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Eigentlich kam ich ganz zufällig nach Lockwood. Es lag auf meinem Weg nach Süden zur Grenze. Ich hatte in Santa Fe die erstbeste Postkutsche genommen, um möglichst schnell von dort wegkommen zu können. Denn sonst hätte ich auch noch die beiden Harris-Brüder Slim und Curly erschießen müssen, die in die Stadt gekommen waren, um ihren Bruder Wade zu rächen. Aber ich wollte keinen neuen Revolverkampf mit zwei rachedurstigen Hitzköpfen. Und so kniff ich und machte mich aus dem Staub. Ich holte nicht mal meine Siebensachen aus dem Hotel, sondern stieg im letzten Moment in die abfahrende Postkutsche zur Grenze. Nun, liebe Leserinnen und Leser meiner Geschichte, ich, Clay Cameron, kam also nach Lockwood, weil dort die Postkutsche etwas Aufenthalt hatte. Eine Stunde hatten wir Fahrgäste Zeit, um uns die Beine zu vertreten, einen Drink zu nehmen oder etwas zu essen. Und diese Stunde genügte, um mein Leben völlig zu verändern ...
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Seitenzahl: 147
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Die Camerons
Vorschau
Impressum
Die Camerons
Eigentlich kam ich ganz zufällig nach Lockwood. Es lag auf meinem Weg nach Süden zur Grenze. Ich hatte in Santa Fe die erstbeste Postkutsche genommen, um möglichst schnell von dort wegkommen zu können. Denn sonst hätte ich auch noch die beiden Harris-Brüder Slim und Curly erschießen müssen, die in die Stadt gekommen waren, um ihren Bruder Wade zu rächen. Aber ich wollte keinen neuen Revolverkampf mit zwei rachedurstigen Hitzköpfen. Und so kniff ich und machte mich aus dem Staub.
Ich holte nicht mal meine Siebensachen aus dem Hotel, sondern stieg im letzten Moment in die abfahrende Postkutsche zur Grenze.
Nun, liebe Leserinnen und Leser meiner Geschichte, ich, Clay Cameron, kam also nach Lockwood, weil dort die Postkutsche etwas Aufenthalt hatte.
Eine Stunde hatten wir Fahrgäste Zeit, um uns die Beine zu vertreten, einen Drink zu nehmen oder etwas zu essen. Und diese Stunde genügte, um mein Leben völlig zu verändern ...
Ich ging in den Store, um mir Unterwäsche, ein Hemd und einige andere Dinge zu kaufen, die ich bei meiner raschen Abreise im Hotel gelassen hatte und für die ich Ersatz brauchte.
Das kostete mich mehr als zwanzig Dollar. Aber ich hatte ja genug Geld in den Taschen und auch im Geldgürtel, den ich auf dem bloßen Leib trug.
Denn ich war ein Spieler. Und ein Spieler ohne Spielkapital ist eine Null.
Natürlich bin ich nicht immer ein Spieler gewesen. Eigentlich war ich schon fast alles – und eines war ich bestimmt stets: ein Abenteurer und Glücksjäger.
Aber das waren alle Camerons. Das lag uns im Blut. Und sogar unsere Schwester Hester war da nicht anders als ihre vier Brüder.
Nun, ich kaufte also ein.
Die junge Frau, die mich bediente, gefiel mir sehr. Mit der hätte ich gerne etwas angefangen, und ich sah in ihren Augen, dass auch ich ihr gefiel. Mein Instinkt hatte mich da noch nie getäuscht. Bei Frauen hatte ich stets Glück. Das war nun mal so. Dabei war ich gewiss kein schöner Mann. Aber ein Mann, ganz im Gegensatz zu Frauen, der muss wohl auch nicht schön sein. Schönlinge taugen zumeist nicht viel.
Die junge Frau hinter dem Ladentisch wartete auf meinen Versuch. Ja, ich spürte auch das. Doch ich ließ es bleiben. Denn bald fuhr die Postkutsche weiter.
Ich zahlte also und trat wieder hinaus mit meinen Einkäufen, die ich in einem Leinenbeutel trug.
Und als ich noch überlegte, ob ich einen Drink nehmen oder schnell ein Steak essen sollte, da kam ein verrückter Bursche auf einem Maultier in die Stadt geritten. Er brüllte einen Jauchzer nach dem anderen heraus, hielt vor dem Claim- und Erzprüf-Office an, schwang sich aus dem Sattel und vollführte erst noch auf der staubigen Straße einen wilden Indianertanz.
Dabei brüllte er immer wieder: »Leckt mich alle am Arsch! Die ganze Welt kann mich jetzt kreuzweise! Denn ich habe es gefunden, gefunden, gefunden! Ich fand das Goldene Vlies! Ich entriss es dem mächtigen Drachen aus der Erde!«
Nach diesem wirren Gebrüll verschwand er im Claim Office und schleppte einen Sack mit hinein, den er die ganze Zeit in der Rechten schwang wie eine Trophäe.
Sein Gebrüll wurde in der um die Mittagszeit so stillen Stadt überall gehört. Die Leute begannen, zu laufen. Von überall her kamen sie – aus den Läden, den Saloons, Hotels und Häusern. Und sogar aus der Filiale der Santa Fe Bank kam ein Mann angelaufen, der wahrscheinlich der hiesige Filialmanager war.
Sie alle versammelten sich vor dem Office, dessen Tür offenbar von innen verschlossen oder verriegelt wurde, sodass niemand hinter dem brüllenden Burschen hineinkonnte.
Ich wurde neugierig.
Die junge Frau, die mich bediente, war hinter mir ebenfalls auf die Straße getreten.
Nun sagte sie zu mir: »Das ist Mulberry Sam, ein alter, erfahrener Silbersucher. Wenn der sich so gebärdet, dann muss er endlich die große Silberader gefunden haben, nach der sie hier schon seit Jahren suchen. Silber! Und wenn das so ist, dann werden sie Lockwood vielleicht in Silver City umtaufen.«
Ich sah zur Seite auf sie.
Ihre Stimme gefiel mir. Es war eine etwas kehlige, aber dennoch melodisch klingende Stimme, eine Frauenstimme, die mir verriet, dass ihre Besitzerin vom Leben auf dieser Erde schon eine Menge gelernt hatte und einige Höhen und Tiefen sie prägten. Frauen ihrer Sorte besaßen Lebenserfahrung und eine gewisse Weisheit schon in jungen Jahren.
Auch ihre grünen Augen gefielen mir. Und jetzt im Sonnenlicht leuchtete ihr schwarzes Haar sehr viel stärker als drinnen.
Es war gepflegtes Haar. Sie war eine Frau, die sich pflegte. Und weil sie dicht neben mir verhalten hatte, roch ich auch ihren Duft. Es war ein besonderer Duft, den selbst die Gerüche des Stores nicht tilgen konnten.
Oh ja, sie gefiel mir immer besser.
Als wir uns so ansahen, lächelte sie ein wenig. Um ihre Mundwinkel waren nun ein paar Linien oder winzige Kerben. Dieser Mund kannte also schon den Ausdruck von Bitterkeit.
Ich lächelte zurück, und so war plötzlich ein Einverständnis zwischen uns, das keiner Worte mehr bedurfte.
»Mein Name ist Cameron, Clay Cameron«, sprach ich dann, als hätte sie mich nach meinem Namen gefragt.
Sie lächelte. »Und mein Name steht an der Ladentür«, sagte sie.
Ich wandte mich um und konnte ihren Namen lesen: Elsa Higgins' Store.
Als ich sie wieder ansah, lächelte sie nachdenklich.
Dann sprach sie: »Jetzt werden Sie wohl in Lockwood bleiben, Mister Cameron?«
Ich staunte und fragte: »Warum sollte ich das tun?«
Sie deutete hinüber zum Erzprüf- und Claimbüro, wo sich die versammelte Menge inzwischen noch vergrößert hatte und immer ungeduldiger wartete.
»Das da wird Sie hier festhalten, Mister Cameron. Silber! Wenn dieser Mulberry Sam wirklich den großen Fund gemacht haben sollte, dann verändert sich hier die Welt binnen weniger Tage. Und in einigen Wochen wird aus diesem kleinen Nest Lockwood ein zweites Sodom und Gomorrha geworden sein. Und das ist die grüne Weide, auf der Spieler wie Sie so gerne grasen.«
Ich staunte noch mehr und fragte: »Und Sie halten mich für einen Spieler?«
»Sind Sie keiner?« So fragte sie zurück.
»Und wenn?« Nun war ich wieder an der Reihe mit unserem Wortgeplänkel.
Ihr Lächeln war nachsichtig und wirkte fast weise. Aber sie war viel zu jung, um die Weisheit einer älteren Frau zu besitzen. Heiliger Rauch, wie rau mochten ihre Wege gewesen sein! Sie kannte die Welt und die Menschen, auch Burschen meiner Sorte. Ihr konnte man nichts vormachen.
Und hier besaß sie einen kleinen Store. Wie passte das zusammen?
Sie beantwortete meine Frage nun endlich mit den Worten: »... dann kommt es darauf an, was für ein Spieler Sie sind.«
»Aha«, machte ich nur.
Dann entstand vor dem Claim Office Bewegung.
Denn Mulberry Sam kam mit seinem Beutelsack heraus, griff immer wieder hinein und holte die Silbererzbrocken heraus, warf sie wie Steine in die Menge. Und einen warf er zu uns herüber. Er rollte mir fast bis vor die Füße. Ich hob ihn auf. Er war fast so groß und auch so geformt wie ein Kinderschuh.
Ich kannte mich aus. Ja, das war Silbererz mit einigen Beimischungen. Und es stammte aus einer Ader, aus der es losgebrochen wurde. Und der Kern dieser Ader war reines Silber. Alles andere musste man ausscheiden. Denn wo man Silber fand, da gab es zumeist auch goldhaltigen Pyrit und Bleiglanz.
Mir war klar, dass Mulberry Sam der Entdecker einer Silberader war, die er nun im Claimbüro auf seinen Namen registrieren ließ.
Normalerweise war er ein gemachter Mann.
Ich schätzte die Einwohnerzahl von Lockwood auf kaum mehr als hundert Seelen. Dazu kamen noch einige Besucher, die hier Einkäufe machten oder auf der Durchreise waren.
Aber in wenigen Tagen hatte die Stadt gewiss mehr als tausend Einwohner und Gäste. Der Silberfund würde sich wie ein Lauffeuer verbreiten, welches vom Wind über die Prärie gejagt wurde.
Elsa Higgins sah es richtig. Ein Spieler wie ich, der suchte solch eine Weide. Hier würde eine Art Explosion stattfinden. Und aus dem Nest Lockwood würde ein Sodom oder Gomorrha werden, auch ein Babylon.
Ich kannte diese Entwicklungen. Dies war nicht der erste Ort, in dem ich einen Boom erlebte.
Ich sagte zu Elsa: »Ja, das Erz muss aus einer Ader losgebrochen worden sein. Hier bricht ein Run los. Und aus Ihrem Store können Sie einen großen General Store machen. Wollen Sie?«
Sie sah mich staunend an.
»Dann bräuchte ich einen ganzen Wagenzug voller Waren jeder Art und Sorte«, sprach sie schließlich mit einem Klang von Sarkasmus in der Stimme. »Da müsste ich einen Einsatz von etwa zehntausend Dollar bringen, nicht wahr, Mister Spieler?«
»Nennen Sie mich lieber einfach nur Clay, Elsa.« Ich grinste. »Denn ich weiß nun, dass wir Partner werden.«
Nun wurden ihre grünen Katzenaugen schmal, und sie wirkte sehr spröde und fast schon biestig.
»So, werden wir das?« Sie fragte es kühl. »Wieso denn?«
»Weil Sie hier den Store besitzen, welcher ausbaufähig ist. Sie können rechts und links anbauen, auch hinten ein Magazin errichten lassen. Gehen Sie sofort und verpflichten Sie die Handwerker, bevor es andere tun. Und ich leihe mir ein Pferd und reite los.«
Nun staunte sie. »Wohin?«
Nun grinste ich vor Freude. Denn meine Überraschung würde sie staunen lassen.
Und so sprach ich langsam Wort für Wort: »Die Postkutsche, mit der ich kam, überholte etwa fünf Meilen von hier einen Wagenzug. Es waren Frachtwagen, welche Ware in dieses Land bringen wollen. Der Boss dieses Wagenzuges wird sich freuen, wenn er seine Ware so schnell verkaufen kann. Diese Wagenzüge befördern alles, was man in diesem Land braucht. In einem der Wagen waren Whiskyfässer. Ich kaufe alles und bringe es her. Und Sie nehmen die Handwerker unter Vertrag und stellen einige Helfer ein. Sind wir auf dieser Basis Partner, oder wollen Sie das große Spiel nicht wagen?«
In meiner Stimme war zuletzt ein herausfordernder Klang.
Und sie sah mir fest in die Augen und murmelte: »Sie sind ein verdammter Spieler, Clay Cameron. Sie müssen immer wieder all Ihre Chips auf eine Karte setzen.«
»Wenn ich mir sicher bin, dass die Karte gewinnt«, erwiderte ich. »Und jetzt bin ich mir sicher. Also?«
Ich hielt ihr meine Hand hin, und sie schlug ein. Nun wusste ich sicher, dass sie Mut besaß und zumeist ihrem Instinkt gehorchte.
Ich machte mich auf den Weg zum Mietstall. Denn ich brauchte ein schnelles Pferd.
✰
Nun, ich traf auf den Wagenzug etwa drei Meilen vor der kleinen Stadt und lenkte mein Pferd neben den bulligen Mann, der dem Zug ein Stück vorausritt.
»He, Mister«, begann ich unser Gespräch, »ist das Ihr Zug? Und wenn, was befördern Sie?«
»Alles, was man in diesem Land braucht«, erwiderte er. »Vom Hufnagel bis zum Klavier, von der Nähnadel bis zum Werkzeug für Minen – einfach alles, auch Whisky und Proviant, Kleidung, Waffen, einfach alles. Ich fahre alle abgelegenen Ortschaften und Camps an, auch die Minen. Ich verkaufe alles. Was brauchen Sie?«
»Ich kaufe alles zu einem vernünftigen Preis«, erwiderte ich. »Drei Meilen weiter können Sie alles abladen. Dann können Sie umkehren und neue Ladung holen. Wollen Sie?«
Er war ein erfahrener Bursche, bei dessen Anblick man an ein störrisches Maultier denken musste. Er sah mich etwas schräg an und fragte dann trocken: »Können Sie mir zehntausend Dollar in bar zahlen?«
»Kann ich.« Ich grinste ihn an. »Und dann machen wir einen Vertrag, dass Sie mir nochmals solch einen Wagenzug voller Ware herbringen.«
Seine Nasenflügel vibrierten nun, so als hätte er eine verlockende Witterung bekommen. Dann sprach er kehlig: »Mister, entweder sind Sie nur ein verdammt leichtsinniger Spieler oder ein erstklassiger Geschäftsmann. Wissen Sie, ich bin ein Frachtfahrer. Dabei will ich bleiben. Ich kann irgendwie wittern, auf was Sie all Ihre Chips setzen. Na gut, wir sind im Geschäft. Mein Name ist Warren Selby.«
Er reichte mir die Hand herüber.
Ich schlug ein und sagte: »Mein Name ist Cameron, Clay Cameron.«
Er starrte mich an wie ein Mann, der sich über etwas klar wird.
»Jetzt weiß ich«, sagte er, »wo ich Ihr Gesicht schon mal gesehen habe. Unten in Nogales gibt es einen Mann, der Ihr Zwillingsbruder sein könnte.«
»Das muss mein Bruder Jesse sein.« Ich staunte. »Was macht er in Nogales?«
»Der war dort vor sechs Monaten noch einer der Marshals und ist es wohl immer noch, wenn sie ihn inzwischen nicht totgeschossen haben. Der lockt durch seinen Ruhm immer wieder Revolverhelden an. So, der ist Ihr Zwillingsbruder? Er hat mir mal bei einem Drink an der Bar gesagt, dass er drei Brüder und eine wunderschöne Schwester hätte.«
»Das stimmt«, sagte ich. »Unsere Hester ist wirklich wunderschön. Die haben wir Cameron-Brüder auf ein nobles Internat in Boston geschickt. Die muss inzwischen eine richtige Lady geworden sein.«
Nun grinste er, sagte jedoch nichts.
Als wir eine Meile weiter waren, kamen uns drei Reiter entgegen.
»He, wir möchten mit dem Wagenboss reden!« So rief einer.
Und da ritten Warren Selby und ich vom Wagenweg herunter und ließen die Wagen an uns vorbeifahren, bildeten mit den drei Reitern eine Gruppe.
Es waren drei Männer von der harten Sorte, die ihre Colts für Revolverlohn vermieteten. Ihr Sprecher sagte: »Wir kaufen die Fracht dieses Wagenzuges. Was kostet das ganze Zeug?«
»Das ist schon verkauft«, erwiderte Warren Selby und hatte einen Ton in der Stimme, als machte ihm etwas großen Spaß. Er deutete mit dem Daumen zur Seite, also auf mich, und sprach weiter: »Die Fracht wurde schon von diesem Gentleman gekauft. Sie müssen mit ihm verhandeln.«
Nach diesen Worten ritt er wieder an, um sich vor die Spitze seines Wagenzuges zu setzen.
Ja, er ließ mich allein. Er war nicht mein Freund, sondern neutral. Und vielleicht hatte er auch schon von meinem Zwillingsbruder Jesse etwas über mich gehört.
Die drei Burschen mir gegenüber, die hatten es nicht. Die wussten noch nicht, wen sie vor sich hatten.
Und so sagte einer: »Natürlich werden Sie zu unseren Gunsten zurücktreten, Mann, wer Sie auch sein mögen. Am besten, Sie vergessen den ganzen Wagenzug und dessen Fracht. Die wird von uns übernommen.«
»Und wenn ich euch sage, dass ihr euch zum Teufel scheren sollt?«, fragte ich mit freundlich klingender Stimme.
Aber sie reagierten nicht so freundlich. Ihr Sprecher sagte böse: »Dann schicken wir dich zum Teufel in die Hölle.«
Ich begriff, dass sie es ernst meinten und nicht blufften. Und sie fühlten sich mir zu dritt haushoch überlegen.
Ich saß in der Klemme, war allein und konnte nur noch aufgeben oder kämpfen.
Aber so war diese Welt. Man stand immer wieder vor der Entscheidung, entweder aufzugeben oder zu kämpfen.
Da sie zu dritt gegen mich ziehen würden, hatte ich wohl ein Recht darauf, nicht auf ihr Ziehen zu warten. Denn dann würde mich zumindest der Dritte von ihnen schaffen können.
Und so zog ich ohne jene Warnung, indes ich sie angrinste, so als würde ich ihre unmissverständliche Drohung gar nicht ernst nehmen.
Ja, ich überraschte sie. Und erst als ich den zweiten Mann aus dem Sattel schoss, sah ich das Mündungsfeuer des Dritten.
Aber er traf mich nicht, weil das Mietstallpferd unter mir tanzte. Es war an Revolverfeuer nicht gewöhnt.
Seine Kugel verfehlte mich also. Ich traf ihn besser.
Und indes dies alles geschah, rollten rechts von mir die schweren Frachtwagen auf dem staubigen Wagenweg vorbei. Die Fahrer staunten zu uns herüber. Und keiner mischte sich ein. Ihr Boss hatte ihnen ja durch sein Verhalten ein deutliches Zeichen gegeben.
Ich sah auf die drei Kerle nieder. Einer setzte sich auf. Die beiden anderen lagen noch stöhnend auf dem Rücken. Aber sie lebten.
»Ihr hättet mir nicht drohen sollen«, sprach ich auf sie nieder.
Dann ritt ich auf meinem Pferd, welches sich inzwischen wieder beruhigt hatte, an der Wagenschlange entlang nach vorne.
Warren Selby sah mich von der Seite her an und sprach nach einer Weile: »Da sind Sie ja wieder, Clay Cameron. Ihr Bruder Jesse hat damals an der Bar in Nogales wirklich nicht übertrieben.«
✰
Als ich nach Lockwood kam, da hatte Elsa Higgins schon eine Menge in Gang gebracht. Ja, sie war eine intelligente, tatkräftige Frau mit Durchsetzungsvermögen.
Hinter dem Store befand sich ein großer Hof. Dort waren schon ein Dutzend Männer bei der Arbeit. Und rechts und links des Hauses wurde ausgeschachtet. Denn die Anbauten sollten unterkellert werden.
Ich staunte.
Aber auch Elsa staunte, als die Frachtwagen rings um den Store ihre Waren abzuladen begannen. Der Store, dessen Keller und die Scheune im Hof, die nun Magazin geworden war, würden bald vollgestopft sein. Und der größte Teil der Waren musste noch unter freiem Himmel lagern. Es gab nur ein paar große Zeltplanen und ein größeres Armeezelt aus dem Krieg.
Die Leute von Lockwood staunten.
Und sie waren mehr oder weniger zur Untätigkeit verurteilt. Denn was sollten sie tun? Es fehlte ihnen an Bargeld. Und die Bankfiliale rückte nichts heraus. Banker wollen stets große Sicherheiten. Aber wer große Sicherheiten besaß, brauchte nicht das große Geld.
Als ich Elsa fragte, ob sie all die Leute leicht anwerben könnte, da lächelte sie seltsam und erwiderte: »Die brauchen alle Geld. Wenn sie genug haben, werden sie sich Werkzeuge kaufen und aus der Stadt ziehen, um wie Mulberry Sam nach Silber und Gold zu suchen. Die sind jetzt alle angesteckt vom Fieber. Doch sie brauchen Werkzeuge – also Hacken, Spaten, Schaufeln und anderes Zeug –, Proviant und Camp-Ausrüstung. Sie werden sich das alles hier bei uns verdienen.«
Ich erzählte ihr dann von den drei hartgesottenen Burschen, die ich aus den Sätteln hatte schießen müssen.
Da bekam sie wieder schmale Augen und murmelte: »Und ein Revolvermann sind Sie also auch, nicht nur ein Spieler. Ich möchte wissen, auf was ich mich mit Ihnen eingelassen habe. Ich muss verrückt geworden sein.«
»O nein, Elsa«, widersprach ich. »Ihr Instinkt hat Ihnen nur ein gutes Gefühl gegeben. Vielleicht sind wir füreinander bestimmt.«