannt und begriffen. Er weiß, dass Ken Cane einer dieser Burschen ist, die von irgendwoher in diese Stadt geritten kommen und hungrig sind nach all den fragwürdigen Freuden des Lebens.
Und der Kartenhai hat hier gewiss viele Freunde oder zumindest zuverlässige Unterstützung.
Dies ist also Ken Cane klar. Er ist in eine raue Stadt geraten, in der man solche Burschen wie ihn nicht mit tausend Dollar Spielgewinn abziehen lässt.
Was soll er tun?
Bevor er sich entschließt, blickt er sich um.
Und es treten zwei Männer an den Tisch.
Sie setzten sich, und einer sagt lässig: »Wir spielen mit, Chip Morrow. Es ist Ihnen doch recht, Cowboy?«
Die Frage gilt Ken Cane. Der blickt den Mann an und weiß, dass dieser eine Weigerung als Beleidigung auffassen würde.
»Natürlich ist es ihm recht«, mischt sich nun der andere Mann sanft und freundlich ein. Er nimmt das Kartenhäufchen und schiebt es zu Ken Cane hinüber.
»Sie geben, Cowboy«, sagt er.
Und nun ist für Ken Cane, der vier Jahre mit harten Männern in einem Schlafhaus lebte und der von ihnen viele Geschichten hörte und solche Situationen wie diese geschildert bekam, die Sache ziemlich klar – obwohl dies sein erster Ausflug in die »große Welt« ist, von der er in der Einsamkeit träumte und die er nun ausgiebig erleben möchte.
Diese drei Männer wollen ihn jetzt schnell und glatt erledigen. Sie wollen ihn in die Klemme bringen. Er soll mit dem Kartenausteilen beginnen. Und dann werden sie behaupten, er hätte von unten gegeben oder einen Trick angewandt. Sie werden ihn verprügeln, das Geld wegnehmen und aus dem Saloon werfen.
Er blickt sich noch einmal um, und er erkennt, dass der Spielsaloon schon ziemlich leer wurde. All die Bergleute mussten zu den Minen zurück. Und auch die anderen Gäste, die am Tage, der ja nicht mehr sehr fern ist, irgendwelchen Beschäftigungen oder Geschäften nachgehen, zogen sich zurück, um noch zwei oder drei Stunden Schlaf zu bekommen.
Es sind nur noch berufsmäßige Spieler, einige Nichtstuer, die von unbestimmbaren Einkünften leben, und einige andere Männer, die schwer einzustufen sind, im Raum.
Als Ken Cane begreift, dass er auf sich allein gestellt ist, entschließt er sich, die Sache auf die harte Art durchzustehen.
Und so packt er seine tausend Dollar ein, stopft sie ruhig in die Taschen und sagt dabei friedlich und sanft: »Nein, ich habe für diese Nacht genug. Ich bin vier Tage geritten und konnte nur wenige Stunden schlafen. Ich habe genug und bin müde. Vielleicht morgen, Gentlemen.«
Er erhebt sich, und nun sieht man, dass er den Revolver links unter der Hüfte trägt.
Er wirkt plötzlich anders, nicht mehr ganz so wie ein starkknochiger großer Junge, der seinen blonden Bart stolz wachsen ließ, um mehr wie ein Mann zu wirken.
Man begreift jetzt, dass der ruhige und dabei im Hintergrund so wachsam lauernde Blick von einem starken Selbstvertrauen erzeugt wird. Und die drei Männer, die ihn rupfen wollen, werden etwas vorsichtiger und begreifen, dass die Sache doch nicht so leicht sein wird, wie sie bisher dachten.
Aber tausend Dollar sind eine Menge Geld, ganz besonders jetzt so kurz nach dem Krieg und hier in der von der Außenwelt fast völlig abgeschnittenen Stadt Arizonac, wo selbst starke Wagenzüge immer wieder überfallen werden und hohen Zoll zahlen müssen.
Für tausend Dollar nehmen ein Kartenhai und zwei Revolverschwinger eine ganze Menge Risiko auf sich.
Und so kommt Ken Cane nur fünf Schritte weit.
Dann ruft eine scharfe Stimme: »Bleib stehen, du Falschspieler!«
Er hält nach zwei weiteren Schritten an und blickt langsam über die Schulter zurück. Obwohl er zum ersten Mal in solch einer Situation ist, sieht er genau das, was er erwartet hat.
Sie haben ihn schon in der Klemme.
Der Kartenhai hat einen kleinen Colt-Derringer auf ihn gerichtet. Einer der beiden anderen Männer ist um den Tisch herumgekommen und greift bei Ken Canes Platz unter die Tischplatte.
Nun nimmt er die Hand darunter hervor, und er hält zwei Karten in dieser Hand und wirft sie auf den Tisch.
»Diese beiden Asse steckten unter dem Tisch in den Ritzen der Tischplatte, sagt der Mann laut.
Es ist nun sehr still. Die Männer im Raum blicken auf Ken Cane, und die meisten von ihnen wissen sicherlich genau, dass man hier einem jungen Bengel das Fell über die Ohren ziehen will. Und für die, die sich nicht auskennen, sieht es so aus, als hätte man einen Falschspieler überführt.
Der Kartenhai, den einer der Mitspieler Chip Morrow genannt hat, bewegt leicht seine kleine zweischüssige Waffe.
»Komm her, Junge«, sagt er. »Du wirst das Geld wieder abliefern. Und dann werden wir dich nur ein wenig verprügeln. Mit Falschspielern springen wir hier sonst ziemlich rau um. Aber weil du noch so jung und aus dem Mesa-Land gekommen bist ...«
Er spricht nicht weiter, aber es hört sich so an, als hätte er gesagt, dass man mit einem dummen Bengel aus dem Hinterland noch einmal glimpflich umspringen und ihm nur eine Lektion erteilen würde.
Aber Ken Cane ist nicht gewillt, nachzugeben.
Er hat in den letzten Jahren zu sehr gelernt, für alle Dinge zu kämpfen. Kendall Canes ganze Erziehung und Schulung war darauf ausgerichtet, sich nichts wegnehmen zu lassen, seinen Besitz zu verteidigen, zu kämpfen und niemals nachzugeben. Dies alles ist zu einem Bestandteil seines Wesens geworden.
Und wahrscheinlich kommt es ihm deshalb jetzt überhaupt nicht in den Sinn, nachzugeben und sich die tausend Dollar wieder abnehmen zu lassen. Er denkt auch nicht daran, sich verprügeln zu lassen.
Denn er hatte ehrlich und sauber gespielt.
Und er ist bereit, trotz der drohend auf ihn gerichteten Waffe. Nein, er will sich nichts abnehmen lassen.
Er spricht ganz ruhig über die Schulter: »Ich habe nicht falschgespielt. Ich habe das Geld ehrlich gewonnen und ging bei jedem Einsatz das gleiche Risiko ein wie jeder andere Spieler am Tisch. Diese beiden Asse da, die unter dem Tisch gesteckt haben sollen, sind ein schmutziger Trick.«
»Komm her Junge, oder ich schieße dich von den Beinen«, sagt der Kartenhai hart.
Ken Cane blickt ihn an, und er spürt deutlich, dass der Mann nicht blufft.
Aber er hatte sieben Schritte gemacht. Und der Kartenhai steht auf der anderen Seite des Tisches. Das sind zusammengezählt fast zehn Schritte. Und zehn Schritte sind für einen kleinen Colt-Derringer eine große Entfernung, denn die Waffe hat fast überhaupt keinen Lauf. Sie trifft vielleicht bis auf vier oder fünf Schritte einigermaßen genau. Doch dann streut sie stark.
Ken Cane weiß das. Also setzt er all seine Chips darauf, dass die kleine Waffe auf fast zehn Schritte Entfernung nicht mehr genau schießt.
Und er sagt wieder über die Schulter: »Mister, Sie bedrohen mich mit einer Waffe. Sie sagten soeben, dass Sie mich von den Beinen schießen wollen.«
»Das werde ich auch«, bekräftigt der Kartenhai seine Drohung. Und seine beiden Nachbarn rechts und links weichen jetzt etwas zurück, denn sie begreifen wohl, dass der wilde Junge aus dem Hinterland kämpfen will.
Sie legen nun selbst ihre Hände an die Waffen, um sie schnell zur Hand haben zu können.
Doch sie glauben nicht, dass der Junge Chip Morrow schlagen kann. Nein, das können sie einfach nicht glauben. Deshalb sind sie nicht ganz so wachsam und bereit, wie sie es vielleicht wären, wenn sie den Jungen besser eingeschätzt hätten.
Ken Cane duckt sich blitzschnell, wirbelt herum und wirft sich zu Boden.