1,99 €
Der Weg von Camp Concho zur Poststation beträgt nur knapp dreißig Meilen, ein knapper Tagesritt also für die kleine Schar von Blauröcken, die mit dem jungen Lieutenant reitet. Zusammen sind sie sieben Reiter, ausreichend genug, um die Frau des Majors von der Poststation abzuholen und in das befestigte Armeecamp am Javelinas Creek zu bringen. Der kleine Trupp hat auch keinen Zivilscout dabei. Man rechnet dicht beim Fort oder zwischen ihm und der Poststation nicht mit Apachen. Denn den Apachen wurde erst vor wenigen Wochen eine böse Niederlage zugefügt. Man hat Juan Colorados Dorf völlig zerstört und alles Lebende in diesem Dorf vernichtet. Der Lieutenant und seine sechs Mann reiten ziemlich sorglos. Es ist ja auch nicht einmal ein erfahrener Sergeant bei dem Trupp. Es ist später Mittag, und die Hitze wabert über dem Boden. Staub wird aufgewirbelt und vermischt sich mit dem Schweiß von Männern und Pferden. Der leichte zweirädrige Wagen ist ebenfalls mit diesem gelben Staub gepudert. Und dann passiert es ganz plötzlich ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 147
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Ritt zum Sterben
Vorschau
Impressum
Ritt zum Sterben
Der Weg von Camp Concho zur Poststation beträgt nur knapp dreißig Meilen, ein knapper Tagesritt also für die kleine Schar von Blauröcken, die mit dem jungen Lieutenant reitet. Zusammen sind sie sieben Reiter, ausreichend genug, um die Frau des Majors von der Poststation abzuholen und in das befestigte Armeecamp am Javelinas Creek zu bringen.
Der kleine Trupp hat auch keinen Zivilscout dabei. Man rechnet dicht beim Fort oder zwischen ihm und der Poststation nicht mit Apachen. Denn den Apachen wurde erst vor wenigen Wochen eine böse Niederlage zugefügt. Man hat Juan Colorados Dorf völlig zerstört und alles Lebende in diesem Dorf vernichtet.
Der Lieutenant und seine sechs Mann reiten ziemlich sorglos. Es ist ja auch nicht einmal ein erfahrener Sergeant bei dem Trupp.
Es ist später Mittag, und die Hitze wabert über dem Boden. Staub wird aufgewirbelt und vermischt sich mit dem Schweiß von Männern und Pferden. Der leichte zweirädrige Wagen ist ebenfalls mit diesem gelben Staub gepudert.
Und dann passiert es ganz plötzlich ...
Die Apachen haben sich in diesem Staub eingegraben und ihre Köpfe unter weniger als kniehohen Buschpflanzen verborgen. Sie liegen genau da, wo die Soldaten hindurchreiten. Und sie springen die wenigen Männer von allen Seiten an. Stumm, aber mit gnadenloser Entschlossenheit.
Denn die Frauen, Schwestern, Mütter und Kinder dieser Krieger wurden vor wenigen Wochen mit dem Dorf vernichtet, indes die Krieger drüben in Mexiko zum Pferdehandel waren.
Nein, sie kennen keine Gnade.
Sie töten den jungen Lieutenant und dessen sechs Reiter binnen einer Minute und haben dabei selbst nur drei leicht verwundete Krieger als Preis zu zahlen.
Da sie keine Pferde haben, nehmen sie die Tiere der Soldaten, auch die beiden Gespannpferde des leichten Wagens. Sie nehmen die Waffen und alles, was sie gebrauchen können, auch die Uniformen, einfach alles.
Nur die nackten Toten bleiben mit dem umgekippten Wagen zurück.
Und bald kreisen Geier über der Stelle und schleichen sich Coyoten heran.
Juan Colorado hat zugeschlagen, aber es ist nur der Anfang.
Seine Krieger waren eine auserwählte Schar. Sie handelten genau nach seinen Instruktionen.
Juan Colorado selbst ist zu dieser Zeit zehn Meilen weiter tätig.
✰
Pueblo Station ist ein ziemlich sicherer Ort. Schon für die alten Pueblo-Indianer waren ihre zum Himmel aufragenden und zumeist an einer Felswand erbauten Dörfer eine sichere Zuflucht.
Dieses Pueblo steht an der Ostwand der roten Mesa, und als die Kutsche davor hält, holt der rote, wirbelnde Staub sie ein und macht alles in der Umgebung des Pueblos undeutlich wie ein rötlich-gelber Nebel.
Noch bevor die Fahrgäste aussteigen und der Fahrer und sein bewaffneter Begleitmann vom hohen Sitz geklettert sind, tauchen Apachen im rotgelb wirbelnden Staub auf.
Es sind mehr als zwei Dutzend, und Juan Colorado führt sie selbst an. Knapp ein halbes Dutzend Schüsse krachen, mehr nicht. Sonst wird nur mit Messern gekämpft, werden ein paar Pfeile verschossen. Aber diese Nahkämpfe Mann gegen Mann sind von einer gnadenlosen Erbarmungslosigkeit.
Dann wird es still, nur da und dort röcheln Sterbende.
In der offenen Tür der Kutsche erscheint nun Juan Colorados gedrungene Gestalt. Für einen Apachen ist er dennoch mehr als mittelgroß. In seinen schrägen Augen funkelt böser Triumph.
Er sieht in die Kutsche hinein und betrachtet die Frau.
Alle anderen Passagiere sind tot. Sie wollten aus der Kutsche in das Pueblo flüchten und versprachen sich dort Schutz.
Nur Reva Collins blieb wie gelähmt in der Kutsche und hoffte, dass die Männer die Apachen zurückschlagen würden.
Dabei kam ihr die ganze Gnadenlosigkeit dieses Landes endgültig zu Bewusstsein.
Ihre Hoffnung, dass alles letztlich doch nicht so schlimm sein würde in diesem Land, starb endgültig, und sie begann, in dieser Minute den Tag zu verfluchen, an dem sie Edson Collins heiratete, den Mann, der in dieses Land versetzt wurde als Kommandant von Camp Concho und dem sie als Frau folgen musste.
Es war eine weite Reise von Saint Louis nach Kansas City und von dort nach Santa Fe, eine beschwerliche Reise in rüttelnden und schüttelnden Kutschen und zwischen manchmal geradezu stinkenden Passagieren.
Von Santa Fe ging es dann nach Süden, und so wild und schön dieses Land auch anzusehen war, sie begann sich davor zu fürchten. Denn die Ahnung, dass es ein grausames und hartes Land ist zu allen Lebewesen, die Ahnung, dass es hier nur Jäger und Gejagte gibt, Fresser und Gefressene, diese Ahnung wurde immer mehr zur Gewissheit.
Nun aber sieht sie den Apachen im offenen Rechteck des Wagenschlages.
Und er winkt ihr mit dem gekrümmten Zeigefinger.
»Komm, Frau«, sagt er in einem kehligen Englisch, das er einst als Knabe in der Missionsschule der Jesuiten lernte. »Komm heraus, Frau!«
Sie blickt in seine schrägen Augen, und sie begreift, dass es keinen Ausweg für sie gibt.
Fast tonlos fragt sie: »Und warum willst du das mit mir tun, du verdammter Bastard, du ...«
Die Stimme versagt ihr.
Und sie sieht sein grausames Grinsen.
Dann erwidert er: »Ich zahle zurück. Die Soldaten deines Mannes überfielen mein Dorf, als ich mit der Mehrzahl meiner Krieger abwesend war. Die meisten Frauen und Mädchen meines Dorfes mussten ertragen, was auch du wirst ertragen müssen. Doch sie wurden getötet. Dich werde ich zum Major bringen lassen. Du wirst leben dürfen. Wenn er dich ansieht, dann wird er sich erinnern, was er meinem Dorf, allen Frauen und Mädchen darin, antun ließ. Vielleicht wirst du ihm gar in neun Monaten einen Bastard schenken. Komm, Frau!«
Wieder winkt er mit dem gekrümmten Zeigefinger, und sie weiß, dass er sie mit Gewalt aus der Kutsche reißen wird, sollte sie nicht gehorchen.
Einen Moment hat sie den Wunsch, tot zu sein, einfach sterben zu können von einem Atemzug zum anderen ohne Not und Qual.
Sie bekommt eine Ahnung davon, wie den Frauen und Mädchen des Apachendorfs zumute war, als die Soldaten und ein Aufgebot der Bürgermiliz über sie herfielen.
Immer noch starrt sie in die schrägen Augen des Apachen.
Und plötzlich steigt aus ihrem Kern eine Lebenskraft, die sie bisher noch nie gespürt hat.
Sie will nicht sterben.
Sie will leben, alles ertragen, überstehen.
Nun gleicht sie einer verzweifelten Nichtschwimmerin, die nicht ertrinken will und nicht aufzugeben gedenkt. Aber sie begreift auch in ihrer Verzweiflung sehr schnell, dass sie sich unter Kontrolle halten oder bekommen muss.
Sie muss wieder denken und handeln können, darf kein kreischendes Bündel Mensch sein.
Und so bewegt sie sich endlich, klettert hinaus. Als sie vor dem Apachen steht, ist sie fast so groß wie dieser. Doch sie wiegt gewiss fünfzig Pfund weniger.
»Du willst also meinen Mann bestrafen, indem du mir Gewalt antust?« So fragt sie kühl.
Er grinst nicht mehr. Es ist ihr, als verschlüge es ihm einen Moment lang die Sprache, als wundere er sich über ihre Sachlichkeit.
Doch dann nickt er und zieht sie mit sich in das dunkle Pueblo hinein.
Sie müssen über einige Tote steigen.
Und sie denkt: Du lieber Vater im Himmel, lass mich alles überstehen. Hilf mir, dass ich nicht verrückt werde! Hilf mir, gib mir Kraft!
✰
Als der Lieutenant mit seinem Begleitkommando und die Frau des Kommandeurs überfällig sind und darüber hinaus noch eine lange Nacht vergangen ist, beruhigt sich der Major mit der Annahme, dass er sich verrechnet hat und Reva eine Postkutsche später kommen wird.
Aber als dann auch der nächste Tag vergeht und danach die Nacht, da lässt er eine Doppelpatrouille marschbereit machen und den ebenfalls noch sehr jungen Lieutenant und den First Sergeant Jock McQuene in die Kommandantur kommen.
Als sie sich bei ihm melden, starrt Major Edson Collins den jungen Lieutenant an und fragt sich voller Zweifel, ob er sich nicht besser selbst auf den Weg machen sollte.
Doch er kann als Fortkommandant nicht auf Patrouille. Er hat andere, übergeordnete Aufgaben. Seine Patrouillen reiten in alle Richtungen. Was sie berichten, bedarf einer sorgfältigen Analyse. Er hat auch alle zwei Tage einen Bericht an seinen Vorgesetzten in Fort Apache zu senden.
Nein, er kann nicht weg von hier.
Und so fragt er bitter: »Wie alt sind Sie, Lieutenant?«
»Einundzwanzig, Sir.«
Du lieber Gott, denkt der Major. Da erhielt ich einen Schwarm von jungen Lieutenants, die hier an der Grenze Indianererfahrung sammeln sollen. Und immer wieder, wenn ich sie losschicke, muss ich befürchten, dass es ein Ritt zum Sterben für sie sein wird.
Er wendet sich nun dem First Sergeant Jock McQuene zu.
Dieser erwidert seinen Blick kühl und fest.
»Sie werden den Lieutenant in allen Zweifelsfällen beraten, Sersch«, spricht er. »Und Sie, Lieutenant, werden auf den Rat des Sersch hören. Verstanden?«
»Yes, Sir«, erwidert der Lieutenant. »Aber darf ich Sie darauf aufmerksam machen, dass ich Jahrgangsbester in West Point war, Sir? Ich fühle mich durchaus im Stande, in Zweifelsfällen die richtige Entscheidung selbst zu treffen.«
Der Major nickt.
Dann sieht er den Sergeant an. »Sie können gehen, Sersch. Halt, Lieutenant, Sie bleiben noch.«
Als Sergeant Jock McQuene die Tür hinter sich geschlossen hat, tritt der Major an den Lieutenant heran. Ihre Nasen berühren sich fast, und der Atem des Majors trifft das Milchgesicht seines Untergebenen.
»Mein Junge«, sagt er mit knirschender Bitterkeit. »Sie sind hier gewissermaßen ein Baby, welches noch in die Windeln macht. Ich hoffe, dass Sie trocken werden, bevor die Apachen Ihnen die Haut abziehen. Hören Sie auf den Sersch! Und nun holen Sie meine Frau ins Camp. Ich denke, dass sie alle bei Pueblo Station festsitzen, vielleicht belagert werden. Oder die Kutsche kam noch nicht. Reiten Sie!«
Der Lieutenant schluckt, salutiert und geht.
Und wenig später führt er vierundzwanzig lustlose Soldaten hinaus in das hitzeflimmernde Land, weg vom Javelinas Creek und hinein ins Ungewisse.
Einer der Soldaten sagt zu seinem Nachbarn, mit dem er in Doppelreihe reitet: »Verdammt, hoffentlich ist das kein Ritt zum Sterben.«
Aber sein Nachbar grinst und schüttelt den Kopf.
»Der Sersch wird auf den Kleinen schon aufpassen. Sersch McQuene ist unsere Lebensversicherung. Mach dir keine Sorgen, Jube.«
Dieses kurze Gespräch zwischen zwei Reitern der Doppelpatrouille gibt so ziemlich die Gedanken aller Beteiligten wieder.
Nur der Lieutenant und der Sergeant haben andere Gedanken.
Der Junge, dem das Leben von vierundzwanzig Männern anvertraut ist, ärgert sich immer noch mit dummer Arroganz über die Worte des Majors, und er denkt: Es ist alles nur eine Sache der Intelligenz, der raschen Auffassungsgabe und des Glaubens an die Richtigkeit von Entscheidungen. Dieser Saufbold von Sergeant da links neben mir wird mir keine Ratschläge geben. Wo kommen wir denn hin, wenn Offiziere wie ich, die auf der Militärakademie als Jahrgangsbeste abschnitten, in diesem Mistland bei einer Entscheidung die Hilfe von Untergebenen in Anspruch nehmen müssen? Verdammt, für was hält mich dieser Major eigentlich? Ich wittere manchmal so etwas wie Schnapsgeruch. Ob der Sergeant vielleicht gar Feuerwasser in seiner Flasche hat? Ob ich das mal kontrollieren soll? Der sieht ja ohnehin noch ganz verkatert aus. Und warum trägt der Bursche die Hosenträger über dem Reithemd? Das ist verboten. Der gibt den Soldaten nur ein schlechtes Beispiel. Die Kerle kennen sowieso keine Ordnung!
Aber er unterlässt es dann doch, sich vom Sergeant die Wasserflasche reichen zu lassen. Er unterlässt es auch, den Sergeant wegen der unvorschriftsmäßig getragenen Hosenträger zu rügen.
Denn wenn er zur Seite blickt und den einen halben Schritt hinter ihm reitenden Sergeant betrachtet, bekommt er immer wieder eine Ahnung davon, was ein wirklich harter Mann ist.
Jock McQuene ist zwar gelbhaarig und grünäugig, aber er gehört zu den wenigen Typen, die dennoch schnell braun werden. In seinem etwas unregelmäßigen Gesicht sind einige Narben, welche von einem oft gewalttätigen oder zumindest gefährlichen Leben zeugen.
Der Sergeant ist groß, hager und knochig, mit keinem einzigen Gramm überflüssigem Gewicht. Über einem harten Mund hängt ein Sichelbart. Der ganze Mann strömt Härte aus, nichts als schweigsame, einsame Härte. Der Lieutenant spürt es ständig, und es macht ihn unsicher. Aber gerade diese Unsicherheit wird ihn dazu antreiben, eigene Entscheidungen zu treffen und keinen Rat anzunehmen.
Sergeant Jock McQuene hat zur selben Zeit, da er schräg neben dem Lieutenant reitet, völlig andere Gedanken.
Jock McQuene denkt darüber nach, was sein würde, sollten die Apachen die Frau des Majors geschnappt haben. Dann wäre schon mal eines klar, nämlich dass es im Camp Concho jemanden gab, der den Apachen einen Tipp zukommen ließ.
Denn wie sonst hätte Juan Colorado erfahren können, dass Mrs. Collins zu ihrem Mann gereist kommt?
Jock McQuene versucht sich vorzustellen, wer als Verräter in Betracht kommen könnte. Rings um das Camp Concho, welches als Fort ausgebaut wird, leben eine Menge Zivilisten. Eine kleine Stadt entstand im Schutz der Armee. Aber auch im Fort gibt es einige Dutzend Menschen, von denen jeder ein Verräter sein könnte. Da sind die Scouts von mexikanischer oder indianischer Abstammung, also Halbbluts. Da sind auch die Frauen dieser Abstammung, welche Wäsche waschen und in der Kantine bedienen, und da gibt es auch einige Putas, die am Rande der primitiven Stadt in Hütten leben und den Soldaten den ohnehin schon kargen Sold abnehmen für etwas, was man eine gewerbsmäßige Dienstleistung nennen könnte, was aber zugleich auch ein Hinweis auf das traurige und freudlose Leben der Soldaten in diesem Land ist.
Einige Soldaten haben bestimmt gewusst, dass der Major seine Frau kommen lässt.
Und irgendwie erfuhr es dann auch Juan Colorado.
✰
Sie kommen etwa zwanzig Meilen weit und durchreiten den Canyon, den auch der andere Lieutenant mit seinen sechs Reitern durchritt. Sie reiten vorschriftsmäßig mit Vor- und Nachhut, sichern mit schussbereiten Karabinern nach oben zu den Rändern des Canyons hinauf. Aber auch sie kommen unbehelligt hinaus auf die Ebene und erreichen bald den Platz, wo ihre Vorgänger starben. Es ist nicht mehr viel von den nackten Leichen übrig. Die Aasfresser des Landes taten schon ihre Pflicht. Totes zu vertilgen, dies ist seit der Schöpfung ihre Aufgabe.
Der Lieutenant lässt absitzen, die Überreste einsammeln und bestatten. Sie geben ihnen die Flagge mit ins Grab, und der Junge hält eine Rede, die man ihm gewiss auch in West Point beigebracht hatte für den Fall der Fälle. Sergeant Jock McQuene hätte eine andere Rede gehalten, eigentlich nur wenige Worte gesprochen, etwa so: »Nun, Jungs, ihr habt es schon hinter euch. Das ist vielleicht gar nicht so schlecht, wenn es euch im Jenseits besser geht als hier in diesem Mistland. Ein paar von euch haben bei mir noch Pokerschulden. Die kann ich jetzt wohl abschreiben. Also, ihr seid mir nichts schuldig. Bis später, Jungs! Wir kommen alle mal dorthin, wo ihr seid.«
Ja, so etwa hätte Jock McQuene geredet.
Sie wollen weiter und sitzen auf Kommando auf.
Und dann sehen sie es.
Einer der Soldaten, der zum breiten Maul des Canyons zurückblickt, sieht es zuerst. Und er ruft: »Aufgepasst! Hinter uns im Canyonmaul!«
Nun blicken sie alle zurück.
Sie sehen zweierlei. Das breite Schluchtmaul wird von etwa drei Dutzend Apachenkriegern versperrt. An der rechten Seite des steilen Hanges gibt es eine schmale Terrasse, etwa drei Yards über der Sohle des Canyons. Dort oben steht ein Apache mit einer weißen Frau. Er hält sie hinten am Hals fest. Vielleicht muss er sie so aufrecht halten. Denn sie ist offenbar am Ende ihrer Kraft. Ihre einst so hübsche und moderne Reisekleidung ist zerfetzt. Ihr rotes Haar ist gelöst. Sie macht einen erbarmungswürdigen Eindruck.
Doch jetzt kann man erkennen, dass sie sich noch einmal unter Kontrolle bekommt. Sie richtet sich auf. Der Apache muss sie nicht mehr halten. Und so nimmt er die Hand von ihrem Hals.
Dann winkt er den Soldaten zu.
»Kommt und holt sie euch, Blaubäuche!« So tönt seine Stimme zu ihnen, und sie verstehen jedes Wort durch das Schnaufen ihrer Pferde, das Knarren der Sättel und das Klirren der Metallteile.
Die Entfernung beträgt wenig mehr als eine Steinwurfweite.
Ja, sie können jede Einzelheit sehen und jedes Wort hören.
Der junge Lieutenant knirscht mit den Zähnen. Dann sagt er laut genug: »Männer, denen zeigen wir den Weg zur Hölle!«
Er reitet nun an der wartenden Doppelreihe entlang, um sich an die Spitze der Abteilung zu setzen. Der Sergeant folgt ihm, und dabei greift er an seine rechte Satteltasche und holt dort einen zweiten Colt heraus. Indes er dies tut, sagt er aus dem Mundwinkel zu dem jungen Lieutenant: »Sir, wenn wir angreifen, dann ist das genau das, was die roten Burschen wollen. Der Kerl da oben neben der Frau ist Juan Colorado selbst. Und bei der Frau dürfte es sich um Mrs. Collins handeln. Wir sollen angreifen. Sie werden vor uns in den Canyon flüchten. Und wenn auch wir im Canyon sind, werden hinter uns noch welche auftauchen. Dann stecken wir in der Falle. Haben Sie das kapiert, Lieutenant?«
Aber dieser gibt keine Antwort. Er scheint die Worte des Sergeants gar nicht mitbekommen zu haben. Offenbar ist er völlig nach vorne auf die wartenden und herausfordernd wirkenden Apachen konzentriert.
Er lässt dann die wartende Zweierreihe der Reiter zu einem doppelten Glied nach rechts schwenken.
Die Reiter gehorchen präzise. Und dann verharren sie noch einmal, zwei Glieder zu je zwölf Reitern. Vor den beiden wartenden Gliedern machen sich der Lieutenant und der Sergeant bereit.
»Sie bleiben am linken Flügel, Sersch«, knirscht der Lieutenant. »Wir schlagen zunächst diese verdammten roten Bastarde. Dann holen wir die Frau. Aber erst erledigen wir sie alle, verstanden?«
»Sie werden uns in eine Falle locken, Sir«, erwidert der Sergeant und blickt sich um. Aber hinter den beiden wartenden Doppelreihen ist nichts zu sehen auf der Ebene, gar nichts. Doch Jock McQuene weiß, dass dies bei den Apachen nichts zu bedeuten hat.
Er möchte am liebsten den Jungen aus dem Sattel schlagen und mit der ganzen Patrouille nach rechts – also nach Osten – die Flucht ergreifen. Doch er steht unter Befehl. Der Junge hat das Kommando. Sie alle stehen unter Kriegsrecht, sind im Felde. Die Armee würde ihn hängen. Also muss er gehorchen.