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Alle sechs bis acht Wochen ritt ich nach Elkhorn, um mal andere Gesichter zu sehen, ein paar Drinks zu nehmen, etwas Poker zu spielen und anschließend bei Dora Whitaker den Rest der Nacht zu verbringen. Dora gehörte der Saloon. Ich saß in dieser Nacht wieder einmal beim Poker und gewann zwischen Abendessen und Mitternacht etwa hundert Dollar. Es war dann gegen Mitternacht, als die Postkutsche von Cripple Creek nach Elkhorn kam. Draußen blies ein kalter Wind, denn der Winter lauerte schon in Wyoming. Einige Gäste, die an der Bar standen, gingen hinaus. Einer von ihnen steckte kurz danach wieder den Kopf in den rauchgeschwängerten Saloon und brüllte: »Da ist ein Weltwunder gekommen, Jungs! Oho, jetzt bekommt unsere schöne Dora Konkurrenz!«
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Seitenzahl: 151
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Die Unbeugsamen
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Impressum
Die Unbeugsamen
Alle sechs bis acht Wochen ritt ich nach Elkhorn, um mal andere Gesichter zu sehen, ein paar Drinks zu nehmen, etwas Poker zu spielen und anschließend bei Dora Whitaker den Rest der Nacht zu verbringen. Dora gehörte der Saloon.
Ich saß in dieser Nacht wieder einmal beim Poker und gewann zwischen Abendessen und Mitternacht etwa hundert Dollar.
Es war dann gegen Mitternacht, als die Postkutsche von Cripple Creek nach Elkhorn kam. Draußen blies ein kalter Wind, denn der Winter lauerte schon in Wyoming. Einige Gäste, die an der Bar standen, gingen hinaus. Einer von ihnen steckte kurz danach wieder den Kopf in den rauchgeschwängerten Saloon und brüllte: »Da ist ein Weltwunder gekommen, Jungs! Oho, jetzt bekommt unsere schöne Dora Konkurrenz!«
Und dann kam die Schöne auch schon herein. Ihr Haar war rotgolden, doch ihre Augen funkelten schwarz im Lampenschein. Sie trug ein flaschengrünes Reisekostüm, so wie es die wirklichen Ladys bevorzugten, besonders die in New Orleans, dieser französischen Stadt unseres Kontinents.
Wir hörten dann Dora Whitakers lauten Ruf: »Debra!« Und dann kam sie auch schon durch die offene Tür des Hinterzimmers.
Nun liefen sie aufeinander zu und fielen einander in die Arme. Und es war immer noch still im Saloon.
Fast hundert Gäste waren hier versammelt, denn Elkhorn in Colorado war für alle Menschen auf hundert Meilen im Umkreis sozusagen der Nabel der Welt.
Die beiden Schönen lösten sich endlich voneinander, hielten sich aber dennoch an den Händen. Und dann rief Dora Whitaker in die Stille: »Sie ist meine Schwester! Und sie ist eine Lady. Habt ihr wilden Jungs das verstanden? Sie ist eine Lady!«
Die letzten Worte rief sie mit warnendem Klang in ihrer kehligen und dennoch melodisch klingenden Stimme, welche jedem Mann unter die Haut ging.
Nach diesen Worten ging Dora mit ihrer Schwester Debra die geschwungene Treppe nach oben.
Und ich wusste ziemlich sicher, dass ich diesmal nicht in Doras Bett landen würde. Und schon gar nicht irgendwann in den ersten Morgenstunden, nachdem der Saloon geschlossen worden war. Nein, diesmal hatte Dora gewiss keine Zeit und kein Verlangen nach mir.
Das war mir klar. Und so war ich eigentlich – was Dora betraf – umsonst nach Elkhorn gekommen. Dann wollte ich wenigstens beim Pokern gewinnen. Denn die Dollars konnte ich gut gebrauchen. Meine Pferdezucht warf noch keinen großen Gewinn ab. Ich betrieb sie noch nicht lange genug mit einem wunderbaren Hengst und einem Dutzend Zuchtstuten. Sie alle hatten prächtige Fohlen bekommen, aus denen etwas werden würde. Doch das brauchte Zeit.
Es verging noch fast eine Stunde. Ich gewann nochmals etwa fünfzig Dollar und hatte insgesamt nun um die einhundertfünfzig Dollar eingesackt, wie man so sagt. Damit konnte ich mit meinen beiden Helfern wieder eine Weile auf der Pferderanch leben.
Kurz vor Ende der Nacht kam einer von Dora Whitakers Angestellten zu uns an den Tisch und sagte mitten in unser Pokerspiel hinein: »Mister Logan, die Chefin möchte Sie sofort sehen.«
Ich staunte.
Heiliger Rauch, Dora ließ mich nach oben bitten. Was war das?
Ich ging nun wortlos, ließ die anderen Spieler, die mich wahrscheinlich beneideten, zurück. Und oben stand die Tür zu Doras beiden Räumen offen. Ich kannte mich ja gut aus.
Vom Wohnzimmer aus gelangte man in ihr Schlafzimmer. Dort stand das große Messingbett mit den kinderkopfgroßen Kugeln auf den Bettpfosten.
Aber diese Tür war heute geschlossen.
Ich durfte also nur ins Wohnzimmer. Und hier saßen die beiden Schwestern, die zwar beide wunderschön, doch äußerlich sehr unterschiedlich waren.
Dora war schwarzhaarig mit blauen Augen.
Diese Debra aber hatte rotgoldene Haare und pechschwarze Augen.
»Setz dich, mein Freund«, sprach Dora zu mir. »Und schließ die Tür. Wir haben mit dir zu reden.«
Nun war ich neugierig. Ich witterte irgendetwas und wusste dennoch nicht, was es sein würde. Und so setzte ich mich und bekam einen Drink eingeschenkt.
Sie sahen mich beide prüfend an, besonders jene Debra mit ihren kohlschwarzen Augen. Ja, sie forschte noch, versuchte mit ihrem Instinkt in mich einzudringen. Und gewiss hatte Dora ihr eine Menge von mir erzählt.
Und Dora war es auch, welche sagte: »Debra wird deine Nachbarin dort draußen in den Hügeln. Ich bitte dich, ihr ein guter Nachbar zu sein. Kümmere dich um sie, wenn sie Hilfe möchte. Kann ich mich darauf verlassen?«
Ich sah von ihr auf jene Debra und dann wieder auf sie und nickte kurz.
Da sagte sie: »Schwester, er ist einer der letzten Ritter auf dieser Erde. Du wirst einen Beschützer haben wie sonst keinen unter zehntausend. Jeff, du weißt ja, dass mir die kleine Ranch neben deiner gehört. Ich habe sie damals von Ben Miller beim Pokern gewonnen. Sie ist nicht viel wert, aber es ist ein schönes Fleckchen Erde in dem kleinen Tal. Debra möchte eine Weile die ganze Welt vergessen, allein sein und nichts mehr hören und sehen von dieser Welt. Verstehst du? Eigentlich ist sie auf der Flucht vor einem Mann. Wenn er bei ihr auftauchen sollte, dann beschütze sie. Jeff Logan, du bist mir etwas schuldig. Oder nicht?«
Ich nickte wieder. Was sollte ich auch sagen? Eigentlich konnte ich nur nicken.
Und dann sah ich wieder in Debras schwarze Augen.
Nun konnte ich irgendwie spüren, dass sie fertig war mit dieser Welt und ihren Menschen, nichts mehr sehen und hören wollte. Sie war vor irgendwelchen Dingen zu ihrer Schwester geflüchtet.
Ich erhob mich.
Dora sagte: »Debra trägt unseren Mädchennamen. Sie heißt Debra Dennehy. Ich lasse morgen in aller Frühe einen Wagen mit allen notwendigen Dingen beladen. Concho wird sie mit all dem Zeug hinausbringen. Reite mit ihnen. Gut so, Jeff?«
Und wieder nickte ich.
Dann ging ich. Es war heute nichts mit Dora in ihrem schönen Bett bis zum Vormittag und einem späten Frühstück. Ich würde die paar Stunden bis zum Sonnenaufgang im Heu des Mietstalls schlafen. Es lohnte sich nicht mehr, im Hotel ein Zimmer zu nehmen.
✰
Der kleine Mexikaner, den sie nur Concho nannten, fuhr den Wagen, welcher voll beladen war.
Debra Dennehy und ich, wir ritten hinterher. Es war ein weiter Weg zu meiner Ranch in den Hügeln unterhalb der Grand Mesa zwischen den Elk Mountains und der Sawatchkette. Es war ein verdammt abgelegenes und einsames Land. Auch ich hatte mich vor etwas mehr als zwei Jahren dorthin geflüchtet, um meinem Revolverruhm zu entkommen.
Ich ahnte, dass auch Debra Dennehy in die Einsamkeit flüchtete, wenn auch aus anderen Beweggründen als ich damals.
Die ersten Meilen redeten wir kein Wort. Ich ließ ihr Zeit, drängte mich nicht auf. Gewiss, sie war schön, eigentlich noch schöner als Dora.
Was mochte sie in die Einsamkeit getrieben haben?
Als wir einmal einen Hügelsattel überquerten, anhielten und das Land betrachteten, da sprach sie plötzlich: »Gut, Mister Logan, Sie haben ein Recht darauf, mehr über mich zu erfahren. Dora bat Sie, mich zu beschützen und mir wie ein guter Nachbar Hilfe zu geben. Ich bin einem Clan weggelaufen, einem mächtigen Clan von Verbrechern, die sich als erfolgreiche Geschäftsleute und Unternehmer tarnen. Ich bin immer noch mit einem der Söhne des Clan-Chefs verheiratet. Und ich weiß zu viel. Deshalb können diese Banditen mich nicht in Freiheit lassen. Sie wollen mich wieder unter Kontrolle bekommen. Nur so können sie sich sicher sein, dass ich nicht eines Tages ...« Sie brach ab, aber wahrscheinlich wollte sie sagen: »... eine Kronzeugin ihrer Machenschaften und Verbrechen werden könnte.«
Ich sagte, bevor sie den Satz beenden konnte: »Schon gut, Debra. Wir sollten als Nachbarn alle Förmlichkeiten lassen. Nennen Sie mich Jeff. Und ich sage Debra zu Ihnen. Einverstanden? Ich werde ein guter Nachbar und Beschützer sein. Dora bat mich darum. Ich bin ihr das schuldig. Und ich tue es gern.«
»Danke«, murmelte sie und blickte dabei geradeaus, so als versuchte sie, in der Ferne etwas von ihrer Zukunft erkennen zu können. Doch sie sah nur das wilde, schöne Land der Rocky Mountains mitten in Colorado.
Ich begann, die ganze Sache erst so richtig zu begreifen.
Sie war auf der Flucht vor einem mächtigen Clan, den sie verlassen wollte. Doch sie wusste zu viel über diesen Clan. Und der Mann, mit dem sie verheiratet war, musste sie bitter enttäuscht und verraten haben. Nun hatte sie wieder ihren Mädchennamen angenommen.
Ich ahnte allmählich, was sein würde, wenn man ihren jetzigen Aufenthaltsort herausfinden sollte, wenn man sie aufspürte.
Vielleicht hatte mir Dora Whitaker eine verdammt große Dankabtragung abverlangt. Denn eigentlich hatte sie mich ja immer nur mit in ihr Bett genommen und mir Zärtlichkeiten geschenkt, die ich ihr stets voll zurückzahlte.
War es das wert? War ich Debra Dennehy wegen ihrer Schwester wirklich so viel schuldig?
✰
Zu meiner Ranch waren es von Elkhorn etwa zwölf Meilen durch einen gewaltigen Canyon, der auch von Hügelketten durchzogen wurde, die sich erhoben wie die Wellen eines Waschbretts. Und so ritten wir immer leichte Hänge hinauf und wieder hinunter. Aber rechts und links von uns erhoben sich die gewaltigen Hänge der Rockies.
Debra sprach lange nichts. Nur einmal fragte sie: »Wann sind wir da?«
»Bald«, erwiderte ich und sah sie von der Seite an. Dabei fragte ich mich, was für einem Burschen sie wohl gehört haben mochte, bevor sie ihm und seinem Clan weglief. Was hatte ihr dieser Bursche angetan?
Es musste etwas Schlimmes gewesen sein, etwas Böses oder Gemeines.
Es war früher Mittag, als wir das kleine Tal erreichten, in dem sich der kleine See befand, der durch einen Creek ständig Zulauf hatte.
Der Creek floss nach Süden zu aus dem Tal, bewässerte auch einen Teil meiner Weide und bildete auch in meinem Tal einen kleinen See, der jedoch groß und tief genug war, dass man im Sommer in ihm schwimmen konnte.
Wir sahen nun endlich die Hütte, den Schuppen und den Corral der einstigen Miller Ranch. Es gab hier auch noch einige Rinder mit dem M-Brand und einige halbverwilderte Pferde.
Wir hielten auf einer leichten Höhe an und blickten in das kleine Tal nieder.
»Das ist es«, sagte ich. »Und wenn Sie dem Creek nach Süden folgen, erreichen Sie mein Tal und meine Pferderanch. Es sind nur etwas mehr als zwei Meilen.«
Sie nickte und starrte auf das armselige Anwesen. Als jener Miller es damals bei einem Pokerspiel zum Einsatz brachte, da einigte man sich auf einen Wert von fünfhundert Dollar. Ich wusste darüber Bescheid, weil Dora es mir erzählt hatte.
»Nun gut«, sagte Debra, »ich werde schon was daraus machen. Denn ich werde arbeiten von früh bis spät. Meine Schwester wird mir auch eine Milchkuh und Hühner herschaffen lassen. Es ist ein hübsches Tal. Sind Fische im See?«
»Sicher«, erwiderte ich. »Sie sollten für Brennholz sorgen. Der Winter kann lange dauern und verdammt kalt sein. Lassen Sie Concho zwei Tage lang hier arbeiten. Dann kann ich Ihnen einen meiner beiden Helfer schicken. Sie brauchen eine Menge Holz, Debra. Sonst erfrieren Sie.«
Sie nickte.
Concho fuhr den Wagen bis vor die Hütte, spannte dann die beiden Pferde aus und kam mit ihnen zu Debra und mir an den See, wo wir unsere Tiere tränkten.
Debra begann dann, um den kleinen See herumzuwandern. Er hatte nur einen Durchmesser von etwa hundert Yards.
Der kleine Concho trat zu mir. Wir kannten uns gut, denn er war einer von Doras Angestellten. Er versorgte die Pferde ihrer Gäste, füllte die Wassertröge und leerte auch die Abortkübel der Gruben. Er tat alles und war glücklich dabei, weil er ein kleiner, bescheidener Bursche unbestimmbaren Alters war.
Ich nickte ihm zu und fragte dann: »He, wie lautet eigentlich dein richtiger Name, Concho?«
»Francisco Roberto Mendoza«, erwiderte er stolz. »Aber als ich klein war, nannten sie mich alle nur Concho. Und hier in der Fremde ist es ja gleich, wie man gerufen wird. Ich bin weit weg von Sonora. Aber es ist eine Ehre für mich, dass Sie mich nach meinem richtigen Namen fragen, Señor.«
Debra kam herüber vom See. Und Concho brachte die Pferde in den Corral.
Dann traten wir ein in die kleine, nur zweiräumige Hütte. Es sah schlimm in ihr aus.
Debra arbeitete schweigend. Aber sie wirkte immer noch entschlossen, und so begann ich zu begreifen, dass sie eine Kämpferin war, die so schnell nicht aufgab.
Es war dann später Nachmittag, fast schon Abend, als ich mich verabschiedete.
Als ich im Sattel saß, sah sie zu mir empor und schenkte mir ein ernstes, aber gewiss dankbares Lächeln.
»Danke«, sagte sie, mehr nicht, nur dieses eine Wort.
Aber ich wusste, sie war voller Misstrauen gegen die ganze Welt. Die Dinge, vor denen sie geflüchtet war, mussten in ihr fast alles zerstört haben. Nicht mal bei ihrer Schwester in Elkhorn hatte sie bleiben wollen. Die Einsamkeit dieses Tales und dieser armseligen Hütte war ihr lieber.
Sie musste mit irgendwelchen Dingen zurechtkommen, weil sie zutiefst verletzt worden war.
✰
Es war Nacht, als ich meine Ranch erreichte. Meine Helfer Hank und Rio hatten schon ihr Abendbrot vertilgt, denn sie hatten auf der Veranda gesessen, sich aber gewiss sofort erhoben, als sie den Hufschlag meines Pferdes hörten. Und so rief ich schon aus einiger Entfernung: »Ich bin es!«
Sie erkannten sofort meine Stimme.
Rio kam, um mir das Pferd abzunehmen. Dabei sagte er: »Es war wohl schön in Elkhorn, Boss?«
Er hieß Rio Bassedy und war ein verwegener Bursche, noch jung und dennoch sehr erfahren und mit allen Wassern gewaschen. Gewiss hatte er eine dunkle Vergangenheit, doch er liebte Pferde. Und wenn er sein Halstuch abnahm, um sich zu waschen, da sah man die Narben eines Stricks. Ja, man hatte ihn hängen wollen, doch das schien nicht geklappt zu haben. Vielleicht war der Strick gerissen – oder man hatte ihn im allerletzten Moment wieder zu Boden auf die Füße gelassen. Aber er sprach nicht darüber.
Ich hatte ihn damals angeworben, um Wildpferde zu fangen. Denn ich betrieb ja nicht nur eine Pferdezucht mit einem wundervollen Hengst und edlen Stuten, sondern fing auch Wildpferde. Die ritten wir zu oder gewöhnten sie an das Ziehen von Wagen, um sie an die Post- und Frachtlinie zu verkaufen. Sie wurden gerne wegen ihrer Zähigkeit und Ausdauer genommen und als Führpferde der Sechsergespanne eingesetzt.
Rio war gut zu jedem Pferd, selbst zu den bösen Beißern, die mal verdorben worden waren.
»Wir haben eine schöne Nachbarin, Rio«, sagte ich, als er das Pferd übernahm. »Zwei Meilen von hier auf der alten Miller Ranch. Morgen reitest du hin und machst einen langen Tag Brennholz für sie. Aber halte dich zurück, denn sie ist eine Lady und suchte die Einsamkeit, um etwas vergessen zu können. Sie spricht nicht viel. Aber du bekommst etwas Wunderschönes zu sehen.«
»Dann werde ich morgen besonders früh aufstehen, Boss.« Er grinste. Ja, ich sah seine weißen Zahnreihen im Mond- und Sternenschein blinken. Er war ein hübscher, geschmeidiger Bursche, vor dem kein Mädchen und keine junge Frau sicher waren. Doch ich wusste, dass er Debra Dennehy nur wie ein Heiligtum anstaunen würde.
Als ich auf die Veranda trat, stellte der alte Hank wieder seine Schrotflinte an die Wand neben dem Schaukelstuhl, aus dem er sich beim Hören des Hufschlags erhoben hatte.
Seine Ohren waren noch so gut wie die eines Luchses, denn er sagte: »Wenn die so schön ist, dann wird Rio sie vernaschen wollen. Warum hast du mich nicht mit dem Holzhacken betraut, Boss?«
Er war ein alter Cowboy und Zureiter, dem die bösen Böcke schon fast alle Knochen gebrochen hatten. Zu Fuß bewegte er sich stets etwas schief und leicht hinkend auf seinen krummen Beinen. Aber im Sattel eines Pferdes wirkte er wie ein stolzer Ritter, da ging stets eine totale Veränderung mit ihm vor.
Er wartete nicht auf Antwort, sondern sprach weiter: »Er wird ihr auch das Pokerspielen beizubringen versuchen. Das versucht er bei allen Mädchen und Frauen. Und dann gewinnt er ihnen nach und nach die Kleidungsstücke ab. Vorhin erst hat er mir die Geschichte von der schönen Ramona am Rio Grande erzählt, die an ihn sogar noch die Unschuld verlor, nicht nur ihr letztes Hemdchen.«
Er lachte wie ein Ziegenbock. Ja, es war ein meckerndes Lachen.
»Bei unserer Nachbarin wird er es nicht wagen«, erwiderte ich. »Die wird er wie einen Engel anbeten, der für ihn unerreichbar ist. Du kannst übermorgen hinreiten, Hank.«
✰
Die Tage vergingen. Ich schickte Rio und Hank abwechselnd zu Debra, damit sie ihr halfen, sich einzurichten. Ich hörte, dass Concho wieder nach Elkhorn gefahren wäre, um eine zweite Wagenladung mit allerlei Einrichtungsstücken und vielen anderen Dingen zu holen.
Rio und Hank kamen stets begeistert von Debra Dennehy zurück.
Hank sagte einmal, als wir beim Abendbrot saßen: »Die muss einmal tief in ihrer Seele verwundet worden sein, so wie ein Engel, dem man das Herz herausreißen wollte. Sie spricht nicht viel und arbeitet wie eine Sklavin. Gewiss will sie jeden Abend hundemüde sein, um tief und fest vor Erschöpfung schlafen zu können. Es ist eine unfassbare Verschwendung, wenn eine so schöne Frau wie eine Einsiedlerin lebt. Sie hat mir heute gesagt, dass wir nicht mehr zu kommen brauchten. Denn nun käme sie allein zurecht. Aber sie wüsste, dass sie uns zu großem Dank verpflichtet wäre, und wir sollten ihr nicht böse sein, wenn sie nun allein sein wollte. Ist das nicht traurig, Boss?« Er verstummte bitter.
Rio und ich, wir erwiderten nichts. Was sollten wir auch sagen?
Und so vergingen die Tage. Wir ritten immer noch die eingefangenen Wildpferde zu. Wir hatten siebenundfünfzig eingefangen und deshalb wirklich viel zu tun. Zureiten ist ein harter Job.
Es vergingen mehr als zwei Wochen. Ich ließ mich bei der schönen Debra nicht mehr blicken, aber ich durchstreifte immer wieder mal das Land im weiten Umkreis und achtete auf fremde Reiter oder zumindest auf irgendwelche Fährten.
Doch ich fand nichts, was uns oder mich hätte beunruhigen können. Unsere beiden Täler lagen wie einsame Inseln in einer weiten See in diesem Land der Rocky Mountains von Colorado, weit weg von Elkhorn.
Es war an einem Mittag, als Concho aus Elkhorn zu mir geritten kam.
Dora Whitaker wollte mich sehen.
Und so ritt ich hin und war mir sicher, dass ich endlich mal wieder eine Nacht – oder zumindest die zweite Nachthälfte – in ihren Armen verbringen würde. Es schien mir an der Zeit zu sein.