G. F. Unger Sonder-Edition 153 - G. F. Unger - E-Book

G. F. Unger Sonder-Edition 153 E-Book

G. F. Unger

0,0
1,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die Goldgräberstadt Dirty Town ist der Vorhof zur Hölle und unter keinen Umständen der Ort für eine schöne Frau wie Lysette Callaigh. Aber Lysette will das Erbe ihres toten Mannes antreten, der zusammen mit seinem Partner eine der reichsten Goldminen des Landes besaß. Schon bald muss sie erfahren, dass die Goldwölfe auch vor einer Lady nicht haltmachen, wenn es darum geht, ihre Gier nach Gold zu stillen. Zwei Tage nach ihrer Ankunft wird die gesamte Ausbeute ihres Mannes geraubt, sein Partner kaltblütig ermordet. Lysette Callaigh ist allein. Doch sie gibt nicht auf. Zum Glück nicht. Denn von Denver her ist John Battley unterwegs, ein US-Deputy, der in Dirty Town nach dem Rechten schauen soll ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2018

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

Allein in Dirty Town

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Manuel Prieto/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-7476-6

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Allein in Dirty Town

Jene Revolvermänner, die den Stern trugen, sie waren eine besondere Sorte. Sobald sie eine wilde Stadt befriedet hatten und es in ihr Recht und Ordnung gab, da suchten sie sich einen anderen Ort oder ein Gebiet, wo sie Gutes tun konnten auf schlechte Weise. Und so waren sie irgendwie so etwas wie Instrumente des Teufels oder Beauftragte des Allmächtigen zugleich, jedenfalls glaubten sie daran, die Mission zu haben, die Bösen zu vernichten, damit die Guten und Schwachen in Frieden leben und die Gesetze achten konnten.

Vielleicht waren sie ein Naturphänomen, das nach seinem Erscheinen bald wieder verschwand. Und wenn sie verschwunden waren, hatten sie zwar für so manche Beerdigung gesorgt, sich jedoch für die menschliche Gemeinschaft als Segen erwiesen.

Vielleicht taugten sie sonst nicht viel, denn viele von ihnen waren Trinker, Spieler und besaßen die Fähigkeit, ohne Hemmungen zu töten.

Aber es gab sie. Einige hatten berühmt-berüchtigte Namen – zum Beispiel: Bill Longley, Ben Thomson, King Fisher, Jim Courtright, John Wesly Hardin, Wyatt Earp, Doc Holliday, Clay Allison, Bat Masterton, Luke Short, Pat Garret und andere.

Doch eines Tages war ihre Zeit vorbei.

Fast alle – außer Wyatt Earp – wurden nicht alt.

Als er den Pecos erreicht, hält er noch einmal den grauen Wallach an und blickt auf seiner Fährte zurück.

Er kann nichts erkennen, was ihm Sorgen bereiten könnte, aber er lässt sich nicht täuschen. Dort aus den Hügeln hinter ihm können schon in der nächsten Minute die Verfolger auftauchen.

Und so wartet er noch ein wenig, die Hände über dem Sattelhorn fast wie zum Gebet gefaltet.

Er wünscht sich mit wahrhaftiger Inbrunst – so als würde er zu seinem Schöpfer im Himmel beten –, dass seine Verfolger seine Fährte verloren haben.

Diese verdammten Narren, denkt er bitter.

Und abermals erinnert er sich an jene schwarze Sekunde, da er einen der Crow-Brüder erschoss, um selbst am Leben bleiben zu können.

Denn als Ringo Crow nach dem Revolver schnappte, da musste er schneller sein. Er hatte keine andere Wahl.

Und so denkt er nochmals: Diese verdammten Narren! Warum wollt ihr euren Bruder rächen? Er wollte den Kampf, nicht ich. Und dieses Mädchen war es nicht wert, dass zwei Burschen unserer Sorte sich gegenseitig umzubringen versuchten. Als ich zu euch auf die Ranch kam, da war sie allein und ließ mich von Anfang an spüren, dass ich sie haben konnte. Und als wir dann im Stroh lagen, da begriff ich schnell, wie erfahren sie war und welche Freude es ihr machte. Aber für euch war sie eine Heilige, die ich geschändet hatte. O verdammt, was kann so ein Mädchen alles anrichten, wenn es verrückt ist, weil es sich auf einer einsamen Ranch eingesperrt fühlt, ausgeschlossen vom Leben. Sie muss es vor mir auch schon mit anderen Burschen getrieben haben, war also keine Heilige, nicht unschuldig und rein. Verdammt, was hat sie angerichtet, wenn ich nun auch noch weitere ihrer Brüder töten muss.

Als er dies gedacht hat, da sieht er sie aus den Hügeln kommen. Sie haben seine Fährte nicht verloren.

Sie sind zu dritt. Und er ist allein.

Sein Pferd aber hat ein Eisen verloren. Bald wird es zu hinken beginnen. Er kann ihnen nicht mehr entkommen. Vielleicht fanden sie das verlorene Eisen auf seiner Fährte und wurden sie sich sehr sicher, dass sie ihn bald haben würden.

Er flucht knirschend. Dann zieht er seinen Wallach herum und reitet in den Pecos hinein. Das Wasser reicht ihm inmitten des Flusses bis zu den Steigbügeln. Es gibt eine leichte Strömung.

Als er in der Flussmitte ist, erreicht er eine Sandbank. Und hier hält er inne, zieht das Tier herum und blickt den Verfolgern entgegen.

Diese haben ihn längst gesichtet und kommen im Schritt heran. Sie wissen zu gut, dass er ihnen selbst dann nicht mehr entkommen könnte, wenn er es weiterhin versuchen würde.

Als sie das Ufer erreichen, halten sie an.

Einer ruft zu ihm herüber: »Du kannst dich ebenso gut auch selbst erschießen, du verdammter Hurensohn! Dann müssen wir es nicht tun!«

Aber er schüttelt den Kopf und ruft zurück: »Eurer Schwester hat es Spaß gemacht! Sie wollte es! Auch war ich nicht ihr erster Mann! Und jetzt warne ich euch! Ich bin gewiss besser mit dem Revolver als ihr! Zumindest zwei von euch werde ich erledigen! Also lasst mich in Frieden reiten! Versucht keinen Kampf mit mir!«

Ganz ruhig ruft er es zu ihnen hinüber.

Aber sie sind drei wilde Burschen, voller Zorn und Rachedurst.

Und so treiben sie ihre Pferde in den Pecos und reißen dabei ihre Revolver aus den Holstern. Als sie sich nahe genug glauben, beginnen sie zu schießen.

Die Entfernung ist für Revolver noch recht weit, aber sie glauben an einen Glücksschuss.

Er aber wartet ruhig im Sattel sitzend, bis sie nahe genug heran sind. Ihre Kugeln umpfeifen ihn, eine zupft an seiner Schulterspitze, eine andere trifft als Streifschuss seinen Wallach am Hals wie ein Peitschenhieb.

Doch der Wallach ist ein Kriegspferd mit einigen Narben am grauen Fell. Er zuckt nur ein wenig zusammen.

Dann beginnt sein Reiter zu schießen. Es wirkt fast bedächtig.

Aber jede Kugel trifft.

Denn er ist ein Revolvermann.

Sein Name ist John Battley.

Und er war auf der Flucht vor seinem Revolverruhm.

Er sieht ihnen nach, als sie in der leichten Strömung abtreiben. Einer ist wahrscheinlich tot, die beiden anderen aber bekommen Grund unter ihre Füße und streben angeschossen dem jenseitigen Ufer zu. Auch ihre Pferde tun das.

Und als sie alle drüben sind, da brüllt einer zu ihm herüber: »Irgendwann bekommen wir deinen Skalp! Du hättest uns totschießen müssen! Wir werden dich von deinesgleichen erledigen lassen, du verdammter Revolverschwinger!«

Er hört es und begreift, dass er hinüberreiten müsste, um sie endgültig zu töten. Doch zu dieser Sorte von Revolvermännern gehört er nicht.

Und so zieht er seinen Wallach herum und reitet zum Westufer des Pecos hinüber. Er blickt sich nicht mehr um.

Noch am gleichen Tag erreicht er am Pecos einen kleinen Ort, wo es einen Wagenhof mit einer Schmiede gibt.

Eine junge und recht hübsche Frau tritt aus dem Haus. Er verbeugt sich im Sattel und greift an seine Hutkrempe. Sie blickt zu ihm hoch, und er kann ihr ansehen, dass er ihr gefällt. Aber er ist daran gewöhnt, dass er Frauen gefällt. Er ist kein schöner Mann, aber er strömt eine besondere Männlichkeit aus und ist prächtig proportioniert.

Sein Gesicht ist gut geschnitten, und in seinen rauchgrauen Augen ist zumeist ein zwingender Ausdruck. Und so wirkt er wie ein Mann, der sich überall behaupten kann.

Die Frau deutet auf den linken Vorderhuf seines Pferdes und spricht mit einem Klang von Bedauern in der Stimme: »Ja, der Graue braucht ein Eisen. Doch es gibt zurzeit keinen Schmied mehr hier.«

Er lächelt auf sie nieder. Unter seinem Schnurrbart blinken gesunde Zähne.

»Ma’am, ich kann meinen Wallach selbst beschlagen. Und gewiss gibt es in der Schmiede Hufeisenrohlinge.«

»Sicher«, erwidert sie ruhig. »Und wenn Sie wollen, mache ich Ihnen ein gutes Abendessen. Sie können gerade noch das letzte Tageslicht zum Beschlagen nutzen.«

Er greift wieder dankend an die Hutkrempe und reitet zur Schmiede hinüber.

Dabei denkt er: Was ist mit dieser Frau? Sie ist mehr als nur freundlich. Ich konnte spüren, dass von ihr etwas ausging. Aber was ist es?

Er sitzt vor der halb offenen Schmiede ab, bindet den Wallach am Eisenring an und nimmt den Sattel mit dem Gepäck herunter, ebenso die beiden Satteltaschen.

Dabei spricht er freundlich zu seinem Grauen: »Da haben wir aber Glück gehabt, Jessup, dass wir so schnell zu einer Schmiede gelangten.«

Er tritt an die Esse und findet Holzkohle in einer Kiste, macht ein Feuer und betätigt den Blasebalg, dessen Schwengel er ziehen muss.

Als er sich in der Schmiede umsieht, findet er einige Hufeisenrohlinge in verschiedener Größe an der Wand hängen. Auch sonst ist alles vorhanden, also Zangen, ein Handhammer, Spalthämmer und Lochdorne am Stiel.

Er findet schnell das richtige Eisen, tritt damit zu seinem grauen Jessup, hebt dessen Vorderhuf hoch und hält den Rohling prüfend dagegen.

Als er das Eisen mit der Zange in die Glut schiebt und den Blasebalg betätigen will, da taucht ein Junge auf. Er mag zwölf oder dreizehn Jahre alt sein. Seine Stimme befindet sich noch nicht im Stimmbruch.

»Mister, darf ich Ihnen helfen?«

John Battley betrachtet den Jungen und wird sich bewusst, dass er auch einmal solch ein Junge war. Ja, dieser hier erinnert ihn an die Zeit, da er noch ein meist barfüßiger und stets hungriger Junge war, der seinen Vater nicht kannte, weil der noch vor seiner Geburt davongelaufen war.

Er nickt und überlässt dem Jungen den Blasebalgschwengel.

Als er wenig später das glühende Eisen über dem Ambosshorn mit geschickten Hammerschlägen ein wenig auszieht und noch einmal in die Glut schiebt, da lächelt er den Jungen an und fragt: »Kennst du den wichtigsten Spruch aller Schmiede?«

»Gewiss, Sir«, erwidert der Junge ernst. »Ein Kaltschmied kommt nicht in den Himmel.«

»So ist es, Junge. Wie ist dein Name?«

»Keith Lane, Sir.«

»Gehörst du zu der Frau da drüben im Haus?«

»Nein, nicht als Verwandter. Ich helfe ihr nur.

Sie ist so verdammt allein.«

»Warum ist sie das?«

Der Junge zögert. Doch dann erwidert er: »Buster Bullock betrachtet sie als sein Eigentum, obwohl sie ihn nicht mag. Er prügelt jeden Mann aus ihrer Nähe, seit sie vor einem Jahre Witwe wurde. Und wenn Sie, Mister, dort drüben ins Haus zu ihr gehen sollten, um von ihr bewirtet zu werden, dann wird Buster Bullock schon bald hier auftauchen.«

Als John Battley das gehört hat, nimmt er das Eisen wieder aus dem Feuer und vollendet es mit wenigen Schlägen über dem Ambosshorn.

Er legt es dann auf den Amboss, nimmt den Lochdorn, schiebt es über das viereckige Loch des Amboss’ und erweitert die Löcher für die Hufnägel. Dann macht er noch einige vorsichtige Hammerschläge, um es auszurichten und hält es mit der Zange prüfend eine Armlänge vor seinem Gesicht in die Höhe.

Das Hufeisen glüht nun nicht mehr. Aber als er es im Wasserfass abschreckt, da ist noch ein scharfes Zischen zu hören.

Der Junge bringt ihm eine Handvoll Hufnägel und sieht dann zu, wie der Mann im letzten Tageslicht den Huf des großen Wallachs beschlägt.

Das Eisen passt genau, und der Wallach schnaubt zufrieden, nachdem er einige Male mit dem Vorderhuf aufstampfte, so wie ein Mann, der einen neuen Stiefel ausprobiert. Der Junge spricht altklug wirkend: »Mister, man könnte denken, dass Sie ein richtiger Schmied sind. Aber …«

Nun hält er inne.

John Battley aber fragt: »Was aber, he, was aber …?«

»… Sie sind ein Revolvermann«, spricht der Junge weiter.

»Und woraus schließt du das, Keith?«

»Da kenne ich mich aus, Mister. Es ist die Art, wie Sie Ihre Waffe tragen. Wir sind hier westlich des Pecos, und dieser ist die Grenze von Recht und Ordnung. Hier kommt manchmal ein Revolvermann durch. Ein solcher erschoss vor einem Jahr auch den Mann der Frau dort drüben. Ihr Name ist Nelly Tompson. Ihr Mann war hier der Posthalter und Schmied, der Besitzer des Wagenhofes. Und der Revolvermann hieß Ed Lassiter. Er trug den Revolver wie Sie, Mister. Werden Sie hinüber zum Abendbrot gehen? Aber dann wird Buster Bullock kommen, dem der Saloon gehört. Bullock war früher mal Preiskämpfer am Mississippi zwischen New Orleans und Saint Louis.«

John Battley erwidert nichts, aber er greift in die Westentasche und wirft dem Jungen einen halben Dollar zu, den dieser geschickt auffängt. Der Junge spürt plötzlich in der Abenddämmerung, wie der Mann zögert. Und so bricht es aus ihm hervor: »Verdammt, Mister – Sir – sie braucht Hilfe! Niemand in dieser verdammten Stadt steht ihr bei gegen Buster Bullock. Und irgendwann wird sie zerbrechen. So ist das.«

John Battley erwidert immer noch nichts. Aber er legt seinem Grauen wieder den Sattel auf, schnallt auch die Sattelrolle wie zuvor am Hinterzwiesel fest, legt die beiden Satteltaschen über den Pferdenacken und löst die Zügelenden vom Eisenring.

Der Junge wartet stumm und bewegungslos.

Doch es geht etwas von ihm aus, was Battley wie eine vorwurfsvolle Bitte spürt. Der große, sehnige Mann setzt sich in Bewegung, und der Wallach folgt ihm wie ein Hund fast auf dem Fuß.

Drüben im Haus wurden Lampen angezündet. Mit der zunehmenden Dunkelheit wird der herausfallende Lichtschein immer heller.

Vor dem Haus gibt es einen Haltebalken, davor einen Tränketrog. Hier stellt Battley den Grauen ab, indem er die Zügelenden über die Stange wirft.

Als er wenig später eintritt, ruft die Frau aus der Küche: »Setzen Sie sich, Mister! Ich bin in zwei Minuten fertig. Ich habe Hammelbraten, Klöße und grüne Bohnen aus meinem Garten. Es wird Ihnen schmecken!«

Er erwidert nichts, doch er tritt sporenklirrend an den Tisch und legt dort einen Dollar hin. Dann ruft er laut genug: »Ma’am, ich habe kein Abendessen bestellt! Aber ich lege einen Dollar für das Hufeisen hin. Ich reite weiter!«

Er wendet sich zum Gehen.

Doch da sieht er den Jungen in der offenen Tür zum Hof. Es ist, als wollte der Junge ihm den Weg versperren. Und aus der Küche tritt die Frau in den Gastraum, hält dann wortlos inne.

Er aber erinnert sich in diesen Sekunden wieder daran, dass er vor wenigen Tagen Ringo Crow getötet hat und dann mit dessen Brüdern kämpfen musste, wobei ein zweiter Crow starb. Und auch das geschah wegen einer Frau, die sich einsam fühlte und sich ihm schenkte, um von ihm beschenkt zu werden.

Verdammt, denkt er, was ist das für ein Spiel des Schicksals mit mir?

Er sieht über die Schulter zu ihr zurück und murmelt: »Der Junge hat mir Ihr Problem verraten. Doch ich töte nicht für …«

Er hält inne, denn er hätte fast »Hammelbraten«, gesagt.

Ihre Stimme spricht ruhig: »Bitte bleiben Sie. Oder sind Sie gar kein Revolvermann und bluffen nur?«

Es ist kein höhnender Klang in ihrer Stimme, sondern nur eine ernste Frage.

Und der Junge in der offenen Tür spricht:

»Mrs. Tompson, er ist ein Revolvermann.«

John Battley möchte wütend werden, denn er begreift, dass er kneifen will.

Aber – verdammt noch mal – hat er nicht ein Recht darauf, ein Abendessen einnehmen zu dürfen nach einem langen Tag im Sattel und einem Kampf, der ihn das Leben hätte kosten können?

Und so entschließt er sich fast gegen seinen Willen, wendet sich zurück und setzt sich an den großen Tisch der Gaststube, an dem ein Dutzend Gäste Platz hätten. Doch er ist der einzige Gast.

Und der Junge ist verschwunden, harrt wahrscheinlich draußen der kommenden Dinge. John Battley muss nicht lange warten, dann kommt Nelly Tompson und tischt ihm ein wahres Festessen auf, doch nicht nur für ihn, sondern auch für sich.

Als sie sich zu ihm an den Tisch setzt, tut sie es am anderen Ende. Bevor sie zu speisen beginnen, betrachten sie sich ernst und wortlos.

Ja, sie ist eine mehr als nur hübsche Frau, wenn auch auf eine etwas herbe wirkende Art. Aber er weiß längst und hat es auf all seinen Wegen immer wieder erlebt, dass solche Frauen in ihrem Kern eine Menge Feuer haben, das aber erst in den Armen des richtigen Mannes zum Ausbruch kommt.

Er isst einige Bissen. Noch niemals hat er einen solch guten Hammelbraten gegessen. Doch dann hält er inne und fragt: »Warum gehen Sie denn nicht von hier fort?«

»Weil ich hier eine Gefangene bin und alles aufgeben müsste, bettelarm sein würde. Das Essen kostet Sie einen halben Dollar, Mister.«

Als er das Abendessen fast beendet hat, taucht ein Mann in der offenen Tür auf, ein wahrer Bulle von einem Mann, dem man selbst im Lampenlicht ansieht, dass er einmal Preiskämpfer war. Denn man trägt diese Kämpfe immer noch mit bloßen Fäusten aus, also ohne Handschuhe. Der bullige Mann hat also ein Narbengesicht.

Er tritt mit einer Schrotflinte ein, deren Doppellauf abgesägt ist. Und so ist das ein ganz böses Ding.

Neben der Tür lehnt er sich an die Wand und starrt auf John Battley.

Es geht ein Strom von grimmiger Entschlossenheit und gnadenloser Härte von ihm aus.

Battley betrachtet ihn ernst und isst weiter.

Dann aber spricht Buster Bullock: »Sie hat das schon einige Male mit anderen Burschen versucht, die hier durchgeritten kamen. Und sie wäre mit diesen Kerlen sogar ins Bett gegangen, wenn sie geblieben wären.«

Battley schluckt den letzten Bissen herunter und erwidert: »Sie muss sich von Ihnen schlimm bedrängt fühlen, Mister. Bullock ist Ihr Name, wie? Nun gut, Mister Bullock, jetzt fühle ich mich von Ihnen bedrängt. Und das kann schlimm für Sie werden, wenn Sie nicht damit aufhören.«

»Ja, er bedrängt mich«, spricht nun die Frau herb. »Verdammt, er bedrängt unsere kleine Stadt – alle Bürger. Er zwingt uns allen seinen Willen auf. Und er hat mir gedroht, dass er mich auch gegen meinen Willen nehmen wird, wenn ich mich ihm nicht endlich ergebe. Er wollte mich schon haben, als mein Mann noch lebte. Und wahrscheinlich ließ er auch den Revolvermann hier vorbeikommen, der meinen Mann erschoss. Er ist ein Ungetüm, der von seinen Gegnern bei seinen Preiskämpfen zu viele Schläge an den Kopf bekam. Der ist nicht normal!«

Sie ruft es zuletzt wild und hilflos zugleich.

Bullock lacht röhrend. Dann richtet er die Doppelmündung der Schrotflinte auf Battley und stößt hervor: »Raus hier, wer du auch bist! Ich warte nicht, bis sie dich so sehr aufgehetzt hat, dass du ihr Ritter sein möchtest! Raus hier!«

»Und wenn ich nicht gehorche?«

»Ich zähle bis drei! Eins – zwei – drrrr…«

John Battley hat keine andere Wahl.

Er schießt unter dem Tisch hindurch, denn er hatte seinen Revolver auf dem Oberschenkel liegen.

Sie Kugel zerschmettert Bullock das Schultergelenk. Er wird seinen rechten Arm nie wieder bewegen können.

Die Schrotladung beider Läufe geht hinauf in die Holzdecke des Raumes, macht dort oben viele Löcher.

Der Bulle lehnt stöhnend an der Wand. Sein abgesägtes Schrotgewehr fiel zu Boden. Die Frau aber ruft schrill: »Bullock, die Bürger unserer kleinen Stadt werden dich mit Knüppeln aus der Stadt prügeln!«

Als er draußen zu seinem Pferd tritt, um aufzusitzen, da steht plötzlich der Junge bei ihm und fragt: »Warum bleiben Sie nicht bei uns, Sir? Die Stadt muss sich nun nicht mehr vor diesem Bullock fürchten. Er hat hier viele Leute gedemütigt. Sie werden ihn wahrhaftig mit Knüppeln aus der Stadt prügeln.«

Er hält inne und blickt auf den Jungen nieder.