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Die Tür des Gastraums wird aufgestoßen, und ein bulliger Mann tritt ein. Er hat einen kleinen Kopf und kleine Augen. Und er steuert sofort auf den Tisch zu, vor dem Jos Baker steht und an dem Alamo Jones und seine Frau Judith sitzen. Einen Schritt vor dem Tisch hält der Mann an und sagt: »Jos, wir haben gehört, dass du deine Siedlerstätte verspielt hast. Zum Teufel, wem gehört sie nun? Du hättest sie jederzeit verkaufen können - an uns. Und du wusstest das genau, du verdammter Säufer ...« »Bitte fluchen Sie nicht, Mister«, mischte sich Alamo Jones ein. »Ich kann es nicht dulden, dass Sie sich in Gegenwart einer Lady danebenbenehmen.« Er sagt es sanft und höflich, und sein dunkles Gesicht ist sehr ruhig und ausdruckslos. Der bullige Mann betrachtet ihn, und er schaut Judith an. Er grinst plötzlich und sagt: »Verdammt noch mal, ich fluche selbst in Gegenwart von Ladys!«
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Seitenzahl: 168
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Das Paar vom Brazos
Vorschau
Impressum
Das Paar vom Brazos
Die Tür des Gastraums wird aufgestoßen, und ein bulliger Mann tritt ein. Er hat einen kleinen Kopf und kleine Augen. Und er steuert sofort auf den Tisch zu, vor dem Jos Baker steht und an dem Alamo Jones und seine Frau Judith sitzen.
Einen Schritt vor dem Tisch hält der Mann an und sagt: »Jos, wir haben gehört, dass du deine Siedlerstätte verspielt hast. Zum Teufel, wem gehört sie nun? Du hättest sie jederzeit verkaufen können – an uns. Und du wusstest das genau, du verdammter Säufer ...«
»Bitte fluchen Sie nicht, Mister«, mischte sich Alamo Jones ein. »Ich kann es nicht dulden, dass Sie sich in Gegenwart einer Lady danebenbenehmen.« Er sagt es sanft und höflich, und sein dunkles Gesicht ist sehr ruhig und ausdruckslos.
Der bullige Mann betrachtet ihn, und er schaut Judith an. Er grinst plötzlich und sagt: »Verdammt noch mal, ich fluche selbst in Gegenwart von Ladys!«
Er wendet sich wieder an Jos Baker. »Also, du verdammter Schnapsbrenner, an wen hast du den Besitztitel verloren?«
Jos Baker hebt die Hand. Sie zittert. »Der Mister hier ist der Gewinner«, sagt er. »Und es geht niemanden etwas an, was ich mit meinem Besitztitel mache, verstanden? Ich bin ein freier Amerikaner und stehe nicht auf Gage Buntlines Lohnliste.«
»Oh, du versoffener Kuhbauer«, sagt der Mann, den Jos Baker offensichtlich fürchtet.
Da erhebt sich Alamo Jones ruhig und tippt dem Mann mit dem rechten Zeigefinger leicht auf die Brust.
»Sie haben mich vorhin doch verstanden?«, fragt er leise.
»Oh, du verdammter Kartenhai«, sagt der Mann sofort. »Wir können jetzt gleich erst einmal richtig klarstellen, dass du hier ganz klein und bescheiden aufzutreten hast.«
Indes er das sagt, greift er mit beiden Händen nach Alamos Jackenaufschlägen und will Alamo dicht an sich reißen und dann sicherlich mit einem Ruck von sich stoßen.
Aber Alamo reißt rechtzeitig das Knie hoch. Er trifft den rauen Burschen empfindlich, kommt frei und schlägt dann von unten herauf eine schwere Rechte. Sie kommt schnell, hart und präzise, und sie trifft genau auf den Punkt.
Und damit ist es auch schon vorbei. Der Mann taumelt, fällt unglücklich über einen Stuhl, kracht mit dem Hinterkopf gegen die Wand und bleibt bewegungslos am Boden liegen.
»Wer ist dieser unhöfliche Bursche?«, fragt Alamo Jones den erstarrten Siedler ruhig und massiert dabei seine Hand und das Handgelenk. Er verdrängt den Schmerz, denn dieser ist stark. Eine Weile befürchtet er, dass er sich den Mittelhandknochen gebrochen hat. Aber dann ebbt der Schmerz langsam ab.
Alamo weiß, dass er einige Tage lang angeschwollene Knöchel und fast steife Finger haben wird. Er hat diesen bulligen Mann mit einem Schlag von den Beinen geschlagen, wie es selbst einem berühmten Preisboxer nur alle zehn Kämpfe vielleicht einmal gelingt.
Jos Baker sagt indes: »Du lieber Gott, mit einem einzigen Schlag haben Sie Mike McAllen auf die Bretter gelegt. Du lieber Gott im Himmel, ich bin doch nicht wieder betrunken und träume das alles nur.«
»Und wer ist dieser Mike McAllen?«, fragt Alamo Jones noch ruhiger.
»Gage Buntlines Vormann. Und Gage Buntline besitzt die B-im-Zirkel-Ranch, die größte und mächtigste Ranch im Land.«
Jos Baker wischt sich heftig und nervös übers Gesicht. In seinen Augen ist ein seltsames Funkeln. Er wirkt sehr erregt und wie ein Mann, dem ein Herzenswunsch in Erfüllung ging.
»Für einen richtigen Mann könnte meine Heimstätte die Chance seines Lebens werden«, sagt er plötzlich schnell. »Nur ich, ich war nie ein besonders harter und furchtloser Bursche. Deshalb wurde ich nur ein Schnapsbrenner. Aber Sie – Sie, ein Mann, der Mike McAllen mit einem einzigen Hieb ...«
Er verstummt und streckt die Hand aus.
»Die Siedlerstätte ist für fünfhundert Dollar geschenkt. Geben Sie mir noch hundert – ja?«
»Wenn Sie uns zu Ihrem Anwesen bringen und uns alles erklären«, sagt Alamo. »Sie können im Mietstall einen Wagen mieten und uns hier abholen.«
Jos Baker zögert. Dann entschließt er sich.
»Na gut! Was kann mir schon passieren? Ich bin ja nur der unwichtige und fast stets betrunkene Jos Baker. Ich bin kein stolzer Mann, kein Kämpfer, und ich habe keine stolzen Pläne – nichts. Na gut!«
Er geht hinaus.
Alamo wendet sich seiner Frau zu.
»Möchtest du immer noch in diesem Land bleiben, Judith?«, fragt er.
Sie betrachtet ihn fest, und sie ist eine Frau, die am Brazos aufgewachsen ist, in einem Männerland.
»Sicher, es wird Schwierigkeiten geben«, sagt sie. »Das kann man jetzt schon erkennen. Doch du bist Alamo Jones und nicht irgendwer. Ich habe dich geheiratet, weil du in meinen Augen größer bist als alle anderen Männer. Ich spürte das. Nur gezeigt hast du es noch nicht. Alamo, man bekommt wohl nichts geschenkt auf dieser Welt.«
»Nein«, sagt er. Er reicht ihr den Arm, und dann treten sie auf den Gehsteig hinaus.
Ein Mann nähert sich. Alamo kennt diesen Mann schon, denn auch dieser Mann gehörte am Tag zuvor zu der Pokerrunde. Alamo weiß, dass der große, blonde und löwenhafte Bursche der wichtigste und einflussreichste Mann von Rainbow ist.
»Dies ist Mister Bud Walker«, stellt er ihn seiner Frau vor. »Wir wohnten in Mister Walkers Hotel, aßen in seinem Restaurant. Dort drüben ist sein großer Store. Der Saloon dort auf der anderen Seite gehört ihm, und ich glaube, er besitzt auch die Bank und ...«
»Es ist nicht so wichtig«, sagt Walker. »Doch Jos Baker lief an mir vorbei und rief mir zu, dass Sie Mike McAllen mit einem einzigen Schlag von den Beinen holten.«
»Es war ein glücklicher Zufall«, murmelt Alamo.
Bud Walker zieht plötzlich einen Revolver aus dem Schulterholster. Doch sein Blick ist auf die Tür des Restaurants gerichtet. Dort steht McAllen schwankend und zielt auf Alamo Jones.
Bud Walker ruft hart und schneidend: »Mike, wenn du abdrückst, bist du tot!« Es ist eine eiskalte und scharfe Warnung.
Alamo und Judith wandten sich um, und sie sehen, wie sehr Alamo in Lebensgefahr war. Dieser Mike McAllen ist ein Mann, der keine Niederlage hinnehmen kann und der es immer wieder versuchen muss.
Er wollte es mit dem Revolver versuchen. Der wilde und hassvolle Wunsch, sich für die erhaltene Niederlage zu rächen, ließ ihm keine andere Wahl.
Doch nun verharrt er, zögert und denkt endlich nach. Er betrachtet Bud Walker grimmig und knirscht heiser: »Bud, misch dich nur nicht ein! Hörst du, misch dich nicht ein! Ich muss mit diesem verdammten Kartenhai eine persönliche ...«
»Ich trage keinen Revolver«, sagt Alamo Jones. »Ich bin unbewaffnet, Revolverschwinger!« Er öffnet seine Jacke. »Keine Waffe. Nichts im Ärmel, auch nichts im Hut!« Er sagt es mit einem unpersönlichen Lächeln.
Mike McAllen staunt. Dann lässt er die Waffe langsam sinken.
»Wenn Sie noch länger als drei Stunden in diesem Land bleiben, Kartenhai«, sagt er, »dann tragen Sie lieber eine Waffe.«
Er kommt langsam näher, steckt seinen Colt weg und betastet sein angeschwollenes Kinn. Es ist aufgeschlagen und wird noch sehr viel mehr anschwellen.
»Sie haben einen harten Schlag«, sagt er. »Doch ich werde es noch einmal mit Ihnen probieren. Ich weiß jetzt besser Bescheid. Und solch einen Schlag bringen Sie in hundert Jahren nicht wieder an. Wir sehen uns gewiss. Wenn Sie die Siedlerstätte zu Geld machen wollen, so kommen Sie zu Gage Buntline auf die Hauptranch. Und wenn Sie nicht kommen, dann werde ich Sie finden. Das ist alles!«
Er wendet sich nach dieser unverhüllten Drohung von Alamo Jones ab und Bud Walker zu.
»Warum hast du dich auf seine Seite gestellt?«, fragt er hart.
»Er trägt keine Waffe und besitzt Jos Bakers Siedlerstätte.«
Der große blonde und löwenhafte Bud Walker lacht. Er ist noch etwas größer als Mike McAllen, doch nicht ganz so breit und bullig.
Mike McAllens Blick wirkt für einen Moment überrascht. Doch dann grinst er breit.
»Sei nur kein Narr, Bud«, murmelt er. »Versuch nur nicht, größer zu werden, als deine Hosen es aushalten können.«
Nach diesen Worten geht er davon.
Alamo und Judith Jones und Bud Walker blicken ihm nach.
Dann sagt Bud Walker trocken: »Also, ich zahle tausend Dollar für den Besitztitel von Jos Bakers Siedlerstätte. Ich hätte sie gestern gewonnen, wenn Sie mir nicht zuvorgekommen wären.« Er sagt es schlicht und trocken.
Alamo schiebt den Hut aus der Stirn. »Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr«, sagt er. »Vorhin kam Jos Baker zu mir und erklärte, dass ihm niemand fünfhundert Dollar geben würde und er deshalb nicht den Besitztitel bei mir auslösen könnte. Und jetzt bieten Sie mir tausend Dollar. Die hätten Sie auch Jos Baker bieten können. Dann ...«
»Jos Baker ist ein Wurm«, unterbricht ihn Bud Walker. »Überdies hat er mich nicht um Geld gebeten. Er wusste ganz genau, dass Gage Buntline einen Mann schicken würde. Mister, in diesem Land gibt es einige Dinge, von denen Sie nichts wissen und ...«
Er bricht ab und macht eine heftige Handbewegung.
»Mike McAllen war gereizt wie ein Stier«, sagt er. »Er war blindwütig und dachte keinen Zoll über seine Nasenspitze hinweg. Er wollte Sie anrufen, Mister, und dann, wenn Sie sich umgedreht hätten, einfach schießen. Er dachte, dass Sie einen Revolver hätten. Nun, ich habe Ihnen wahrhaftig das Leben gerettet. Wie wär's, wenn Sie sich erkenntlich zeigten und mir die Siedlerstätte verkauften? Da Sie ein Spieler sind, der mit seiner Frau von Stadt zu Stadt reist, kann es Ihnen doch gleichgültig sein, wem Sie das Landstück verkaufen. Gage Buntline kennen Sie doch wohl nicht. Sie kennen nur seinen Vormann und mich. Da dürfte Ihnen die Wahl doch nicht schwerfallen und ...«
»Ich behalte die Siedlerstätte noch«, unterbricht ihn Alamo ruhig. »Ich behalte sie zumindest noch so lange, bis ich sie mir angesehen habe und meine Frau sich entschieden hat. Ich danke Ihnen für Ihren Beistand, Mister. Doch ich betrachte dies nicht als eine geschäftliche Schuld.«
Er greift nach seinem Hut, nimmt wieder Judiths Arm und führt sie zu dem Wagen, den Jos Baker jetzt an den Rand des Plankengehsteiges fährt. Er hilft ihr hinein. Jos Baker treibt das knochige Maultier schnell an, so als wäre er froh, aus der Stadt zu kommen.
Bud Walker und einige Bürger blicken dem Wagen nach.
Ein Mann kommt aus einer Gasse und tritt neben Bud Walker. Der Mann trägt einen Stern, ist mittelgroß, hager, grauhaarig und falkenäugig. Es ist der Town Marshal von Rainbow. Und er sagt: »Ich habe das einigermaßen begriffen, Bud. Als ich Jos Baker gestern den Besitztitel seiner Siedlerstätte aushändigte, da sah ich ihm seine Angst schon an. Und jetzt hat er dich und Gage Buntline reingelegt. Er hat nicht an ihn und auch nicht an dich verkauft. Er hat den Besitztitel einfach verspielt und somit einem völlig Fremden die Entscheidung in die Hand gelegt. Was nun, Bud?«
Der blickt ihn an. »Rainbow ist meine Stadt, Cass«, sagt er. »Und du bist der Marshal dieser Stadt. Vergiss das nur nicht. Ich mag es nicht, wenn in dieser Stadt jemand unparteiisch sein will. Die Stadt hat auf meiner Seite zu stehen. Denn sie gehört mir.«
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Sie fahren etwa drei Meilen auf der Poststraße und biegen dann auf einen Pfad ab, der von Huf- und Radspuren geschaffen wurde und der nach Nordosten zu durch die Hügel führt.
Jos Baker fährt schnell und treibt das Maultier immer wieder an. Wenn sie über einen Hügelkamm oder eine höhere Bodenwelle fahren, blickt er sich stets hastig und sichtlich besorgt nach allen Seiten um.
Sie fahren etwa fünf Meilen auf diesem Reit- und Fahrweg und biegen dann auf einen noch kleineren und weniger benutzten Pfad ab. Das Gelände senkt sich nun stetig, wird dann eben, und als sie die kleine Ebene überquert haben, auf der noch viel Wald steht und überall die Rinderherden grasen, erreichen sie eine neue Hügelkette.
Als sie diese Hügel hinter sich gelassen haben, sind sie bald darauf am Ziel. Unter einigen Bäumen steht eine kleine Hütte. Eine jämmerliche Scheune, ein Schutzdach und ein Corral gehören dazu.
»Das ist es«, sagt Jos Baker, als er den Wagen vor der Hütte anhält. »Es gehört Ihnen, denn die Übereignung meiner Besitzurkunde wurde ja gestern, als der Marshal auf seiner Abendrunde in den Saloon kam, von diesem bestätigt. Es gehört Ihnen, Mister. Und wenn Sie hart genug sind und sich nicht fürchten, dann könnten Sie den Preis auf zweitausend Dollar und noch höher steigern. Ich bin zufrieden, wenn Sie mir noch hundert Dollar geben.«
»Die bekommen Sie, Jos, wenn Sie mir endlich sagen, warum Sie den Besitztitel verspielt haben und auch nicht die geringsten Anstrengungen machten, ihn bei mir wieder auszulösen.«
Jos Baker starrt ihn eine Weile an. Dann wirft er einen schnellen Seitenblick auf die Frau.
»Nun«, sagt er dann, »ich kann es in vier oder fünf Sätzen sagen. Dieses Landstück grenzt an einen Sumpf. Wenn ich wollte, könnte ich den Sumpf trockenlegen. Das möchten Gage Buntline und Bud Walker auch, oder sagen wir, sie möchten die Möglichkeit zur Trockenlegung des Sumpfes besitzen. Denn dort hinter dem Sumpf leben Banditen. Sie sind von jenem Mann abhängig, der den Sumpf trockenlegen kann oder nicht. Und mithilfe dieser Banditen würde jener Mann mächtiger werden als jeder andere. Das ist es, Mister. Das ist es genau! Und ich bin nur ein kleiner Bursche. Ich bekam gestern meinen Besitztitel, doch ich fürchtete mich, damit die Stadt zu verlassen. Ich fürchtete mich auch, den Besitztitel in der Stadt zu behalten. Und so ...«
»Ich verstehe«, murmelt Alamo. »Wenn Sie den Besitztitel an Walker verkauft hätten, würde Ihnen Buntline das Fell abgezogen haben. Und Walker hätte Sie gestern gar nicht aus der Stadt gelassen. Da haben Sie den Besitztitel einfach an mich verspielt. Und nun stehe ich vor dem gleichen Problem wie Sie. Zwei harte Burschen wollen dieses Landstück haben. Und der, der es nicht bekommt, wird dies als eine Unfreundlichkeit auffassen und mir das Fell gerben lassen.«
»Genauso ist es.« Jos Baker grinst und hält Alamo die offene Hand hin. »Aber Sie sind ein harter Bursche«, sagt er dabei. »Sie können aus dieser Sache mehr machen als ich. Bekomme ich die hundert Dollar?«
Alamo greift in die Tasche und reicht ihm fünf Zwanzigdollarstücke.
»Wir brauchen das Maultier und den Wagen«, sagt er.
»Ich habe noch ein Pferd im Corral«, erklärt Jos Baker und geht eilig davon. Doch er kommt nur etwa fünf Schritte weit. Dann hören er und das Paar vom Brazos River trommelnden Hufschlag. Alamo und Judith sehen, wie der kleine Heimstätter und Schwarzbrenner erstarrt und erzittert. Doch dann atmet Jos Baker langsam aus. Er setzt seinen Weg ruhig und langsam fort, erreicht den Corral und nimmt dort einen alten Armeesattel von der Stange. Er geht hinein, sattelt das magere Pferd und führt es hinaus.
Bevor er aufsitzen kann, kommen fünf Reiter vor die Hütte. Sie halten ziemlich rau ihre Pferde an, sodass die Tiere mit der Vorderhand steigen. Mike McAllen ist dabei. Und er ruft zum Corral hinüber: »He, Jos! Komm her, Jos!«
Der Siedler atmet zitternd aus. Es klingt wie ein Seufzen, fast wie ein verhaltenes Wimmern. Dann lässt er die Zügel auf den Boden fallen, senkt den Kopf und kehrt seinem Pferd den Rücken. Er geht schlurfend bis vor die Reitergruppe und bleibt dann stehen wie ein furchtsamer Sünder.
Alamo und Judith betrachten indes ihre Besucher. Drei der fünf Reiter sind hartgesottene Cowboys von jener rauen Sorte, die jeden Befehl ausführt und dem Rancher die Verantwortung überlässt.
Der vierte Reiter ist Mike McAllen.
Und der fünfte Mann sieht wie ein Mann aus, der seine Befehle nicht zweimal geben muss.
Es ist ein dunkelhaariger, schlanker und hagerer Mann mit einem dunklen Gesicht, dunklen Augen und einem eleganten Bärtchen auf der Oberlippe. Aber er ist kein Stutzer. Seine Kleidung ist derb und abgenutzt. Nur sein teurer Stetson, seine Maßstiefel und ein blütenweißes Hemd deuten darauf hin, dass er wohlhabend ist. Seine Hose, seine Lederjacke, der Waffengurt und der Sattel sind abgenutzt.
Und er sitzt wie ein Kavallerieoffizier im Sattel, kerzengerade und ganz und gar nicht wie ein Weidereiter oder Rindermann.
Ja, er ist ein harter Mann, kalt und beherrscht, dies wird Alamo und Judith klar. Sie vermuten, dass es der Rancher Gage Buntline ist.
Er hat sie ebenfalls betrachtet. Nun greift er vor Judith an die Hutkrempe, lächelt blitzend, doch so kalt und scharf wie ein Tiger, der seinen Fang zeigt, und sagt mit sanfter Stimme: »Mein Name ist Buntline, Ma'am – Gage Buntline. Sie sollten lieber ein Stück von hier fortgehen, denn die Sache wird etwas rau. Ich möchte Sie nicht zu sehr erschrecken.«
Er betrachtet Alamo von oben bis unten, nickt leicht und sagt zu ihm: »Vielleicht werden Sie einen Nutzen aus der Sache ziehen, die Sie nun sehen.«
Nach diesen beiden Erklärungen wendet er sich an Mike McAllen und nickt leicht. Der Vormann und die drei Cowboys schwingen sich daraufhin aus den Sätteln und nähern sich Jos Baker.
Der zittert nun am ganzen Körper, fällt auf die Knie und streckt bittend die Hände aus, wie es früher wohl mal im alten Europa ein Leibeigener seinem Herrn gegenüber getan haben mochte.
»Sir, was sollte ich denn tun?«, krächzt Jos Baker. »Was sollte ich denn tun? Ich kam doch nicht aus dieser verdammten Stadt heraus. Bud Walkers Burschen hatten alle Stadtausgänge unter Kontrolle ...«
Weiter kommt Jos Baker nicht. Denn die drei Cowboys sind nun bei ihm angelangt. Mike McAllen sagt rau: »Los, Jungs, fangt an!«
Es sind drei rohe, stupide und ihrem jeweiligen Brotgeber willige Burschen.
Sie fallen über Jos Baker her wie drei Bullbeißer über ein Kaninchen. Und sie machen es erbarmungslos rau.
Gage Buntline, der Boss, sitzt kerzengerade und stolz im Sattel. Er wirkt sehr unduldsam und unversöhnlich. Er sieht sich die Sache auf eine sehr unpersönliche Art an.
Und auch das Paar vom Brazos sieht zu.
Judith Jones blickt nicht weg. Gewiss, sie ist eine Frau, doch sie stammt vom Brazos River in Texas, aus einem harten und rauen Männerland. Sie sah schon oft wilde Kämpfe und auch Bestrafungen dieser Art. Sie kennt das und hat es schon dann und wann als Kind gesehen. Sogar noch schlimmere Dinge sind ihr nicht fremd.
Und deshalb kann sie es mit Fassung betrachten. Ihr Gesicht jedoch ist sehr bleich. Nur auf ihren Wangen, dort wo sich die hohen Wangenknochen wölben, sind rote Farbflecke. Und sie beißt mit den Zähnen auf Unterlippe.
Einmal wendet sie den Kopf und blickt zu Gage Buntline auf.
»Zum Teufel mit Ihnen!«, sagt sie bitter. »Was sind Sie nur für ein Bursche, Buntline! Ich verachte Sie zutiefst. Es hat wohl keinen Sinn, wenn ich von Ihnen verlange, dass Ihre stupiden Schläger mit dem armen Unglücklichen dort aufhören sollen?«
Gage Buntline schüttelt den Kopf. Er betrachtet Judith scharf, und in seinen dunklen Augen leuchtet es seltsam.
»Sie sind eine prächtige und mutige Frau«, sagt er langsam. »Sie sind stolz und energisch. Und hart sind Sie, Ma'am. Aber was dort gemacht wird, das muss sein. Mein Prestige in diesem Land ist mir wichtiger als Jos Bakers Wohlergehen. Er hat genau gewusst, was ihm blüht, wenn er den Besitztitel an andere Leute vergibt. Er hat es gewusst, sich aber dennoch anders entschieden. Nun, jetzt bekommt er, was ...«
»Das ist Terror, Erpressung und ...«, beginnt Judith.
Doch er winkt lässig ab.
»In diesem Lande bin ich groß genug«, sagt er, »um mir solche Dinge erlauben zu können. Mein Wille ist hier Gesetz. So ist das!«
Er verstummt mit einer Spur von selbstzufriedener und überheblicher Härte. Was er soeben sagte, behagt seiner Selbstgefälligkeit sehr. Das konnte man an seinem Tonfall hören. Auch in seinen dunklen Augen glitzert es wieder stark.
Die drei Cowboys haben Jos Baker immer noch in den Fäusten hängen und schlagen abwechselnd auf ihn ein. Sie tun es nicht mit den Fäusten, denn da hätten sie ihn schon totgeschlagen. Nein, sie schlagen mit den flachen Händen. Jos Baker aber ist längst bewusstlos.
»Werft ihn in den Wassertrog!«, sagt Mike McAllen nun. Und dann sieht er zu, wie sie ihr Opfer zu einem ausgehöhlten Baumstamm schleifen und in das darin enthaltene Wasser werfen.
Gage Buntline aber wendet sich an Alamo Jones, der bisher kein Wort gesprochen hatte, nur zusah und beobachtete. Alamos braunes Gesicht blieb dabei ruhig und ausdruckslos, und vor den Blick seiner grauen Augen schien sich ein Schleier gesenkt zu haben. Denn auch dieser Blick verriet nichts, gar nichts.