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Die sechs Banditen waren auf der Flucht. Vor wem, wusste Jake Coburne nicht. Doch es musste der Leibhaftige persönlich sein, denn noch nie war Jake solch einem höllischen Rudel begegnet. Als die Kerle ihn zwangen, sie in sein einsames Hochtal mitten in der Wildnis der Rocky Mountains zu bringen, gehorchte er zähneknirschend. Es war keine Feigheit von ihm. Diesen Höllenhunden hätte er noch jederzeit ein paar neue Tricks gezeigt. Aber sie hatten Bea in ihrer Gewalt, die Frau, die er liebte. Ja, es war eine ausweglose Situation, aber Jake Coburn gehörte zu jener seltenen Sorte von Männern, die niemals aufgaben...
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Seitenzahl: 182
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
Wolfsvalley
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Manuel Prieto/Norma
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-8079-8
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Wolfsvalley
Als Jake Coburne an der Schiffslandestelle von Fort Buford die Frau von Bord der Missouri Star kommen sieht, da erinnert er sich wieder an die Beschreibung, die ihm sein Freund und Partner Tom Kellog gab.
»Ihre Haare sind so gelb wie reifes Korn. Und ihre Augen leuchten wie Kornblumen. Du kannst sie gar nicht übersehen. Unter tausend schönen Mädchen würde sie dir sofort auffallen.«
Das waren Toms Worte.
Und als Jake Coburne die junge Frau an Land kommen sieht, da denkt er: Wahrhaftig, Tom hat nicht übertrieben. Die könnte man wirklich auch unter tausend Schönen nicht übersehen.
Nachdem er dies gedacht hat, schnauft er bitter durch die Nase.
Denn was er jetzt tun muss, davor hat er sich die ganze Zeit gefürchtet, als er in einem Kanu voller kostbarer Winterpelze den Yellowstone abwärtsfuhr.
Nun ist der Moment gekommen.
Er bewegt sich endlich und nimmt den Hut ab, indes er der jungen Frau in den Weg tritt.
»Bea McLorne?« So fragt er sanft, und diese Sanftheit steht in einem deutlichen Gegensatz zu seinem Äußeren. Denn er strömt eine zähe Härte und selbstbewusste Verwegenheit aus. Er ist ein Jäger, der im Indianerland Pelztiere jagt.
»Ja, ich bin Bea McLorne«, sagt sie und blickt zu ihm auf. Ihr Blick ist gerade und fest. Er sieht einige feine Linien um ihre Mundwinkel und Augen, die ihm verraten, dass sie wirklich eine junge Frau ist, kein Mädchen mehr. Er spürt, dass ihr vieles nicht mehr fremd ist auf dieser Erde.
»Ich bin Jake Coburne«, spricht er langsam. »Ich bin für Tom Kellog hier. Er kann nicht kommen. Es ist etwas geschehen. Er wird nie wieder nach Fort Buford kommen können. Tut mir leid, Bea.«
Als er verstummt, werden ihre Augen einen Moment lang groß und weit.
Dann senken sich ihre langen Wimpern, die im Gegensatz zu ihrem gelben Haar dunkel sind.
Er sieht, wie sie hart und mühsam schlucken muss, würgend, so als säße ihr ein Stein im Hals.
Aber dann sieht sie wieder gerade und fest zu ihm empor.
»Was ist geschehen?« In ihrer Stimme ist ein herber Klang, fast schon ein Klirren, und er begreift, dass sie eine Menge Lebenskraft besitzt und schon mehr als einen harten Schlag erhalten hat. Deshalb kann sie wohl eine Menge vertragen.
»Die Wölfe …«, beginnt er, aber dann möchte er doch nicht weitersprechen. Er erkennt ihr Erschrecken, möchte ihr das grausige Geschehen nicht schildern.
Aber sie fragt hart: »Was taten die Wölfe?«
»Es tobte ein Blizzard im Yellowstone-Land«, murmelte er. »Sieben Tage und sieben Nächte. Wir gingen dann nach unseren Fallen sehen, jeder in eine andere Richtung. Als ich nach Nachtanbruch in unsere Hütte zurückkam, war Tom noch nicht da. Ich folgte in der hellen Nacht seiner Fährte durch den Schnee. Er war einem Wolfsrudel in die Quere gekommen. Die Wölfe waren verrückt vor Hunger. Er hat zwar ein halbes Dutzend von ihnen getötet, aber dann …«
Er verstummt, und nun muss er selber hart und würgend schlucken.
»Sie haben ihn und ihre eigenen Artgenossen fast völlig vertilgt«, murmelt er schließlich. »Sie waren verrückt vor Hunger und durch nichts aufzuhalten. Er konnte es mit jedem Wolfsrudel aufnehmen – aber nicht mit einem, das sieben Tage und sieben Nächte in einem Blizzard hungerte. Es waren sehr viele Wölfe, vielleicht sogar mehrere Rudel, die aus irgendeinem Grund in unser Tal kamen. Es tut mir leid, Bea.«
Sie starrt zu ihm empor. Da sie einen Kopf kleiner ist als er, muss sie den Kopf in den Nacken legen.
Nun sind ihre Augen schmal.
Er bückt sich nach ihrem Gepäck. Es sind nur ein Koffer und eine Reisetasche.
»Ich bringe Sie ins Hotel«, spricht er, sich wieder aufrichtend mit dem Gepäck in den Händen. »Ich habe da ein Zimmer für sie ergattern können.«
»Aber ich kann es nicht bezahlen«, erwidert sie. »Die Reise war teurer als ich glaubte. Ich bin mehr als dreitausend Meilen gereist und war fast drei Wochen unterwegs.«
Er nickt. »Tom Kellog hat Ihnen alles hinterlassen, was er besaß«, erklärt er ihr. »Es sind fast siebentausend Dollar. Der Handelsagent hat sie in seinem Tresor. Er weiß auch, dass Sie Tom Kellogs Erbin sind. Schließlich wollten Sie und Tom hier heiraten. Sie können also jedes Hotelzimmer bezahlen, nicht nur dieses kleines und primitive hier in Fort Buford. Kommen Sie.«
Er setzt sich in Bewegung, und als sie ihm folgt, da fällt ihr trotz aller Gefühlsnot auf, wie leicht er sich bewegt, obwohl er bei seiner Größe gewiss trotz Hagerkeit an die neunzig Kilo wiegen muss. Aber dann fallt ihr ein, dass er ja ein Jäger und Bergläufer ist, wie Tom es war.
Sie versucht sich Tom Kellog noch einmal vorzustellen.
Damals, vor vielen Jahren, da schworen sie sich daheim die Treue, und als junger Bursche ging er fort, um die Welt für sie und sich zu erobern. Er hatte ihr Wort, daheim auf ihn zu warten.
Aber dann vergingen zehn Jahre.
Schon nach zwei Jahren wartete sie nicht mehr. Denn sie musste leben, und durch den Krieg war eine Menge anders geworden in Georgia. Auch sie ging fort und wanderte auf harten Wegen.
Manchmal schrieb sie ihrer Schwester, die daheim mit einem Schmied verheiratet war. Und eines Tages sandte ihr die Schwester Tom Kellogs Brief nach.
Er hatte sie nicht vergessen.
Und er hatte es, so wie er schrieb, endlich geschafft. Er bat sie, im Spätfrühjahr nach Fort Buford zu kommen, denn er hätte sie nie vergessen und könnte ihr nun etwas bieten – zum Beispiel eine Pfirsich-Plantage in Kalifornien, eine schöne Farm oder ein Hotel in einer schönen Stadt. Sie sollte nur kommen, dann könnten sie das alles bereden und endlich heiraten.
Nun aber weiß sie, dass er in einem Tal von Wölfen gefressen wurde.
Und von diesem Jake Coburne hatte er in seinem Brief auch ein paar Sätze geschrieben. Ja, dieser Mann da vor ihr war Toms Freund und Partner.
Tom und Jake müssen sich sehr ähnlich gewesen sein, fast so wie Brüder. Das glaubt sie, obwohl sie Tom nur als jungen Burschen in Erinnerung hat.
Aber sie hatte ihn damals sehr geliebt – und wahrscheinlich wäre diese Liebe nun erneuert und noch stärker geworden, hätte er und nicht Jake an der Landebrücke gestanden.
Sie folgt Jake ins Hotel, dann aufs Zimmer, wo er ihr Gepäck abstellt. Die ganze Zeit jagen sich in ihr Gefühle und Gedanken.
Er wendet sich ihr zu.
»Ich warte unten«, sagt er. »Wenn Sie sich frisch gemacht haben, wird es Zeit zum Mittagessen sein. Und danach können wir zum Handelsagenten gehen. Sie haben sicher den Brief von Tom dabei. Wenn Sie diesen Brief dem Agenten zeigen, wird er ihnen Toms Erbe aushändigen. Gut so?«
Wieder sieht sie gerade zu ihm auf.
»Gut so.« Sie nickt. »Ich bin in einer halben Stunde unten im Speiseraum.«
Er geht und wieder wird sie sich bewusst, wie leicht er sich bewegt.
Nachdem die Tür sich hinter ihm geschlossen hat, verharrt sie bewegungslos. Dann atmet sie einige Male tief durch, tritt zum Fenster und blickt auf die staubige Fahrbahn der Siedlung nieder, die hier dicht beim Armeefort und der Schiffslandestelle entstanden ist und bald eine kleine Stadt sein wird.
Frachtwagen und andere Fahrzeuge jeder Art sind unterwegs.
Am Fluss sind viele Boote, auch Dampfschiffe. Sie sieht Flussschiffer, Frachtfahrer und Trapper, also Jäger und Gebirgsläufer. Von den Schiffen, die hier anlegten, sind Passagiere an Land gekommen. Es sind zumeist Leute, die hinauf nach Fort Benton und von dort zu den Goldfundgebieten wollen.
Denn dort oben im nordöstlichen Montana ist das Goldfieber ausgebrochen.
Bea denkt an Tom Kellog, versucht ihn sich nach zehn Jahren vorzustellen.
Ja, sie ist sicher, dass aus ihnen etwas geworden wäre.
Doch es sollte nicht sein, und das Leben geht weiter.
Aber er hat ihr siebentausend Dollar hinterlassen, wenn Jake Coburne die Wahrheit sagte.
Siebentausend Dollar!
Sie dehnt in Gedanken dieses Wort.
Oh, dafür könnte sie sich einen guten Laden kaufen, ein Hotel oder einen Saloon.
Mit einem Saloon würde sie am besten zurechtkommen. Da kennt sie sich aus. Denn in den letzten Jahren arbeitete sie stets in noblen Tingeltangels, hielt auch die Bank in Spielsaloons.
Schon einige Male besaß sie siebentausend Dollar und noch mehr.
Aber immer wieder erlitt sie Rückschläge, fiel auf Männer herein und musste von vorn anfangen.
So vergingen die Jahre.
Und jetzt?
Sie denkt an Tom Kellog mit Dankbarkeit.
Dabei kommt sie zu einem Entschluss.
☆
Als sie in den Speiseraum kommt, erhebt Jake sich an einem Ecktisch, von dem aus man durch ein Fenster auf die Straße sehen kann.
Sie setzen sich.
»Es gibt hier stets nur ein Menü«, sagt er. »Aber es schmeckt. Hier bei Daisy Dunn schmeckt es immer. Heute gibt es Hammelbraten.«
Er hat kaum ausgesprochen, da bringt die Bedienung die Suppe.
Sie löffeln eine Weile schweigend.
Aber dann lässt sie den Löffel im Teller und richtet sich gerade auf. Sie hebt entschlossen das Kinn.
»Sie haben Toms Überreste richtig beerdigt?« So fragt sie ernst.
Er nickt.
»Ja, er liegt unter großen Steinen im Wolfsvalley«, sagt er. »Aber es sind nur die Reste seiner sterblichen Hülle. Seine Seele ist in Wanagi Yata – so nennen die Indianer den Sammelplatz aller Seelen, und sie meinen den Himmel der Christen. Ja, seine Seele wird dort sein.«
»Bringen Sie mich zu seinem Grab, Jake.«
Er glaubt zuerst, nicht richtig gehört zu haben.
Denn sie spricht ihr Verlangen so aus, als wollte sie von ihm nur zu einem Ort dicht in der Nähe gebracht werden. Aber in ihren Augen kann er erkennen, dass sie sich durchaus bewusst ist, wie weit diese Reise ist.
»Das sind viele Tage und Nächte«, murmelt er, »viele Meilen den Fluss hinauf und dann im Sattel in die Berge. Das sind fast fünfhundert Meilen. Und jede Meile ist harte Arbeit.«
»Er wollte mich heiraten«, erwidert sie. »Damals ging er fort, um für uns die Welt zu erobern. Er schaffte es nicht ganz, nicht wahr? Aber er vergaß mich nicht. Und er hinterließ mir siebentausend Dollar. Ich will zu seinem Grab. Bringen sie mich hin, Jake! Bitte!«
Er staunt. Und er erkennt in ihren Augen, wie ernst es ihr ist.
Deshalb begreift er, dass es sinnlos wäre, ihr etwas von den Gefahren zu erzählen. Sie müssen durch Indianerland. In diesem Land leben überdies auch noch viele Geächtete, Deserteure der Armee, Ausgestoßene der vielen Stämme.
Durch dieses Land müssen sie. Und erst weiter oben in den Bergen, wo das Leben noch härter ist, können sie sich sicherer fühlen.
Aber es hat wenig Sinn, ihr das alles zu sagen.
Sie will an Tom Kellogs Grab.
Indes er noch zögert und überlegt, spürt er ihre Ausstrahlung. Es ist eine geheimnisvolle Strömung. Sie trifft ihn voll.
Er wollte eigentlich bis nach Saint Louis den Strom hinunter und sich dort einige schöne Wochen machen.
Und erst im frühen Herbst wollte er zurück in sein Jagdrevier im Wolfsvalley. Er wollte auch den großen Wolf jagen und töten, der damals das starke Rudel führte, das Tom in Stücke riss und vertilgte. Es war nicht mehr viel von Tom übrig.
Jake kennt die Spur dieses großen Wolfes gut genug. Unter tausend anderen Wolfsfährten würde er sie herausfinden können.
Wenn er Bea dort hinauf ins Wolfsvalley bringt, wird er noch einmal zurück und dann ein zweites Mal hinauf müssen.
Statt sich in Saint Louis zu vergnügen, wird er diese Frau hin und wieder zurückbringen müssen.
Soll er?
Als er sie ansieht, da wird er sich bewusst, wie reizvoll sie ist.
Und vielleicht …
Er denkt nicht weiter. Doch es ist eine Hoffnung in ihm, vielleicht gar schon eine Erwartung.
Und so nickt er plötzlich zu seiner eigenen Überraschung.
»Wir brechen morgen auf«, sagt er. »Können Sie ein Kanu paddeln, Bea?«
»Ich kann es lernen«, sagt sie schlicht.
☆
Er rüstet sich noch vor Anbruch des Abends mit allen Dingen aus, die notwendig sind für die Reise. Und weil er sein gutes Kanu damit beladen muss, kann er sich dann nicht mehr von diesem Kanu entfernen.
Man würde es ihm mitsamt dem Inhalt stehlen.
Hier in der Siedlung und bei der Schiffslandestelle von Fort Buford lungern die Tramps und Glücksjäger zu Dutzenden herum. Viele dieser Strolche sind abgebrannt und abgerissen und wissen nicht, wie sie weiter nach Norden ins Goldland kommen können. Sie stehlen, wo sie können.
Er muss also diese Nacht hier am Fluss bei seinem Kanu verbringen. Aber er ist nicht allein am Fluss. Es lagern noch mehr Leute hier. Einige größere Flachboote kamen den Missouri herunter und legten an für diese Nacht. Da und dort brennen Feuer. Man brät Fische.
Eine Floßmannschaft veranstaltet ein Stück weiter ein Saufgelage. Sie haben auch einige Musikinstrumente, und sie singen. Aus dem Ort kamen einige käufliche Frauen. Deren Stimmen mischen sich immer wieder mit dem rauen Lachen der Männer.
Jake Coburne saugt an seiner Pfeife, als zwei Gestalten sich seinem Feuer nähern. Er bleibt in seiner hockenden Stellung. Niemand sieht ihm an, dass er bereit ist wie ein scheinbar noch ruhender Berglöwe, der in Sekundenbruchteilen aufschnellen und einem Feind an die Kehle springen kann.
Einen der Männer erkennt er bald schon. Es ist Lev Mahoun, und von diesem Lev Mahoun hat er noch nie etwas gehalten.
Er weiß eine Menge über Lev Mahoun. Es sind alles böse Geschichten und Gerüchte. Eines dieser Gerüchte ist besonders schlimm. Lev Mahoun war einmal mit einem Partner einen harten Winter lang hoch in den Bergen eingeschneit. Und dort soll er wie ein Kannibale diesen Partner aufgefressen haben, um nicht selbst an Hunger sterben zu müssen.
Jake Coburne weiß nicht mit Sicherheit, ob das Gerücht auf Wahrheit beruht. Aber er traut Lev Mahoun ganz instinktiv solch eine Sache zu.
Und so sagt er hart, als Mahoun und der andere Mann vor dem Feuer verhalten und somit erkennen lassen, dass sie zu ihm wollten: »Hau ab hier, Mahoun! Hau ab! Oder ich mache dir Beine!«
Mahoun lässt ein böses Grollen hören.
»Wir kommen rein geschäftlich«, knurrt er schließlich. »Und wenn du kein Narr bist, dann hörst du dir an, was dieser Mister hier für ein Angebot zu machen hat. Das ist John McQuade. McQuade, das ist Jake Coburne, der Mann, von dem ich dir erzählte. Ja, das ist er. Es ist reines Glück, dass wir hier auf ihn trafen.«
Jake Coburne sieht schräg aus seiner hockenden Haltung zu jenem John McQuade auf. Dieser ist ganz offensichtlich ein Mann aus dem Süden, wahrscheinlich ein Revolvermann, ganz gewiss jedoch ein Glücksjäger, einer von jener Sorte, die stets nach lohnender Beute Ausschau hält und nicht wählerisch ist, wenn diese Beute nur wertvoll genug ist.
Dieser John McQuade hockt sich nieder auf der anderen Seite des Feuers. Doch er tut es nicht nach Indianerart wie Jake Coburne, sondern nach Cowboyart auf den Absätzen.
»Vielleicht hören Sie mich erst mal an, Coburne«, sagt er lässig.
Jake Coburne erwidert nichts, blickt ihn über das Feuer hinweg nur fest an, und er spürt dabei die Ausstrahlung dieses Mannes aus dem Süden. Es ist ein Anprall von Gefahr. Coburnes Instinkt warnt ihn, und er weiß plötzlich, dass dieser Mann ein zweibeiniger Wolf ist, vielleicht sogar ein Tiger, der vom Jagen und Töten lebt und keine Schonung kennt.
McQuade zeigt unter seinem gelben Sichelbart blinkende Zahnreihen im Feuerschein. Und seine dreieckig wirkenden Augen glitzern.
Dann spricht er knapp: »Wir brauchen einen Führer zur Westküste. Aber unterwegs wollen wir in den Bergen überwintern. Wie ich von Mahoun hörte, jagen Sie stets in einem verborgenen Tal, dessen Zugang nur Sie und Ihr Partner kennen außer einigen Indianern, die Ihre Freunde sind. Wir möchten in diesem Tal überwintern. Im Frühjahr bringen Sie uns dann zur Westküste. Es ist uns gleich, ob das auf dem Snake River oder im Sattel über die Bitter Roots geschieht. Sie sind der Mann, der dieses Land kennt. Wir zahlen zehntausend Dollar. So viel verdienen Sie gewiss nicht mit der Pelztierjagd – oder?«
»Nein«, murmelt Jake Coburne, »so viel nicht – längst nicht.«
Und indes er diese Worte murmelt, wird ihm klar, um was es sich handelt.
Dieser John McQuade und wer auch noch zu ihm gehören mag, ist auf der Flucht. McQuade will die Spur nicht einfach nur verwischen, nein, er will diese Spur oder Fährte völlig löschen. Sie soll irgendwo in den Bergen für immer verschwinden und irgendwo jenseits der Berge wieder auftauchen.
Dazu ist eine Überwinterung in einem verborgenen Tal notwendig.
Wer immer auch dieser Fährte folgt, wird aufgeben müssen, ja, vielleicht sogar umkommen.
Jake Coburne denkt: Das ist eine verdammte Bande, die irgendwas auf dem Kerbholz hat und mit ganz besonders gefährlichen Verfolgern rechnet, Verfolgern, die nicht aufgeben, und müssten sie dieser Bande um die ganze Welt folgen. Es müssen Verfolger sein, die über gewaltige Mittel verfügen, Macht besitzen. Diese Bande kann ihnen nur für immer entkommen, wenn sie für Monate in einem Versteck verharrt und einen langen Winter alle Fährten löschen lässt. Mein verborgenes Tal wäre ihnen gerade recht. Und dieser Lev Mahoun hat sie auf die Idee gebracht.
Als er mit seinen Gedanken soweit ist, beugt er sich vor und greift scheinbar lässig nach der Kaffeekanne, die am Rand des Feuers in der warmen Asche steht.
Aber es ist nur ein Ablenkungsmanöver.
Denn er schnellt auf wie ein Wildkater, der lange genug gelauert hat. Die Kaffeekanne fällt mit dem zischenden Inhalt ins Feuer. Er aber schnellt über das Feuer hinweg – und noch im selben Sekundenbruchteil tritt er Lev Mahoun in den Bauch. Mahoun brüllt auf und überschlägt sich fast am Boden, auf dem er so plötzlich und völlig unerwartet landet. Als er sich auf den Bauch rollt und stöhnend auf Händen und Knie hochkommt, da tritt Jake Coburne ihn noch kräftig in den Hintern.
»Komm nie wieder an mein Feuer – nie wieder, Mahoun! Ich sagte dir, dass du abhauen sollst. Warum hörst du nicht, wenn man dir was sagt!«
Aber Lev Mahoun gibt ihm keine Antwort. Er kriecht zwei oder drei Yards weiter, richtet sich dann stöhnend auf und wankt davon, sich dabei gekrümmt beide Unterarme und Hände vor den Leib haltend.
Jake Coburne wendet sich jenem John McQuade zu. Aus dem Feuer steigt noch der Wasserdampf, denn die Kaffeekanne war ja noch halb gefüllt. Coburne kann den Mann aus dem Süden jedoch recht gut erkennen. Er sieht, dass dieser John McQuade mit dem Colt auf ihn zielt.
»McQuade«, sagt er kühl, »Sie kamen in besonders schlechter Gesellschaft. Ich habe nichts gegen sie, noch nicht. Sie kamen, um ein Geschäft mit mir zu machen. Ich habe Sie angehört. Und nun sage ich nein. Das ist alles. Lassen wir es dabei.«
John McQuade verharrt noch einige Atemzüge lang mit dem Colt in der Hand.
Dann atmet er mit einem deutlich erkennbaren Ton der Enttäuschung aus, steckt mit einer wie Zauberei wirkenden Bewegung ganz plötzlich den Colt weg und geht davon.
Er folgt Lev Mahoun. Seine Gestalt hebt sich noch eine Weile gegen die Lichter des Ortes ab. Er bewegt sich leicht und geschmeidig.
Vom nahen Fort klingen jetzt die Rufe der Posten. Es ist zwei Stunden vor Mitternacht. An den Landebrücken liegen einige Schiffe.
Lichter glänzen auf dem Fluss.
Jake Coburne denkt an Bea McLorne.
Sie gefällt ihm sehr.
Er fragt sich, ob aus ihr und Tom Kellog nach so vielen Jahren wieder ein Paar geworden wäre.
Wahrscheinlich schon, denn Tom war ein prächtiger Bursche.
Aber es ist nicht mehr dazu gekommen. Sie konnten sich nicht noch einmal neu oder wieder kennenlernen. Sie wussten nur voneinander – und dass sie sich früher einmal liebten und die Treue schworen.
Doch Bea ist jetzt nicht mit einer trauernden Braut oder gar Witwe zu vergleichen.
Nein, so ist es nicht.
Das macht ihm Hoffnung.
Denn er gesteht sich ein, dass er sie gerne haben möchte. Ja, verdammt, sie wäre die Erfüllung seiner Wünsche.
Und Tom wäre es im Jenseits sicherlich recht.
Er denkt nun so intensiv an Bea, dass er sich gar nicht wundert, als er sie kommen sieht. Auch ihre Gestalt hebt sich gegen die Lichter des Ortes ab. Sie schleppt unter dem Arm einen Sack, eine Art Seesack, wie ihn Matrosen an Bord mitnehmen, gefüllt mit allen möglichen Dingen. In der anderen Hand trägt sie eine prall gefüllte Reisetasche.
Und ihre schlanke und doch so weibliche Gestalt steckt in einem Lederanzug.
Sie muss im General-Store einige zweckmäßige Einkäufe gemacht haben.
Aber Geld besitzt sie ja inzwischen reichlich. Der Handelsagent händigte ihr das Erbe aus, das Tom Kellog ihr hinterließ. Aber sie ließ sich nur einen Betrag von dreihundert Dollar geben. Das andere Geld sollte der Agent weiter für sie verwahren.
Sie hat nun Jake Coburne erreicht und hält auf der anderen Seite des Feuers inne, so wie es vorhin die beiden Männer taten.
Coburne hat das Feuer wieder richtig in Gang gebracht.
Im Feuerschein betrachten sie sich.
»War das Hotelzimmer nicht gut genug?« So fragt er. »Waren dort Wanzen oder Flöhe, vielleicht gar Läuse?«
»Nein«, erwidert sie. »Aber da wir Wochen zusammen in Camps verbringen werden, können wir ebenso gut auch jetzt schon damit anfangen.«
Sie stellt den Sack auf den Boden, setzt die prallgefüllte Reisetasche daneben ab.
»Gegessen habe ich schon«, sagt sie. »Haben Sie eine Bettrolle für mich besorgt, so wie Sie es versprachen?«
Er erhebt sich wortlos, geht zum Kanu, das halb auf trockenes Land gezogen wurde, und holt ein Bündel heraus. Es erweist sich als ein in geteerte Segeltuchplane gerollter Schlafsack.
Als er alles ausgerollt hat, hält er inne und blickt Bea im Feuerschein an. »Dieser Schlafsack«, sagt er, »ist groß genug für zwei Menschen. Was ist, wenn ich auf die Idee komme, ihn mit dir teilen zu wollen, Bea?«
Sie schweigt noch, aber sie erwidert im Feuerschein seinen Blick.