G. F. Unger Sonder-Edition 149 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 149 E-Book

G. F. Unger

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Beschreibung

Die Apachen waren kein edles Volk wie die Indianer der Hochprärie oder die Nez Percé. Sie waren wild, grausam und gnadenlos. Aber sie waren Kämpfer. Und als die Weißen kamen, um ihnen Land und Bodenschätze zu rauben, stießen sie auf einen Feind, dessen Kampfesmut und Kriegslist sie das Fürchten lehrte. Trotzdem siegte zuletzt die zahlenmäßige und materielle Übermacht des Gegners. Geronimo war der letzte Apachen-Häuptling, der sich den weißen Eindringlingen ergab - doch geschah dies erst, nachdem dreihundert Scouts und fünftausend hochgerüstete US-Soldaten jahrelang erfolglos versucht hatten, ihn und sein Häuflein von vierundzwanzig Kriegern in der Wüste aufzuspüren. Was für ein Sieg!

***

G. F. Unger wird zu Recht als der beliebteste und erfolgreichste deutschsprachige Western-Autor gefeiert. Mit einer Rekordauflage von über 250 Millionen Exemplaren gehört er zur internationalen Spitzenklasse der Spannungsliteratur. Seine Epoche ist das späte 19. Jahrhundert, seine Schauplätze sind die unermesslichen Weiten des amerikanischen Westens, deren Grenzen von unerschrockenen Frauen und Männern immer weiter nach Westen verschoben werden, bis sie schließlich die Küste des Pazifiks erreichen.

Erstmals präsentieren wir in Neuauflage jene Bände, die der große Western-Autor als Leih- und Taschenbücher verfasst hat, in ungekürzter Form!

Diese Bücher sind längst vergriffen; nun haben Sie die Gelegenheit, sie in voller Länge zu genießen!

Erleben Sie den amerikanischen "Wilden Westen", wie nur G.F. Unger ihn schildern kann: hart, authentisch, leidenschaftlich.

Erscheint alle vierzehn Tage neu.
Jede Folge ist in sich abgeschlossen und kann unabhängig von den anderen Romanen der Reihe gelesen werden.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

Geronimos Weg

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Manuel Prieto/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-7140-6

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Geronimos Weg

Geronimo war der letzte Apachenhäuptling, der sich den Weißen ergab.

Aber zuvor jagten ihn fünftausend US-Soldaten monatelang durch die Wüste der Grand Apacheria.

Zu diesem von den Apachen beherrschten Gebiet gehörten jenseits der Mexiko-Grenze die Provinzen Nuevo Leon, Coahuila, Chihuahua und Sonora, aber auch die USA-Staaten Texas, New Mexiko und Arizona nördlich der Grenze.

Dieses gewaltige Gebiet war so groß wie Belgien, Holland, Luxemburg, Dänemark, Schweiz und Österreich zusammen.

Und dieses Land wurde etwa zweihundertundfünfzig Jahre von knapp achttausend Apachen absolut beherrscht, sodass die spanische und mexikanische Besiedlung aufgegeben wurde.

Diese etwa achttausend Apachen setzten sich damals aus vielen nomadischen Kleinstgruppen zusammen, die neun Volksgruppen bildeten, nämlich die Coyoteros, Tontos, Pinaleros, Gilenjos, Chiricahuas, Jicallas, Mimbrenjos, Mogollones und Mescaleros.

Geronimo war ein Chiricahua. Er wurde im Jahre 1829 im No-do-yohn-Canyon geboren.

Sein Vater war Taklishins, und als er den Neugeborenen in seinen Armen hielt, da gähnte dieser kräftig. Deshalb erhielt er den Namen Goyathlay, was so viel wie »Der Gähnende« hieß.

Doch später wurde dieser Name von den Weißen anders ausgelegt und bedeutete die gähnende Tiefe eines gewaltigen Abgrunds, in dem sich viele Geheimnisse verborgen hielten.

Warum Goyathlay von den Weißen den Namen Geronimo erhielt, ist durch keine Überlieferung geklärt.

Die Apachen kämpften stets in Minderheit und blieben dennoch Sieger über das schwerfällige Militär, das mit seinen Vor- und Nachhuten von einer Falle in die andere tappte, blind und dumm. Auch der Waren- und Nachschubverkehr, ebenso Land und Viehzucht waren hilf- und wehrlos.

Das änderte sich erst, als in der Mitte des 18. Jahrhunderts der Goldrausch ausbrach und Hunderttausende von harten und pragmatischen Tatmenschen ins Apachenland kamen, ausgerüstet mit modernsten Waffen und getrieben von der unersättlichen Gier nach Gold und Silber.

Nun erst wurden die Apachen mehr und mehr zu Verlierern. Sie konnten ihre Verluste nicht mehr ausgleichen, aber die Weißen wurden ständig zahlreicher.

Viele Städte zu beiden Seiten der Grenze zahlten Prämien für Apachenskalpe, die Stadt Tucson tat das noch im Jahre 1880.

Aber auch die indianischen Nachbarn der Apachen, also die Pimas, Papagos, Hopis, Zunis, Navahos, denen sie jahrhundertlang Todesangst eingeflößt hatten, nachdem sie in grauer Vorzeit als Eroberer von Alaska nach Süden kamen, begannen sie zu jagen und zu massakrieren.

Damals in Alaska waren sie noch Athapasken, nannten sich auch Tinnès.

Doch als sie als raubende und mordende Eroberer nach Süden kamen, wurden sie von den Pueblo-Indianern »Apachu« genannt, und Apachu, das war das Wort für Feind.

Die Apachus kannten keine Gnade und erwarteten auch keine.

Sie waren kein stolzes, nobles Volk, wie zum Beispiel die Stämme und Völker der Prärie, also die Sioux, Cheyenne und Arapaho – und natürlich die Nez Percé.

Dennoch kämpften sie um ihre Freiheit wie kaum ein anderes Volk – nur sehr viel verbissener und grausamer.

Die stumpfsinnige, bürokratische und korrupte Politik der Weißen konnte sie nicht zu Ackerbauern und Viehzüchtern machen.

Seit die Roman-Autorin Helen Hunt Jackson im Jahre 1881 ihr Erstlings-Sachbuch »Century of Dishonor«, »Jahrhundert der Schande« veröffentlichte, entstand ein historisches Zerrbild der Apachen.

Doch in Wirklichkeit waren sie gnadenlose Feinde gegen alles, was ihnen in den Weg geriet und reiche Beute versprach.

Ihre bekannten Häuptlinge waren San Juan, Mangas Colorados, Victorio, Nana, Loco, Delshay, Cochise und schließlich Geronimo.

Dessen Horde bestand zuletzt aus vierundzwanzig Kriegern, vierzehn Frauen und Kindern.

Und sie wurde von dreihundert Apachenscouts und fünftausend Soldaten bis zu ihrer Vernichtung 2240 Kilometer kreuz und quer durch die Wüste gehetzt.

Die Oberkommandierenden dieser Hetz- und Vernichtungsjagd waren General Crook und General Miles.

Was für ein Sieg?

Der kleine Wagenzug ist von Fort Thomas nach dem kleineren Fort Catalina unterwegs. Sechs Armee-Bagagewagen bringen Nachschub zum Fort, darunter auch neue Gewehre und reichlich Munition, Uniformen, Proviant, Werkzeuge, Hufeisen und viele andere Dinge.

Vor den sechs Bagagewagen fährt eine Postkutsche, in der sich drei Offiziersfrauen und ein Zahlmeister befinden. Der Zahlmeister hat eine Geldkiste unter seinem Sitz, denn es ist an der Zeit, der Truppe in Fort Catalina den längst fälligen Sold auszuzahlen.

Der kleine Wagenzug wird von einem Dutzend Kavalleristen unter Lieutenant Phil Baker eskortiert.

Und der Scout Kirby Drago ist eine halbe Meile weit voraus, durchfurtet auch als erster Reiter den San Pedro.

Am anderen Ufer hält er an und wittert in die Runde.

Vor sich sieht er die Kette der Santa Catalinas im blauen Dunst. Hinter ihm nähert sich der kleine Wagenzug dem Grüngürtel des Flusses, dessen Wasserstand dem Pferd bis zum Bauch reichte. Und auch jetzt an Land steht es bis zum Bauch im Grün der hier wachsenden Büsche und Gräser. Und da und dort steht ein alter Cottonwood.

Der Scout Kirby Drago ist ein erfahrener Mann in diesem Land, auch was die Apachen betrifft. Und so »lauscht« er jetzt auf seinen Instinkt. Er kennt dieses eigenartige Gefühl in der Magengegend. Es ist ein Gefühl des Unbehagens, und es lässt seinen Puls etwas rascher schlagen.

Eigentlich hat er – auf seinem Pferd sitzend – einen guten Überblick. Auch kann er einigermaßen unbesorgt sein.

Denn wenn die Apachen den kleinen Wagenzug überfallen wollen, werden sie ihn jetzt nicht töten. Der Wagenzug wäre dann ja gewarnt und könnte sich auf einen Angriff vorbereiten, vielleicht zu einer Wagenburg auffahren.

Die Apachen würden ihn also noch leben lassen. Vielleicht könnte er entkommen, wenn sie hinter ihm den Wagenzug angreifen.

Er zögert immer noch, wittert, versucht etwas zu entdecken.

Aber es ist alles friedlich und still. Selbst die Vögel verhalten sich normal.

Doch Kirby Drago kennt die Apachen zu gut. Er weiß, dass sie einem besonders nahe sind, sodass man fast auf sie treten oder spucken könnte, wenn es den Eindruck hat, als wären sie meilenweit von einem entfernt.

Drüben erreicht der Lieutenant mit sechs seiner Reiter das Ufer und hält an, blickt herüber. Er muss gegen die schon etwas tiefer stehende Sonne blicken und hält sich die Hand unter der Hutkrempe schützend vor seine Augen.

Gewiss kann er seinen Scout einigermaßen gut erkennen, wartet auf dessen Zeichen oder irgendein Reagieren.

Hinter den sieben Kavalleristen nähert sich der Wagenzug mit der Postkutsche an der Spitze. Sechs Kavalleristen bilden die Nachhut.

Kirby Drago zögert immer noch. Sein Instinkt warnt ihn nun stärker. Am liebsten würde er durch den San Pedro zurück zum anderen Ufer reiten.

Der Fluss ist hier etwa hundert Yards breit. Es gibt einige Kies- und Sandbänke, auf denen Grün wächst. Doch sie müssen weiter nach Fort Catalina. Dies ist ihr Befehl, dem sie gehorchen müssen, auch er, denn er ist der Armeescout Kirby Drago, ein eisenharter und zugleich auch zäher Mann, der noch niemals gekniffen hat, wenn es mulmig wurde.

Und das mulmige Gefühl spürt er immer noch.

Bitter murmelt er: »Leck mich am Arsch, ich kann nicht anders handeln, verdammt. Wir müssen weiter.«

Noch einmal sieht er sich vom Sattel aus um. Und immer noch nicht kann er etwas von einer lauernden Gefahr erkennen.

Und so nimmt er seinen alten Hut ab und schwingt ihn einladend mit erhobenem Arm hoch über dem Kopf.

Das macht wenig später auch der junge Lieutenant und reitet an.

Ihm folgen die sechs Reiter, dann die Postkutsche, in der sich die drei Frauen befinden, und den Schluss machen die sechs Bagagewagen und die sechs Reiter der Nachhut.

Sie füllen den Fluss zwischen dessen Ufern.

Kirby Drago aber zieht sein Pferd herum und reitet langsam an, denn er muss sich ja stets eine halbe Meile vor dem Wagenzug befinden. Eigentlich hat er hier am Westufer des San Pedros schon zu lange verharrt.

Obwohl seine Blicke nach vorn und nach rechts und links gerichtet sind, lauscht er nach hinten. Doch er hört vorerst nur das Peitschenknallen und die heiseren Rufe der Fahrer, das Schnauben der Maultiergespanne.

Die Stimme des Postkutschenfahrers gellt grimmig: »Na los, ihr dicken Tanten! Braaah, braaah, raus aus der verdammten San-Pedro-Brühe!«

Ja, die Wagen müssen in Bewegung bleiben. Denn wenn sie anhalten, dann versinken ihre Räder im Sand des Flussgrundes.

Kirby Drago grinst, denn er kennt den Fahrer der Kutsche. Mit ihm betrank er sich schon mehr als einmal in der Sergeanten-Kantine des Forts. Und überdies ist ihm der Fahrer seit dem letzten Pokerspiel noch zwanzig Dollar schuldig.

Doch dann grinst er wenig später nicht mehr, flucht nur noch mit all seiner Wut und Bitterkeit.

Denn ihm wird von einer Sekunde zur anderen klar, dass er den kleinen Wagenzug in die Falle führte, weil die Apachen sich so gut getarnt hatten, dass er wie ein Blinder zwischen ihnen hindurchritt.

Denn es konnte nicht anders sein.

Er reißt seinen hageren Mustang herum, der den Armeepferden haushoch überlegen ist, weil er in diesen Wüstengebieten mit sehr viel weniger Wasser auskommen kann.

Als er den Fluss vom höher liegenden Land wieder übersehen kann, da sieht er sie kämpfen und sterben.

Woher die Apachen kamen, ist ihm jetzt klar. Die Indianer mussten sich auf den mit viel Grün bewachsenen Kies- und Sandbänken eingegraben haben, sodass nur noch ihre Nasenspitzen zum Atmen frei waren.

Denn er sieht ihre nackten Körper, die noch mit schlammigem Sand beschmiert sind.

Und er sieht die Soldaten und Fahrer sterben, obwohl sie verzweifelt um ihr Leben kämpfen.

Kirby Drago kann ihnen nicht helfen. Der Angriff kam zu schnell, völlig überraschend, und ist deshalb erfolgreich. Die Wagenschlange ist zu lang.

Und selbst die Nachhut kann nicht entkommen.

Fluchend reißt der Scout sein Pferd herum und ergreift die Flucht.

Bis zum Fort sind es noch etwa dreißig Meilen.

Der Colonel muss eine starke Patrouille losreiten lassen, um wenigstens den Versuch zu machen, die drei Frauen zu retten.

Denn Kirby Drago weiß zu gut, was die Apachen mit jungen Frauen machen, mit denen sie Kinder zeugen können, aus denen Apachenkrieger werden.

Denn das ist das große Problem aller noch freien Apachengruppen. Ihre Krieger werden immer weniger, denn auch ihre Horden haben Verluste.

Die Weißen aber werden immer zahlreicher.

Kirby Drago reitet wie der Teufel weiter in die Santa Catalinas hinein und der sinkenden Sonne entgegen. Es wird Nacht sein, wenn er die Lichter des Forts erblickt.

Indes Kirby Drago reitet und so seinen Skalp rettet, stirbt der junge Lieutenant Phil Baker am Westufer des San Pedro. Er fiel vom Pferd, als eine Kugel ihn in die Schulter traf.

Und als er schnaufend und stöhnend auf dem Rücken liegt, tritt ein Apache zu ihm und blickt mit einem brennenden Blick voller Hass auf ihn nieder.

Der Lieutenant will hoch, doch da nagelt ihn eine Lanze am Ufersand fest, so als wäre er ein großer Käfer.

Der Lieutenant stößt einen schrecklichen Laut aus. Und weil er weiß, dass er gleich tot sein wird, fragt er heiser und mit seinem letzten Atem: »Apachu, wer bist du?«

»Ich bin Geronimo, so nennt ihr Weißen mich. Aber mein richtiger Name ist Goyathlay, Pferdesoldat.«

Lieutenant Phil Baker hört es noch.

Dann erlöst ihn der Tod.

Und er ist der letzte Mann des Wagenzuges, der seinen Atem für immer aushaucht.

In der Kutsche, die im seichten Wasser dicht vor dem Ufer anhielt, da sitzen die drei Frauen. Nein, sie kreischen nicht, weinen und wimmern auch nicht in ihrer Not.

Sie sind drei Offiziersfrauen.

Eine von ihnen bringt einen kleinen Derringer zum Vorschein und steckt sich die Doppelmündung in den Mund. Noch bevor die anderen Frauen sie hindern oder etwas sagen können, drückt sie ab.

Dann ist es einige Sekunden lang still in der Kutsche.

Endlich flüstert eine der beiden noch Lebenden: »Kate Longly, wir können überleben, wenn wir alles auf uns nehmen und stark genug sind. Willst du überleben, Kate? Wenn ja, dann bereite dich jetzt in diesen Sekunden schon auf alles vor. Diese Roten sind auch nur Männer. Und wenn die Armee uns nicht befreien kann, werden sie uns Kinder machen. Ich habe einen Dolch im Strumpfhalter. Willst du ihn haben, um dir das Leben zu nehmen?«

»Nein, Betsy Wallis«, erwidert Kate Langley tonlos. »Weißt du, Kate, die Hoffnung stirbt zuletzt.«

Als der Scout Kirby Drago vor der Hügelkette endlich die Lichter des Forts erblickt, stößt er einen heiseren Ruf aus.

Eine halbe Stunde später reitet er durch das Haupttor. Als er vor der Kommandantur das Pferd verhält und absitzt, bricht das Tier auf die Knie nieder.

Er löst ihm den Sattelgurt und faucht die herbeieilenden Soldaten an: »Reibt es ab! Behandelt es gut. Ich muss zum Colonel, verdammt! Wo ist der Colonel?«

»Drüben in seinem Haus beim Abendbrot«, erwidert einer der Soldaten. »Was ist geschehen?«

»Die Armee wird euch noch lange euren Sold schuldig bleiben«, knirscht Kirby Drago. »All die schönen Dollars hat nun Geronimo, verdammt! Die Dollars, den Wagenzug und viele Skalpe.«

Er stolpert über den Paradeplatz auf das Haus des Colonels zu. Als er die Veranda betritt, kann er durch die offene Tür den Kommandanten am Esstisch sitzen sehen. Neben dem Colonel sitzt dessen Frau. Sie werden bedient von einer drallen Mexikanerin, die ihre Köchin und Haushälterin ist. Die Kommandeuse ist eine bereits ziemlich verblühte Frau, die gewiss mal so etwas wie eine Rose war, nun jedoch eine Hagebutte wurde, weil ihr Leben bei der Armee an Jahren doppelt zählte, besonders hier im Südwesten.

Aber schon im nächsten Jahr wird der Colonel in Pension gehen. Und dann wollen sie in Boston leben, wo Lucy Travis geboren wurde und ein schönes Haus erbte.

Ja, sie freut sich jeden Tag, jede Woche und jeden Monat darauf, also fortwährend Tag und Nacht.

Colonel Bill Travis ist ein noch drahtig wirkender Mann mit einem grauen Spitzbart, ein typischer Kavallerist. Auch er zählt schon die Zeit bis zu seiner gewiss ehrenvollen Verabschiedung, hofft, dass er zuvor noch zum Brigadegeneral befördert wird. Denn als ehemaliger General wird es sich in der feinen Gesellschaft in Boston noch geachteter leben lassen.

Als er den Scout hereinkommen sieht, will er gerade die Gabel zum Mund führen.

Doch nun lässt er sie wieder auf den Teller sinken, denn er sieht dem Scout an, dass dieser einen Gewaltritt hinter sich hat. Kirby Dragos Beine sind mit flockigem Pferdeschweiß bedeckt.

»Was ist geschehen, Mister Drago?« Die Stimme des Colonels klingt beherrscht, obwohl er Unheil wittert.

»Es war Geronimo mit einer starken Horde, Colonel«, spricht der Scout heiser und versucht sich klebrigen Schweiß, der mit dem rötlichen Staub eine schmierige Masse bildet, aus dem Gesicht zu wischen.

Die Kommandeuse am Tisch aber spricht klirrend: »Mister Drago, warum nehmen Sie nicht Ihren verdammten Hut ab? Oder ist hier keine Lady im Raum?«

»Und was für eine.« Kirby Drago grinst grimmig und nimmt seinen alten Hut ab. Dann berichtet er dem Colonel alles mit wenigen Sätzen.

Als alles gesagt ist, denkt der Colonel eine Minute nach.

Dann fragt er: »Und es waren drei Frauen in der Kutsche?«

»Mrs. Wallis, Mrs. Longly und Mrs. Scott«, erwidert der Scout. »Und ich denke, dass Geronimos Horde sie lebend mitgenommen hat, um …«

Er verstummt, denn er will vor der Kommandeuse nicht aussprechen, was ihnen allen klar ist.

Der Colonel starrt ihn böse an und stellt fest: »Dann haben Sie den Wagenzug in eine Falle geführt, Mister Drago.«

Dieser hebt die Schultern und lässt sie resigniert wirkend wieder sinken.

»So ist es wohl, Colonel. Ich war blind. Die Apachen ließen mich passieren, um den folgenden Wagenzug nicht zu warnen. Ich habe sie nicht gesehen. Ja, ich war blind. Aber es ist nun mal so, dass man Apachen nicht sehen kann, wenn sie es nicht wollen.«

Er hat nun alles gesagt.

»Sie sind mit sofortiger Wirkung entlassen, Mister Drago. Wegen Unfähigkeit. Wollen Sie das schriftlich?«

Aber Kirby Drago erwidert nichts. Er setzt den alten Hut wieder auf, wendet sich und geht hinaus. In ihm jagen sich die Gedanken und Gefühle.

Ja, er glaubt, dass er versagt hat und nun von der Armee mit Schimpf und Schande davongejagt wurde.

Der Tod der Soldaten, Fahrer und all das, was den Frauen nun bevorsteht – wird ihn sein weiteres Leben belasten.

Geronimo fügte ihm eine schreckliche Niederlage zu.

Wie kann er damit fertig werden?

Als er sich das fragt, da weiß er nur einen Ausweg: Er wird sich in der Sergeanten-Kantine sinnlos betrinken, um für eine Weile alles vergessen zu können.

Und wenn sie ihn in der Sergeanten-Kantine nicht mehr dulden, dann wird er sich im Saloon des kleinen Ortes, der im Schutze des Forts nur eine Viertelmeile weit entfernt entstanden ist, betrinken, bis ihm die Pumaspucke aus den Ohren läuft.

Pumaspucke, nun, das ist Tequila und Pulque. So nennen sie das Zeug bei der Armee.

Die Verluste von Geronimos Horde sind nicht groß. Ihr eigener Blutzoll steht in keinem Verhältnis zu den vielen Toten des Wagenzuges.

Geronimos Horde bezahlt den Sieg mit der großen Beute mit drei toten und fünf verwundeten Kriegern, denn der Angriff kam so schnell und völlig unerwartet mitten im San Pedro, dass die Gegenwehr zu spät einsetzte.

Ja, die Beute ist groß. Sie werden alles auf die Maultiere laden, die Wagen verbrennen und sich auf den Weg zu einem der Händler machen, mit denen sie immer wieder Geschäfte machen. Es gibt mehr als einen Händler zu beiden Seiten der Grenze, an den sie ihre Beute verkaufen. Denn was sollen Apachen zum Beispiel mit Rohling-Hufeisen, Lampenöl, Kantinengeschirr, Musikinstrumenten und anderer Beute?

Was sie benötigen sind Waffen, Munition, bestimmte Werkzeuge, Proviant und Kleidung, zum Beispiel Hemden, Unterzeug, auch Sanitätsmaterial.

Geronimo sieht zu, wie seine Krieger aus den Zuckersäcken den Kandis herausholen und sich in den Mund stopfen. Auch mit Tabak versorgen sie sich.