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Es war an einem Abend, als meine Mom mir die Satteltaschen und ein Bündel packte. Sie brauchte mir nicht zu sagen, was das alles zu bedeuten hatte. Denn in den Jahren zuvor hatte ich erlebt, wie sie meine drei älteren Brüder auf die gleiche Art fortschickte. Nun war ich an der Reihe, und ich war erst siebzehn. »Du musst reiten, Cash, mein Junge«, sagte sie ruhig. »Du musst reiten, du musst, denn ich will dich nicht tot am Boden liegen sehen wie deinen Vater. Du musst reiten, um irgendwo ein Mann werden zu können. Hier ließe dir John Morgan keine Zeit mehr dazu.« Ich sah sie an und schluckte. Ja, ich musste fort von hier, wie auch meine Brüder Bill, Jesse und Bac von hier fortgeritten waren. Das war so. Und dann vergingen zehn Jahre - lange Jahre, die ich fernblieb von daheim und meiner Mom ...
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Seitenzahl: 148
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Mae Shannons Söhne
Vorschau
Impressum
Mae Shannons Söhne
Es war an einem Abend, als meine Mom mir die Satteltaschen und ein Bündel packte. Sie brauchte mir nicht zu sagen, was das alles zu bedeuten hatte.
Denn in den Jahren zuvor hatte ich erlebt, wie sie meine drei älteren Brüder auf die gleiche Art fortschickte.
Nun war ich an der Reihe, und ich war erst siebzehn.
»Du musst reiten, Cash, mein Junge«, sagte sie mit ruhiger Stimme. »Du musst reiten, du musst, denn ich will dich nicht tot am Boden liegen sehen wie deinen Vater. Du musst reiten, um irgendwo ein Mann werden zu können. Hier ließe dir John Morgan keine Zeit mehr dazu.«
Ich sah sie an und schluckte.
Ja, ich musste fort von hier, wie auch meine Brüder Bill, Jesse und Bac von hier fortgeritten waren. Das war so.
Und dann vergingen zehn Jahre – lange Jahre, die ich fernblieb von daheim und meiner Mom ...
Es war am 23. August 1867, als ich auf der Veranda des Saloons zu Mesa Verde auf Jed Chattanooga wartete.
Ja, die Einwohner hatten mich angeworben und sich selbst in ihren Häusern verkrochen. Alle Geschäfte waren geschlossen. Das armselige Nest war wie ausgestorben.
Doch sie hatten fünfhundert Dollar zusammengekratzt.
Dafür konnten sie mich anwerben.
Jawohl, Leute, ich war ein Revolvermann geworden, den man sich mieten konnte als zweibeinigen Tiger.
Da war eines Tages Jed Chattanoogas kleiner Bruder Jesse in den Ort gekommen.
Er war ein Wurm, dieser Jesse. Doch er hatte einen Bruder, vor dem sich alle hier fürchteten.
Nun, Jesse war hier erschossen worden.
Ich wartete vier Tage und vier Nächte, aber ich verlor dennoch nicht die Nerven.
Am fünften Tag dann endlich kam nicht Jed Chattanooga, sondern mein Bruder Jesse.
Sein Pferd war staubig, müde und hatte heute gewiss schon mehr als vierzig Meilen hinter sich.
»Jed Chattanooga kommt nicht«, sagte er dann. »Ich traf ihn zwanzig Meilen von hier bei der Pueblo-Station der Postlinie. Und ich wusste schon Bescheid darüber, dass sie dich hier angeworben hatten für den Fall, dass er kommen würde, um seinen kleinen Bruder zu rächen. Er wird nicht kommen.«
Als er es gesagt hatte, standen wir auf und gingen hinein.
Der Wirt drinnen atmete auf, als ich zu ihm sagte: »Das ist mein Bruder Jesse. Er hat mir soeben gesagt, dass Jed Chattanooga nicht kommen wird.«
»Heute nicht?« So fragte der Wirt.
»Nie mehr«, sagte Jesse. »Als ich ihm sagte, dass ich unterwegs zu unserem Kleinen wäre, da glaubte er, mich gleich erledigen zu müssen, damit er hier nicht mit zwei Mann Ärger anfangen müsste. Aber er schaffte es nicht, der gute Jed. Dabei kannte er mich und wusste genau, wie schnell ich war. Ich will ein Bier.«
Er stieß die letzten Worte heiser hervor. Und es war klar, dass er das Bier nicht haben wollte, um auf einen Triumph zu trinken, sondern weil er völlig ausgedörrt war von einem langen, staubigen Ritt durch dieses heiße Land.
Ich ließ mir einen Tequila geben, denn einen scharfen Schluck konnte ich nun gebrauchen.
Mein Bruder hatte mir einen Kampf abgenommen.
Wir gingen bald hinaus. Draußen nahm mein Bruder sein müdes Pferd.
»Ich werde es im Mietstall gegen ein frisches Tier umtauschen«, sagte er. »Denn wir müssen reiten, Cash.«
Ich sah ihn an.
Und ich wusste nun, dass er nicht zufällig zu mir gekommen war.
»Wohin?« So fragte ich nur.
»Heim, nichts als heim«, erwiderte er ernst. »Unsere Mom ist gestorben. Es gibt keinen Grund mehr, von daheim wegzubleiben.«
Wir sprachen wenig – auch dann nicht, als wir schon ritten und unterwegs nach Westen waren.
Ich dachte immerzu an unsere Mom.
Jetzt war sie tot.
Im Bett war sie für immer eingeschlafen.
Wenigstens einen gnädigen Tod bekam sie auf dieser Erde, nachdem sie zuerst den Mann und nacheinander ihre vier Söhne verloren hatte.
Ja, verdammt noch mal, sie hatte uns gewissermaßen verloren, nur weil dies besser für uns war.
Ich erinnerte mich auch wieder an John Morgan, der damals gekommen war, um unseren Vater zu töten.
Sie hatten miteinander gekämpft.
Unser Vater verlor.
Und seit diesem Tag konnte unsere kleine Mom nicht mehr weinen.
Ich riss mich aus meinen Gedanken, verdrängte all die Erinnerungen und sah auf meinen ältesten Bruder Jesse.
Dieser ritt auf einem frischen Pferd, so als hätte er nicht schon ein Pferd müde geritten und mit einem Mann wie dem berüchtigten Jed Chattanooga um Leben und Tod gekämpft.
Jesse war vielleicht der zäheste Mann von uns.
Ich versuchte, mir meine beiden anderen Brüder vorzustellen. Aber es gelang mir nur unvollkommen.
Bill hatte ich schon sechs Jahre und Bac schon vier nicht mehr gesehen.
✰
Wir brauchten zwei Tage bis Mesilla. Jesse umritt den Ort halb, sodass wir uns von hinten dem Gasthaus näherten, an das sich die größte Bodega anschloss.
Es gab hier eine schattige Veranda, deren Dachstützbalken von Wein umrankt wurden, in dem dicke Trauben hingen.
In einer Hängematte lag ein großer Mann. Seine Stiefel standen unter ihm. Ein Colt lag auf seinem Bauch. Und neben ihm stand eine hübsche und auf appetitliche Art dralle Mexikanerin, die ihm gerade ein gefülltes Glas reichte.
Und weil der Mann in der Hängematte den Kopf heben musste, um trinken zu können, sah er uns heranreiten.
Er trank, indes er uns beobachtete.
Es war unser Bruder Bac. Er war so dunkel und grauäugig wie Jesse, doch noch etwas schrägäugiger. Und er trug einen Sichelbart, während Jesse stets glatt wie ein Indianer war.
Als wir unsere Pferde vor der Veranda verhielten, hatte er das Glas geleert.
Aber wir stiegen nicht aus den Sätteln.
Jesse sagte: »Wir können vor Anbruch der Nacht noch mehr als zehn Meilen reiten, Bac – wenn du nur bald im Sattel sitzen würdest.«
»He«, machte Bac nur und bewegte sich nicht.
Und er fragte: »Gibt es einen wichtigen Grund, mich in den Sattel zu bringen?«
»Mom ist tot«, sagte Jesse. »Sie starb im Bett.«
Bac lag still in der Hängematte. Er hielt jetzt die Augen geschlossen. Jesse und ich, wir wussten genau, was in ihm war. Denn wir hatten es ja vor ihm schon erlebt.
Wir waren keine zwei Meilen weiter, als er uns eingeholt hatte und sein Pferd neben uns zurücknahm.
»Ich werde Schwielen am Hintern haben, bevor wir fünfzig Meilen weiter geritten sind«, sagte er.
Wir waren nun bis auf unseren Bruder Bill vollzählig.
Nachdem wir eine Weile geritten waren, fragte ich Bac, ob er was von Bill wüsste. Doch Bac schüttelte den Kopf.
»Ich hörte nur«, sagte er nach einer Weile, »dass er am Mississippi als Preisboxer kämpfte. Wer kann wissen, wohin ein Preisboxer verschlagen wird?«
Wir schwiegen und ritten unseren Weg. Aber jeder von uns dachte gewiss darüber nach, wie wenig aus uns doch geworden war – wie wenig, worauf unsere Mom hätte stolz sein können.
Gewiss, wir waren hart geworden. Wir konnten kämpfen!
Das war aber auch alles.
Und es hatte uns nichts eingebracht, gar nichts!
Am Abend des nächsten Tages erreichten wir die Stadt Pascal.
Es war eine kleine Stadt am Wagenweg zwischen El Paso und San Antonio.
Und gleich am Eingang stand ein Mann, der uns anhielt und sein Notizbuch zückte. Er sagte: »Ich bin Will Snail und bekannt als ehrenwerter Geschäftsmann. Ich nehme noch Wetten an für den großen Preiskampf. Auf wen möchten die Gentlemen setzen? Ich zahle fünf zu eins aus, wenn Bill Shannon gewinnen sollte. Mehr ist nicht drin! Also, Männer, wie ist es?«
Wir staunten und fragten den Buchmacher, wo wir diesen Bill Shannon jetzt wohl finden könnten.
Er sagte uns, dass der Kampf in wenigen Minuten hinter dem Mietstall im großen Corral stattfinden würde.
Und da machten wir uns eilig auf den Weg.
Unser Bruder Bill war ein ziemlicher Fettkloß geworden.
Wir sahen zu, wie er sieben Runden lang verprügelt wurde und sich dann in der achten Runde für immer hinlegte.
Wir umstanden ihn noch, als der letzte Zuschauer und enttäuschte Wetter abgezogen waren.
Dann packten wir Bill und warfen ihn in den nächsten großen Tränktrog.
Ja, er war betrunken. Deshalb waren auch seine Reaktionen so langsam gewesen.
Als er im Wasser lag, erkannte er uns und versuchte, ein freundliches Grinsen.
Aber sein Gesicht war schon zu sehr zerschlagen, um freundlich wirken zu können. »He, Jungs«, brachte er hervor. »Warum tut ihr das mit dem guten alten Bill? Ich habe doch schon gebadet – und ich bin so putzmunter wie eine Maus in der Käsehöhle.«
Wir grinsten nicht einmal. Aber irgendwie hatten wir dennoch Mitleid mit ihm.
Dann stieg er aus dem Wassertrog.
»Ja, ich will mit euch heim«, sagte er. »Das habe ich immer gewollt. Ich wollte eigentlich immer nur heim.«
Immer noch schwiegen wir. Und plötzlich verstanden wir ihn.
Am nächsten Tag – es war schon wieder Nachmittag –, da hielten wir auf einem Hügel und sahen auf Morgan City nieder.
Einst hatte der Ort Morgan Crossing geheißen, weil hier die einzige Furt weit und breit war, durch die man auf die andere Seite des Flusses konnte.
Doch irgendwann in den letzten Jahren hatten die Morgans ihre Stadt umbenannt in Morgan City. City, das machte sich besser und lockte gewiss mehr Leute her. Mit den Leuten kamen die Dollars. Und an jedem Dollar verdienten die Morgans.
So einfach war das.
Nun, wir hielten also in den Hügeln, die zu beiden Seiten den Fluss begleiteten.
»Davon habe ich manchmal geträumt«, sagte Bill. »Dass ich ein Riese wäre, der sich breitbeinig über diese Stadt hocken könnte, um einen Haufen auf sie zu machen. Ja, wahrhaftig, das habe ich oft geträumt.«
✰
Die Siedlung, die unser Vater damals ins Leben rief, indem er einen Handels-Store errichtete, hieß River Bridge.
Doch die Brücke wurde nie gebaut. Nur die Anfänge waren gemacht worden.
Dann aber war John Morgan gekommen.
Wir sahen ein paar Häuser der Siedlung. Sie waren alt geworden in den Jahren. Und dem kleinen Store, den unsere Mom weitergeführt hatte, war anzusehen, dass er zuletzt nur noch mit Mühe geführt und instand gehalten werden konnte.
Dann blickten wir zu den vier Cottonwoods hinüber, die etwas Schatten spendeten. Dort war der kleine Friedhof der Siedlung. Dort lag auch unser Vater zwischen ein paar anderen Verstorbenen.
Und wegen dieses Grabes wollte unsere Mom nicht mehr weg. Sie hatte unserem Vater immerzu die Treue gehalten und sogar ihre Söhne fortgeschickt.
Langsam ritten wir hinunter.
Von der Siedlung her hatte man unser Kommen natürlich bemerkt.
Ein alter Mann kam herüber. Er hinkte leicht. Und er war klein.
Es war Pedro Gonzales. Sein Schnauzbart hätte für zwei solch kleine Männer wie ihn gereicht.
Als er vor uns verhielt und uns der Reihe nach betrachtete, da sahen wir, wie alt er geworden war.
Nur Jesse hatte ihn vor wenigen Tagen gesehen. Denn Jesse war von ihm gefunden und vom Tode unserer Mom in Kenntnis gesetzt worden.
Für uns war Pedro früher stets eine Art Onkel gewesen. Und unser Vater konnte sich auf ihn verlassen wie auf sich selbst. Pedro konnte mit Pferden und Maultieren umgehen. Für schwere Arbeit war er zu klein und nicht kräftig genug.
Er nickte uns zu.
Dann sagte er: »Sie ist bestimmt in den Himmel gekommen. Solch eine Frau wie sie muss in den Himmel kommen. Und sie wird zusehen, was ihr macht.«
Wir zuckten alle mehr oder weniger innerlich zusammen bei seinen letzten Worten.
Und dann standen wir eine Weile schweigend herum, starrten auf das Grab und dachten an unsere Mom.
Endlich gingen wir.
Ja, das Haus war älter geworden, außen und innen. Aber wir hatten es als Buben unserem Vater bauen geholfen. Auch Pedro und ein paar andere Männer halfen.
Unsere Kammern waren so, als wenn wir erst vor wenigen Tagen fortgeritten wären und nun von einem längeren Jagdritt heimkehrten.
Ich hatte mit Bill zusammen die Kammer gehabt.
Und so war es auch jetzt wieder.
Dann hatten wir an unserem alten Tisch gegessen. Pedro und seine um einen Kopf größere Frau Maria bedienten uns.
Nach dem Essen holte sich Bill eine Flasche Schnaps aus dem Store herein. Er schenkte für uns drei Gläser voll und prostete uns mit der Flasche zu. Er hatte offensichtlich die Absicht, die noch mehr als halb volle Flasche ohne die Hilfe eines Glases zu leeren.
Wir starrten ihn an. Er erwiderte unseren Blick und sagte: »Ja, verdammt noch mal, ich bin ein Säufer.«
Und da zeigte er uns auch schon seine Rechte.
»Seht sie euch an! Das war der große Hammer! Damit schlug ich sie alle!«
Und wieder machte er eine Pause.
Er betrachtete den Handrücken seiner Rechten.
Wir aber sahen endlich die vielen Knorpel und Buckel darauf. Nun begriffen wir auch schon die Geschichte seines Niederganges.
Er brauchte uns nicht zu sagen, dass ihm nach jedem halbwegs harten Schlag der Mittelhandknochen brach. Dieses Ding war nun schon so oft schlecht zusammengewachsen, dass es einfach nicht mehr halten konnte. Als Boxer war er einarmig.
Jetzt ahnten wir, warum er ein Säufer wurde.
Er nahm die Flasche und ging hinaus.
Wir sahen uns an.
»Was werden wir eigentlich tun – bleiben oder nicht?« Dies fragte ich plötzlich, und indes ich sprach, spürte ich, wie in meine Stimme ein Klang von aggressivem Drängen kam.
Dann blickte ich abwechselnd in die Augen von Jesse und Bac. Sie waren sich sehr ähnlich, diese beiden älteren Brüder. Sie waren die dunkelsten und indianerhaftesten von uns.
Nun sah ich, wie sich ihre Augen weiteten, so als wäre in ihnen zu gleicher Zeit eine bestimmte Erkenntnis, ein Begreifen. Doch schon im nächsten Moment wurden ihre Augen schmal und glitzerten zwischen den dunklen Wimpern.
Wir schwiegen eine Weile.
Dann hob Jesse das Glas. Wir folgten seinem Beispiel. Und dann tranken wir uns zu. Als wir absetzten, sagte Jesse: »Wenn wir bleiben, müssen wir das tun, was unser Vater nicht vollbringen konnte, weil John Morgan kam und ihn kleinmachte. Aber wenn wir den Plan unseres Vaters ausführen, wird diese Siedlung bald größer sein als Morgan City. Bevor die Morgans das zulassen, werden sie kommen, um uns von dieser Erde zu jagen.«
»Richtig«, sagte Bac. Und ich nickte stumm.
Jesse schloss: »Wenn wir also bleiben, werden wir mit den Morgans kämpfen müssen. Lohnt sich das?«
Dann kam Bill zurück.
Er hielt noch die Flasche in der Hand, mit der er hinausgegangen war. Doch er schien sie vergessen zu haben. Sie war auch gar nicht merklich leerer geworden.
»Kommt mit und seht euch das an«, verlangte er.
Bill führte uns in die große Scheune. Es war ein Riesending, das unser Vater damals schon für die Zukunft erbaut hatte, in der er seine kleine Siedlung als wachsende Stadt sah.
Die beiden Torflügel standen offen.
Das Abendrot leuchtete noch hinein.
Und da sahen wir es wieder.
Die Erinnerung kam sofort. Wir wussten im Nu, was dies alles dort war.
Holz! Brückenholz! Dieses Holz war damals von einem langen Wagenzug aus großer Entfernung hergeschafft worden.
Denn solche langen Stämme von hartem, festem und witterungsunempfindlichem Brückenbauholz wuchsen nicht in diesem Land. Da musste man sehr viel weiter nach Norden gehen.
Wir standen da und staunten.
Dann hörten wir jemanden kommen.
Es war Pedro Gonzales.
»Alle zwei Jahre ließ eure Mom dieses Brückenholz teeren«, sagte er. »Denn sie glaubte daran, dass ihr eines Tages heimkommen würdet, um das geplante Werk eures Vaters zu vollenden. Sie glaubte, dass es in diesem Land eines Tages Recht und Gesetz geben würde und es einer Regierung nur recht sein musste, wenn jemand eine Brücke über den Fluss baute. Sie glaubte immer an eure Heimkehr und dass die Brücke gebaut werden würde.«
Wir erwiderten nichts.
Aber wir gingen richtig in die Scheune hinein und sahen uns das alles an. Wir betasteten das Holz und wurden stark an unseren Vater erinnert, der dies alles geplant und vorbereitet hatte.
Denn das war der Plan: Eine Brücke über den Fluss sollte die einzig logische Verbindungslinie zwischen zwei Pässen herstellen.
Der Weg über Morgan Crossing war ein Umweg von fünfundzwanzig Meilen.
Die Stadt an der Furt hatte keine Chance mehr, wenn hier erst die Brücke war.
Dann musste diese Siedlung eine Stadt werden. Und wenn man eines Tages Eisenbahnen baute, musste die logische Linie ebenfalls über River Bridge führen.
Allein das alles musste River Bridge zur County-Hauptstadt machen.
Dies aber brachte hohen Gewinn beim Verkauf der Grundstücke.
Mein Vater hatte das alles geplant. Er wollte Brückenbauer und Städtegründer sein.
Aber dann war John Morgan gekommen und hatte mit ihm gekämpft.
Oh, es war ein fairer Kampf.
Doch John Morgan war schneller mit dem Colt. Unser Vater hätte sich nie auf einen Revolverkampf einlassen dürfen.
Dies alles war in unserer Erinnerung, als wir durch die Scheune gingen und das Holz betrachteten und befühlten.
Wir schwiegen immer noch.
Dann überraschte uns Bill mit der Forderung: »Ich möchte, dass wir die Brücke bauen. Ich würde es auch ohne eure Hilfe versuchen. Doch ich bitte euch, dass wir es gemeinsam machen. Habt ihr mich verstanden? Ich will, dass wir etwas aufbauen!«
Doch wir wussten, dass wir erst gar nicht damit anzufangen brauchten, die Brücke zu bauen, solange die Morgans dagegen waren.
Eine Brücke konnte man leicht zerstören.
Deshalb war es besser, die Dinge vorher zu regeln.
Wir würden nach Morgan City reiten.
Es waren zwölf Meilen Weg dorthin.
Niemand von uns sprach etwas.
✰
Als wir die Stadt erreichten, brannten dort alle Lichter.
Die Stadt sah so freundlich aus, so friedlich, als gäbe es dort nur Wärme, Freundlichkeit und alle guten Dinge.
Doch wir ließen uns nicht täuschen.
Jesse sagte: »Wir teilen uns und reiten einzeln hinein. Wir lungern herum und studieren alles. Wenn die Stadt den Morgans gehört, werden wir schon auf sie stoßen. Wir müssen herausfinden, wann, wie und wo wir alle maßgebenden Morgans beisammenbekommen können. Das wird wichtig sein, denke ich. Also, ich reite von Süden her herein. Ich mache zuvor mein Pferd in der Furt nass.«
Er ritt davon, um die Stadt halb zu umreiten.
Wir anderen teilten uns ebenfalls auf.
Ich ritt von Norden her nach Morgan City hinein.