G. F. Unger Sonder-Edition 111 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 111 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Unmenschlicher Drill und der sinnlose Kampf gegen die Indianer haben Jim Bailay und Ben Garret zermürbt. Und als sie mitansehen müssen, wie ein engstirniger, karrieresüchtiger Lieutenant eine ganze Patrouille in den sicheren Tod führt, steht ihr Entschluss fest. Bailay und Garret desertieren, und so entkommen sie als Einzige dem grausigen Massaker, das Rothorn und seine Krieger unter der Kavallerieabteilung anrichten. Auf der Flucht durch die Black Hills stoßen Bailay und Garret auf eine riesige Goldader. Doch bald schon müssen sie erkennen, dass sie nur vom Regen in die Traufe geraten sind...

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Inhalt

Cover

Impressum

Das Gold der schwarzen Berge

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Manuel Prieto/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-4711-1

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Das Gold der schwarzen Berge

1

Sergeant Jim Bailey wendet sich im Sattel und blickt zurück auf die haltenden Reiter der Patrouille. Er sieht in stoppelbärtige, von der Hitze und der Sonne gerötete Gesichter. Die Blicke der Männer kann er richtig deuten. Er weiß Wort für Wort, was sie ihm sagen würden, gäbe er ihnen Gelegenheit dazu, ihre Meinung laut zu äußern.

Aber das dürfen sie nicht. Denn sie sind Soldaten und stehen unter Befehl.

Bei ihm ist es etwas anders. Er ist Sergeant, und er wurde dem jungen Leutnant sozusagen als »Amme« mitgegeben. Doch mit den jungen Leutnants ist das immer wieder so eine Sache.

Und auch mit diesem ist es schlimm.

Dennoch versucht es Sergeant Jim Bailey. Er sagt: »Sir, es ist ein ganz einfacher Indianertrick. Die paar roten Jungens, die Ihnen vorhin von einem Hügel aus ihre nackten Hintern zeigten – was Sie ja mit Ihrem feinen Glas sehr deutlich studieren konnten –, sollen uns in diesen Canyon locken. Das genau war ihre Absicht.

Und dort drinnen warten alle ihre Freunde, Vettern und Brüder nur darauf, dass wir kommen. Wenn wir dort hineinreiten, sitzen wir in der Falle.«

»Sir«, sagt der junge Leutnant. »Sergeant, Sie vergaßen, mit Sir zu enden. Bitte wiederholen Sie den letzten Satz.«

Sergeant Jim Bailey bekommt ein Gesicht, als hätte er Essig getrunken.

Aber dann spricht er langsam und bedächtig: »Wenn wir dort hineinreiten, Sir, sitzen wir in der Falle, Sir.«

Der Leutnant nickt zufrieden, aber es ist kein Nicken des Einverständnisses bezüglich der vermuteten Falle, sondern es gilt dem nun gebrauchten »Sir«.

»Sergeant, Sie haben doch wohl nicht vor ein paar Dutzend Wilden Angst?«, fragt er, wendet sich im Sattel und wirft einen Blick über die hinter ihnen haltende Patrouille.

Auch er sieht die geröteten Augen der Männer und kann gleichfalls an diesen Gesichtern und an den Blicken spüren, was sie denken und was sie sagen würden, dürften sie es nur laut genug tun.

Er begreift, dass sie ihn allesamt für einen noch recht grünen Jungen halten, dem sie nur deshalb gehorchen müssen, weil die verdammte Armee dies so will. Sie trauen ihm nichts zu – gar nichts. Für sie ist er wie jeder junge Offizier hier im Indianerland eine absolute Null.

Einen Moment denkt er bedauernd daran, wie wenig er und sein ganzer Jahrgang doch auf West Point über Indianer und Indianer-Strategie erfahren hatten. Indianer, das waren Wilde, Halbaffen, die man mit dem blanken Säbel auseinander jagen konnte wie ein Rudel Hunde mit der Peitsche.

Über Indianer redete man in West Point nicht.

Aber jetzt hält er hier zu Pferde vor einem gähnenden Canyon-Maul, in das eine deutliche Fährte führt, und hätte gerne mehr über Indianer gewusst.

Er könnte den Sergeanten fragen.

Doch aus dessen Augen erkennt er den Widerwillen, die Verachtung und den Zorn der Ohnmächtigen, die unter Befehl stehen und Befehle ertragen und ausführen müssen.

Leutnant John Baker weiß inzwischen genau, was alle diese Soldaten von ihm halten und auch von der Armee, die solche Offiziere ins Indianerland schickt.

Er möchte den Sergeanten gern fragen.

Doch dann regt sich in ihm der Stolz.

Schließlich ist er ja kein Dummkopf. Und selbst wenn die Patrouille kämpfen müsste, so wäre dies auch nichts Außergewöhnliches. Es wäre überhaupt an der Zeit, dass auch er mal sein erstes Indianergefecht erlebt und selbst ein paar dieser roten Affen in die Hölle schickt. Dann würde er hier nicht länger mehr ein Greenhorn sein und im Kasino mitreden können. Und diese Soldaten würden ihn auch nicht länger mehr so mitleidig-geringschätzig mustern.

Er entschließt sich, weil er ein Junge ist, der noch glaubt, dass jeder Entschluss besser ist als unschlüssiges Zögern und zauderndes Überlegen.

»Vorwärts, Patrouille«, sagt er und reitet an.

Die Patrouille folgt ihm.

Die Fährte ist deutlich. Die Roten scheinen zahlenmäßig nicht stärker zu sein als zwei Dutzend Reiter. Sie haben selbst Verwundete bei sich, denn vor zwei Tagen überfielen sie einen kleinen Wagenzug. Wahrscheinlich haben sie zwei geraubte weiße Frauen oder Mädchen bei sich.

Und wahrscheinlich ist es ihre Absicht, mit diesen beiden weißen Gefangenen die Patrouille in eine Falle zu locken.

Der Sergeant treibt sein Pferd neben das Tier des Leutnants und sagt: »Sir, es wäre gut, wenn wir ein oder zwei Reiter als Vorhut reiten ließen.«

»Richtig, Sergeant! Übernehmen Sie das selbst. Nehmen Sie sich noch einen Mann mit.«

Sergeant Bailey schluckt bitter. Und er denkt: Heiliger Rauch, wie will dieser Junge ohne mich die Patrouille aus der Falle führen?

Aber er sagt, wobei er militärisch grüßt: »In Ordnung, Sir! Ich nehme Corporal Garret mit.«

Und dann ruft er auch schon über die Schulter nach hinten: »Corporal Garret nach vorn! Komm schon, komm schon!«

Er lässt sein Pferd schneller traben und entfernt sich voraus von der Kette der achtzehn Reiter.

Ben Garret hat ihn bald eingeholt, reitet nun Steigbügel an Steigbügel mit ihm und stößt einen Fluch aus.

Dann sagt er: »Du warst noch nie mein Gönner, Sergeant. Und du hättest noch siebzehn andere außer mir aussuchen können. Warum also mich?«

Jim Bailey ist ein weißblonder, hagerer Typ. Er sieht Garret aus schmalen Augen an. »Gewiss«, sagt er, »ich mochte dich nie besonders. Seit du mir damals in Laramie das Arapahoe-Mädel ausspanntest, konnte ich dich noch weniger leiden. Aber eins muss ich zugeben, nämlich, dass du ein harter Bursche bist – fast so hart wie ich. Du würdest mich nicht als Kindermädchen brauchen, sondern mir ein gleichwertiger Partner sein.«

»Partner? Wobei? Wofür?«

Corporal Ben Garret fragte es staunend.

Und da sagte es ihm der Sergeant: »Wir kommen hier nicht mehr raus, Garret. Die Patrouille ist verloren. Ich kenne den Canyon. Es ist ein Sack-Canyon. Die Indianer werden sich gut verbergen und uns wahrscheinlich vorbeilassen. Aber hinter uns fallen sie dann über die Patrouille her. Vielleicht wird es so sein.«

»Und dann?«, fragte Garret.

Der Sergeant grinste. »Neulich hörte ich dich einmal sagen, dass du bereit wärest, einen großen Haufen auf die Armee zu machen. Jetzt bin auch ich soweit. Ich hatte bisher nichts dagegen, die Amme für blutjunge und unerfahrene Leutnants zu spielen. Aber dieser da ist hier zum Untergang verurteilt. Ich kann ihm den Befehl über die Männer nicht entziehen. Aber ich kann meinen Skalp retten. Und du wirst das wohl auch wollen, nicht wahr?«

Da sagte Corporal Ben Garret nichts mehr.

Aber er blickte nun scharf in die Runde. Als er nach hinten späht, ist die Patrouille fast eine halbe Meile zurück.

Und die Fährte der Indianer ist immer noch klar zu erkennen. Sie führt weiter in den Canyon hinein und folgt dessen Windungen.

Am Anfang war der Canyon fast eine halbe Meile breit, der Länge nach geteilt von einem Creek. Das änderte sich jedoch bald schon nach der ersten Biegung. Die Canyonwände treten mehr und mehr zusammen. Neben dem Creek zu beiden Seiten sind Felsen, Büsche, Bäume. Am Fuße der steilen Hänge sind immer wieder Felsengruppen wie versteinerte Büffel- oder Elefantenherden.

Es gibt einige tiefe Bergfalten, Querschluchten.

Der Canyon wird immer wilder und unübersichtlicher.

Dass die deutliche Fährte nichts zu bedeuten hat, wissen die beiden Soldaten ganz genau. Überdies ist die Fährte auch bald nicht mehr so deutlich, weil der Boden härter und steiniger wird.

Es ist leicht möglich, dass die Indianer schon längst von den Tieren sprangen und sich irgendwo versteckten, während die Tiere von einem oder zwei Kriegern weitergetrieben wurden, um jene Fährte zu erzeugen, auf der die Patrouille in die Falle reiten soll.

Das Spiel ist so einfach, dass es jeder erfahrene Soldat durchschauen könnte.

Nur ein blutjunger Leutnant aus West Point, der hier ein Greenhorn ist und dennoch Befehle erteilt, kann das nicht.

Es geschieht dann schnell.

Als sie etwa fünf oder sechs Meilen tief im Canyon drinnen sind, bricht hinter den beiden Reitern der Vorhut die Hölle los.

Sogar der erfahrene Sergeant und der nicht minder erfahrene Corporal ritten an der Stelle vorbei, wo die Roten im Hinterhalt lagen.

Nun brechen sie aus einer Querschlucht, aus dem tiefen Creekbett, zwischen Bäumen und Büschen und hinter einer Felsengruppe hervor. Es sind Oglala-Sioux, und es sind erfahrene Krieger, die jetzt ihr »Spiel« zum Abschluss bringen, indem sie die »Trümpfe« auf den Tisch knallen. Es war leicht für die Indianer.

Denn sie bauten keine besonders schlaue und geschickte, sondern eine ganz einfache Falle, in die nur ein unerfahrener, arroganter und vielleicht auch unsicherer Leutnant seine Reiter führen konnte – ein Leutnant, der eine falsche Entscheidung traf, weil er glaubte, sich entscheiden zu müssen, ein Leutnant aus West Point, der berühmten Offiziers-Akademie, der zu dumm war, einen erfahrenen Sergeanten um Rat zu fragen und diesen Rat auch zu befolgen.

Als es losgeht mit Kriegsgeheul, da reißen der Corporal und der Sergeant ihre Pferde herum.

Denn sie sind ja keine Feiglinge. Sie haben schon überall gegen Indianer gekämpft und sind auch durch wildes und mordlustiges Kriegsgeheul nicht zu lähmen. Obwohl ihnen die Armee, in der sie dienen, zum Halse raushängt, sind sie doch Soldaten, die längst begriffen, dass sie nur gemeinsam mit den Kameraden überleben können.

Sie wollen zurück zur Patrouille, wollen diese verstärken, mit ihr gemeinsam gegen die starke Oglala-Kriegshorde kämpfen. Und besonders der Sergeant fühlt sich verantwortlich für die Soldaten.

Ja, er spürt wahrhaftig diese Gefühle. Die stecken einem alten Soldaten einfach in den Knochen. Da kann man auch mit dem Verstand nicht dagegen an.

Denn der Verstand sagt deutlich, dass sie alle verloren sind. Aber der Sergeant und der Corporal reiten nur ein kleines Stück zurück.

Sie sehen, wie die Roten von allen Seiten über die Patrouille herfallen und wie schon vorher fast die Hälfte der Kavalleristen aus den Sätteln fielen.

Der junge Leutnant aber konnte gar nichts mehr befehlen.

Es geht schnell. Die Patrouille wird zugedeckt von der fünffachen Übermacht der Roten wie ein im Schnee sitzender Elch von einem Wolfsrudel, das ihn bei lebendigem Leibe anzufressen beginnt.

Es gibt keine Chance für die Patrouille.

Und als Sergeant Jim Bailey das nach zwei Dutzend Pferdesprüngen erkennt, bremst er seinen schnaubenden Gaul auf der Hinterhand und reißt ihn wieder herum in die alte Richtung. Corporal Ben Garret folgt ihm.

Und dann ergreifen sie die Flucht. Dass dieser Canyon ein Sack-Canyon ist, wissen nun beide, denn der Sergeant sagte es dem Corporal. Aber das ist ihnen vorerst gleich. Sie wollen und müssen zuerst einmal weg, nichts wie weg.

Als sie sich nach zwanzig Pferdesprüngen umsehen, also wieder bei der Stelle sind, an der sie anhielten und umkehrten, um zur Patrouille zu gelangen, da blicken sie über die Schultern zurück.

Und sie sehen ein Dutzend Rote auf ihrer Fährte.

Jetzt wissen sie Bescheid.

Ein Dutzend Oglala-Krieger gegen zwei Soldaten.

Es ist nicht daran zu denken, dass sie sich zum Kampf stellen. Gewiss, sie haben jeder einen Hartford-Dragoon-Revolver vom Kaliber 44 mit einem neunzehn Zentimeter langen Lauf. Sie haben auch jeder einen Spencer-Karabiner am Sattelring hängen.

Doch in ein offenes Gefecht im Sattel können sie sich mit einem Dutzend Sioux nicht einlassen. Denn werden sie erst festnagelt an einem Platz, dann kommen sehr schnell noch weitere Krieger der Roten hinzu, sollte das nötig werden.

Nein, sie müssen erst einmal die Flucht ergreifen, die schamlose Flucht weiter in einen Canyon hinein, von dem sie genau wissen, dass er bald endet.

Ben Garret, der früher einmal im Süden Cowboy war, bevor er wegen einer Sippenfehde, die auf beiden Seiten viele Tote kostete, zur Armee ging, reitet fast noch besser als der Sergeant, obwohl dieser ein schnelleres Pferd hat.

Ben Garret flucht: »Höllenpest, diesmal stecken wir aber in der dicken Tinte! Und was tun wir, wenn wir das Ende des Canyons erreicht haben?«

»Vielleicht sind uns bis dann ein paar Flügel gewachsen, Junge!«, ruft der Sergeant. »Wir müssen von den Gäulen, Bruderherz! Und wir müssen hinauf in die Berge. Reite, Junge, reite! Damit unser Vorsprung groß genug ist für die Kletterpartie.«

Sie reiten das wichtigste und wohl schnellste Rennen ihres Lebens. Sie schaffen es auch, gegen die kleineren und leichteren Indianer-Mustangs einen Vorsprung herauszuholen.

Und als sie im endenden Canyon nicht mehr weiter hinaufreiten können, weil der Hang zu steil und zu gefährlich wird, da nehmen sie ihre Waffen und die Wasserflaschen, werfen sich die Satteltaschen über die Schultern und machen sich zu Fuß auf den Weg.

Der Sergeant erreicht auf dem steilen Hang als erster ein paar Felsen, hinter denen er Deckung findet. Er hat einen Spencer eine Sekunde später schussbereit und schießt die beiden ersten Indianer aus den Sätteln.

Das ist gar nicht so einfach, wie es sich hier liest. Denn die Indianer jagen in einem wilden Galopp heran, der deshalb so unregelmäßig ist, weil das Gelände einen geraden Ritt nicht mehr zulässt.

Die Roten liegen tief über den Pferdehälsen. Denn sie kennen die Gefahr.

Aber der Sergeant mit seinem Spencer schafft es wie durch Zauberei.

Und nachdem er zwei der Krieger erwischt hat, werfen sich die anderen von ihren Tieren und suchen Deckung.

Corporal Garret wirft sich keuchend neben dem Sergeanten in Deckung.

»Das hätten wir«, schnauft er. »Mann, du kannst ja wie ein Eichhörnchen springen. Wie machst du das?«

»Ich habe keine solchen krummen Beine wie du, Garret«, sagte der Sergeant grinsend und schießt auf einen Kopf, der hinter einem Felsen auftauchte. Er trifft jedoch nur eine Feder, deren weit größeres oberes Stück davonwirbelt.

Der Rote ruft wilde Verwünschungen herauf.

»Was brüllt er, Bailey?«, fragt Garret, denn es ist ihm bekannt, dass der Sergeant die Sprache der Sioux-Stämme einigermaßen versteht.

»Dass wir die Söhne von Ratten wären und sie uns schon noch erwischen würden«, erwiderte Bailey.

»Ich klettere jetzt weiter hinauf«, sagt er nach einer Weile. »Wir finden genügend Deckung. Und wenn wir oben sind, lassen wie eine feine Lawine niedergehen. Du sollst mal sehen, wie die Jungens dort unten weglaufen werden. Also gib mir Feuerschutz, Hombre aus dem Süden.«

»Dort war es besser«, erwidert Garret. »Mir haben die Mexikanerinnen stets besser gefallen als die Indianermädels. Und wenn ich hier herauskomme, gehe ich wieder nach dem Süden.«

Er beginnt zu schießen.

Und der Sergeant macht sich auf den Weg nach oben.

Etwa eine Stunde später – als die Dämmerung schon nicht mehr so fern ist –, da lösen sie oben eine Lawine von Steinen und Geröll aus. Sie donnert den langen Steilhang zum Canyon hinunter, und sie wird viele Hunderte von Tonnen schwer und wuchtet so mächtig nieder, dass die Erde zittert und bebt und das donnernde Grollen lange im Canyon hallt.

Staub füllt den Canyon und wird sich noch lange darinnen halten.

Der Sergeant erhebt sich, wirft sich die Satteltasche über die Schultern und nimmt den Spencer in die Rechte.

»Garret, gehen wir«, sagt er. »Gehen wir quer durch die Black Hills zum Belle Fourche River.«

»Und dann?«, fragt Garret.

»Das wird sich finden, mein Junge«, sagt Jim Bailey und grinst. Und er setzt hinzu: »Vergiss nur nicht, dass wir für die Armee wahrscheinlich tot sind. Umgekommen mit der total aufgeriebenen Patrouille des Leutnants John Baker. Für die Armee stehen wir nicht mehr auf der Liste.«

Da bekommt Ben Garret für einen Moment große Augen.

»Hey, richtig«, sagt er. »Wir sind von den Indianern erschlagen worden.«

Sie setzen sich in Bewegung und klettern und laufen weiter in die Berge hinauf. Es gibt hier keine Wege und Pfade von Menschen. Sie können höchstens irgendwelchen Wildpfaden folgen.

Als die Nacht anbricht, halten sie nur so lange an, bis der Mond und die Sterne hell genug leuchten. Sie setzen ihre Flucht fort und hoffen, dass sich die Indianer nicht auf ihre Fährte setzen.

Ben Garret sagt einmal: »Im Süden die Apachen, die würden uns auch zu Fuß überall in die Berge folgen. Doch diese Indianer der Hochprärie hier, diese Sioux, die verlassen wohl nicht so gern ihre Pferde. Wenn wir morgen keinen Indianer mehr sehen, dann sind wir diese roten Schufte wohl los, oder?«

»Ja, das denke ich auch«, erwidert Jim Bailey. »Aber ohne Pferde werden wir wahrscheinlich noch wochenlang unterwegs sein, bis wir aus dieser Klemme heraus sind. Es ist irgendwie eine verrückte Sache, dass gerade wir zwei Burschen nun zusammen unsere Haut retten müssen. Ich mochte dich nie besonders leiden, du verdammter Rebell aus dem Süden. Und dennoch hätte ich wohl von all den Jungens der Patrouille keinen besseren Partner aussuchen können. Versprich mir nur eines, Garret, ja? Spanne mir nie wieder ein Mädel aus.«

»Das verspreche ich«, sagt Garret und lacht. »Von jetzt an kannst du sogar immer meines haben.«

Auch der Sergeant lachte noch einmal laut auf. Sie lachen beide so laut, dass es ein Echo zwischen den Bergwänden gibt.

Ihr Lachen macht sie zu Freunden, zu Partnern. Und es ist das Lachen von Davongekommenen, die ihrem Glück dankbar sind.

Als sie am nächsten Tag keine Indianer sichten, sind sie davon überzeugt, es geschafft zu haben, also dem Tod entronnen zu sein.

***

Fünf Tage später schießt Sergeant Jim Bailey mit seinem unfehlbaren Spencer-Gewehr eine junge Gämse. Und als sie an einem kleinen Creek ein Feuer entzünden und noch etwas Holz brauchen, geht Jim Bailey einige Schritte weit zur Seite und reißt ein kleines, schon recht trockenes Bäumchen aus dem Erdreich. Dieses gewiss einst grüne Tannenbäumchen war aus irgendeinem Grunde abgestorben und hatte sich langsam braun gefärbt. Bei der geringsten Berührung fallen die Nadeln ab.

Jim Bailey will es über dem Knie zerbrechen, als ihm etwas auffällt.

Aus dem Wurzelballen fallen ein paar kleine Steinchen. Und eines davon fällt auf einen kopfgroßen, harten Stein am Boden.

Aber es macht dabei nicht »Klick« wie es zu erwarten war, wenn ein Kiesel auf einen harten anderen Kiesel fällt, sondern es macht sehr weich »Klack«.

Bailey erstarrt.

Dann lässt er den trockenen Baum fallen und bückt sich nach dem Klack-Steinchen.

Als er es zwischen die Finger nimmt, hält er den Atem an. Er weiß sofort, dass es kein Blei ist. Aber er kratzt dennoch mit dem Messer daran herum. Dann fällt er auf die Knie und arbeitet sich mit Hilfe des starken Bowie-Messers, das er aus dem Stiefelschaft holt, in den Boden hinein.

Ben Garret beobachtet ihn vom Feuer aus. Aber dann lässt er das bratende Fleisch allein und gesellt sich zu ihm.

»He, was ist los?«, fragt er. Der Sergeant gibt ihm keine Antwort, sondern arbeitet fieberhaft weiter.

Dann sieht es Ben Garret und begreift.

Dennoch fragt er: »Was ist das?«

Sergeant Bailey bricht nun ein starkes Stück davon aus dem Boden und wirft es ihm zu. »Da hast du es. Beiß mal hinein. Das ist Gold, pures Gold! Adergold! Junge dies ist eine Goldader! Alter Witwenmacher, die Indianer haben uns Glück gebracht. Oder glaubst du das nicht mehr?«

Der Corporal steht still und stumm da.

Dann schüttelt er den Kopf und murmelt heiser: »Das ist doch nicht wahr? Das gibt es doch nicht? So viel Glück ist doch für zwei Burschen von unserer Sorte gar nicht drin? Wir sind doch nur auf dieser verdammten Welt, um von einem Verdruss in den anderen zu geraten. Oder?«

Er erwartete jedoch keine Antwort, sondern beißt tatsächlich in den Goldbrocken mit seinen starken, scharfen Zähnen.

Und dann holte er auch sein Messer hervor, lässt sich neben Jim Bailey auf die Knie nieder und beginnt wie dieser wie ein Verrückter zu graben, kratzen, scharren und wühlen – bis auch er ein Stück von der Goldader freigelegt hat.

Sie brechen immer wieder Stücke heraus. Das Goldmetall ist ja ziemlich weich.

Und erst nach einer Weile halten sie keuchend inne. Am Feuer verbrennt ihr Gämsenbraten, doch sie merken es nicht.

Sie starren sich an und erkennen das Funkeln in ihren Augen. Sie wischen mit den Unterärmeln ihrer Kavallerie-Reithemden den Schweiß aus dem Gesicht und beginnen zu lachen.

Es wird ein wildes Gelächter, ein Lachkrampf, ein Geheul. Und dann springen sie auf, umtanzen sich, schlagen und boxen sich, lachen und brüllen – bis sie schließlich von ihrem Freudenausbruch restlos erschöpft sind.

Sie sinken nieder und ruhen keuchend aus.

»Verdammt noch mal, wir besitzen eine Goldader«, sagt Ben Garret. »Es ist eine Goldader wie ein erstarrter Blitz, der vom Himmel fiel und dann von Erde, Steinen und Staub verschüttet wurde. Ja, ein erstarrter goldener Blitz ist das. Wir sind reich, Junge, reich! Wir haben Gold! Gold haben wir! Gold!«

Er brüllt es schon wieder mit kräftiger Stimme.

Und das Echo hallt überall von den Bergen zurück. Aber Jim Bailey brüllt und lacht nicht mehr so verrückt mit.

Jim Bailey grinst zwar noch, doch man sieht ihm an, dass sein Verstand bereits wieder folgerichtig arbeitet.

Und da wird auch Ben Garret wieder nüchterner.

»Was ist los? Warum freust du dich nicht, Jim Bailey?«

»Ich freue mich«, sagt dieser. »Aber ich freue mich leise. Laut werde ich mich erst freuen, wenn wir dieses Gold aus der Wildnis herausgeschafft haben. Wir haben keine Pferde mehr, und wir können jeder nur ein oder zwei Kilo mitnehmen. Dann müssen wir uns irgendwo Packpferde und Ausrüstung besorgen und zurück in diese Berge und in dieses Loch. Wenn wir diese Goldader abgebaut haben, sind wir gewiss reich. Vielleicht liegt für hunderttausend oder gar eine halbe Million Dollar hier in diesem Boden. Aber das Problem ist, alles unbemerkt herauszubringen, nicht erwischt zu werden und … Ah, streng deine Einbildungskraft mal selbst etwas an, Ben Garret! Dann wird dir schnell klar sein, dass wir es noch längst nicht geschafft haben. Das Gold hier ist einen Dreck wert, solange wir es nicht dorthin befördern können, wo man es uns für Geld eintauscht. Und wenn wir damit auch nur in die Nähe der Menschen geraten, wird es bald schon welche geben, die es wittern können wie die Ratten frische Hühnereier oder eine Speisekammer. Und dann …«

Er winkt ab, denn er ist der Meinung, dass Ben Garret nicht weniger gut weiß, was dann alles sein wird.

Denn die Mehrzahl der Menschen ist nun mal so geartet, dass sie sich von jedem fetten Braten gerne eine Scheibe abschneidet und auch dort ernten möchte, wo sie gar nicht gesät hat.

Und Wölfe gibt es überall – auch unter den Zweibeinern.

Als auch Ben Garret sich dies alles überlegt und durchdenkt, da wird auch er ernst und grinst nur noch hart und ohne Freundlichkeit.

»Wir schaffen das schon«, sagt er. »Und jeden, der unserem Gold zu nahe rücken sollte, der handelt sich Blei ein.«

Er klopft dabei auf seinen Revolver.

Jim Bailey nickt leicht. Er weiß, dass Ben Garret gut mit einem Colt umgehen kann. Dieser Corporal war einst ein texanischer Revolvermann, der für seine Sippe einige Männer tötete, den die Sheriffs wahrscheinlich im Süden immer noch suchen und der auch bei der Armee das Schießen nicht verlernte.

»Richtig, Ben Garret«, sagt Jim Bailey und klopft dabei auf seinen Spencer, den er stets in Reichweite hat. »Du mit deinem Colt und ich mit meinem Spencer, wir werden uns damit schon durchbeißen. Doch nicht alles kann man mit einer Waffe erledigen, nicht alles.«

Sie haben sich inzwischen genug verschnauft und beginnen wieder mit ihrer Goldgräberei. Es ist eine merkwürdige Goldgräberei, denn es ist so leicht für sie, mit ihren Messern ein Stück der Goldader freizulegen und noch weitere Brocken herauszubrechen.

Sie füllen ihre Satteltaschen damit, in denen ohnehin nicht mehr viel Platz ist. Denn die wenigen Proviantvorräte und eisernen Rationen der Armee, die sie auf den Patrouillenritt als Verpflegung mitnahmen, sind jetzt wichtiger als Gold. Und dennoch wird jeder Gold für fast zweitausend Dollar auf den langen Weg mitnehmen.

Als sie später bei Anbruch der Nacht am Feuer hocken, fragt Ben Garret: »Du kennst dich in diesem verdammten Land besser aus als ich, Jim Bailey. Würdest du diesen Platz hier überhaupt wiederfinden? Ich meine, dass diese Berge, diese Schluchten und Canyons sich so ähnlich sind wie Hühnereier. Und was ist, wenn es dich unterwegs irgendwie erwischen sollte, dass du gleich tot bist oder auch langsamer stirbst, he, was ist dann? Dann bin ich zwar dein Erbe; aber ich finde vielleicht mein Erbe – unsere Goldader – nicht mehr wieder. He, wir müssen einen Plan zeichnen. Eine genaue Skizze muss es sein, mit Landmarken und Kreuzungslinien, sodass man die Lage der Goldader noch nach Jahren wiederfinden kann, auch wenn sich alles verändert hat. Ich könnte mir vorstellen, dass schon nach dem nächsten Winter hier alles anders aussieht. Der Creek dort tritt bei jeder Schneeschmelze aus dem Bett und rollt große Steine und viel Geröll zu Tal. Dieser Platz sieht bald völlig anders aus. Fertigen wir eine Skizze an, Bruderherz, nicht wahr?«

Der Sergeant denkt eine Weile nach.

Dann nickt er und holt sein Messer wieder hervor. Er schärft es eine Weile besonders an der Spitze auf einem kleinen Handschleifstein, den er aus der Satteltasche holte. Das tut er sonst nur vor dem Rasieren, denn er rasiert sich auch mit diesem Messer, so scharf ist es.