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Montana ist das spanische Wort für Gebirge. Die Nez Perces, Sioux und Cheyennes lebten dort und verteidigten das Land lange gegen den Ansturm der Weißen. Aber sie hatten keine Chance mehr, als dort Silber, Gold und Kupfer gefunden wurden und als die Rinderzüchter die gewaltige freie Weide, besonders im Gallatin Valley, entdeckten. Nelson Story war es, der die erste Rinderzucht in Montana gründete. Sein Erfolg sprach sich bis nach Texas herum. Und so unternahmen auch andere Männer das gefährliche Wagnis, mit einer Rinderherde Tausende von Meilen nach Norden zu ziehen. Manche scheiterten und verloren alles, andere schafften es wie er. Einer dieser Eroberer war sogar eine Frau. Was sie leistete, hätte einem Mann zur Ehre gereicht. Dabei soll sie auch noch ungewöhnlich schön und reizvoll gewesen sein. In Montana nannte man sie nicht mit ihrem Namen Paula Stuart, sondern respektvoll oder erbost Montana-Katze. Denn wie eine Katze war sie - zäh und eigenwillig, und sie schien, sieben Leben zu haben. Hier ist ihre Geschichte ...
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Seitenzahl: 158
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Montana-Katze
Vorschau
Impressum
Montana-Katze
Montana ist das spanische Wort für Gebirge. Die Nez Perces, Sioux und Cheyennes lebten dort und verteidigten das Land lange gegen den Ansturm der Weißen. Aber sie hatten keine Chance mehr, als dort Silber, Gold und Kupfer gefunden wurden und als die Rinderzüchter die gewaltige freie Weide, besonders im Gallatin Valley, entdeckten.
Nelson Story war es, der die erste Rinderzucht in Montana gründete. Sein Erfolg sprach sich bis nach Texas herum. Und so unternahmen auch andere Männer das gefährliche Wagnis, mit einer Rinderherde Tausende von Meilen nach Norden zu ziehen. Manche scheiterten und verloren alles, andere schafften es wie er.
Einer dieser Eroberer war sogar eine Frau. Was sie leistete, hätte einem Mann zur Ehre gereicht. Dabei soll sie auch noch ungewöhnlich schön und reizvoll gewesen sein.
In Montana nannte man sie nicht mit ihrem Namen Paula Stuart, sondern respektvoll oder erbost Montana-Katze. Denn wie eine Katze war sie – zäh und eigenwillig, und sie schien, sieben Leben zu haben.
Hier ist ihre Geschichte ...
Pierce Newton sitzt auf der Veranda des Long Trail Saloons mit einem Glas Bier in der einen und einer Zigarre in der anderen Hand. Er hat seinen Stuhl weit zurück mit der Lehne an die Wand gekippt und seine langen Beine mit den Füßen auf der Verandabrüstung liegen, als er das Paar hereinreiten sieht.
Heiliger Rauch, denkt er, wer kommt denn da geritten?
Ja, es ist ein Staunen in ihm, und gewiss ergeht es nicht nur ihm beim Anblick dieser Frau so. Vielen Männern erscheint sie wie ein Wunder. Manche bekommen offene Mäuler, andere wischen sich über die Augen.
Das Paar reitet an ihm vorbei, strebt offenbar dem Mietstall zu.
Die Reiterin trägt Weidetracht, so als wäre sie ein Cowgirl. Doch ihr Zeug ist von bester Qualität, vom schwarzen Stetson bis hinunter zu den zierlichen Stiefeln mit den Silbersporen.
Es sind ihre Haltung im Sattel, ihre geschmeidigen Bewegungen, die sich lässig denen des Pferdes anpassen, ihr erhobenes Kinn und die ganze Ausstrahlung, die sie als ein einmaliges Exemplar von einer Frau erscheinen lassen.
Ihr grünäugiger Blick trifft ihn im Vorbeireiten.
Und dann – als sie vorbeigeritten sind – da wird er sich bewusst, dass er sich den Mann neben ihr gar nicht angesehen hat.
Er fragt sich nun, was es für ein Mann sein mag, ihr Mann – oder nur ein Begleiter? Doch auch der Mann, den Pierce nun nur noch von hinten sieht, sitzt wie ein Mann im Sattel, der zu der besonderen Sorte gehört, wie ein Boss. Nein, Pierce glaubt nicht, dass dieser Mann neben ihr ein Untergebener ist, ein Begleiter, der sie in dieser wilden Stadt Dodge City beschützen soll.
Nein, die beiden Menschen da im Sattel auf erstklassigen Pferden sind ein Paar. Ein stolzes Paar.
Pierce Newtons Neugierde ist nun stark. Denn der grünäugige Blick dieser stolzen Reiterin hat ihn bis tief in den Kern getroffen.
Er leert nun das Glas, pafft einige Züge aus der Zigarre und starrt dem Rauch nach. Gestern kam er von der Kansas Prärie rein mit seinem Wagenzug voller Büffelhäute. Er hat sie gut verkauft, auch den Wagenzug. Er zahlte seine Abhäuter aus und war sich darüber klar, dass er nie wieder auf Büffeljagd gehen wird.
Er trägt nun neues Zeug und hat dreitausend Dollar in seinem Geldgürtel, etwa hundert noch lose in der Tasche.
Er erhebt sich und folgt dem Paar zum Mietstall, denn er meint, dass er nun auch mal nach seinem grauen, narbigen Wallach sehen müsste. Dieser Wallach ist so etwas wie ein vierbeiniger Freund für ihn, ein echter Partner, auf den er sich verlassen kann.
Aber insgeheim gibt er vor sich selbst zu, dass er auch aus Neugierde dem Mietstall zustrebt. Und als er in den Hof tritt, in welchem einige Wagen abgestellt sind, da kann er noch sehen, wie sich die schöne Frau in Weidetracht vom Pferd schwingt.
Nun endlich kann er auch den Mann von vorne sehen. Und da weiß er auf den ersten Blick, dass er einen besonderen Mann sieht, ja, einen Burschen, der dieser Frau gewiss angemessen ist, oder sie ihm.
Und so lässt er jede Hoffnung fahren, sich mit ihr näher beschäftigen zu können, also irgendwie ihre Bekanntschaft zu machen. Er begreift, die beiden Menschen da sind ein Paar. Im Vorbeigehen kann er sehen, wie sie den Mann anlächelt und wie dieser das Lächeln zurückgibt.
Er verschwindet im Stall, wo ihm der Stallmann entgegenkommt, um sich um die Ankömmlinge zu kümmern.
Im Vorbeigehen sagt der alte Cowboy zu ihm: »Das ist ein vierbeiniger Oglala, nicht wahr?«
»Richtig, Cowboy. Sie kennen den Brand?«
»Ja, Mister. Und wie! Das ist die schwarze Hand der Hundesoldaten. Die habe ich kennengelernt, als ich für Nelson Story die Pferderemuda trieb. Und jetzt habe ich noch eine Pfeilspitze im Hintern, sodass ich nicht mehr reiten kann. Kein Doc kann mir das Ding herausschneiden, kein Doc.«
Er geht weiter und verschwindet draußen. Pierce Newton aber besucht seinen Wallach in einer der Boxen.
»Na, Grauer«, murmelt er, »ich sehe, man hat dich gut versorgt. Und du musst mir nicht so heftig ins Gesicht blasen. Ich weiß auch so, dass du wieder hinaus auf die weite Prärie möchtest. Lass mir noch einen einzigen Tag und eine Nacht in dieser hässlichen Stadt. Denn ich will noch etwas Spaß haben. Gedulde dich bis morgen. Dann verschwinden wir. Wenn ich nur wüsste, wohin.«
Er klopft dem Wallach noch mal gegen Hals und Brust und verlässt die Box. Doch noch bevor er aus dem Halbdunkel des Stalls in den Hof gelangt, hört er die harten und scharfen Stimmen eines Streits.
Er hält inne, tritt im Stallgang sogar hinter einen der starken Stützpfosten und blickt hinaus.
Und da begreift er die ganze Sache schnell.
Drei Männer kamen in den Hof. Zwei von ihnen gehören zu jener Sorte, die man in diesem Land als Revolverschwinger bezeichnet. Sie sind Revolverhelden, die von ihren schnellen Colts leben. Man kann sie anwerben zum Schutz – oder auch für andere Revolverarbeit.
Sie sind offensichtlich die Begleiter eines Mannes, der wie einer der Viehaufkäufer wirkt, welche hier in Dodge City auf Herden warten, um sie für die Fleischfabriken im Osten verladen zu lassen.
Diese Viehaufkäufer stehen untereinander in einem harten Konkurrenzkampf und stürzen sich manchmal wie die Geier auf einen Herdenführer, wenn längere Zeit keine neuen Herden gemeldet wurden und seine Herde weit und breit die Einzige ist.
Pierce Newton hört den Viehaufkäufer hart und fordernd sagen: »Mr. Stuart, ich zahle Ihnen den Höchstpreis, denn ich muss Ihre Herde haben. Ich muss – verstehen Sie? Und so sage ich Ihnen, dass Sie mit der Herde keine zehn Meilen weit kommen würden. Sie haben gar keine andere Wahl, Sie müssen an mich verkaufen. Also?«
Pierce Newton hört das »Also« und ist nun neugierig auf die Antwort des Mannes der schönen Frau. Offenbar heißt er Stuart.
Nun wird es sich zeigen, was für ein Mann er ist. Wird er angesichts der beiden Revolverschwinger kneifen oder ihnen sagen, dass sie zur Hölle gehen sollen?
Pierce muss nicht lange warten, dann hört er Stuart erwidern:
»Mann, Bullock, ich habe keinen Liefervertrag mit Ihnen. Ich treibe meine Herde, wohin ich will, also auch nach Montana hinauf. Geben Sie auf, Bullock. Ich habe Ihr Angebot gestern schon abgelehnt. Dabei bleibt es! Basta!«
Er will sich dem Stallmann zuwenden, welcher in der Nähe verharrt, um ihm seine Wünsche bezüglich der beiden Sattelpferde zu sagen.
Doch da grollt jener Bullock, der offenbar in der Klemme steckt wegen Lieferschwierigkeiten an seine Auftraggeber: »Stuart, was wäre, wenn Ihre schöne Frau sehr schnell eine Witwe wäre? Würde sie dann mit der Herde immer noch nach Montana wollen?«
Als Bullock dies gesagt hat, greift Stuart nach seiner Waffe, die er tief genug trägt, um sie schnell ziehen zu können.
Und er ist schnell, sehr schnell. Doch er kann nicht auf jenen Bullock, sondern muss auf dessen zwei Revolverhelden schießen, weil die ebenfalls ziehen und nicht langsamer sind als er.
Die Schüsse krachen zur gleichen Zeit, erfüllen den Hof mit ihrem Donnern. Und dann fallen drei Männer auf verschiedene Weise in den Staub.
Stuart fällt nach vorne auf die Knie und legt sich langsam auf die Seite. Einer der Revolvermänner dreht sich halb zur Seite, gestoßen von Stuarts Kugel, taumelt noch zwei Schritte und bricht zusammen. Und der zweite Revolvermann geht auf die Knie wie Stuart, hält sich den Bauch und fällt aufs Gesicht.
Jener Bullock aber ruft: »Er zog zuerst die Waffe, er zog zuerst! He, Stallmann, Sie sind Zeuge! Er zog zuerst, dieser verdammte Rebell aus Texas!«
Pierce Newton hört dies und nimmt jedoch alles nicht mehr so richtig wahr. Denn er beobachtet die Frau. Sie ist unbewaffnet. Aber nun springt sie zu ihrem Pferd, will dort das Gewehr aus dem Sattelschuh holen.
Und gewiss wird sie damit auf Bullock schießen.
Doch Bullock stößt einen bösen Ruf aus. Er hat plötzlich einen Taschencolt in der Hand, eines dieser kleinen Dinger, welche Spieler bevorzugen.
Er ruft: »Versuchen Sie es nicht – nur nicht!«
Doch sie hält nicht inne, bekommt das Gewehr aus dem Holster, wirbelt damit herum und lädt gleichzeitig mit dem Unterhebel durch.
Da schießt Bullock tatsächlich, trifft auf die Entfernung jedoch mit der kurzläufigen Waffe nicht. Schließlich stehen sie mehr als zwanzig Schritte auseinander.
Dafür trifft Pierce Newton aus dem Stallgang heraus mit der schweren Kugel seines Colts. Bullock bekommt sie in den dicken Bauch und bricht zusammen.
Und dennoch feuert die Frau mit dem Gewehr in ihn hinein, tötet ihn endgültig. Sie konnte offensichtlich nicht mehr innehalten.
Sie sieht sich dann nach Pierce Newton um, wirft ihm nur einen schnellen Blick zu, eilt dann aber zu ihrem Mann hin und wirft sich bei ihm auf die Knie.
»Nun holt doch einen Doc!«, ruft sie Sekunden später über die Schulter. »Oder gibt es in diesem Drecknest keinen Doc? Wenn ja, dann holt ihn! Ihn oder eine andere Hilfe!«
Pierce nickt dem Stallmann zu: »Na los, Cowboy, lauf schon!«
Er selbst geht hin zu der Frau und dem am Boden liegenden Stuart und kniet dort ebenfalls nieder.
Leute kommen von der Main Street in den Hof, füllen diesen rings um die Toten und Verwundeten.
Während die schöne Frau und Pierce noch bei dem schwer angeschossenen Stuart knien, kommt ein Mann angelaufen, der sich durch den dichten Kreis der Neugierigen drängen muss. Dieser Mann schnauft atemlos und stößt hervor: »Ich bin der einzige Doc. Soll ich mich um Ihren Mann kümmern? Er ist doch Ihr Mann – oder, Lady?«
»Holen Sie ihm die verdammte Kugel heraus«, erwidert die schöne Frau.
Pierce, der ja dicht neben ihr kniet, kann sie aus der Nähe betrachten. Und so ernst und bitter die ganze Situation auch ist, er spürt ihre Ausstrahlung. Er wittert etwas, was ihn irgendwie berührt und er noch niemals in der Nähe einer Frau verspürte.
Er erhebt sich. Denn der Doc gibt nun einigen Männern, die er offensichtlich kennt, Befehle. Sie alle gehorchen ihm, denn wer will es sich schon in solch einer wilden Stadt mit dem einzigen Doc verderben?
Und so tragen sie den schwer angeschossenen Stuart davon.
Ein Mann mit einem Marshalstern an der Weste bleibt bei Pierce und dem Stallmann zurück und lässt sich alles genau schildern.
Zuletzt nickt er wortlos, wendet sich an den Leichenbestatter, der mit einem Wagen und einem Gehilfen kam, und sagt trocken: »Da hast du wieder Arbeit, Slade. Dein Geschäft ist eine Goldgrube.«
Er wendet sich nach diesen Worten an Pierce und den Stallmann und nickt ihnen zu. »Ich muss eure Unterschriften haben für das Protokoll nach der Leichenschau. Kommt heute noch in mein Office.«
Er sieht Pierce schärfer an und spricht dann: »Die Lady hat Ihnen also das Leben zu verdanken, Büffeljäger. Es wäre wirklich schade gewesen um die Schöne.«
Nach diesen Worten geht er davon.
Der Leichenbestatter beginnt mit seinem Gehilfen die Toten aufzuladen. Und der Stallmann bringt die Pferde der Stuarts in einen Corral, sattelt sie dort ab, indes auch Pierce Newton den Hof des Mietstalls verlässt.
✰
Pierce Newton verbringt den Tag weiterhin auf der Veranda des Long Trail Saloons und holt sich von Zeit zu Zeit ein Bier, raucht manchmal eine Zigarre, geht auch zum Mittagessen und beobachtet das Leben und Treiben in der Stadt.
Er kennt es inzwischen – denn er kam ja am Vortag schon her. Und so weiß er, dass Dodge City bis zum späten Nachmittag fast tot ist, besonders dann, wenn keine Herden angekommen sind und auch keine Verladung stattfindet.
Und auch jetzt ist nur die Stuart-Herde in der Nähe. Selbst wenn deren Mannschaft abwechselnd Stadturlaub bekommt, wird nicht viel mehr los sein. Nur Büffeljäger, Frachtfahrer und die Verlademannschaft der Eisenbahn werden etwas Leben in die Saloons und Bordells bringen.
Pierce Newton denkt an diesem Tag wieder über seine Zukunft nach. Was soll er anfangen? Wie müsste er seine dreitausend Dollar einsetzen, um sie zu vermehren? Die Büffeljagd ist für ihn vorbei. Und als Trapper Pelze jagen irgendwo in den fernen Bergen, vom Herbst bis zum Frühling in einer einsamen Hütte leben, das möchte er auch nicht mehr.
Was also soll er tun?
Oh, er hat viele Möglichkeiten. Er könnte einen eigenen Frachtzug nach Westen bringen zu den Goldfundgebieten in Colorado. Er könnte eine Holzfäller- und Flößermannschaft ausrüsten und mit ihr den Missouri hinaufgehen, um an einem der Nebenflüsse Holz zu schlagen und einige Riesenflöße den Strom abwärts schaffen.
Er kennt sich ja aus im Land bis hinauf zur kanadischen Grenze. Er kennt die Indianer gut genug, denn seine Großmutter war eine Arapahoe-Squaw.
Er könnte also eine ganze Menge anfangen, Dinge, die nur ein ganzer Mann anfangen könnte.
Doch er denkt wieder an die schöne Frau, die wahrscheinlich ihren Mann verlieren wird und der draußen auf der Prärie eine Treibherde gehört, die sie beide mithilfe ihrer Mannschaft nach Montana hinauftreiben wollten.
Was wird sie nun tun?
Oh, er weiß, dass nach Nelson Story schon einige andere Texasherden nach Montana durchkamen, dass es aber auch eine ganze Reihe es nicht schafften.
Und diese Frau, deren Vornamen er immer noch nicht kennt, wird sicherlich aufgeben müssen. Nur Bullock wird die Herde nicht kaufen können. Bullock ist tot.
Er denkt wieder an die schöne Frau, die ihn durch ihre Erscheinung und Ausstrahlung so sehr beeindruckt hat. Sie hat grüne Augen, denkt er. Und ihr Haar ist so schwarz wie die Federn eines Raben. Sie reitet wie eine Amazone und ...
Seine Gedanken werden jäh gestört, denn er sieht sie nun.
Sie kommt die Straße entlang, wahrscheinlich aus dem Haus des Doc, wo man ihren Mann hingeschafft hat.
Wo will sie jetzt hin? Dies fragt er sich und denkt, dass sie wohl zum Mietstall unterwegs ist, um dort die Pferde zu holen. Und dann wird sie zur Herde reiten, um der Mannschaft zu sagen, dass ihr Boss vielleicht sterben muss.
Als sie die Veranda des Saloons erreicht, da sieht sie zu ihm hoch. Und plötzlich begreift er, dass sie zu ihm will. Ja, sie hat sich gewiss über ihn erkundigt. Und so hat man ihr wohl gesagt, dass er ein Büffeljäger sei, der schon fast den ganzen Tag auf der Saloonveranda hocken und Bier trinken würde.
Ja, sie steigt die drei Stufen von der Fahrbahn hoch und tritt zu ihm.
Er erhebt sich und greift an den Hut.
»Ma'am?« So fragt er. »Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«
Sie betrachtet ihn ernst, und wahrscheinlich sieht sie ihn nun erst so richtig. Von oben bis unten geht ihr Blick, dann wieder hinauf. Seine Augen, in die sie nun blickt, sind rauchgrau. Sein dunkles Gesicht hat einige tiefe Linien, auch einige Narben. Und seine Nase wurde gewiss einmal gebrochen. Aber es ist ein gut geschnittenes Gesicht mit einem Mund, der sehr harte Lippen bekommen kann, aber auch freundlich zu lächeln vermag.
Trotz ihrer Bitterkeit und Not gefällt ihr dieser Mann. Und überdies verdankt sie ihm das Leben. Denn zweimal hätte Bullock sie gewiss nicht verfehlt.
»Mein Name ist Newton, Pierce Newton«, murmelt er. »Wollen Sie sich zu mir setzen, Mrs. Stuart?«
»Paula«, erwidert sie, »nennen Sie mich Paula. Denn Sie haben ein Recht darauf.«
Er bietet ihr nun einen Stuhl neben sich an der Hauswand an. Und so sitzen sie im Schatten und können das Leben und Treiben auf der Straße betrachten.
»Möchten sie etwas trinken, Paula?« So fragt er.
»Ja, ein Bier, eines wie Sie es trinken«, erwidert sie.
Er hebt die Linke und schnippt mit den Fingern. Der Junge am Eingang, der dort zum Vorschein kam, fragt sofort: »Was möchten Sie, Sir?«
»Ein Bier für die Lady, Blinky«, erwidert Pierce. »Aber der Keeper soll ein sauberes Glas nehmen.«
»Yes, Sir«, erwidert der Junge fast jubelnd. Denn offenbar gefällt ihm, was er dem Barmann ausrichten soll.
Pierce fragt nun: »Wie geht es Ihrem Mann, Paula? Er hat eine böse Bauchwunde. Was sagt der Doc?«
Er blickt sie bei seiner Frage von der Seite her an und kann erkennen, wie sie erst zweimal mühsam schlucken muss, bevor sie erwidern kann: »Die Kugel im Bauch hat wohl keinen großen Schaden angerichtet, also keine inneren Organe zerfetzt, sodass John innerlich verblutet. Doch der Doc kann die Kugel nicht herausholen. Das wagt er nicht. Und so bleibt nur die Hoffnung, dass sie sich sozusagen verkapselt und nicht zu wandern beginnt. Wenn sie allerdings der Anlass zu einer Entzündung und Blutvergiftung wird ...«
Sie bricht ab, beendet den Satz nicht. Doch das muss sie auch nicht.
Pierce weiß auch so Bescheid, und so kann er nur leise murmeln: »Das tut mir mächtig leid um Ihren Mann, Paula. John ist sein Vorname?«
Sie nickt. »John Reb Stuart«, flüstert sie. »Ja, in Texas nannten sie ihn auch Reb. Doch ich habe ihn ein wenig zähmen können.«
Sie schweigen eine Weile, denn der Junge bringt das Bier und bekommt einen halben Dollar. Und da das Bier nur einen Vierteldollar kostet, macht er einen guten Gewinn.
Pierce sieht dann von der Seite her, wie Paula mit langen Zügen trinkt. Sie muss sehr durstig gewesen sein, und es gefällt ihm, dass sie Bier trinkt wie ein Cowgirl, sich nicht ziert und auf Lady macht. Und dabei ist sie so wunderschön.
»Kann ich Ihnen irgendwie helfen?« So fragt er. »Wissen Sie, Paula, ich habe eine Menge Zeit, denn ich konnte hier einen Wagenzug voller Büffelhäute verkaufen. Es waren fast zehntausend. Nun will ich keine Büffel mehr töten.«
Sie wendet ihm ihr Gesicht zu und betrachtet ihn staunend.
»Zehntausend Büffel?« So fragt sie fast ungläubig. »Und Sie haben diese Tiere alle alleine getötet?«
Er nickt. »Manchmal mehr als hundert an einem Tag – und dies etwa vier Monate lang. Ich bin nicht stolz darauf. Aber ich hatte fast zwei Dutzend Abhäuter bei mir, denen ich Arbeit verschaffen musste. Ich werde nie wieder einen Büffel töten.«
Sie schüttelt ungläubig ihren Kopf, denn ihr wird klar, was für eine Menge Munition dieser Mann verschossen haben muss. Und mit einem einzigen Büffelgewehr war das auch nicht zu machen. Er musste mehrere Gewehre verbraucht haben.