G. F. Unger Sonder-Edition 141 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 141 E-Book

G. F. Unger

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Black Eagle, der kleine Arapaho-Häuptling, hat den Weißen grausame Rache geschworen, nachdem Bürgermiliz die Krieger, Frauen und Kinder seines Dorfes bestialisch niedermetzelte. Er tötet mit einer weitreichenden Sharps, überfällt kleine Ranches, zündet die Prärie an und vernichtet ganze Wagenzüge. Zuletzt raubt er aus einem Siedlertreck eine weiße Frau und flieht mit ihr in die winterliche Einsamkeit der Rockies. Black Eagle ist entschlossen, seinen Hass auf die Weißen auch an seiner Gefangenen auszulassen, und die schöne Sue Blaisdell macht sich auf das Schrecklichste gefasst. Aber die Ratschlüsse des Schicksals ahnen beide nicht...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 179

Veröffentlichungsjahr: 2018

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

Brennende Prärie

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Manuel Prieto/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-6609-9

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Brennende Prärie

1

Black Eagles Schar besteht aus siebzehn Kriegern, achtundzwanzig Frauen und Mädchen und elf Kindern unter zwölf Jahren, also insgesamt sechsundfünfzig Seelen. Nachdem sie sich aus dem Reservat schlichen mit ihrer wenigen Habe, sind sie nun drei Tage und drei Nächte unterwegs.

Es waren Tage und Nächte mit Sturm und prasselndem Regen – wolkenverhangen die Tage und rabenschwarz die Nächte, nur manchmal von Blitzen erhellt. Und so entkam Black Eagle mit seiner Schar den Soldaten – den Mila Hanskas –, die der Indianeragent ihnen nachschickte, um sie zurückzubringen oder zu töten.

Als dann am vierten Tag die Sonne hoch am Himmel steht und die armselige Schar zu wärmen beginnt, da danken sie alle Wakan Tanka, dem Großen Geist. Denn nun glauben sie entkommen zu sein.

Einige Krieger schwärmen aus, um zu jagen, und kommen mit reicher Beute zurück.

Und dann brennen bald die Feuer in einem Creekbett, wo sie unter der überhängenden Uferwand genügend trockenes Holz fanden. Dennoch ist dieses Holz und Gestrüpp nicht so trocken, dass ihre Feuer keinen Rauch hochsteigen lassen.

Black Eagle und seine Krieger kennen die Gefahr. Aber ihre Schar ist zu ausgehungert und erschöpft. Sie müssen Nahrung einnehmen, die sich in ihnen zu Säften und Kräften wandeln soll.

Sie sind also in Sorge und beobachten in weiter Runde die wellige Prärie, die wie ein erstarrtes Meer wirkt. Doch sie alle haben noch niemals ein Meer gesehen und können diesen Vergleich nicht ziehen.

Der Rauch steigt steil aus dem Creekbett heraus gen Himmel. Black Eagles Sorgen werden immer größer. Doch ihr Weg ins Powder-River-Land ist noch weit. Sie haben keine Pferde. Die konnten sie aus dem Reservat nicht mitnehmen. Und sie mussten drei Tage und drei Nächte endlose Meilen laufen. Doch der prasselnde Regen verwischte ihre Fährte.

Auch der Creek führt Hochwasser, doch jetzt wird er gewiss jede Stunde um einen ganzen Zoll sinken.

Black Eagle denkt wieder darüber nach, wohin er mit seiner Schar flüchten soll.

Sie gehören zum Volk der Arapaho.

Er könnte zu den Cheyenne oder den Sioux, deren mächtigsten Stämme die Hunkpapa, Oglala und Minnecounjou sind und die von berühmten Häuptlingen geführt werden.

Dort könnte die Arapaho-Schar Schutz finden. Daran glaubt Black Eagle. Denn ist Red Cloud nicht zu Verhandlungen in Washington gewesen? Hat man den freien Sioux und Cheyenne nicht Land mit einem neuen Friedensvertrag garantiert und die Forts am Bozeman Weg aufgegeben?

Ja, Black Eagle ist voller Hoffnungen.

Einer der Knaben bringt ihm ein großes Stück gebratenes Antilopenfleisch. Als er es in den Händen hält und sich mit dem Messer ein Stück abschneidet und den Mund damit füllt, da verspürt er Hoffnung und Mut noch stärker.

Ja, er wird seine kleine Schar zu einem der großen Stämme führen. Und man wird sie aufnehmen wie Brüder und Schwestern. Davon hat er gehört. Sonst hätte er den Ausbruch nicht gewagt.

Als er das zerkaute Fleisch hinunterschluckt und den Blick wieder in die Ferne richtet, da sieht er sie kommen.

Es sind keine Soldaten, aber deshalb gewiss sehr viel schlimmer. Er hält sie für Büffeljäger oder ein Milizaufgebot, das dieses Land von wilden Indianern säubern soll, die immer wieder den Bau der Eisenbahn verhindern wollen, die von Laramie weiter nach Westen vordringen soll.

Die Reiterschar – es müssen an die hundert Mann sein – muss auf ihre Fährte gestoßen sein, die nach dem Aufhören des Regen wieder sichtbar wurde.

Black Eagle isst erst noch das große Stück Fleisch.

Dann ruft er hinunter ins Creekbett: »Wasicuns kommen auf unserer Fährte! Sie sind nur noch eine Meile weit entfernt! Hundert Wasicuns kommen, um uns zu töten!«

Als er das gerufen hat, muss er nicht lange warten.

Dann sammeln sich die Krieger bei ihm. Manche kauen noch das Fleisch, das die Squaws über dem Feuer brieten.

Eine Weile schweigen sie und sehen auf das sich nähernde Unheil.

Dann spricht einer kehlig: »Die sind schlimmer als Mila Hanskas. Selbst wenn wir uns ergeben, werden sie uns töten. Also sollten wir kämpfen, weil wir ohnehin schon tot sind, obwohl noch lebendig. ›Tela nun vela‹, wie die Sioux sagen.«

Als er verstummt, da erheben sie sich, bilden eine breite Front und setzen sich in Bewegung. Ja, sie schreiten den Reitern entgegen.

Und als sie nahe genug sind, da beginnen sie das Todeslied zu singen.

Black Eagle führt sie an, und er denkt dabei an seine Squaw, die noch so jung und schön ist und ein Kind von ihm unterm Herzen trägt. Sein Hass auf die Weißen könnte nicht größer sein.

Sie alle wissen, dass sie sterben werden. Selbst wenn sie sich ergeben würden, um ins Reservat zurückzukehren, es würde sie nicht mehr retten.

Denn sie wollen nicht zurück ins Reservat, um dort zu hungern, weil der Agent die Lieferungen der Regierung unterschlägt und zu seinem Vorteil verkauft, sie also hungern lässt. Und längst gibt es im Reservat nichts mehr zu jagen.

Sie werden sterben, auch ihre Frauen und Kinder wird man erschlagen oder auf andere Art töten.

Ja, sie alle wissen, dass sie in den Tod gehen. Deshalb singen sie das Totenlied und bitten so, dass ihre Seelen Einlass nach Wanagi Yata finden können.

Doch sie wollen kämpfend untergehen.

Leider haben sie nicht viele Waffen, nur wenige Gewehre, zwei Revolver und einige Kriegsbogen. Man hatte ihnen im Reservat nicht mehr erlaubt.

Hinter ihnen – noch unten im Creekbett –, da beginnen nun auch die Frauen und Kinder zu singen. Denn sie alle kennen das Massaker am Sand Creek und hörten auch von all den vielen anderen Massakern.1)

Und so nimmt das Schreckliche und Ungeheuerliche seinen Lauf, ist nicht mehr aufzuhalten.

Die weiße Horde besteht aus Siedlern, Büffeljägern, Banditen und Abenteurern.

Hinter diesem Aufgebot stehen mächtige Land- und Boden-Verwertungsgesellschaften, die darauf warten, Tausenden von Siedlern Kredite geben zu können, um sie so zu ihren Sklaven zu machen, gewissermaßen zu Leibeigenen, die aus der Prärie ein Weizenland machen.

Es wird ein erbarmungsloses Abschlachten, ein blutiges Morden.

Black Eagle hat schnell den Anführer ausgemacht, einen riesigen Mann mit einem schwarzen Vollbart, in Lederkleidung und auf einem schwarzen Hengst.

Dieser Anführer hält die Zügel mit seinen Zähnen fest, lenkt den Hengst mit Schenkeldruck und feuert mit zwei Revolvern.

Und so lässt sich Black Eagle fallen, als wäre er getroffen.

Doch als der schwarze Hengst an ihm vorbeitrabt – und noch bevor ihn der Reiter herumziehen kann –, da schnellt Black Eagle empor und landet mit einem Pantersprung, wie ihn nur die Reitervölker der Prärie können, hinter dem schwarzbärtigen Riesen auf dessen Hengst.

Black Eagles Messer ist scharf. Es fährt unter des Schwarzbarts Kinn quer über dessen Gurgelknoten.

Dann wirft Black Eagle den schon fast Toten nach der Seite aus dem Sattel und setzt sich selbst hinein, beugt sich weit vor und bekommt die Zügelleinen in die Hand.

Er muss dann mit dem Hengst einen Kampf austragen, bis er ihn endlich unter Kontrolle bekommt. Als er ihn herumzieht, um wieder am Kampf teilnehmen zu können, da sieht er, dass es zu spät ist.

Von seinen Kriegern steht keiner mehr.

Und so ergreift er die Flucht, verfolgt von Kugeln. Er spürt einige Streifschüsse wie Peitschenhiebe.

Er hat nun die Wahl, entweder mit den Frauen und Kindern zu sterben oder ein Entkommen zu versuchen, um Rache nehmen zu können an allen Weißen.

Er entschließt sich in diesen Sekunden für die Rache.

In seinem Herzen stirbt nun etwas.

Mehr als ein Dutzend Reiter verfolgen ihn. Doch ihre Pferde können es mit dem schwarzen Hengst nicht aufnehmen. Nach etwa einer Meile ist sein Vorsprung groß genug, sodass sie anhalten, weil sie begriffen haben, wie uneinholbar er auf diesem Pferd ist.

Doch auch er hält an.

Denn inzwischen hat er die schwere Buffalo Sharps im Sattelschuh neben seinen rechten Knie entdeckt. Und er weiß, dass er mit diesem Gewehr auf vierhundert Yards noch treffen kann.

In einer der Satteltaschen findet er reichlich Munition.

Und so stößt er einen gellenden Kriegsschrei aus. Er weiß, dass er alles verloren hat, was ein Krieger und Häuptling verlieren kann.

Seine kleine Schar, die ihm vertraute und daran glaubte, dass er sie in die Freiheit führen würde, ist verloren. Das Gewehrfeuer ist nicht mehr zu hören.

Also wird auch seine Frau mit all den an deren Frauen und Kindern niedergemetzelt worden sein. Man wird die Frauen und Mädchen auch vergewaltigt haben.

Black Eagle kennt die vielen Berichte von solchen Massakern. Das Schreckliche, was damals am Sand Creek geschah, hat es mehrfach da und dort gegeben, wo die roten Ureinwohner den gierigen Weißen nicht weichen wollten.

Er macht sich keine Illusionen.

Mit seinem gellenden Kriegsschrei befreit er sich für eine Weile von seinem Schmerz und dem deprimierenden Gefühl der Hilflosigkeit.

Denn nun kann er mit Erfolg kämpfen, Rache nehmen.

Schon einmal besaß er solch eine Buffalo Sharps. Er erbeutete sie von einem Büffeljäger, der zu einer starken Mannschaft gehörte, die jeden Tag Hunderte von Büffeln tötete, nur ihrer Häute wegen.

Und so sitzt er ab, bindet den Hengst an einem starken Busch und macht das schwere Gewehr schussbereit.

Seine Verfolger verharren immer noch und lassen ihre Pferde verschnaufen, die sie etwa vier Meilen galoppieren ließen, ohne den Verfolgten einzuholen.

Er stellt das Visier auf vierhundert Yards ein, also eine Viertelmeile.

Als er niederkniet, das linke Bein hochstellt, um den Ellbogen auf das Knie stützen und so aufgelegt schießen zu können, da wird das Ziel in weiter Ferne noch kleiner.

Aber seine Augen sind scharf. Er hofft, dass die Pulverladung der Papppatrone stark genug ist. Doch das ist sie gewiss, denn mit diesen Geschossen kann man auf diese Entfernung einen ausgewachsenen Büffelbullen töten.

Er muss nicht lange zielen. Dann kracht der Schuss, und er weiß, dass die Reiter das Geschoss heranrauschen hören wie eine kleine Granate.

Er nahm eine Handvoll Patronen aus der Satteltasche mit, die er nun neben seinen linken Fuß legt. Drüben sieht er einen der Reiter vom Pferd kippen.

Er lädt nach und zielt ebenfalls nur kurz.

Und abermals trifft er.

Dann reißen die anderen Reiter ihre Pferde herum und ergreifen die Flucht.

Sie haben gar keine andere Wahl.

Denn wenn sie ihn angreifen, kann er sich auf den schwarzen Hengst werfen und ihnen abermals leicht entkommen. Dann würde sich alles mehrmals wiederholen. Denn gegen einen schnellen Hengst und eine weit reichende Sharps haben sie keine Chance, wenn der Schütze ein erstklassiger Scharfschütze ist. Und das ist Black Eagle.

Noch einmal schießt er und erledigt einen dritten Mörder.

Ja, sie sind Mörder, gnadenlose Schlächter.

Sie sind nun außer seiner Schussweite, denn seine erbeutete Sharps hat kein Zielfernrohr. Das befindet sich in weiches Leder eingewickelt in der anderen Satteltasche. Er hat es noch nicht entdeckt.

Als er die kleine Horde flüchten sieht, da stößt er noch einmal den gellenden Kriegsschrei aus.

Dann aber springt er zu dem angebundenen Hengst, löst die Zügelenden mit einem schnellen Griff vom Busch, schwingt sich in den Sattel und nimmt die Verfolgung auf. Er muss etwa eine Meile reiten, dann ist er den neun Reitern wieder nahe genug.

Und so wiederholt sich das gnadenlose Spiel der Rache.

Diesmal tötet er zwei der Reiter.

Doch dann sieht er viele andere vom Creek her herangejagt kommen, vom Ort des grausamen und gnadenlosen Massakers.

Er begreift, dass er an diesem Tag aufhören muss mit seiner Rache.

Es ist Zeit zur Flucht. Denn er will noch nicht sterben, sondern möchte noch lange leben, um Rache nehmen zu können. Denn wie sonst könnte er den Schmerz in seinem Herzen ertragen?

Er kann ja nicht zu irgendeinem Gerichtshof gehen und Anklage erheben.

Er hat keine Rechte, weil er ein Roter ist. Und so ist er in seinem Zustand vergleichbar mit einem blutgierigen Raubtier. Aber ist der Mensch nicht immer schon das böseste Raubtier auf dieser Erde?

Und läuft nicht die Linie, die Gut und Böse trennt, durch jedes Menschenherz?

2

Joe Maddegan will in den Store hinein, um sich Tabak zu kaufen.

Und Sue Blaisdell will heraus, beladen mit zwei Körben voller Einkäufe.

Vielleicht ist es ihr Schicksal, dass sie zusammenprallen, doch sie können das noch nicht wissen, nicht einmal ahnen.

Aus den beiden Körben fallen einige Einkäufe. Und so bücken sie sich beide, um alles wieder einzusammeln, knien nieder.

Als sie sich ansehen, sind sich ihre Gesichter sehr nahe.

Und weil er von der ersten Sekunde an von ihrem Gesicht verzaubert ist, ist ein Staunen in seinem Blick.

Sie aber wirkt zornig und spricht ziemlich biestig zu ihm: »Haben Sie was mit Ihren Augen, Lederstrumpf?«

»O nein, Ma’am«, grinst er, »zum Glück nicht, denn sonst könnte ich mich nicht an Ihrem wunderschönen Anblick erfreuen. Schimpfen Sie nur mit mir. Ich bekenne mich schuldig. Aber erlauben Sie mir die Frage, ob Sie ein vom Himmel heruntergeschickter Engel sind. Sind Sie ein Engel?«

»Lassen Sie diesen Unsinn«, faucht sie.

Dann aber sammeln sie weiter die herausgefallenen Dinge in die Körbe.

Als sie schließlich die Körbe aufnehmen will, da kommt er ihr zuvor.

»Wohin darf ich Ihre Einkäufe tragen? Das bin ich Ihnen zumindest schuldig, Ma’am. Oder nicht?«

Sie betrachtet ihn sehr kritisch, und sie sieht einen in Leder gekleideten Mann, der offenbar ein Trapper, Scout oder Wagenzugführer ist, zur so genannten »Hirschlederbrigade« gehört, wie man diese Kaste auch nennt.

Er ist groß, hager, doch prächtig proportioniert. Wäre sie nicht so ärgerlich, dann würde ihr sein Gesicht und würden ihr seine rauchgrauen Augen gefallen, auch sein Mund, der sie anlächelt. Sie spürt instinktiv, dass er ein Mann ist, der zu jener besonderen Sorte gehört.

Er trägt einen Revolver an der linken und ein großes Messer an der rechten Seite. Seine Ledertracht ist allerbeste indianische Arbeit. Und seine schwarzen Haare fallen ihm bis auf die Schultern nieder.

In seinem Gesicht sind einige Narben.

Sie spürt auch die lässige Selbstsicherheit dieses Mannes.

»Mein Name ist Maddegan, Joe Maddegan«, sagt er lächelnd. »Und ich halte Sie wirklich für einen zur Erde herunter gestiegenen Engel.«

»Lassen Sie das«, spricht sie.

Dann setzt sie sich in Bewegung, und so bleibt ihm nichts anderes übrig, als ihr mit den beiden Körben zu folgen.

Nun kann er ihren Gang bewundern, ihre ganze Haltung, ihre Figur.

Er kommt zu der Erkenntnis, dass alles an ihr vollendet ist, so als wäre sie ein besonderes Meisterstück der Schöpfung.

Ihr rotblondes Haar leuchtet wie Gold in der frühen Morgensonne. Und er erinnert sich an das Grün ihrer Augen, die ihn so zornig ansahen.

»Heiliger Rauch«, murmelt er kaum hörbar zu sich selbst, »was gibt es doch auf dieser Erde manchmal für Wunder.«

Er erinnert sich kurz an Elster, eine junge Squaw, die er sich bei den Kiowa kaufte und einen langen Jagdwinter mit in seine Jagdhütte nahm. Auch Elster war wunderschön. Doch dann lief sie im Frühling einem hungrigen Grizzly in den Weg. Gewiss, er tötete den Grizzly, aber das machte Elster nicht wieder lebendig.

Und jetzt sieht er wieder eine so wunderschöne Frau. Aber sie ist eine Weiße, keine Squaw, die man ihrem Stamm abkaufen kann.

Und gewiss ist sie nicht mehr zu haben. Wer mag das Glückliche sein, der diesen gewiss sehr kostbaren Schatz besitzt?

Das fragt er sich begierig. Ja, er muss es wissen.

Er hat ihr seinen Namen genannt, aber sie nicht den ihren.

Sie verlassen Laramie nach Norden zu, gehen am Fort vorbei, in dessen Schutz die kleine Stadt entstanden ist.

Nun sieht er den Wagenzug eine Viertelmeile weiter am Rand des Bozeman-Weges.

Und so weiß er, wohin er die beiden schweren Körbe tragen muss.

Sie gehört zum Wagenzug.

Verdammt, denkt er, zu wem sie auch gehört, warum lässt man sie zwei schwere Körbe fast eine halbe Meile weit schleppen? Der Wagenzug ist zum Aufbruch bereit. Es sind an die fünfzig Wagen. Sie bilden schon eine lange Schlange neben dem Wagenweg. Er sieht, dass es keine Frachtwagen sind, sondern so genannte »Prärieschoner«, wie Auswanderer und Landsucher sie benützen. Und er weiß auch, dass dieser Wagenzug wahrscheinlich nach Oregon will, also schräg durch das ganze Indianerland nach Nordwesten.

Denn Oregon soll das gelobte Land sein.

Aber es ist ein weiter Weg dorthin.

Als sie den letzten Wagen erreichen, sieht er, dass er hinten aufgebockt wurde. Man ist dabei, eine Hinterachse zu montieren und die Räder wieder anzubringen, die Achsenmuttern anzuziehen und zu versplinten. Man ist damit fertig, als die Schöne und Joe Maddegan den Wagen erreichen und anhalten.

Die Männer lassen das aufgebockte Hinterteil des Wagens gerade nieder.

»Fertig«, sagt einer. »Dann können wir ja losfahren.«

Und ein anderer Mann spricht: »Ich danke euch.«

Dann wendet er sich der Frau zu und sagt mit einem Klang von Vorwurf: »Du kommst im letzten Moment. Sonst hätten wir dem Wagenzug nachfahren müssen.«

Er sieht Joe Maddegan an, der jetzt die beiden Körbe abstellt.

»Danke, Mister, dass Sie meiner Frau all das Zeug getragen haben. Sie musste ja noch unbedingt eine Menge einkaufen. Na gut, gestern war es schon zu spät dazu. Wir kamen erst in der Nacht mit einer gebrochenen Achse hier an. Danke, Mister. Mein Name ist Blaisdell. Und wir wollen nach Oregon. Sind Sie unser Wagenzugführer oder unser Scout?«

»Nein, bin ich nicht«, erwidert Joe Maddegan und betrachtet den Mann. Dieser gefällt ihm nicht besonders. Aber vielleicht liegt es daran, dass ihm die schöne Frau gehört. Ja, er neidet sie ihm.

Und so wendet er sich wortlos um und geht zurück.

»Auch ich danke Ihnen, Joe Maddegan«, folgt ihm ihre Stimme.

Doch er winkt nur über die Schulter zurück, wendet sich nicht mehr um.

Dabei denkt er: Manche haben mehr Glück als Verstand.

Der Wagenzug setzt sich am frühen Vormittag endlich in Bewegung. Schuld an dem verspäteten Aufbruch ist der Kommandeur, denn alle Wagenzüge, die den Bozeman Trail nach Norden benutzen, benötigen die Erlaubnis der Armee. Und das wieder hängt mit dem Friedensvertrag zusammen, der wieder einmal mit den Roten geschlossen wurde und gewiss bald wieder gebrochen werden wird, wie schon so viele andere Friedensverträge zuvor seit dem Tag, als die ersten Pilgrims, mit der Mayflower aus England kommend, den Kontinent betraten und Neu-England gründeten.

Am Bozeman Trail gibt es immer wieder Kämpfe mit den roten Stämmen, weil die Weißen oft den Trail verlassen, um zu jagen oder nach Bodenschätzen zu suchen.

Doch zurzeit scheint längs des Trail von Laramie bis Bozeman in Montana Ruhe zu herrschen. Doch dies musste sich der Colonel erst durch seine Scouts und die ständig ausreitenden Patrouillen bestätigen lassen.

Nun, der Wagenzug setzt sich also endlich in Bewegung und bricht auf nach Oregon. Er wird den Bozeman Trail weiter nordwestlich verlassen und durch das Idaho-Territorium nach Westen ziehen. Denn hinter Idaho – das heißt »Licht auf den Bergen«, also »I-da-ho« in der Sprache der Dakotas –, da liegt das gelobte Oregon.

Tom und Sue Blaisdell fahren den letzten Wagen. Und sie hatten Glück, diesen Wagenzug noch erreichen zu können. Aber weil sie ihren Wagen zu sehr beanspruchten, brach ihnen im selben Moment die Hinterachse, als sie das Camp des Wagenzuges erreichten.

Nun also schlucken sie den ganzen Staub, den die lange Wagenschlange vor ihnen aufwirbelt. Manchmal kommt einer der bewaffneten Begleitreiter zu ihnen ans Ende und reitet ein Stück neben ihnen.

Tom Blaisdell weiß, dass sie immer wieder kommen, um Sue ansehen und mit ihr einige Worte wechseln zu können. Und auch an ihrem Lächeln und ihrer Stimme wollen sie sich erfreuen. Dabei gibt es einige Dutzend Frauen und Mädchen im Wagenzug, von denen einige mehr als hübsch sind.

Doch Sues Schönheit und ihre ganze Ausstrahlung sind wie ein Zauber.

Länger als eine Meile fahren sie schweigend, sitzen nebeneinander auf der Fahrerbank. Schließlich fragt sie ruhig: »Wird unser Wagen durchhalten bis nach Oregon? Habt ihr die Hinterachse gut befestigt?«

»Und wie, mein Augenstern – und wie«, erwidert er grinsend.

Sie mag dieses sieghafte Lächeln an ihm und weiß, dass es für andere Männer manchmal eine Herausforderung ist.

Und so denkt sie wieder einmal an ihren noch so kurzen Lebensweg zurück.

Sie war schon als junges Ding zu wunderschön. Wegen ihr prügelten sich die Jungen, dann die jungen Männer. Sie durfte keinen bevorzugen, denn sonst bekam er Feinde.

Doch dann kam Tom Blaisdell.

Es war Liebe auf den ersten Blick. Eigentlich wollte er nur durchreiten, aber wegen ihr blieb er in dem kleinen Farmerdorf und machte sich Feinde, weil sie ihn bevorzugte. Dann fragt er sie, ob sie seine Frau werden und mit ihm nach Oregon gehen wollte. Sie sagte ja.

Und ihre Mutter weinte. Ihr Vater aber sagte zu Tom Blaisdell: »Wenn du nicht gut zu ihr bist und ich das erfahre, dann komme ich auch bis nach Oregon.«

Nein, er drohte nicht mit weiteren Worten. Aber Tom erkannte alles in seinen Augen. Deshalb hob er schwörend die Hand und erwiderte: »Ich werde Sue immer lieben. Sie könnte keinen besseren Mann bekommen, Mister Lonnegan.«

Sue erinnert sich auch jetzt wieder an diesen Abschied. Und ihre beiden kleinen Brüder weinten wie die Mutter.