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G. F. Unger
Kriegerweg
Zehn junge Cheyenne auf dem Kriegerweg. Sie lechzen nach Heldentaten, denn auf den Besten wartet die Häuptlingswürde. Aber ihr größter Ansporn ist nicht der Wunsch nach Ehre und Macht, sondern der Hass auf den weißen Mann, der den Untergang der roten Völker beschlossen hat. In ihrem Hass unterscheiden sie nicht zwischen Freund und Feind. Sie überfallen auch den Frachtwagenzug Ben Keburns und rauben ihm die Frau. Ben setzt sich auf die Fährte seiner einstigen Indianerfreunde. Was für die zehn als Siegerweg begann, endet in einer furchtbaren Katastrophe ...
Lesen Sie in der G.F. UNGER SONDER-EDITION erstmals die Leih- und Taschenbücher des großen Western-Autors in einer 80-seitigen, ungekürzten Romanheft-Fassung!
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Seitenzahl: 176
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
Kriegerweg
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Manuel Prieto/Norma
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-7680-7
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Kriegerweg
Bei allen Stämmen der Reitervölker der Prärie gab es sogenannte Kriegerkasten mit strengen Zeremonien. Meist waren die Kriegshäuptlinge der Stämme zugleich auch die Anführer jener Kasten, und sie alle waren die Erhalter und Fortsetzer der Kriegerethik.
Jene Kriegerkasten bildeten in einer Schlacht den harten Kern, kämpften an vorderster Linie und zeigten eine ganz besondere Durchhaltemoral. Bei den Cheyenne trug der Anführer eine schwarze Schärpe, die vom Hals bis zum Boden reichte. In der Schlacht nagelte er das Ende der Schärpe mit einem Pfeil am Boden fest, sodass er diese Stellung beibehalten musste, indes der Kampf um ihn tobte. Befreien durften ihn nur seine Gefährten, wenn sie der Meinung waren, ein Weiterkämpfen sei aussichtslos.
Bevor ein Krieger in die Kriegerkaste aufgenommen wurde, musste er sich auf den sogenannten Kriegerweg begeben. Wenn er genügend Heldentaten vollbracht hatte, durfte er zurückkommen und um Aufnahme bitten.
Der alte Bull Bear beendet seine Rede mit den Worten: »Und nun geht auf den Kriegerweg. Bewährt euch! Vollbringt Taten, von denen unser Stamm noch mit Stolz den Urenkeln erzählen kann. Es werden gewiss nicht alle von euch heimkehren in unser Dorf. Aber von jenen, die stolz zurückkommen, wird der Beste an meine Stelle treten. H’gun!«
Das letzte Wort bedeutet so viel wie Mut.
Und den können die zehn Krieger gebrauchen, denen der alte Häuptling Bull Bear diese Rede hält.
Er ist alt geworden, sehr alt schon. Und eigentlich führt er sein Dorf nur noch mit Klugheit und Lebenserfahrung, nicht mehr durch Taten.
Aber er kann kaum noch reiten.
Und was ist schon ein Häuptling, der auf keinem Pferd mehr sitzen kann?
Eigentlich hätte er schon längst abgelöst werden müssen.
Die zehn Krieger, die sich seit drei Tagen schon auf den Kriegerweg vorbereiteten – angefangen vom Schwitzzelt bis zum Sonnentanz mit seinen fürchterlichen Kasteiungen –, verharren noch einige Atemzüge lang.
Dann ruft einer: »Hopo – gehen wir!«
Sie wenden sich ab, schwingen sich auf die Pferde – und dann reiten sie stolz und würdig aus dem Dorf.
Ihr Kriegerweg hat begonnen.
Ein Gemurmel begleitet sie, es ist ein vielstimmiges »H’gun!«
Es rollt ihnen nach wie eine Meeresbrandung.
Und erst als sie über dem Hügelkamm verschwunden sind, verstummt es.
Das Leben im Dorf geht weiter. Man wird warten, hier am silbernen Creek bleiben, bis die Weiden in der Runde abgegrast sind, es kein jagdbares Wild mehr in der weiteren Umgebung gibt und es Zeit ist weiterzuziehen.
Der Sommer, der Herbst und der Winter werden vergehen.
Und erst im Monat der Blüten wird man vielleicht etwas von jenen Kriegern hören, die auf den Kriegerweg gingen – von jenen Besonderen, die man auswählte, damit sie den Besten finden mögen unter sich.
Die zehn Krieger aber halten hinter dem ersten Hügel an.
Sie formieren sich zu einem Kreis. Die Köpfe ihrer Pferde sind nach innen gerichtet, die Hinterteile nach außen. So haben sie sich formiert wie die Speichen eines Rades – nur gibt es keinen Mittelpunkt, keine Radnabe sozusagen.
Denn sie alle sind noch gleichberechtigt.
Nach einer Weile des Schweigens spricht Rothorn: »Lasst mich es als Erster versuchen. Lasst mich für unsere erste Tat der Anführer sein. Lasst uns zu den Büffeljägern reiten, die unsere Büffel schlachten nur der Häute wegen. Wenn es keine Büffel mehr gibt, sind auch die Tage der Indianer zu Ende. Das wissen wir alle. Denn der Büffel gibt uns alles. Der Büffel ist unser wohltätiger Bruder. Also sollten wir uns auf den Weg machen, um die weißen Büffelschlächter zu töten und von ihnen die guten Waffen erbeuten. Denn mit guten Waffen werden wir stets siegreich kämpfen. Hopo!«
Er drängt sein Pferd zur Kreismitte, sodass er mit seinem Tier nicht mehr den Platz einer Radspeiche, sondern den Platz der Radnabe einnimmt. Und alle sehen ihn an, überlegen, ob sie ihn für diesen Coup als Anführer wollen.
Aber der Vorschlag, den er machte, leuchtet ihnen ein. Sie finden ihn gut.
Und so ziehen sie ihre Pferde nach rechts herum, reiten nun im Kreis.
Er aber reitet aus dem Kreis, der dort, wo er ihn durchbricht, sich auflöst zu einer langen Reihe.
So reiten sie nach Süden.
Denn dort – zwischen Fort Laramie und Kansas City, und von dieser gedachten Linie nach Westen –, da sind jetzt die großen Büffelherden.
Dort knallen tausend und mehr Gewehre der Büffeljägermannschaften und töten jeden Tag Tausende von Büffeln.
Dorthin wollen sie auf ihrem Kriegerweg.
Ein Zwischenwort:
Rothorn, der in seiner kurzen Rede, mit der er sich zum Anführer macht, den Büffel einen »wohltätigen Bruder« nennt, übertreibt dabei gewiss nicht.
Denn für die Reitervölker der Prärie hing alles von »Pte«, dem Büffel, ab. Pte, der Büffel, lieferte nicht nur das tägliche Frischfleisch. Sein Fleisch ließ sich in der reinen Luft auch trocknen oder zu Pemmikan zerstoßen. Aus den Häuten – je nach Alter des Büffels – fertigte man Kanus, Zeltdecken, Kleidung, Schlafdecken, und aus der besonders dicken Nackenhaut der alten Bullen wurden Schilde gemacht. Fellriemen benutzte man zum Binden, und aus den Knochen wurden Werkzeuge. Die Sehnen wurden Bindfäden und Nähzwirn. Und aus den Hufen kochte man Leim, der für viele Möglichkeiten zu gebrauchen war.
Tausend Dinge gab der Büffel den Indianern.
Und sie wussten, dass sie mit dem Büffel die Freiheit verlieren und untergehen würden. Aus diesem Grund ist es leicht verständlich, warum die zehn Krieger aus dem Oglala-Dorf von Bull Bear sich auf den Weg zu den Büffelschlächtern machen.
Um diese Zeit etwa, da hinkt ein gewisser John Keburn am Stock auf die Veranda seines Hauses und betrachtet die im Hof seiner Handelsagentur zur Abfahrt bereitstehenden Frachtwagen.
Es sind sechs, und jeder ist bespannt mit acht starken und zähen Maultieren.
Zu jedem Wagen gehören zwei Männer, nämlich der Fahrer und dessen Gehilfe.
Dann gibt es noch einen dreizehnten Mann. Dieser Mann heißt Ben Keburn, und er ist John Keburns Sohn.
Er sitzt auf einem zähen Pferd, einem narbigen, grauen Wallach, einem riesigen Tier, das trotz seiner gewiss dreizehnhundert Pfund so leicht wie eine Katze geht.
Ben Keburn reitet Wagen für Wagen ab – und nichts entgeht ihm.
Es ist ein letztes Prüfen. Seine Männer erwidern seinen Blick stets gerade und frei. Es ist eine erfahrene Mannschaft, die schon für den alten John Keburn fuhr, als Ben noch ein Junge war.
Schließlich reitet Ben Keburn vor die Veranda und nickt seinem Vater zu.
»Schade«, sagt er, »dass wir nicht mehr zusammen …«
Aber er verstummt, als der alte John Keburn heftig den eisgrauen Kopf schüttelt.
»Nein – nicht schade, mein Junge«, sagt John Keburn. »Es ist ganz natürlich. Du musst jetzt an meine Stelle treten, so wie ich damals an die Stelle meines Vaters trat. Ich bin steif, voller Rheuma und Gicht. Ich kann nicht mehr. Du wirst es schwerer haben als ich. Damals, zu deines Großvaters und meiner Zeit, da herrschte Frieden zwischen den roten Stämmen und uns Händlern. Wir lebten gut zusammen in diesem Land. Alle großen Häuptlinge kannte ich schon als Knaben. Sie waren alle meine Freunde. Und Fort Laramie war nie ein richtiges Fort, nur eine Handelsniederlassung. Erst als es die Armee von uns Händlern übernahm, da wurde es ein Fort nach militärischen Maßstäben. Und das ist irgendwie symbolisch für alle Veränderung in diesem Land. Junge, du wirst es sehr viel schwerer haben. Denn es wird Krieg geben, einen richtigen großen Krieg gegen die vereinigten Stämme und Völker der Roten. Die Büffelschlächter und der bevorstehende Bau der Eisenbahn nach Westen werden diesen Krieg bewirken. Ben, mein Junge, du wirst dich ganz besonders bewähren müssen. Es ist wie bei den Indianern, wenn sie ihre besten Krieger auf den Kriegerweg schicken. Wenn du heimkommst, wirst du hier der Boss sein. Viel Glück, mein Junge! Und vergiss es nie: Du wurdest zwar hier im Land geboren, aber du bist ein Weißer. Und im Zweifelsfalle wirst du dich stets für deine Rasse entscheiden müssen. Das ist nun mal so.«
Er hat nun alles gesagt.
Und Ben Keburn begreift, dass er sich nur noch mühsam beherrschen kann und keine Worte mehr gewechselt werden sollen.
Denn John Keburn, der einstige Riese, der es mit jedem anderen Mann und mit allen Schwierigkeiten und Herausforderungen aufnehmen konnte, ist nur noch ein verwitterter Felsen, in dessen Spalten der Frost kriecht und ihn mehr und mehr in Stücke sprengt – bis er von einem hohen Berg in die Tiefe fällt und zu Geröll wird.
Ja, so etwa sieht Ben Keburn jetzt seinen Vater.
Und so zieht er schweigend sein Pferd herum und ruft: »Vorwärts, jooohooo!«
Die Fahrer erwidern seinen Ruf.
Und dann fahren sie aus dem Hof, Wagen für Wagen.
Wirbelnder Staub bleibt zurück, der Lärm des fahrenden Wagenzuges und das schussähnliche Knallen der Peitschen – bis alles verstummt.
John Keburn hinkt am Stock zurück ins Haus.
Und er denkt dabei: Ja, er ist jetzt auf dem Kriegerweg, auf dem Weg der Bewährung. Er wird es schwerer haben als ich. Denn nicht nur der drohende Indianerkrieg wird ihm Schwierigkeiten bereiten. Nein, es gibt gewiss auch noch jede Menge anderen Verdruss dort draußen. Viele Büffelschlächter-Mannschaften sind der letzte Dreck. Dort draußen sind Banditen und Fellräuber, denen auch ein voller Wagenzug mit Handelsware recht wäre.
Die Landvermesser, Damm- und Brückenbauer und Schwellenleger der Union Pacific und der ganze Schwarm, der mit ihnen kommen wird, die werden dieses Land versauen und böse machen. Die heile Welt hier ist tot.
Er setzt sich im Büro in den Drehstuhl hinter seinen Schreibtisch und beginnt Bestellungen zu schreiben, die noch nach Kansas City sollen. Denn von dorther kommt der Nachschub. Sie brauchen neue Ware.
Die Lager der Keburn-Agentur sind fast leer. Alles ist in den Wagen.
In sechs schweren Frachtwagen ist es unterwegs, um sich in Gewinn zu verwandeln.
Es wird Wochen und Monate dauern, bis sie zurück sind. Denn Ben Keburn muss viele Camps abfahren, Camps von Büffeljägern, Camps von den vielen Vortrupps des Bahnbaus und Dörfer von noch friedlichen Indianern.
Aber diese noch friedlichen Dörfer der südlichen Stämme der Hochprärie – die der Pawnees zum Beispiel und der Arapaho – können sich bald schon in Kriegsdörfer verwandeln, die sich den Sioux und Cheyenne anschließen.
John Keburn macht sich Sorgen.
Aber sollte er seinen Sohn deshalb nicht auf Handelsfahrt schicken?
Sie sind nun einmal Händler in diesem Land.
☆
Nach drei Tagen ständigen Reitens erreichen sie die Büffelweide.
Bald schon hören sie in der Ferne das ständige Knallen der schweren Sharps-Gewehre. Mit diesen großkalibrigen Waffen können die Büffeltöter noch auf dreihundert Yards Entfernung einen Büffelbullen fällen.
Solch ein Bulle – zuerst werden die Leitbullen abgeschossen – legt sich dann ins Gras und stirbt. Und die Herde in seiner Umgebung grast ruhig weiter. Das ständige Knallen erschreckt sie nicht besonders.
Wenn die Büffeltöter es verstehen, stets alle Leitbullen rechtzeitig zu töten und immer wieder rechtzeitig erkennen können, welche Tiere als Nachfolger dieser Leitbullen an deren Stelle treten wollen, dann ist es ihnen möglich, einige Dutzend Tiere abzuschießen, bevor die Herde in Stampede ausbricht.
Die Indianer wissen das alles schon. Denn sie haben die Büffeltöter oftmals bei der Arbeit beobachtet.
Sie, die Indianer, töten stets nur so viele Büffel, wie sie zum Lebensunterhalt benötigen. Die Büffeltöter aber wollen Häute, immer nur Häute, nichts als Häute.
Sie reiten vorsichtig weiter, benutzen Bodenwellen und Senken als Deckung.
Und als sie aus einem trockenen Präriecreek herausgeritten kommen, da sehen sie einen Büffelabhäuter dicht vor sich bei der Arbeit.
Er wendet ihnen den Rücken zu, und er ist voll auf seine schwere Arbeit mit dem Häutemesser konzentriert. Bald ist es so weit, dass er die Haut dann endgültig mit Hilfe seines Pferdes vom Kadaver abziehen kann.
Drei abgehäutete Büffel liegen schon in der Nähe herum, und die blutigen Häute trocknen in der Sonne.
Der Abhäuter ist ein noch junger Bursche, vielleicht gerade achtzehn, aber groß und zäh, geschickt und erfahren. Er muss schon sehr viele Büffel abgehäutet haben, Hunderte wahrscheinlich.
Sie sehen ihm fast neugierig zu und bewundern sogar seine Fertigkeit. Denn sie sind da gewissermaßen Fachleute.
Aber irgendwann endlich wird der schwitzende und hart arbeitende Junge nun doch von seinem Instinkt gewarnt. Er wirft einen flüchtigen Blick über die Schulter.
Sie können erkennen, wie er erschrickt.
Aber dann handelt er schnell. Er springt über den halb schon abgehäuteten Büffel hinweg und ist mit drei weiteren Sprüngen bei seinem Pferd.
Er kommt auch noch mit einem weiteren Sprung in den Sattel.
Aber dann fahren ein halbes Dutzend Pfeile in ihn.
Er ist schon tot, bevor er vom Pferd fällt und weich im dichten, hohen Büffelgras landet. Aber selbst wenn er hart aufgeprallt wäre, er würde es nicht mehr gespürt haben.
Rothorn nimmt sich seinen Skalp.
Ihm werden auch seine Waffen und das Pferd gehören.
Sie reiten weiter, und schon hinter der nächsten Bodenwelle in einer Senke, da treffen sie auf einen weiteren Abhäuter, der ebenso emsig bei der Arbeit ist wie der Junge. Diesmal ist es ein schon alter Bursche, ein Graukopf, jedoch ledern und gewiss noch zäher, als es der Junge war.
Aber auch er ist so sehr auf seine Arbeit konzentriert, dass er nur selten einmal einen Blick in die Runde schweifen lässt. Überdies kann er nicht über die Ränder der Senke hinwegsehen.
»Sie sind so blind wie Eulen in der Sonne«, murmelt Rothorn kehlig.
»Und ohne Kopf«, sagt Fleckschweif.
»Ja, sie sind dumm, blind und taub«, pflichtet Gelbvogel bei.
»Wie jene Wasicuns, die nach Gold suchen. Ja, sie haben das gleiche Fieber, das blind, taub und dumm macht«, spricht Blackwolf.
Der alte Abhäuter hält nun ebenfalls inne, wie zuvor schon so plötzlich der Junge. Auch er spürt wohl nun endlich das Prickeln im Nacken. Sein Instinkt warnt ihn unmissverständlich.
Aber er blickt nicht über die Schulter.
Nein, er lässt das Abhäuten sein und schneidet den fetten Büffelhöcker vom toten Tier. Er tranchiert ihn sehr gekonnt und wendet sich damit dann langsam den zehn Kriegern zu.
Dabei verzieht er freundlich sein Gesicht.
»Hookahey, ich sehe euch«, sagt er. »Wollt ihr frischen Büffelhöcker?«
Er spricht ihre Sprache ziemlich gut.
Aber sie verziehen keine Miene. Starr sitzen sie auf ihren scheckigen Mustangs.
Da sie sich noch oben am Rand der Senke befinden, sind sie dem stetigen Wind ausgesetzt, der auf der Hochprärie fast immer weht wie auf einem Meer.
Dieser Wind spielt mit ihren Haaren, den Skalplocken. Er lässt ihre Federn wippen, spielt mit den Schwänzen und Mähnen ihrer Mustangs.
Und die Sonne lässt ihre Lanzen- und Pfeilspitzen blinken.
Sie tragen die Bemalung von Kriegern auf dem Kriegerweg. So bieten sie ein heidnisches Bild – drohend, unversöhnlich.
Der alte Büffelhäuter sieht das alles, spürt die Gnadenlosigkeit, die von ihnen ausgeht.
Dann hört er Rothorn sagen: »Du kannst den Büffelhöcker selber fressen. Los, friss ihn! Sofort!«
Aber da gibt der alte Graukopf es auf, sich mit ihnen freundlich zu arrangieren. Er weiß plötzlich, dass sie ihn töten werden, selbst wenn er es schaffen sollte, den vielpfündigen Büffelhöcker herunterzuschlingen. Aber das könnte wahrscheinlich sogar ein ausgehungerter Wolf nicht schaffen.
Und so lässt er den blutigen Klumpen Fleisch fallen und richtet sich stolz auf.
Er bietet ihnen seine Brust.
Dann sagt er voll Inbrunst, so nachdrücklich und fast feierlich: »Ihr könnt zur Hölle gehen, ihr Hurensöhne.«
Als er es gesagt hat, zischen die Pfeile von den Sehnen.
Und zwei Sekunden später ist er tot.
Diesmal nimmt Fleckschweif den Skalp. Aber das tut er nicht deshalb, weil er nach Rothorn der zweite Krieger in der Reihe ist, sondern weil sein Pfeil den Büffelhäuter genau ins Herz traf, die anderen Pfeile trafen nicht so genau. Und da jeder Krieger seine Pfeile kennt, ist es einfach, festzustellen, wessen Pfeil den blitzschnellen Tod herbeiführte.
Fleckschwanz bekommt also den Skalp, die Waffen und das Pferd.
Und wieder reiten sie weiter. Nicht weit entfernt hören sie das Krachen der schweren Sharpsgewehre. Und schon hinter der nächsten Bodenwelle erblicken sie den Rand der Büffelherde, ihre nördliche Flanke sozusagen. Denn die Herde zieht grasend nach Westen. Sie bummelt dahin. Immer wieder halten die Rudel an, grasen, tun sich nieder, wälzen sich in den schlammigen Wasserlöchern, werden von Büffelmücken umschwirrt.
Auf halber Höhe der Bodenwelle, etwa fünf bis acht Yards über der Herde, da liegen die beiden Büffelkiller. Sie feuern sehr präzise. Es ist kaum zu glauben, aber die Herde – vielleicht zweihundertfünfzig bis dreihundert Yards entfernt – lässt sich davon nicht beeindrucken.
Dass immer wieder Tiere umfallen, niederknien und sich zur Seite legen, scheint den anderen Tieren ganz normal zu sein.
Nur dann und wann hebt ein Bulle seinen mächtigen Schädel und wittert.
Aber im nächsten Moment – noch bevor er die Gefahr wittern und in Stampede ausbrechen kann – wird er von einer der großkalibrigen Kugeln getötet.
Es ist lächerlich leicht und einfach, Büffel zu töten.
Man muss nur auf größere Entfernung gut genug schießen können und eine schwere Waffe besitzen.
Die beiden Büffeltöter sind Experten. Sie sind auf ihrem Spezialgebiet gewiss so gut wie die beiden Abhäuter. Und das alles sind sie nur deshalb, weil sie vielleicht nicht nur Hunderte, sondern Tausende schon töteten von diesen friedlichen Tieren.
Die zehn Indianer sehen sich das alles schweigend an.
Auch jetzt warten sie geduldig, bis ihre Opfer einen Atem des nahen Todes spüren, bis ihr Instinkt sie warnt durch ungute Gefühle – bis sie endlich hinter sich blicken und alles sehen.
Dann fahren Pfeile in sie hinein.
Sie haben keine Chance.
Die Herde aber bricht nun doch aus irgendeinem Grund in Stampede aus.
Vielleicht hat eines der niedergeschossenen Tiere sich wieder bewegt. Vielleicht hat es sterbend gestöhnt, geschnaubt, den anderen Tieren irgendein Zeichen gegeben. Es sind gewiss mehr als dreißigtausend Büffel, zerstreut auf viele Quadratmeilen, die nun in weniger als einer Minute plötzlich in Stampede ausbrechen und nach Westen donnern.
Der Boden im weiten Umkreis bebt unter mehr als hunderttausend Hufen.
Die zehn Indianer aber wenden sich nach Osten.
Denn von dort kommt die Fährte der beiden Büffeltöter. Dort im Osten sind einige Bäume an einem Creek. Dort muss das Camp sein.
Sie erreichen das Camp eine halbe Stunde später, und sie schlagen einen Bogen, nähern sich von der anderen Seite des Creeks, durchreiten ihn, und das Plätschern des Wassers übertönt die Geräusche der unbeschlagenen Mustanghufe.
Es sind zwei Männer im Camp. Einer ist der Koch, und er ist dabei, frische Biskuits zu backen.
Der andere Mann ist dabei, einige Dutzend blutiger Büffelhäute mit Hilfe vieler Pflöcke am Boden auszuspannen. Die ganze Umgebung des Camps ist von ausgespannten Büffelhäuten bedeckt.
Und bei den drei Wagen stapeln sich die schon getrockneten Häute.
Es ist sicher, dass die Büffeljäger aufhören mussten, weil ihre Wagen voll sind und keine weiteren Häute mehr transportieren können. Wahrscheinlich war es ihr letzter Jagdtag.
Wieder läuft alles fast auf die gleiche Weise ab.
Sie sind ihren Opfern schon ganz nahe, also bereits im Camp, und sitzen noch in den Sätteln, als der Koch den Deckel vom Holländischen Ofen nimmt und die Biskuits herausholt. Er legt sie auf ein Brett, und als er sie auf die heruntergeklappte Rückwand des Wagens schütten will, damit sie abkühlen können, da sieht er endlich die heidnischen Besucher.
Wie sein Partner mit dem Büffelhöcker, so versucht er nun mit dem Brett voller Biskuits, freundlich zu sein und den »Gästen« etwas anzubieten.
Er geht damit auf die Reiter zu, redet freundlich allerlei Zeug in englischer Sprache, bietet ihnen an, geht von Reiter zu Reiter.
Und die nehmen tatsächlich.
Zu jedem sagt er: »Willkommen in unserem Camp. Wir sind Freunde, gute Freunde! Wir sind ja nur hier, um ein paar Büffel zu jagen. Es gibt ja wohl genug davon, Hunderttausende – vielleicht Millionen. Herrgott, was gibt es viele Büffel, genug für uns alle. Schmecken euch die Dinger? Nicht wahr, es geht nichts über frische Biskuits. Ich kann euch noch welche backen. Die könnt ihr euch mitneh-«
Weiter kommt er nicht. Denn Gelbvogel möchte jetzt endlich auch einen Skalp haben. Und so schlägt Gelbvogel blitzschnell mit seiner Kriegsaxt zu. Er trifft den Koch von der Seite her unter dem Ohr gegen den Hals.
Die ganze Zeit stand der Häutespanner einen halben Steinwurf weit entfernt außerhalb des Camps da und beobachtete alles voll Spannung und Sorge.
Als er sieht, dass die Indianer vom Koch die Biskuits annehmen und zu essen beginnen, da flüstert er vor sich hin: »Du lieber Vater im Himmel, lass sie friedlich bleiben. Joe hat doch noch ein halb volles Säckchen Rosinen im Wagen. Er soll ihnen die Rosinen geben – und unseren Tabak. Er soll ihnen alles geben, was …«
Weiter kommt er nicht, denn er sieht nun, wie Gelbvogel jenem Joe den halben Hals durchschlägt und Joe stehend stirbt.
Da wendet er sich zur Flucht.
Er hat keine Waffe bei sich. Hier in der Nähe des Camps glaubte er sie nicht nötig zu haben.
Zwei Messer – der jüngste Krieger – folgt ihm.
Und schon mit dem ersten Lanzenstich erwischt er ihn keine hundert Yards weiter.
Mit dem blutigen Skalp kommt er zurück.
Sie alle sind nun sehr zufrieden.
Denn sie haben den ersten großen Coup erledigt auf dem Kriegerweg.
Sie haben fünf Weiße getötet, viel Beute gemacht – besonders an Waffen und Munition – und keinen einzigen Verlust dabei gehabt.