G. F. Unger Sonder-Edition 143 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 143 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Er war ein gefürchteter Revolvermann, aber er tarnte sich als glückloser Goldgräber, weil er in der Nähe der schönen Reva Hattaway sein wollte, der er seinen Schutz gegen die vier mächtigsten Männer von Canyon City versprochen hatte. Einige Zeit gelang die Tarnung. Doch dann kamen ihm die vier Mächtigen auf die Schliche. O'Hara musste aus der Reserve heraustreten und kämpfen. Es war genau der Zeitpunkt, da er auf seinem Claim den riesigen Goldfund machte...

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EPUB

Seitenzahl: 181

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

O’Hara

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Manuel Prieto/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-6802-4

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

O’Hara

Als ich die Häuser und Hütten der kleinen Stadt vor mir sah, da konnte ich vor Freude nur noch heiser krächzen. Mehr brachte ich nicht heraus. Denn ich war ausgetrocknet wie ein Schwamm in sengender Sonnenhitze.

Und ich war zu Fuß, weil sie mir vor drei Tagen das Pferd gestohlen hatten, als ich in einer Wasserstelle badete. Dieses wunderschöne Bad hatte ich teuer bezahlen müssen.

Ja, sie hatten mir mein Pferd und überdies auch noch meinen ganzen Besitz gestohlen, zu dem auch meine beiden Waffen gehörten, nämlich mein Revolver und der Spencer-Karabiner.

Sie waren lachend davongeritten. Ich aber machte mich im Unterzeug auf den Weg und folgte ihrer Fährte.

Dass ich Unterzeug trug, lag an meiner praktischen Begabung. Denn ich hatte das Unterzeug mit ins Wasserloch genommen, um es zu waschen. Und so musste ich es nur noch in der Sonne trocknen. Das ging schnell auf einem heißen Felsen, auf dem man gewiss auch hätte Spiegeleier braten können.

Nun, ich sah also die paar Häuser und Hütten der kleinen Stadt vor mir und wusste sicher, dass es kein Trugbild war, also keine Fata Morgana.

Ja, das war eine Stadt, in der gewiss Christenmenschen lebten, von denen ich Hilfe erwarten konnte. Aber das war gar nicht so sicher, denn ich kannte die Menschen inzwischen und wusste längst, dass nicht jene, die am meisten beteten, wirkliche Christen waren.

Und was mein Pferd betraf, so gab es in diesem Zusammenhang jenen Spruch: »Weit weg von Gott und der Familie ist ein Pferd immer das Wichtigste.«

Und weil das so war, wurden in Texas und auch anderswo Pferdediebe an den Hälsen hochgezogen, bis man sicher war, dass sie nie wieder Pferde stehlen würden.

Nun, ich befand mich schon lange nicht mehr in Texas, denn ich war in den vergangenen Jahren immer weiter nach Norden gezogen. Aber auch dort galt gewiss dieses ungeschriebene Gesetz.

Ich machte mich wieder auf den Weg. Bis zu dieser Stadt war es nur noch etwa eine halbe Meile. Und die würde ich auch noch schaffen, zumal die Hoffnung nun in mir wie ein Lebenselixier wirksam wurde, ein Stimulans.

Es war eine wirklich kleine Stadt am Rande der Bunten Wüste. Der staubige Wagenweg führte hinein, quer über den Platz und nach Norden zu wieder hinaus.

Auf dem Platz war ein Brunnen mit einem Wasserbecken. Ich warf mich mit meinem Oberkörper hinein und dankte meinem Schöpfer, dass er mich hierher gelangen ließ.

Als ich mit meinem Kopf nicht mehr länger unter Wasser bleiben konnte und auch genug geschluckt hatte, richtete ich mich schnaufend auf und sah mich um.

In meinem Kopf herrschte nun wieder einigermaßen Klarheit. Und so konnte ich die ganze Sachlage ziemlich schnell erkennen und begreifen.

Drüben auf der Nordseite des Platzes befand sich der Painted Desert Saloon. Der Wagenweg führte an ihm vorbei in Richtung Utah.

Hinter mir – ich sah es, weil ich über meine Schulter blickte – befand sich auf der Südseite der Generalstore.

Und hier hatte sich eine Männergruppe versammelt, die auf mich ziemlich ratlos und verbittert wirkte, unentschlossen und eingeschüchtert wie eine Hammelherde bei Wolfsgeheul in der Ferne.

Aber das Geheul, welches ich hörte, kam aus dem Saloon. Es waren trunken klingende Männerstimmen und das schrille Kreischen von Mädchen. Und so begriff ich, dass dort ein wildes Fest gefeiert wurde.

Ich wandte dem Saloon meinen Rücken zu und setzte mich zu der Männergruppe vor dem Store in Bewegung. Sie sahen mir misstrauisch und missbilligend entgegen. Ihre Blicke und all das, was sie ausströmten, das alles sagte mir, wie wenig ich willkommen war, wie sehr sie eigene Probleme hatten.

Aber ich versuchte es dennoch mit den Worten. »Gentlemen, ich könnte Hilfe gebrauchen. Ich wurde ausgeraubt, als ich vor drei Tagen in einem Wasserloch ein Bad nahm und mein Unterzeug wusch. Die Fährte der Pferdediebe führte hierher. Sie müssen hier durchgekommen sein, vielleicht gestern erst. Wenn das so ist, dann müssen sie einen schwarzweißen Pinto bei sich gehabt haben.«

Als ich verstummte, da sahen sie mich an, als verspürten sie eine Befriedigung, so wie Menschen, welche erkennen, dass es ihnen nicht allein dreckig geht und sie Leidensgenossen haben auf dieser verdammten Erde.

Einer erwiderte trocken: »Sie sind hier richtig, Mann. Die Pferde der Kerle stehen hinter dem Saloon. Und sie hatten auch ein lediges Pferd dabei, einen Pinto. Aber wir werden Ihnen nicht helfen können. Sie haben unseren Marshal erschossen, gestern schon. Er war ihnen nicht gewachsen, denn eigentlich war er nur unser Schmied und Wagenbauer. Wir begriffen schnell, dass sie Revolverschwinger sind, gegen die wir keine Chance haben. Eine Witwe mit zwei kleinen Kindern sind genug. Und so warten wir hier, bis sie weiter reiten. Irgendwann werden sie ja genug haben.«

Der Mann verstummte bitter. Offenbar war er der Storehalter. Und auch die fünf anderen Männer sahen wie Bürger dieser kleinen Stadt aus, mochten Schreiner, Sattler oder Brunnenbauer sein, also irgendwelche nützliche Berufe haben, ohne die eine Stadt nicht aufblühen kann an einem Wagenweg, der aus der Painted Desert kommt und weiter nach Norden führt.

Mir fiel wieder ein Spruch ein, der eigentlich von Anfang an meinen Lebensweg begleitete und mich schon als Junge unter anderen Jungen behaupten ließ.

Dieser Spruch war für mich eine Weisheit, denn er lautete: »Der feige Hund wird an meisten geprügelt.«

Ja, so war es wohl.

Ich verspürte nun ein Gefühl des Mitleids mit diesen sechs Männern. Aber dann begriff ich, dass sie Familienväter waren, Frauen und Kinder hatten.

Sollte ich sie also als Feiglinge verachten?

Nein, das stand mir nicht zu. Überdies lebte ich nach dem Motto, dass jeder Mann sein eigener Hüter wäre.

Und so lag es wohl auch hier allein an mir.

Dennoch brauchte ich Hilfe. Und so fragte ich: »Sind Sie der Storehalter?«

Der Sprecher von vorhin nickte.

»Dann borgen Sie mir einen Revolver«, verlangte ich. »Sie bekommen ihn wieder, sobald ich meine eigene Waffe wieder in meinen Besitz gebracht habe. Ich brauche einen guten Colt mit einer gefüllten Trommel. Und zuvor müsste ich ein paar Happen zu essen bekommen und auch einen starken Kaffee dazu.«

Sie staunten mich nun an. Gewiss begriffen sie endlich, dass ich zu einer anderen Sorte gehörte als sie und nur in meinem zerrissenen Unterzeug so armselig wirkte, voller Kletten, Risse und Dornenwunden war, mit blutigen Füßen und halb verhungert.

Nein, ich bot keinen imposanten Anblick, sah eher aus wie ein Mann, der aus dem letzten Loch pfiff, am Ende war und mildtätige Hilfe brauchte.

Jetzt aber witterten sie in mir einen halb verhungerten zweibeinigen Wolf.

Sie begriffen, dass ich in den Saloon gehen und dort kämpfen wollte.

Vielleicht spürten sie nun Scham wegen ihrer Feigheit. Und weil das so war, mochten sie mich noch weniger.

Aber das war wohl nur menschlich. Die Guten und Edlen auf dieser Erde waren nicht so zahlreich. Denn die Linie, die all diese Typen trennt, läuft quer durch jedes Menschenherz.

Der Storehalter nickte plötzlich und erwiderte: »Kommen Sie herein, Mister. Wie ist denn Ihr Name?«

Ich zögerte, denn mein Name war im Südwesten bekannt. Ich besaß einen fast schon legendären Ruf. Nun, ich zögerte also. Doch ich brauchte was zu essen und einen geladenen Revolver.

Und so erwiderte ich: »Mein Name ist O’Hara, Jones O’Hara.«

Als ich verstummte, da schwiegen sie. Und so wusste ich, dass mein Name hier noch nicht bekannt war. Mein bitterer Ruhm war noch nicht so weit nach Norden vorgedrungen.

Ich folgte dem Storehalter. Und mir folgten die anderen Männer.

Drüben im Saloon aber wurde der Lärm noch lauter. Jemand hämmerte auf dem Klavier herum, und einige Mädchenstimmen kreischten schrill.

Die Kerle dort drinnen demütigten diese kleine Stadt, weil sie herausgefunden hatten, wie feige sie war. Sie genossen die Furcht der Bürger wie eine Droge, an der sie sich berauschten, um sich gewaltig fühlen zu können. Sie gehörten zum Abschaum und Dreck der Erde.

Drinnen trat der Storehalter hinter den Ladentisch und holte unter diesem einen schwarzen Kasten herauf, stellte ihn vor mir hin und öffnete den Deckel.

Ich sah einen prächtigen Revolver, der mir von Anfang an gefiel. Es war keine protzig aufgemachte Waffe mit hellem Beingriff, aber sie strömte von Anfang an etwas aus, was mir Vertrauen gab. Dieser Revolver sah sehr einfach und solide aus und hatte einen fast schwarzen Kolben. Es gab keine Ziselierungen oder Gravierungen. Nur der Rahmen war bunt gehärtet, und wenn diese Härtung von einem Künstler vorgenommen wurde, dann hatte er die Farbe richtig anlaufen lassen, bevor er den Rahmen in Öl abschreckte.

Und wenn das so war, dann hielt dieser Whitneyville Walker etwas aus. Er hatte das Kaliber vierundvierzig und einen ziemlich langen Lauf.

Ja, er strömte Vertrauen aus, welches ich spürte, so als wäre er ein lebendiges Wesen, kein totes Metall.

Sie sahen mir schweigend zu, wie ich den Revolver aus dem Kasten nahm und in der Hand wog, in ihn sozusagen hinein fühlte.

Die Waffe war wunderbar ausgewogen. Der Kolben innen war mit Blei gefüllt, also ausgegossen. Und er hatte keinen Abzug. Man musste also beim Schießen mit dem Daumen nur immer wieder den Hammer zurücklegen und loslassen.

Die Trommel drehte sich wunderbar leicht.

Der Storehalter sagte heiser: »Dieser Revolver gehörte einem Revolvermann. Sein Name war Ben Tyler. Er konnte damit wie ein Zauberer umgehen. Aber als er an einem Pokertisch saß und die Karten mischte, da schoss ihm jemand durch das Fenster zwei Ladungen Schrot in den Rücken. Was nützte ihm da der wunderbare Revolver? Ich nahm die Waffe als Gegenwert für seine Beerdigung in Zahlung. Er bekam einen guten Sarg und einen Stein auf seinem Grab.«

Der Storehalter machte eine Pause und fragte dann: »Wollen Sie es wirklich wagen Mr. O’Hara?«

»Ich muss«, grinste ich. »Was bleibt mir anderes übrig? Sie nahmen mir mein Pferd, meine Waffen und alles, was in meiner Sattelrolle und in den Satteltaschen war. Auch mehr als hundert Dollar nahmen sie mir. Soll ich sie freundlich bitten, mir alles Gestohlene zurückzugeben? Mein Pinto ist ein Zweihundert-Dollar-Pferd.«

Sie schwiegen einige lange Atemzüge. Dann murmelte einer: »Halten Sie uns nur nicht für feige, denn …«

Er verstummte zerknirscht.

Der Storehalter aber sagte: »Wollen Sie eine Hose und ein Hemd, Mr. O’Hara? Und sollten Sie es nicht schaffen, dann übernehme ich die Kosten für Ihre Bestattung. Stiefel bekommen Sie gewiss nicht über Ihre blutigen Füße. Doch ich hätte ein paar weiche Mokassins, wie die Utes und Kiowa sie tragen.«

»Was ich jetzt brauche, ist ein Steak und einen Topf starken Kaffee. Und für meine Füße haben Sie gewiss in Ihrem Store eine Pferdesalbe.«

Er nickte heftig. Dann rief er in den Hintergrund des Ladens hinein: »Hast du das gehört, Sally? Mache ihm ein gutes Steak und einen starken Kaffee, so als würdest du das für mich zubereiten.«

Eine hübsche Frau kam aus der hinteren Abteilung des Stores zum Vorschein und sah mich an.

»Er braucht auch neues Unterzeug«, sagte sie und lächelte. »Sie werden bei mir in der Küche essen«, entschied sie.

Ich grinste sie an und wusste, dass ich gar nicht gut aussah, nämlich stoppelbärtig, sonnenverbrannt, hohlwangig. Doch meine heisere Stimme klang dennoch höflich und respektvoll, als ich sagte: »Danke Ma’am. Sie sind sehr freundlich.«

Sie verschwand eilig.

Ich aber nahm die Trommel aus dem Perkussions-Revolver und begann sie zu laden.

Denn der Storehalter legte mir alles auf den Ladentisch, was zum Laden notwendig war. Ich setzte die geladene Trommel wieder ein und steckte die Zündhütchen auf die Pistons.

Der Storehalter brachte den Revolvergurt. Ich warf ihn um meine Hüften und schnallte ihn so, dass die Waffe unter meiner Hüfte hing.

Dann grinste ich die Versammlung an und sprach heiser: »Ich werde mich später umziehen. Denn zuvor werde ich baden müssen.«

Sie alle sahen mich an, als hätte ich zwei Köpfe oder sonstige Abnormitäten.

Sie waren redliche Bürger, Geschäftsleute, Handwerker. Sie mussten mich als eine Art zweibeinigen Wolf empfinden. Zwischen uns lagen Welten. Und deshalb waren sie eigentlich beneidenswert in ihrer Friedlichkeit, die sie zugleich auch hilflos machte wie eine Schafherde, die ohne Hirten verloren war.

Aber sie mussten nicht kämpfen.

Einer sagte heiser: »Viel Glück, Mr. O’Hara. Wir haben gesehen, wie sie unseren Marshal erschossen, so als wäre er ein dummer Hammel. Vielleicht sind wir alle nur wehrlose Hammel, weil wir an unsere Frauen und Kinder denken müssen. O verdammt, es ist zum Kotzen!«

Der Mann eilte hinaus.

Die anderen folgten ihm, und ich wusste, dass sie sich schämten und diese Scham nicht würden verdrängen können bis ans Ende ihres Lebens.

Der Storehalter sah mich an und fragte: »Verachten Sie uns?«

»Nein«, erwiderte ich, »aber es ist nun mal so, dass der feige Hund die meiste Prügel bekommt. Warum habt ihr in solch einem Lande diese Stadt gegründet? Ihr hättet dort bleiben sollen, wo die Schwachen vom Gesetz beschützt werden, wo es Recht und Ordnung gibt. Ihr seid zu schwach und zu hilflos wegen euren Familien, um Recht und Ordnung zu schaffen.«

Er nickte stumm.

Dann hörten wir aus dem Hintergrund des Stores, wo sich offenbar auch die Küche befand und es hinaus zum Hof ging, das scharfe Zischen eines Steaks in einer heißen Pfanne.

Und so setzten wir uns in Bewegung.

Ich war fast ohnmächtig vor Hunger und würde bald umfallen.

***

Es war eine Stunde später, als ich den Store verließ. Drüben aus dem Saloon klangen immer noch das Gebrüll, das Hämmern des Klaviers und das Kreischen der betrunkenen Mädchen, die man sicherlich gegen ihren Willen in diesen Zustand versetzt hatte. Nun, ich wusste genau, in was ich mich jetzt gleich einkaufte. Doch ich musste es tun. Ich hatte einmal in einem schlauen Buch gelesen, dass die Alternative der Gewalt das Recht wäre. Aber wie konnte man Recht schaffen gegen die Bösen ohne Gewalt?

Darüber hatte ich schon oft nachgedacht und keine Lösung gefunden.

Und so war ich jetzt unterwegs, um mein Recht mit Gewalt zu erringen.

In der Stadt war es totenstill. Nichts regte sich. Nicht mal die Hunde bellten sonst da und dort. Niemand war zu sehen.

Ich wusste, dass mich niemand zum Saloon gehen sehen wollte. Denn dann würden sie alle ihre Scham noch stärker spüren.

Aber ich bot ja auch keinen besonders prächtigen Anblick, obwohl ich sechs Fuß und drei Zoll groß war, prächtig proportioniert und geschmeidig in meinen Bewegungen. Eigentlich war ich ein Bild von einem Mann. Und niemals hatte ich Schwierigkeiten bei einer Frau.

Doch jetzt trug ich zerrissenes rotes Armee-Unterzeug, ging auf blutigen und angeschwollenen Füßen durch den Staub und trug dennoch stolz wie ein Ritter sein Schwert den Revolver im Holster.

Auf den Kopf trug ich meinen Hut, einen schwarzen Stetson. Denn diesen hatten sie mir gelassen.

Es war nun später Nachmittag.

Zu meiner Rechten tauchte sie Sonne hinter den fernen Hügeln unter. Ich setzte Schritt vor Schritt und fühlte mich recht gut. Denn das Steak und all die Beilagen verwandelten sich längst in mir in Säfte und Kräfte. Und der starke Kaffee hatte aus meinem Kern all die Lebensgeister hochkommen lassen.

Ja, ich war bereit und wusste zugleich, dass es mich erwischen konnte und ich hier in Painted Desert City vielleicht ein Grab bekommen würde.

Der Storehalter hatte es mir versprochen.

Und seine Frau hatte in ihren Augen einen Blick, den ich bei Frauen schon kannte. Ja, für sie war ich ein richtiger Mann, kein Weichei. Sie war eine hübsche Frau in meinem Alter. Ihr Mann hätte fast ihr Vater sein können.

Ich wischte meine Gedanken und Empfindungen weg. Denn nun hatte ich den Eingang des Saloons erreicht. Ich zögerte nicht, sondern trat ein.

Denn nun war alles ganz einfach, ja, so gottverdammt einfach.

Denn ich hatte ja nur zwei Möglichkeiten, nämlich abhauen oder kämpfen.

Irgendwelche Illusionen konnte ich mir nicht machen. Diese Kerle dort drinnen hatten den Marshal dieser kleinen Stadt erschossen, den Schmied und Wagenbauer, der das Marshal-Amt nur nebenbei ausübte, weil sich sonst niemand hier dazu bereit erklärt hatte. In solchen kleinen Städten war der Schmied zumeist auch der Hauptmann der Feuerwehr, also ein tatkräftiger Anführer, der Verantwortung übernahm.

Und dieser Mann hier war erschossen worden.

Ich verspürte eine tiefe Verachtung gegen die Bürger dieser armseligen Stadt. Denn sie hatten ihren besten Mann im Stich gelassen. Er war allein gewesen.

Und auch ich war allein. Und ich wollte alles zurückhaben, was sie mir gestohlen hatten. Also musste ich kämpfen und es allein gegen sie aufnehmen.

Doch ich kannte dieses Gefühl der bitteren Einsamkeit schon, hatte ich doch schon oft allein auf mich gestellt gekämpft.

Ich trat also ein.

Im Saloon war es dunkler als draußen auf dem Platz. Es herrschte fast schon Halbdunkel. Denn draußen war ja die Sonne versunken. Von Osten war die Abenddämmerung herangekrochen. Bald würde die Nacht kommen und alles mit ihrem Mantel zudecken.

Einer der Kerle saß am Klavier in der Ecke und hämmerte darauf herum, so wie es auch ein Affe aus Freude am Lärm nicht anders getan hätte.

Die beiden anderen Kerle tanzten mit den Mädchen auf dem freien Raum vor dem Schanktisch, sangen brüllend dazu. Und die Mädchen kreischten gewiss nicht vor Freude, sondern allein wohl deshalb, weil sie dann alles leichter ertragen konnten. Sie waren betrunken und den drei Kerlen hilflos ausgeliefert.

Es wurde plötzlich still, denn sie hatten mich nun wahrgenommen.

Auch der Klavierspieler drehte sich auf den Schemel und starrte zu mir her.

Dann stieß er einen wilden Schrei aus und brüllte: »Heeee, kennt ihr den?«

O ja, sie erkannten mich, obwohl ich nur zerfetztes Unterzeug trug, zu dem mein schwarzer Stetson einen nobel wirkenden Kontrast bildete.

Die Mädchen lösten sich von den Kerlen und wichen zur Seite. Und das dritte Mädchen, welches beim Klavierspieler stand, dies glitt hinter das Klavier in die Ecke und tauchte dort unter, wurde in Deckung des Klaviers unsichtbar.

Sie waren erfahrene Mädchen.

Es war wieder still. Dann sagte einer heiser mit schwerer Zunge: »Ja, den kennen wir, Ringo. Den sahen wir vor drei Tagen im Wasserloch hocken. Vielleicht hätten wir ihn erschießen sollen. Denn nun ist er hier. He, warum bist du unserer Fährte gefolgt, du verdammter Narr?«

Es war eine böse drohende Frage.

Ich erwiderte: »Ihr hattet mir doch gesagt, dass ich euch gewiss in der nächsten Stadt finden würde. Das hielt ich für eine Einladung. Und jetzt bin ich hier und habe einen Revolver.«

Sie staunten. Weil sie ziemlich angetrunken waren, fiel ihnen das Denken schwerer als sonst. Doch dann begriffen sie, dass ich es mit ihnen aufnehmen wollte, obwohl ich in meinem Zustand nicht besonders beachtlich wirkte.

Einer fragte: »He, haben sie dir einen Revolver gegeben, damit du für sie kämpfst, weil sie selber zu feige dazu sind?«

Aber ich ging auf seine höhnende Frage nicht ein, sondern fragte meinerseits: »Auf was wartet ihr noch?«

Da brüllten sie los, so als hätten sie nur auf diese Herausforderung gewartet. In ihren trunken klingenden Stimmen war richtige Begeisterung.

Dann krachten unsere Revolver.

Ich hatte sie glatt im Ziehen geschlagen. Zuerst traf ich den Klavierspieler, dann einen der beiden anderen Kerle. Als ich auf den Dritten schoss, da sah ich in sein Mündungsfeuer.

Seine Kugel traf mich wie eine Keule am Kopf.

Und so fiel ich um und wusste von nichts mehr.

***

Irgendwann sah ich ein Gesicht über mir, welches ich kannte. Denn es hatte mir von Anfang an gefallen. Es gehörte jener Sally, der jungen Frau des Storehalters, die mir das prächtige Steak gebraten hatte in der zischenden Pfanne.

Ja, ich erkannte dieses hübsche Gesicht wieder, doch ich vermochte mich nicht zu freuen, denn in meinem armen Kopf hämmerte es bei jedem Herzschlag.

Und so fragte ich heiser: »Was ist, Sally?«

Ja, ich erinnerte mich sofort wieder an ihren Namen.

»Aaaah, mein Freund«, erwiderte sie, »es ist nur ein Streifschuss zwei Fingerbreiten über dem linken Ohr. Du liegst in einem Bett unseres Hotels. Und ich habe deine Pflege übernommen. Wenn du dich besser fühlst, lasse ich eine Badewanne auf dieses Zimmer kommen. Du hast eine schwere Gehirnerschütterung. Und ich kenne mich aus, denn ich war mal Krankenschwester während des Krieges in einem Armee-Lazarett.«

Ich starrte zu ihr hoch, und trotz meines hämmernden Kopfes gefiel sie mir immer besser. Sie war eine von diesen Frauen, die einem immer mehr gefielen, je länger man mit ihnen zu tun hatte.

Aber dann fiel mir endlich wieder ein, dass ich gekämpft hatte.

Und so fragte ich: »Sind sie tot?«

Sie nickte stumm. Doch als ich heiser fragte: »Ich habe sie also alle drei erschossen?«, da schüttelte sie den Kopf und erwiderte fast tonlos: »Nein, du hast sie nicht getötet, mein Freund, du nicht. Sie lebten noch, aber sie konnten nicht mehr kämpfen. Die stolzen Bürger dieser Stadt haben sie totgeschlagen. Und das war für sie ungefährlich. Sie haben die drei Kerle totgeschlagen, totgetreten. Und nun schämen sie sich wahrscheinlich noch mehr als zuvor. Dich aber werden sie hassen, weil du der einzige richtige Mann in dieser Stadt bist.«

Ich schloss meine Augen und dachte nach, so gut ich das konnte.

Ja, die Bürger von Painted Desert City konnten mir nur leidtun. Ich vermochte sie nicht mal zu verachten. Sie waren voller Scham gewesen wegen ihrer Feigheit. Dann war ich gekommen und hatte gekämpft. Sie hatten die drei Revolverschwinger gehasst und diesen Hass explodieren lassen.

Jetzt aber würde ihre Scham noch größer sein.

Ich sagte: »Sally, mir ist es, als würden wir uns schon sehr lange kennen. Mein Kopf droht zwar bei jedem Pulsschlag zu platzen, aber lass diese Badewanne heraufschaffen. Wie lange war ich bewusstlos?«

»Die ganze Nacht. Wir haben jetzt Vormittag. Und ich habe die ganze Nacht an deinem Bett verbracht.«

»Und warum tatest du das, Sally?«