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Als Colonel Carrington im Jahr 1866 im Piney-Creek-Gebiet nahe des Powder Rivers das Fort Phil Kearney errichtete, begann der große Indianerkrieg. Doch davon soll hier nicht geschrieben werden. Dies alles ist längst bekannt. Ich schrieb auch in meinem Roman »Fort Phil Kearney« darüber. Diese Geschichte hier befasst sich mit einem der vielen Ereignisse, die damals von der Armee verschwiegen wurden, weil sie ihrem Ruhm und ihrem Ansehen geschadet hätten. Es ist die Geschichte des Lieutenant Joel Cowley und seiner Patrouille, der sogenannten Big-Horn-Patrouille. Sie blieb damals verschollen. Was hatte sich ereignet? Waren sie alle desertiert? Oder wurden sie von den Sioux bis auf den letzten Mann getötet - so wie viele Jahre später General Custer mit seinem Regiment? Auf diese Fragen gab es nie eine Antwort. Aber vielleicht lief alles so ab, wie ich es mir nach einigen Nachforschungen vorstellen konnte und hier niedergeschrieben habe. Dabei begann die Geschichte der Big-Horn-Patrouille nicht im noch unvollendeten Fort Phil Kearney, sondern viel weiter nördlich im Goldland von Montana ...
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Seitenzahl: 155
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Big-Horn-Patrouille
Vorschau
Impressum
Big-Horn-Patrouille
Als Colonel Carrington im Jahr 1866 im Piney-Creek-Gebiet nahe des Powder Rivers das Fort Phil Kearney errichtete, begann der große Indianerkrieg.
Doch davon soll hier nicht geschrieben werden. Dies alles ist längst bekannt. Ich schrieb auch in meinem Roman »Fort Phil Kearney« darüber.
Diese Geschichte hier befasst sich mit einem der vielen Ereignisse, die damals von der Armee verschwiegen wurden, weil sie ihrem Ruhm und ihrem Ansehen geschadet hätten. Es ist die Geschichte des Lieutenant Joel Cowley und seiner Patrouille, der sogenannten Big-Horn-Patrouille. Sie blieb damals verschollen.
Was hatte sich ereignet? Waren sie alle desertiert? Oder wurden sie von den Sioux bis auf den letzten Mann getötet – so wie viele Jahre später General Custer mit seinem Regiment?
Auf diese Fragen gab es nie eine Antwort.
Aber vielleicht lief alles so ab, wie ich es mir nach einigen Nachforschungen vorstellen konnte und hier niedergeschrieben habe.
Dabei begann die Geschichte der Big-Horn-Patrouille nicht im noch unvollendeten Fort Phil Kearney, sondern viel weiter nördlich im Goldland von Montana ...
Seit sie bei Nacht und Nebel aufbrachen, um sich mit ihrem Gold aus der Last Chance Gulch hinauszuschleichen, ist das Leben für Jodie Gibson nicht einfacher geworden. Denn sie gehört zu den Frauen, deren Anblick ein Mann nicht vergisst.
Und sie reitet mit sieben Männern, von denen jeder selbstbewusst genug ist, um sich an eine Frau wie sie heranzuwagen.
Zuerst waren sie dreizehn Mann und eine Frau. Jetzt sind es nur noch sieben Mann. Sechs von ihnen blieben unterwegs zurück, tot, begraben in der Erde von Montana. Und ihr Gold gehört nun Jodie und den noch lebenden Männern. Denn je weniger sie werden, umso reicher können sich die Überlebenden fühlen. Auch sicherer fühlen sie sich, denn sie schüttelten die Goldwölfe ab und entkamen ihnen.
Und weil die Männer nun weniger Sorgen haben, denken sie immer stärker an die schöne Frau, die mit ihnen reitet mit zwei Satteltaschen voller Gold und sonst sehr geringem Gepäck.
Es sind harte Männer, solche, die auch töten können, um zu überleben. Männer, die ihre Goldausbeute als Startkapital für größere Vorhaben betrachten, die reich und mächtig werden wollen.
Sie begruben Jodie Gibsons Mann in der Erde von Montana in einem verborgenen Camp. Jodie wurde also eine schöne und wohlhabende Witwe.
Sie spürt, dass die Blicke der Männer anders wurden. Und auch wenn sie mit ihr reden, sind sie anders. Ja, sie strömen aus, was jede Frau spüren kann, wenn ein Mann sie haben will.
Jodie weiß also Bescheid, denn sie ist bei aller Schönheit eine Frau, die lange inmitten einer Männerwelt lebte – und das schon, bevor sie ihren Mann kennenlernte. Sie hat stets für sich sorgen können. Und in Last Chance City nannte man sie Goldlady.
Jodie und die sieben Männer blicken immer wieder nach Osten, indes sie wie Indianer hintereinander reiten. Denn zu ihrer Linken zieht sich die Big-Horn-Kette von Nord nach Süd. Zu ihrer Rechten aber fließt der Big Horn River durch das Big Horn Basin.
Über den Mountains kommt nun die Schwärze der Nacht herangezogen. Es wird eine undurchdringliche schwarze Regennacht werden.
Und so ruft einer von ihnen: »Wir sollten etwas finden, wo wir unterkriechen können! Am besten wäre eine Höhle!«
Eine andere Stimme ruft grimmig zurück: »Dann führ uns doch zu einer Höhle, Padden! He, wenn du schon gute Ratschläge gibst, dann musst du auch Rat wissen – oder?«
Einige Stimmen lachen grimmig.
»Padden gibt immer gute Ratschläge«, tönt eine neue Stimme.
Sie alle hören nun das Grollen eines Gewitters. Und in der Schwärze über den Mountains erscheint ein gewaltiger Blitz.
Sie reiten weiter und erreichen eine Felsengruppe. Es sind gewaltige Klötze.
Einer von ihnen sagt trocken: »Das ist es. Hier können wir einigen Schutz finden. Halten wir also an.«
Sie tun es und finden zwischen den Felsen eine Stelle, wo die oberen Ränder fast zusammenstoßen, unten aber Platz genug ist, sodass sie sich fast wie in einer Höhle befinden.
Sie richten sich ein. Einige von ihnen bringen von draußen einige Arm voll trockenes Gestrüpp und einige harte Büffelfladen herbei. Und so setzen sie sogar ein Feuer in Gang, kochen Kaffee und braten Speck.
Jodie sitzt an der Felswand, dort, wo über ihr der Überhang besonders weit reicht. Kauend und vorsichtig den heißen Kaffee schlürfend, betrachtet sie die vom Feuerschein beleuchteten Gesichter der Männer.
Sie alle sind längst bärtig geworden, selbst jene, die sich auf ihren Claims stets rasierten. Tage und Nächte sind sie ja schon auf der Flucht und konnten sich nicht pflegen wie zivilisierte Menschen.
Auch Jodies Äußeres hat gelitten. Und sie weiß, dass sie nach Pferdeschweiß und vielen anderen Gerüchen riecht. Auch ihre Unterwäsche konnte sie nicht wechseln.
Aber sie weiß, dass die Männer dies alles nicht beachten, wenn sie Jodie ansehen und sich wieder voll bewusst werden, dass sie eine Frau ist, eine von der Sorte, die sie sich in ihren Träumen wünschen – und die sie sich vielleicht erobern können, bevor sie mithilfe ihres Goldes irgendwo ein neues Leben beginnen.
Sie betrachtet also die bärtigen Gesichter der Männer. Einige kennt sie etwas besser, denn sie waren Claimnachbarn, andere kennt sie weniger. Doch alle hatten Respekt vor ihrem Mann. Er war ihr Anführer. Doch er starb unterwegs als Erster, als sie in einen Hinterhalt gerieten. Die erste Kugel galt ihm, weil er an der Spitze ritt.
Jodie spürt die Blicke der kauenden und Kaffee schlürfenden Männer wie eine Berührung.
Einige waren Soldaten während des Krieges. Auch Guerillas mochten welche gewesen sein – oder gar Banditen.
Und einer war ein berüchtigter Revolverheld, der nach Norden flüchten musste und dann das Glück hatte, Gold zu finden.
Jodie denkt: Vielleicht werde ich einen von ihnen erschießen müssen, um mich aller zu erwehren. Jetzt, wo uns die Gefahr nicht mehr im Nacken sitzt, kommen sie auf andere Gedanken – verdammt!
Jodie trägt einen Revolver im Holster wie die Männer. Sie trägt auch Männerkleidung, die ihr etwas zu weit ist, ihre makellosen Formen aber dennoch nicht ganz verbergen kann.
Doch außer ihrem Revolver, den jeder sehen kann, hat sie einen kleinen Colt-Derringer in einer Tasche ihrer Kleidung verborgen.
Sie will ihn diese Nacht mit gespannten Hähnen in der Hand halten. Das hat sie sich vorgenommen.
Doch sie wird tief und fest schlafen, weil sie erschöpft ist, so richtig ausgebrannt und erledigt. Wahrscheinlich wird sie erst erwachen, wenn einer der Männer zu ihr unter die Decke will, ihr den Mund zuhält und dabei zischt: »Sei still, Rotkopf, und lass es geschehen wie etwas Unabänderliches. Es muss sein, weil ich dich will!«
Ja, so ähnlich wird der Mann es ihr zischend ins Ohr flüstern.
Und dann wird sie abdrücken.
Eigentlich müsste sie sich vor der Nacht fürchten. Doch das Fürchten hat sie längst verlernt.
Ja, sie wird schießen.
Und wahrscheinlich wird es dieser texanische Revolverheld zuerst bei ihr versuchen. Sie nennen ihn einfach nur Tex, denn im Goldland hat er nie seinen Namen genannt.
Es bricht nun das Gewitter los, und der Wolkenbruch schüttet Wassermassen auf die Erde nieder. Sie finden zwar unter den Überhängen der Felsen einigermaßen Schutz, doch zwischen den Felstürmen entsteht ein kleiner Creek.
Dennoch legen sie sich alle zur Ruhe. Ihre Erschöpfung lässt sie alles ertragen. Weder Donner noch Blitz, noch die niederrauschenden Wassermassen können sie vom Schlaf abhalten.
Und so schläft auch Jodie tief und fest mit dem Derringer in der Hand.
Das Unwetter hält lange an, dauert Stunden.
Jodie Gibson erwacht, als ein Mann über ihr liegt. Sie spürt seine harte und dennoch so geschmeidige Hand auf ihrem Mund und weiß sofort, dass es die Hand des texanischen Revolverhelden ist, den sie Tex nennen.
Sie hört auch die gezischten Worte an ihrem Ohr: »Lass es geschehen, Rotkopf! Ich will dich um alles in der Welt!«
Sie spürt nun seine Hände, die sie unter der Decke entkleiden wollen.
Und im selben Moment, da ein gewaltiger Donner rollt, drückt sie ab.
Der Doppelknall der beiden Läufe geht im Donnerschlag unter.
Keiner der Schläfer bekommt mit, dass sie nun nur noch sechs Männer und eine schöne Frau sind.
Jodie rollt den texanischen Revolverhelden von sich. Und da der Boden sich zur Mitte des hohlwegartigen Zwischenraums der Felsen senkt, rollt der Tote in den entstandenen Creek hinein und wird fortgetragen. Ja, die Strömung des entstandenen Creeks ist stark genug.
Jodie liegt starr und steif, zieht die Decke wieder über sich und lauscht.
Doch niemand regt sich. Würde der Regen nicht so rauschen und alle anderen Geräusche übertönen, könnte sie gewiss einige Männer schnarchen hören.
Jodie entspannt sich endlich wieder. Sie zittert ein wenig, doch nicht wegen der Nässe und Kälte. Sie begreift nun erst richtig, dass sie getötet hat. Doch wie hätte sie sich des Kerls anders erwehren können?
Und wie soll es nun weitergehen?
Um sich Mut zu machen, denkt sie an das Gold, das ihr gehört, und daran, was sie damit in einer Stadt machen wird, in der es sich leben lässt. Ein Hotel mit einem guten Restaurant wird sie bauen, vielleicht in Saint Louis, der großen Stadt an den beiden großen Strömen, die die Lebensadern des gewaltigen Landes sind.
Ja, Saint Louis, das wäre etwas!
Sie möchte wieder elegante Kleider tragen und jeden Tag baden können.
Doch die Beschäftigung mit der Zukunft hält nicht lange an.
Sie hat einen Mann getötet, der rücksichtslos über sie herfiel und sie zu etwas zwingen wollte, was das Schlimmste ist für eine stolze Frau.
Und stolz war sie schon immer, schön und stolz.
Was wird morgen sein?, denkt sie. Dann aber überwältigt sie die Erschöpfung, und so fällt sie in einen Halbschlaf, in dem sie aufs Neue erlebt, was soeben geschehen ist.
✰
Als es Tag wird und sie erwacht, da herrscht eine seltsame Stille.
Sie glaubt, dass sie alles nur geträumt hat. Doch das kann nicht sein, denn sie erkennt und begreift es an vielen Zeichen.
Zwar donnert, blitzt und regnet es nicht mehr, rauschen keine Wolkenbrüche mehr nieder. Doch die Wassermassen fließen immer noch ab. Von den Felsen rinnt das Wasser. Die Sonne kann die Nässe nicht so schnell tilgen.
Ja, sie erinnert sich wieder an alles und weiß, dass es kein böser Traum war. Sie hat einen Mann erschossen, der über sie herfiel. Und weil in dem Moment der Donner gewaltig grollte, hörte niemand den Doppelknall der kleinen Waffe.
Sie denkt mit Bitterkeit: Der Tag könnte so schön sein. Die Sonne scheint, und wir sind den Banditen des Goldlandes entkommen. Alles wäre gut, wenn ...
Sie wird in ihren Gedankengängen unterbrochen, denn die Männer regen sich nun. Ja, sie alle werden wach.
Eine heisere Stimme ruft: »Hoho, kommt hoch! Die Sonne scheint, und wir sind nicht in der Sintflut ersoffen! Kommt hoch und freut euch des Lebens! Denn wie es jetzt aussieht, haben wir gewonnen!« Die heisere Stimme wird immer klarer. Zuletzt ist ein jubelnder Klang in ihr.
Und so erheben sie sich, kommen hoch und bewegen die steifen und verkrampften Glieder.
»Aber ein Feuer werden wir nicht anmachen können«, spricht einer. »Alles da draußen ist nass. Und nasser Buffalomist brennt nicht. Also lasst uns reiten.«
Sie fluchen ein wenig, denn sie hätten gerne heißen Kaffee gehabt und etwas Speck gebraten, der ihnen den trockenen Armeezwieback etwas schmackhafter gemacht hätte.
Und als dann jeder seine Siebensachen in der Sattelrolle hat und sie die mit Gold gefüllten Satteltaschen an die Sattelhörner hängen oder über die Pferdenacken werfen, da fällt ihnen endlich auf, dass Tex fehlt.
Sie halten inne.
Einer fragt heiser: »Ja, wo ist denn der texanische Revolverschwinger?«
Sie sehen sich um. Doch sie sehen nur das Pferd und die Lagerstatt des Texaners. Er selbst ist weg.
»He, was ist das?« So fragt eine Stimme scharf und wie alarmiert.
Aber eine andere Stimme erwidert kichernd: »Vielleicht legt unser Tex gerade irgendwo ein Ei. Das konnte er ja wohl hier zwischen uns nicht machen. Es ist schon genug, dass die Pferde hier ihre Äpfel fallen lassen. Ein verdammter Gaul hat mir sogar auf die Decke geschissen.«
Sie lachen nun wieder durcheinander. Ja, sie sind eine raue Gesellschaft. Dass eine Frau unter ihnen ist, legt ihnen keine Hemmungen auf.
Jemand ruft laut: »Hoiii, Tex, wir reiten los! Was für eine schwierige Geburt hast du da draußen?«
Und wieder lachen sie durcheinander – nur Jodie nicht.
Sie sitzen auf. Und als sie ihre Pferde in Bewegung setzen, da lacht eine Stimme: »Passt auf, wenn wir ins Freie kommen. Vielleicht seht ihr dann einen nackten Texanerhintern!«
Abermals ertönt Gelächter.
Ja, sie sind immer noch in bester Stimmung trotz ihrer knurrenden Mägen.
Sie reiten nun hinaus ins Freie.
Und da sehen sie den Texaner liegen. Der kleine Creek, der im Verlauf der Wolkenbrüche entstand und den Toten mitriss, ist nur noch eine schlammige Rinne. In dieser Rinne liegt Tex keine dreißig Yards von der Felsengruppe entfernt.
Sie begreifen sofort, dass er tot ist.
Doch ertrunken kann er gewiss nicht sein. Das Wasser in der Rinne war kaum kniehoch.
Sie halten an und blicken in die Runde. Nun sind sie alarmiert und spüren eine Gefahr.
Fast zur selben Zeit erblicken sie die Indianer.
Es ist eine Horde von etwa fünfzig Reitern. Heranreitend bieten sie ein wildes, buntes und heidnisches Bild. Da wippen weiße Adlerfedern in der Sonne, flattern Pferdemähnen, Hemd- und Legginsfransen aus gefärbtem Rosshaar. Da sind bunte Decken. Und die Gesichter sind mit Kriegsfarben bemalt. Dicht gedrängt kommen sie heran, eine bunte Traube von Reitern, die ständig ihre Form verändert.
»Heiliger Rauch«, stöhnt einer der sechs Männer, zwischen denen Jodie ihr Pferd verhält. »Die sind gewiss unserer Fährte gefolgt. Dann hat der Regen alle Fährten getilgt, aber nun haben sie uns doch eingeholt. Sie werden uns zu töten versuchen. He, für diese roten Jungs haben wir unser Gold bis hierher gebracht – für die da! Wie ungerecht ist doch die Welt!«
Der Sprecher verstummt bitter. Sein Name ist Gus Bannack, und er hat daheim in Tennessee eine verschuldete Farm, eine Frau und fünf Kinder. Im vergangenen Jahr ist er nach Montana geritten, um Gold zu finden und seine Familie aus der Not zu retten. Fast hätte er es geschafft.
Doch da sind die Roten ...
»Also gut«, spricht ein anderer der Männer, »dann kehren wir um und verschanzen uns in unserer Felsenburg. Sie hat uns vor dem Unwetter geschützt. Jetzt wird sie uns vor den Roten schützen. Zu welchem Stamm mögen sie gehören?«
✰
Bad Wolf ist ein noch junger Häuptling vom Stamm der Oglala, einer der sieben Stämme der Sioux. Wie er da so an der Spitze seiner Schar reitet, bietet er einen imponierenden Anblick. Er ist für einen Indianer zwar nur mittelgroß, doch prächtig gewachsen und proportioniert. Sein Gesicht ist von männlicher Schönheit und drückt ständig eine Verwegenheit aus, die von seiner gewiss vorhandenen Klugheit nur mühsam gebändigt wird.
Bad Wolf möchte gerne ein großer Häuptling werden. Doch sein Ruhm müsste dazu erst noch wachsen. Also ist er ständig auf der Suche nach Möglichkeiten für sogenannte kühne Heldentaten.
Die Krieger hinter ihm sind von seiner Sorte, nämlich jung, verwegen, gierig nach Siegen. Sie wollen Beute machen und folgen deshalb Bad Wolf im Glauben an dessen Kriegsglück.
Und nun sehen sie die Reitergruppe, deren Fährte sie folgten, als diese noch nicht vom Unwetter getilgt wurde.
Nun glauben sie wieder an das Kriegsglück von Bad Wolf. Denn diesmal – das wissen sie ziemlich sicher – werden sie nicht nur Pferde, Waffen, Ausrüstung und Skalpe erbeuten – nein, diesmal bekommen sie auch Gold.
Bad Wolf und dessen Krieger wissen zu gut, dass sie bei weißen Händlern für Gold alles bekommen können – vor allem Waffen, die sogar noch besser sind als die Waffen der Mila Hanska, der Soldaten.
Reglos halten sie hinter Bad Wolf an und sehen die Weißen wieder zwischen den Felsen verschwinden.
Sie sehen auch den Toten in der Furche des so rasch entstandenen Creeks, der nun wieder trocken ist.
Bad Wolf sieht nach rechts und links, blickt dann über die Schulter zurück auf seine Krieger. Er sieht ihnen an, dass sie heiß sind auf den Kampf, ja, dass sie gewissermaßen brennen nach Taten.
Er weiß, wenn er jetzt losreitet, dann werden sie ihm folgen.
In dieser Minute überlegt er, wie viele Krieger ihn dieser Angriff kosten würde.
Und weil er klug ist, rechnet er sich mehr als ein Dutzend aus.
Das ist ihm zu viel. Ein solcher Sieg wäre zu teuer bezahlt. Auf diese Weise käme er gewiss nicht zu großem Ruhm. Seine jungen Krieger würden an seinen Fähigkeiten als Anführer zu zweifeln beginnen.
Und so spricht er laut genug, dass alle es hören können: »Die Wasicuns sitzen in der Falle. Wir haben Zeit. Bildet einen Kreis um die Felsengruppe und macht es euch bequem. Die Wasicuns können uns nicht mehr entkommen.«
Als sie das hören, da begreifen sie wieder, wie klug er ist.
Denn sie haben wirklich Zeit. Wer sollte sie stören bei diesem Todesspiel?
✰
Die sechs Männer um Jodie fluchen böse. Und auch Jodie knirscht bittere Worte. Ja, sie wissen, dass sie in der Falle sitzen.
Sie werfen sich zwischen den Felsen von den Pferden. Doch diesmal geht es nicht darum, sich vor den niederprasselnden Wassermassen zu schützen – nein, diesmal ist es anders. Und so nehmen die Männer ihre Waffen und verteilen sich.
Einer ruft Jodie zu: »Schwester, kümmere dich um die Pferde! Halte sie in guter Deckung. Wir dürfen keines der Tiere verlieren!«
Wenig später ist sie allein inmitten der Felsgruppe.
Es wird nicht einfach sein, die Pferde in Deckung zu halten. Denn man kann natürlich von außen zwischen die Felsen schießen. Und wenn die Kugeln von den Felsen abprallen, dann können die Tiere durch Querschläger böse Wunden erhalten.
Nur in einer Hinsicht spürt sie eine gewisse Erleichterung. Man wird ihr nicht den Tod des Texaners anlasten, sondern eher den Indianern, vielleicht einem ihrer Scouts, der sich nahe an das Camp schlich und dem Tex zum Opfer fiel, als er nach draußen ging, um seine Notdurft zu verrichten.
Es wird nun still. Die Sonne steigt allmählich höher. Doch es wird kein heißer Tag. Der Indianersommer ist fast vorbei.
Indes sie auf die Pferde achtet und alles tut, damit diese zwischen den Felsen in Deckung bleiben, denkt sie über sich und ihr bisheriges Leben nach, das hier vielleicht schon bald enden wird.
Als junges Ding ist sie von daheim weggelaufen. Weg von der armseligen Farm ihrer Eltern. Nachdem es ihr schon zwei Brüder und eine ältere Schwester vormachten. Die weite Welt lockte sie.
Es begann damals ein harter Weg für sie. Zweimal fiel sie auf Männer herein, die ihr das Paradies versprachen und sie dann bitter enttäuschten. Einen hängten sie in einer kleinen Stadt am Mississippi auf, weil er einen Überfall versuchte, bei dem der Storehalter getötet wurde.