G. F. Unger 2328 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger 2328 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Während des Bürgerkrieges hatten sich die texanischen Longhorns gewaltig vermehrt, und weil es nach dem Krieg nicht sofort einen Absatzmarkt für diesen nahezu unermesslichen Rindersegen gab, konnten sich die Rancher keine Cowboys leisten. Die Herden weideten unbewacht. Da sie nicht einmal den Preis ihrer Häute wert waren, machte sich niemand die Mühe, seine Jährlinge zu branden. Diese ungebrandeten Rinder nannte man Mavericks. Denn ein gewisser Mr. Maverick, einer der größten Rancher von Texas, hatte als Erster darauf verzichtet, seine Tiere mit Brandzeichen zu versehen. Später bezeichnete man deshalb jedes ungebrandete Rind, das dem Muttertier entwöhnt war und dessen Besitzer man nicht feststellen konnte, als Maverick. Es gab damals viele Maverick-Jäger in Texas. Und so mancher große und mächtige Rancher hatte als Maverick-Jäger begonnen und sich mit dem Lasso seine Stammherde eingefangen. Diese Geschichte schildert den Weg dreier Cowboys, die sich ebenfalls eine Maverick-Herde fingen, um damit die Weide ihrer Träume zu suchen ...

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Seitenzahl: 155

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Die Traumweide

Vorschau

Impressum

Die Traumweide

Während des Bürgerkrieges hatten sich die texanischen Longhorns gewaltig vermehrt, und weil es nach dem Krieg nicht sofort einen Absatzmarkt für diesen nahezu unermesslichen Rindersegen gab, konnten sich die Rancher keine Cowboys leisten. Die Herden weideten unbewacht. Da sie nicht einmal den Preis ihrer Häute wert waren, machte sich niemand die Mühe, seine Jährlinge zu branden.

Diese ungebrandeten Rinder nannte man Mavericks. Denn ein gewisser Mr. Maverick, einer der größten Rancher von Texas, hatte als Erster darauf verzichtet, seine Tiere mit Brandzeichen zu versehen.

Später bezeichnete man deshalb jedes ungebrandete Rind, das dem Muttertier entwöhnt war und dessen Besitzer man nicht feststellen konnte, als Maverick. Es gab damals viele Maverick-Jäger in Texas. Und so mancher große und mächtige Rancher hatte als Maverick-Jäger begonnen und sich mit dem Lasso seine Stammherde eingefangen.

Diese Geschichte schildert den Weg dreier Cowboys, die sich ebenfalls eine Maverick-Herde fingen, um damit die Weide ihrer Träume zu suchen ...

Dick Hilliary tritt schnell und gleitend an den Stier heran, der sich verzweifelt gegen das stramme Lasso stemmt und sicherlich bald das Pferd von den Beinen ziehen wird. Vielleicht wird auch das Lasso mit einem Peitschenknall reißen.

Aber Dick Hilliary ist schneller. Und er ist ein gewaltig starker Bursche, nicht sehr groß, doch breit und klotzig. Dass er sich dabei so leicht und gleitend bewegen kann, hat schon viele Leute in Erstaunen versetzt.

Er greift nach den mächtigen Hörnern des Stieres. Diese Hörner werden nun zu Hebeln. Und wer das Hebelgesetz kennt, der weiß, dass die aufzuwendende Kraft zur Last im umgekehrten Verhältnis zur Länge der Hebelarme steht.

Dick Hilliarys Hebelarme sind also lang. Er drückt den Kopf des Stiers zur Seite, verdreht ihm den Hals, bis der starke Bursche nachgeben muss und auf die Seite fällt. Gegen Dicks gewaltige Kraft hat Old Mooshorn keine Chance. Er stürzt also, bevor er das Pferd umreißen kann oder bevor das Lasso knallend reißt.

Dick Hilliary kniet nun schnaufend auf dem Kopf des Tieres. Eines der langen Hörner hat sich tief in den Boden gebohrt. Das andere Horn steht schräg gen Himmel. Und Dick hält es fest wie eine Brechstange.

»Hoiii!«, ruft er scharf und schnaufend.

Johnny Christie kommt vom Brennfeuer mit dem Brenneisen gelaufen – aber genauer gesagt sind es zwei Brenneisen. Der Schmied, bei dem sie die Brandeisen bestellten, konnte drei Buchstaben nicht zu einem einzigen Eisen vereinen. Johnny Christie drückt also zuerst das Eisen mit den Buchstaben CC auf den Schenkel des Tieres. Dann kommt das H hinzu. Und nun ist der Brand vollständig als CCH zu lesen. Das bedeutet:

Das erste C steht für Morg Cleveland

Das zweite C steht für Johnny Christie

Das H steht für Richard Hilliary, genannt Dick.

Johnny Christie betrachtet das noch qualmende und nach verbrannten Fellhaaren und angeschmorter Rinderhaut stinkende Brandzeichen. Er presst sekundenlang einen fettigen Lappen darauf.

Dann starrt er Dick an und grinst breit. »Das hier«, krächzt er, »ist Old Mooshorn, der Stammvater unserer Herde. Was meinst du, was er tun wird, wenn du ihn gleich loslässt?«

»Das kann nur der gute Vater im Himmel wissen«, sagt Dick schnaufend und bläst sich einen Schweißtropfen von der kleinen, dicken Nase. Dann blickt er ins Auge des Stiers, welches zu ihm emporblickt. Es ist ein zorniges, blutunterlaufenes Stierauge.

»Er wird für viele prächtige Nachkommen unserer Herde sorgen«, ächzt Johnny Christie und springt auf.

Er eilt zu seinem Pferd, welches mit hängenden Zügeln neben dem Brennfeuer wartet, wirft sich in den Sattel und nimmt das Lasso vom Sattelhorn.

Auch Dick Hilliary schnellt auf, läuft zu seinem Pferd und schwingt seine zweihundertdreißig Pfund auf das starke Tier.

Und Morg Cleveland, der inzwischen das Lasso gelöst hat, schwingt es auch schon wieder.

Denn der Stier ist wie eine Katze auf den Beinen und rast hinter Dick her. Gewiss hätte er Dick und dessen starken Braunen gerammt wie ein Nashorn, wenn Morg Cleveland nicht das Lasso werfen würde.

Er schleudert es mit einer merkwürdigen Hand- und Armbewegung. Die nicht sehr große Schlinge segelt dicht über den Boden.

Es ist ein Kunststück, welches sogar hier in Texas eine ganz besondere Leistung ist. Denn der angreifende und böse schnaubende Stier tritt in die dicht über den Boden segelnde Schlinge.

Morg Clevelands Pferd wirft sich herum und trägt dann den Ruck. Der Stier überkugelt sich, liegt einen Moment still, springt dann auf und greift den Reiter an.

Doch nun wirft Johnny Christie das Lasso, und er wirft es fast genauso gekonnt und sicher wie der große, sehnige und grauäugige Morg Cleveland. Die Schlinge legt sich um ein Hinterbein des Stiers. Und als das Lasso sich strafft und summt wie eine Saite, da fällt der Stier regelrecht und buchstäblich auf die Nase.

»Der lernt es bald!« So ruft Dick Hilliary, indes er sein Lasso bereithält und sich in die beste Position bringt.

Doch der Stier hat genug. Oder er ist ein ungewöhnlich schlaues Tier. Er liegt ganz still da, als ob er genau wüsste, dass ihm dann nichts geschieht. Auch ist der böse Schmerz der Brandwunde sicherlich nicht mehr so schlimm. Das hineingeriebene Fett lindert wohl schon etwas.

Die beiden Reiter lösen ihre Lassos, und das tun sie mit einigen Handbewegungen. Einige Schlangenlinien rollen an den Lassos entlang, lockern die Schlingen und lösen diese wie durch Zauberei. Es ist erstklassige Lassoarbeit, wie sie nur von Spitzencowboys beherrscht wird.

Der Stier springt wieder wie eine Katze auf die Beine.

Doch er greift nicht mehr an. Er hat gelernt, dass er dann immer wieder auf die Nase fliegt. Doch es ist sicher, dass er sich auf jeden Fußgänger stürzen wird.

Morg Cleveland rollt sein Lasso ein. Er nimmt die Bullpeitsche vom Sattelhorn, reitet schräg von hinten an den Stier heran und treibt ihn auf den kleinen Corral zu.

Seine beiden Partner öffnen ein Gatter und halten auch die Rinder im Corral zurück. Der Stier trottet ganz vernünftig und fügsam hinein. Die Männer schließen das Gatter. Und dann sagt Johnny Christie heiser krächzend, doch mit deutlicher Zufriedenheit: »Das ist es, Männer! Das ist es genau! Da sind hundertfünfzig ausgesuchte Rinder, ein halbes Dutzend Stiere und dieser Old Mooshorn, ihr König. Und die meisten Kühe werden in wenigen Wochen Kälber werfen. Wir haben den ersten Teil unseres Vorhabens erfüllt. Die Herde ist da! Wir haben sie aus diesem verdammten Buschland herausgeholt. Wir haben mit jedem Biest gekämpft und ihm dann unser Zeichen aufgebrannt. Es ist unsere Herde, und wir werden sie schon zahmer bekommen!«

Er klatscht laut mit der Hand auf seinen Oberschenkel, und er ist ein blonder, blauäugiger und auf eine verwegene Art hübscher Bursche.

Er erhält von Dick Hilliary für seine Worte ein breites Grinsen und zustimmendes Nicken. Und von Morg Cleveland hört er die sanften und lässigen Worte: »Ja, es wird wohl Zeit, dass wir aus diesem mörderischen Land herauskommen. Es gibt hier schon zu viele Mannschaften von Maverickjägern. Und bestimmt wird es Verdruss geben, wenn das Gesetz durchgebracht wird, welches das Jagen von Mavericks verbietet. Wir sind vielleicht noch so gerade vor Toresschluss fertig geworden.«

Nach diesen Worten wendet er sein Pferd und reitet zum Camp hinüber. Er ist ein großer, sehniger Mann mit breiten Schultern und einem ruhigen, dunklen Gesicht, grauen Augen und rabenschwarzen Haaren.

Dick Hilliary ist braunhaarig, rundgesichtig, mit zwei Froschaugen und einer kleinen Korkennase. Er ist stets bei guter Laune und voller Hoffnung auf irgendwelche guten Dinge. Er ist gutmütig und wirkt vielleicht etwas dumm, eben wie einer dieser Muskelprotze, deren Verstand etwas verkümmert ist. Doch das ist bei ihm gewiss nicht der Fall.

Er folgt seinen beiden Freunden ins Camp, sitzt ab und kniet bald vor einem flachen Stein. Er zerklopft die letzten Kaffeebohnen mit seinem Revolverkolben zu Mehl und wischt es dann in einen Topf.

»Du lieber Gott«, sagt er, »ich wünschte, wir hätten meine selige Tante Rosalin-Beate bei uns. Die konnte aus dem Kaffeesatz die Zukunft lesen. Und da wir heute zum letzten Mal richtigen Kaffeesatz haben werden, wäre das die letzte Gelegenheit, zu erfahren, was in der Zukunft auf uns wartet, nicht wahr?«

Morg Cleveland und Johnny betrachten ihn seltsam.

»Manchmal ist es besser«, sagt Johnny nachdenklich, »dass man nicht weiß, was die Zukunft bringt.«

Morg Cleveland aber, der seinen Blick in die Ferne richtet, bekommt schmale Augen. Und er sagt mit trockener Härte: »Ich bin keine Tante Rosalin-Beate, Mister Dick. Ich kann auch nicht aus Kaffeesatz die Zukunft lesen. Doch ich kann dir jetzt schon sagen, dass wir in wenigen Minuten eine Menge Verdruss bekommen werden. Nehmt eure Gewehre und tretet unter die Bäume. Und wenn ich meinen Revolver ziehen sollte, dann kann ich keine andere Chance mehr erkennen, als möglichst schnell und genau zu schießen.«

Dick und Johnny blicken in die gleiche Richtung wie er. Und da sehen sie es. Es sind sechs Reiter, und hier im Buschland am Brazos River leben zurzeit nur Hartgesottene. Eine andere Sorte hat nicht den geringsten Grund, in diesem Land herumzureiten.

Dick und Johnny gehorchen sofort. Denn der ruhige Morg Cleveland ist ihr Anführer.

Morg Cleveland steht gelassen neben dem Feuer, über dem der Kaffeekessel hängt. Er sieht den sechs Reitern ruhig entgegen. Seine rauchgrauen Augen blicken fest und furchtlos, und ganz im Hintergrund erkennt man in ihnen einen kalten Glanz.

Die fremde Mannschaft kommt gemächlich herbei. Alle Reiter betrachten im Vorbeireiten die Tiere im Corral. Dann schwärmen sie vor dem Camp aus, bilden eine unregelmäßige und halbkreisförmige Kette und halten an. Ein rotköpfiger und verwegener Bursche, der die Feldkappe der ehemaligen Konföderiertenkavallerie trägt, drängt sein Pferd etwas vor. Er gleitet plötzlich aus dem Sattel und steht dann lässig neben seinem Pferd. Seine Linke spielt mit den Zügelenden, seine Rechte aber hängt hinter einem Revolver, dessen Kolben nach außen gerichtet ist.

»Ich bin einer von den Flynns«, sagt der Rotkopf lässig. »Ich bin Jesse Flynn, Bringham Flynns jüngerer Bruder.«

»Ich habe schon von euch gehört.« Morg Cleveland nickt. »Und seit einigen Tagen fühlte ich, dass man uns beobachtet. Was soll's denn sein, Jesse Flynn?«

Der grinst, und es ist ein verwegenes und wildes Grinsen.

»Ihr habt also schon von uns Flynns gehört«, sagt er. »Das erleichtert die Sache. Ich bin nämlich hier, um zu kassieren. Ihr werdet uns die halbe Herde ablassen müssen.«

Er schiebt die alte Militärmütze etwas zurück, und sein Grinsen ist nun scharf und gefährlich.

»Wir haben nämlich auf hundert Meilen in der Runde dieses Land zu unserem Gebiet erklärt und erheben Rechte auf alle ungebrannten Rinder in diesem Gebiet. Maverickjäger, die sich hier Rinder einfangen, müssen fünfzig Prozent ihres Herdenbestandes an uns abliefern. Ich bin hier, um die Rinder zu holen. Und ihr bekommt sogar eine richtige Quittung dafür.« Er hebt die Linke, die die Zügelenden hält. Er deutet mit dem Daumen über die Schulter. »Ich schätze diese Herde dort im Corral auf einhundertachtzig Tiere. Wir nehmen also neunzig. Und die beiden Figuren dort unter den Bäumen sollen die Gewehre weglegen und ans Feuer kommen. Ihr Narren werdet uns doch wohl keine Streitigkeiten machen, nicht wahr? Ihr wisst doch sicherlich, dass wir Flynns mehr als hundert Reiter zur Verfügung haben und euch mit Leichtigkeit die Haut abziehen könnten? Also, machen wir ein Geschäft auf der Basis von fifty-fifty. Und das ist sogar nobel von uns. Denn wir könnten euch auch aus dem Land jagen und die Herde ganz für uns behalten. Also!«

Morg Cleveland betrachtet ihn ruhig. In seinem Gesicht bewegt sich nichts. Doch er sagt: »Rotkopf, mir ist es gleich, wie dein Name ist und ob du einen großen Bruder hast. Was ihr hier wollt, ist Viehdiebstahl. Euch gehört nichts hier in diesem Land. Denn es ist freies Buschland. Und die Rinder hier haben kein Brandzeichen und können von sich aus auch nicht sagen, wem mal ihre Mamis und Großmamas gehörten. Es sind Rinder in einem Niemandsland, die niemandem gehörten, bis wir ihnen unseren Brand aufdrückten. Und jetzt gehören sie uns, nur uns! Und keine Banditenbande von Geächteten und vom Gesetz verfolgten Schuften, die zu bequem und zu faul sind, um selbst harte Sattel- und Lassoarbeit zu leisten, wird uns ohne Kampf auch nur einen einzigen Kuhschwanz wegnehmen. Verstanden?«

Jesse Flynn ist ein wilder Bursche. Er ist zwar nicht ganz so berüchtigt wie sein großer Bruder Bringham, doch auch er war während des Krieges ein Guerillaanführer. Nach dem Krieg raubte und plünderte er mit seinen Leuten weiter. Da auf seinen Kopf ein hoher Preis ausgesetzt ist, wie auch auf die Köpfe seines Bruders und vieler ihrer Reiter, zogen sie sich in das wilde Buschland am Brazos zurück.

Und nun wollen sie also auf diese Art ins Rindergeschäft einsteigen. Sie zwingen alle Maverickjäger, die sich hier ihre Herden zusammentreiben, mit ihnen zu teilen.

Als Morg Cleveland verstummt, verschwendet Jesse Flynn kein Wort mehr. Seine Rechte bewegt sich schnell, gedankenschnell.

Doch Morg Cleveland gehört zu den drei oder vier Männern, die ihn schlagen können. Als Jesse Flynn den Revolverlauf hochbringt und die Mündung auf Morg Cleveland richtet, als er abdrücken will – nun, da blickt er in ein Mündungsfeuer, und die Kugel stößt ihn an der Schulter zurück. Er wirbelt halb herum. Seine Kugel geht irgendwohin. Er schwankt und richtet den Revolver nochmals auf Morg Cleveland. Er drückt ab, und die Kugel fährt wie ein glühendes Eisen an Morg Clevelands Rippe entlang, unter seinem Arm hindurch und zerfetzt sein Hemd.

Morg zuckt leicht zusammen. Er kann nicht warten, bis Jesse Flynn ihn mit dem nächsten Schuss vielleicht tötet. Er drückt wieder ab und trifft ihn nochmals.

Die beiden Gewehre krachen unter den Bäumen. Pferde steigen und wiehern erschreckt. Zwei oder drei Männer greifen nach den Revolvern, doch sie erstarren, als die Gewehre krachen und die Kugeln um ihre Köpfe pfeifen.

Johnny Christies Stimme klingt scharf unter den Bäumen hervor: »Macht nur weiter, Jungs, wenn ihr es bekommen wollt! Macht nur weiter, ihr Narren!«

»Schon gut«, murmelt einer der Buschräuber. »Schon gut! Es war Jesse Flynns Idee, so überraschend den Revolver zu ziehen. Und er war eigentlich kaum zu schlagen. Sein großer Bruder allerdings ist ihm haushoch überlegen, und er wird sich gewiss auf deine Fährte setzen und sich deinen Skalp holen, Schwarzkopf.«

Der Mann starrt Morg Cleveland an.

»Bringham Flynn liebt seinen Bruder Jesse sehr. Bringham Flynn wird alles vergessen, was ihm sonst auf dieser Erde wichtig ist. Er wird sich auf deine Fährte setzen, Freund. Er wird sich genügend Reiter mitnehmen, und ich glaube, dass ihr nicht einmal dann eine Chance habt, ihm zu entkommen, wenn ihr die Herde dort stehen lasst und auf der Stelle die Flucht ergreift. Sein langer Arm reicht bis zur Nordgrenze. Denn wenn er jetzt auch als Bandit leben muss – er hat immer noch einflussreiche Freunde, Männer, die früher mit ihm Geschäfte machten, als er noch ein großer Guerillaführer war.«

Der Sprecher will sich umwenden.

Doch Morg Cleveland sagt: »Ihr seid doch wohl keine Dummköpfe? Wenn ihr zu Bringham Flynn zurückreitet und ihm den Tod seines Bruders meldet, dann wird er euch fragen, warum ich noch lebe. Und dann wird er noch eine Frage stellen, nämlich die, warum Jesse allein kämpfen musste und ihr ihm nicht beigestanden habt. Bringham Flynn wird euch erbärmliche Feiglinge nennen, die seinen Bruder im Stich ließen. Und vielleicht zieht er euch sogar die Haut ab. An eurer Stelle würde ich aus dem Land reiten und mich bemühen, Bringham Flynn nie wieder zu begegnen. Überlegt euch das mal. Bringham Flynn wird mehr als zornig sein auf euch!«

Sie starren ihn an, und sie denken über seine Worte nach.

Sie sind schon jetzt halb davon überzeugt, dass es sicherlich besser und vor allen Dingen gesünder für sie wäre, wenn sie Bringham Flynn nie wieder begegneten. Sie kennen seinen kalten, grausamen und so zerstörerischen Zorn.

Nun verspüren sie Furcht.

»Ihr habt die Wahl«, sagt Morg Cleveland zu ihnen.

Sie starren ihn an. Dann wenden sie sich ab, gehen zu ihren Pferden, sitzen auf und reiten davon.

Den Mann, der sie anführte, lassen sie zurück. Sie sind üble Burschen.

Morg Cleveland hebt die Hand und wischt sich übers Gesicht. Seine Hand zittert etwas. Er fühlt sich plötzlich leer, taub, wie ausgehöhlt. Er wendet sich zur Seite und geht zu einem Baumstumpf. Er setzt sich dort und dreht sich eine Zigarette. Doch er tut es ganz mechanisch.

Dabei denkt er bitter: Wenn man seinen Weg gehen will, wenn man sich nicht ausplündern lassen will und wenn man sich den Banditen nicht beugen will – nun, dann muss man sich seinen Weg freischießen. Man muss sich behaupten, und manchmal muss man sogar töten.

Er blickt auf, als Johnny und Dick zu ihm treten. Sie wirken sehr ernst.

»Dies ist ein ziemlich hartes Land hier«, sagt Johnny bitter. »Diesmal ging es noch gut ab. Morg, wenn du mit diesem Burschen hier nicht zurechtgekommen wärst, dann hätten wir wohl alle gegeneinander gekämpft. Und dann hätte es mehr als nur einen Toten gegeben. Dann wäre ...«

Er bricht ab und macht eine vielsagende Handbewegung.

Dick Hilliary nickt gewichtig dazu. »Wir konnten uns doch nicht die halbe Herde abnehmen lassen«, sagt er etwas unbeholfen. »Wenn wir erst damit anfangen, uns kampflos etwas nehmen zu lassen, dann werden wir niemals unsere Traumweide finden und unsere Rinder darauf züchten – niemals!«

»Schon gut«, murmelt Morg. »Diese Buschräuber – sie taugen nicht viel. Sie sind mit Jesse Flynn geritten. Doch als er tot war, hatten sie ihn auch schon vergessen. Ich glaube nicht, dass sie nun unterwegs zu Bringham Flynn sind. Das gibt uns vielleicht den notwendigen Vorsprung. Vielleicht sind wir weit genug, bevor Bringham Flynn herausfindet, was mit seinem Bruder geschah. Wir treiben die Herde morgen beim ersten Tageslicht nach Norden. Wir ziehen los, um unsere Traumweide zu suchen, die schönste und beste Weide, die es gibt, die wunderschöne Weide, von der wir schon während des Krieges träumten. Tut mir einen Gefallen – begrabt ihn! Ich mag diesen Narren, der mich zum Ziehen zwang, nicht mehr sehen. Warum glaubte er nur, er könnte mich schlagen?«

Sie geben ihm sogleich keine Antwort darauf. Sie betrachten ihn erst auf eine sehr brüderliche Art. Sie sind seine Freunde.

»Jeder glaubt von sich, er könnte es schaffen – also hat es auch dieser Jesse Flynn geglaubt«, murmelt Dick und geht davon. Er tritt zu Jesse Flynns Pferd und schnallt den Sattel ab. Er nimmt die Satteldecke, um den Toten damit einzuwickeln. Johnny hilft ihm dabei.

Am anderen Morgen brechen sie auf, und ihre Ausrüstung ist dürftig. Sie besitzen zwar zwei Packpferde, doch deren Last ist nicht sehr schwer. Ihre Remuda besteht aus sechs hageren Rinderpferden. Sie haben also insgesamt nur neun Pferde zum Reiten und die beiden Packtiere.

Dick, der an diesem Tag Küchendienst hat, übernimmt die Reservepferde und die Packtiere. Er wartet mit ihnen, bis alle Rinder den Corral verlassen haben. Dann treibt er die Pferde und auch die Packtiere hinein und schließt das Gatter.